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Der Anfang, das Ende, die Liebe

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07.10.2015
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Der Anfang, das Ende, die Liebe

Die Sonne sticht vom weißen Verputz. Überall sitzen sie in den Cafés. Ein Geschäftsmann im Hawaiihemd hält eine Muschelkette in den Fingern und schaut sich wie ratsuchend um. Ein Kind dreht einen Postkartenständer. Eine Dame im gepolsterten Blazer wischt dem Gatten einen Krümel vom Mund. Unter gläsernen Vitrinen türmt sich Eis. Eine Feder wippt an einem Hut. Zwei schmale junge Leute, die sich seit heute kennen, küssen sich.

Die Saison ist bald zu Ende. Am Strand vorhin sind die Menschen schon weniger gewesen, an der Hafenpromenade findet sich Pascal noch immer im Gedränge. Er will einmal ganz um den Hafen herum, dann auf der anderen Seite bei der Steilküste wieder ans Meer. So viel Zeit darf er sich an diesem Nachmittag lassen.

Eine junge Frau stellt sich ihm in den Weg und reckt das Kinn vor. Sie hält ihm eine Kamera hin. Ob er sie fotografieren könne, hier so: Sie zeigt mit dem Arm rückwärts, ohne hinzusehen, wedelt mit der Hand, die Finger gespreizt. Ihre Freundinnen stehen dort bei einem Poller. Hinter ihnen ragen die Masten der Segelboote in die Höhe. Das Mädchen streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht, hoch bis über die Stirn, hält sie dort fest und schirmt die Augen gegen die Sonne ab. Durch die Finger hindurch fällt Licht auf ihren Mund. Pascal lässt sich die Kamera geben.

Für jetzt ist er ganz Teil des Schwarms, der hier flaniert, der sich nicht sorgen muss, auf Zeit hierher gehört, die späten Sommertage genießt, eine Yacht hat am Hafen. Er lässt sich durch die Menge treiben, ohne viel zu säumen. Vor Sonnenuntergang möchte er zurück.
Alles hier erscheint ihm neu. Weiße flache Häuser, warm beschienen, frisch und glänzend. Poliertes Pflaster, über das er schreitet. Das alles gab es damals noch nicht.
Am Ende der Fußgängerzone aber quert eine Straße, dahinter führt eine Treppe wenige Meter nach unten durch das Kliff zu einem schmalen Streifen Sand. Man steht und staunt: mit einem Mal ganz Wildnis, sobald man nur hinuntergestiegen ist.

Hier unten platziert Pascal die Schuhe auf einem Felsen und geht barfuß ins Meer. Er ist angekommen, am Anfang von allem. Er kennt das alles noch, genau so. Den wie hingeflossen geschichteten Fels, die Abbruchkante der Grasnarbe darüber. Den Sand und das Meer, die hier ihre Namen bekommen haben. Damals war das größer, wilder, echter, aber es muss die Stelle sein, er will es so. Ein Schiff hat er durch die Wellen gezogen und Ball gespielt mit dem Vater. Sonst weiß er nichts Genaues mehr: Der Ort, die Dinge sind da. Sie haben eine Bedeutung, ragen in ihn hinein und bringen gleichwohl nichts mehr ans Licht. Trotzdem gehört das hier herum mehr zu ihm, als alles, was später kam und etwa Anspruch auf Heimat oder Zuhause machen wollte. Das Leben reicht zurück, so weit die Erinnerung reicht. Seins hat hier begonnen.
Pascal kneift die Augen zusammen und schaut in den Himmel. Die wiederkehrende Strömung gräbt schleichend seine Fersen in den Sand. Nun also wirklich wieder hier. Er würde vor Rührung weinen wollen, wenn er nur genauer wüsste, warum.

Es ist ein kleiner Strandabschnitt im Halbrund der Klippen. Die junge Frau steht nicht weit von ihm, als er sie sieht. Die von vorhin: die mit den Sonnenstrahlen auf dem Mund. Sie hält das Kleid mit einer Hand aufgeschürzt und ruft ihren Freundinnen hinter sich etwas zu. Während sie sich dreht in der Hüfte, baumeln die Schuhe an ihren Händen.
Als sie herüberschaut, sieht er eilig wieder dem flachen Wellenschlag zu, der über seine Füße streicht.

Er muss ja auch los. Reibt sich den Sand von den Sohlen, bindet die Schuhe. Dann geht er auf die junge Frau zu, denn dort hinter ihr muss er die Treppe hinauf. Er führt die Augen entlang dem Wellensaum, schaut im letzten Moment nur auf und tatsächlich begegnet er ihrem Blick noch knapp. Und öffnet sie nicht den Mund, als sie ihn ansieht und leckt sich die Lippen? Hebt sie nicht die Hand? Sie will etwas sagen! Da ist er an ihr vorbei. Er nimmt ihr Bild mit sich, um an sie zu denken heute Nacht, sie heimlich mit sich zu vereinigen, wenn er allein ist. Sie wird ihm fehlen.

Wieder hinauf denn, wieder über das geleckte Pflaster. Dann durch wenige Straßenzüge moderner, mondäner, schick und gewöhnlich scheinender Wohnquartiere. Er lässt auch das hinter sich, geht den grünen Hügel hinauf, um dahinter die Straße zu finden.
Bald schon stochert er ohne Weg vorwärts. Ungefähr aus dieser Richtung muss er auch am Mittag gekommen sein. Im Gras stehen Kugeldisteln neben Margeriten. Die Sonne hält sich noch überm Horizont. Er tritt hinweg über grobe Grasbüschel und widerborstiges Kraut. Die Schuhe bleiben in einer Schlinge aus Stängeln und Blättern hängen, die er mit einem Ruck zerreißt. Uneben und manchmal unvorhersehbar ist der Boden, die weit ausgreifenden Schritte sacken ab, wenn hohes Gras eine fußballgroße Grube verborgen hielt.
Pascal aber geht leichtfüßig, wie wenn er die von vorhin neben sich mitführte und seine und ihre Hand im Rhythmus der Schritte mitschwingen ließe. Er nährt und genießt den Trennungsschmerz wie einen Teil von ihr, der ihm geblieben ist.
Das Rauschen der Autos von der Schnellstraße gibt ein Gefühl von Weite. Von hinten leuchtet immer noch die tiefergehende Sonne. Der Duft der Wiese mischt sich mit dem Duft von Salz, das ihm auf der Haut liegt. Die Luft ist feucht und dicht. Frei und leicht geht er, wie eingewoben in ein beginnendes Glück, als sei das Mädchen noch immer neben ihm, als streife der Stoff ihres Sommerkleids seine Fingerspitzen.

Die Richtung muss in etwa stimmen, das Meer liegt ihm im Rücken. Weiter vorn kommt ein Tunnel. Pascal steigt über die Leitplanke, stellt sich auf und hält den Daumen auf Hüfthöhe. Wieder an der Straße. Der Wind weht lau. Grillen lärmen im Ginster. Pascal meint, den Asphalt zu riechen. Er muss nicht weit, dennoch ergreift ihn voll die bekannte Verwegenheit: Autostopp, ganz wie immer, als wäre er so frei wie noch im letzten oder vorletzten Jahr.
Die Autos kommen die Böschung herauf, sind schnell. Man sieht ihn spät und hat dann in der beginnenden Kurve nur den Seitenstreifen. Halten dürfen sie hier nicht, aber jemand wird es tun, das ist immer so. Unklar auch, wohin die Straße führt. Immerhin weg vom Meer, ganz falsch kann es nicht sein. Eine Straßenlaterne geht über ihm an.

Es gibt diese Möglichkeit: Wenn das Mädchen von vorhin vorbeikäme mit seiner Clique. Solche Zufälle hat es hier und da gegeben. Wie das wäre, wenn ein Auto hielte, dann eine Tür aufginge, und er muss sich dann zu ihr und ihren Freundinnen hineinzwängen, ganz dicht neben das Mädchen, weil eigentlich kein Platz mehr frei ist. Der Wunsch gewinnt Kontur, drängt sich vor, als wäre mit ihm etwas zu erreichen.
Es ist bisher nicht kalt. Die Autos fahren zu schnell. Irgendjemand wird ihn dennoch mitnehmen, er kennt das.
Oder aber: wenn niemand ihn mitnimmt wird er umkehren müssen, ein Zimmer finden für die Nacht. Und dann wird er sie vielleicht dort wieder treffen, die eine. Sie werden sich gegenüberstehen, werden verstehen müssen, dass das Schicksal es nicht anders wollte, werden lachen und dann sich gehören für diese Nacht, ohne an eine Zukunft denken zu müssen. Fast wünscht er, dass niemand hält.

Dann aber doch: Ein Auto kommt weit hinten auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Der Fahrer setzt sogleich zurück, beugt sich zur Beifahrerseite und öffnet ihm schon die Tür. Es ist wie immer: Wenn es muss, geht es.
„Béziers?“
„Monte, je te ramène.“
Auf der Beifahrerseite hängt die Sonnenblende lose im Gelenk. Im Fach hinter dem Schalthebel klemmt eine Dose Limo. Das Innenlicht geht nicht mehr ganz aus, von oben kommt es schummrig, auch nachdem die Türen geschlossen sind. Das Lenkrad hat Spiel. Ganz dunkel ist es jetzt draußen. Er sieht im Lichtkegel der Scheinwerfer einige Meter voraus, seitlich dagegen nichts, nur sich selbst schwach in den Scheiben. Pascal lehnt sich in den Sitz.
Er bringe ihn hin, hat der Mann gesagt. Wohin führt aber dann die Straße?
Der Fahrer sitzt krumm hinterm Lenkrad und lächelt gewinnend mit seinen verrotteten Zähnen. Scheu und fast ängstlich. Er nickt ein zweites Willkommen, dann langt er mit einem Arm herüber und versucht, die Sonnenblende zu fixieren, ohne dabei den Blick von der Straße zu nehmen.

Gleichförmig ziehen sie dahin. Es schläfert fast ein, jedenfalls regen sich Träume. Das Meer, die Bedeutung des Ortes und die verflogene Begegnung verschwimmen in ein Gefühl, von dem Pascal wünscht, es möge nicht so bald enden, wenngleich es im herkömmlichen Sinn nicht freudvoll ist.
Er hätte nicht an dem Mädchen vorbeigehen sollen. Was könnte dann sein, stattdessen! Er könnte in diesem Moment, genau jetzt könnte er an ihrer Seite stehen. Ihre Füße dicht neben seinen könnte sie mit den Zehen Halbkreise ins Wasser schreiben, könnte dann aufschauen und etwas sagen. Sie hat ja doch wirklich gelächelt, als er an ihr vorbeiging. Er malt sich aus, was hätte sein sollen: Wie sie seine Hand nimmt. Wie sie beieinander stehen, bis zu den Knien ins Meer gehen und sich hastig aneinander klammern, wenn die Wellen über die hochgekrempelten Kleider schlagen. Wie er ihr erzählt, dass hier, an genau dieser Stelle, sein Leben begonnen hat. Immer noch meint er, Salz auf seinen Lippen schmecken zu können.

Aber so ist es nicht, sondern jemand bringt ihn im Auto zurück zu seinem Hotel, und auch das ist ja gut so. Es läuft. Der Fahrer versucht, das Gelenk der Sonnenblende in die Verankerung zu drücken.

Dann aber: Pascal fährt auf, wehrt ab, ohne zu berühren, da hat der Mann beide Hände bereits wieder am Lenkrad. Auch Pascal sitzt augenblicklich wieder steif. Dazwischen war etwas, und es ist schnell gegangen. Noch mal von vorn: Ist es so gewesen, dass der Fahrer seine Hand auf Pascals Schenkel gelegt und zärtlich darüber hinweggestrichen hat? Und dann hat doch Pascal einen Laut ausgestoßen, hat doch einen dieser Laute hervorgebracht, die man mehr sieht als hört, und hat die Arme gehoben, nicht hoch, als wollte er Ungeziefer abschütteln und mit derselben Absicht, die Hand auf seinem Bein nur ja nicht anzufassen. Und hat er dabei nicht eine entrüstete, angewiderte, zornige, panische Grimasse gezeigt, eine bei Lichte besehen peinlichen Fratze, die das alles zugleich ist, und von der er jetzt hofft, niemand habe sie gesehen. Längst ist die fremde Hand wieder fort, ein wohl entschuldigendes Gemurmel ist vielleicht zu hören gewesen und hat es ungeschehen machen sollen. Pascal sitzt unbeweglich, aufrecht wie zum Sprung. Es ist doch eben so geschehen. Man sitzt noch immer da, unverändert derselbe, aber mit einem Mal weiß man nicht mehr, was kommen wird.

Pascal sieht auf die kurze Spanne Wegs, die der Lichtkegel der Scheinwerfer ausleuchtet. Aus dem Dunkel hervortretende, dann näher kommende Schilder zieht er mit den Augen an, als könnte er so die verbleibende Strecke verkürzen. Da: Béziers! Rechts ab. Der Fahrer blinkt nicht. Schon sind sie vorbei.
Wie eben noch die bloßen Füße im Sand steckten, von den Wellen flach umspült: Ganz gegenwärtig scheint das. Als müsste er es packen und zurückholen können.
Der Mann am Lenkrad ist nicht groß, er sieht schwächlich aus, weit eher unbeholfen als kaltblütig.
Pascal richtet den Blick nach vorne ins Freie hinter der Scheibe, die sein Gesicht spiegelt. Seine Sinne sind geweitet. Im Augenwinkel will er genau wissen, was der Fahrer tut.

Wieder leuchtet ein Straßenschild auf. Pascal bemerkt seine Hände, die sich am Sitz festkrallen, löst sie und legt sie sich auf den Schoß, deutet dann nach vorn, nur mit dem Kinn. Es soll doch jedenfalls nicht furchtsam klingen, wenn er nun sagt: „Béziers.“
Noch immer rechts ab. Wieder vorbei.
Der Mann am Lenkrad wischt mit der Hand geradeaus: „Non, non, c’est plus vite.“ Dann schaut er Pascal an, kümmert sich für Sekunden nicht um die Fahrbahn. Er schaut ihn an, lacht breit, nimmt sich die Zeit. Pascal weiß plötzlich, dass er einmal nur diese Zähne in Erinnerung behalten wird, fleckig und lang, ohne Zahnfleisch. Für einen Moment ist er außen, sieht sich und den Mann wie von oben: Später, wenn es vorbei sein wird, wird er sich an die Zähne erinnern, so denkt er in diesem Moment, als wäre die Last schon abgelegt. Dann ist die kurze Freiheit wieder weg. Er sitzt hier, die Hände im Schoß und es scheint gar nicht, dass das je wieder anders wird. Vollständig füllt es aus. Wann biegt der Mann endlich ab?

„Du bist ganz jung.“ Der Mann grinst wieder rüber.
So einer haust in einem elenden Loch, unaufgeräumt, siffig, ohne Zweifel, ganz wie die abgelebte Karre, in der sie gefangen sitzen. Ein dreckiger Mensch. Das sind Leute, die dir in der Menge hinterherlaufen, um dir von hinten an die Eier zu fassen. Die dich unter die Brücke ziehen wollen, ums da zu treiben. Dass auch so einer ich zu sich sagt!
„Dreißig.“ Es kostet keine Überwindung, aufzurunden.
„Oh. Ich dachte: neunzehn.“
Pascal lacht oder hustet wie entschuldigend, ohne den Mann anzusehen. Er hat ihn im Augenwinkel, und es stimmt, er ist schmächtig.

Sie überholen niemanden, kaum einer kommt entgegen. Rechts und links ist wenig zu erkennen, es ist dunkel, er sieht es nicht genau, anscheinend Wald. Die Sonnenblende wippt schief im Gelenk.
Ein Straßenschild, und wieder eins: Béziers. Zweimal. Unverändert rechts ab.
Ein absurdes Bild steigt vor ihm auf: Wie der Mann seinen Körper danach und noch diese Nacht ins Meer wirft, dort bei den braunen Klippen. Wie sie dann alle kommen, Mutter! Vater!, suchend herumgehen und niemanden mehr finden. Es ist Unsinn und der Spuk bleibt nicht lang. Pascal wünscht nur, dass auch die Hitze, die ihm ins Gesicht gestiegen ist, ihn wieder verlässt.
Der Mann schaut ihn groß an, schaut wieder voraus auf die Straße, dann wieder herüber zu ihm: „Ich bin kein Strizzi.“
Es tönt fast echt, als Pascal erneut lacht statt einer Antwort. Das erleichtert, obwohl es klemmt zwischen Brust und Kehle. Angst? Kein Gedanke. Haha. „Nur weil …ähm…“ An die Stelle von Worten setzt er eine beidhändige, weit ausgreifende, undeutlich erklärende Geste. Man fragt sich nur eben, so erläutert die Geste: Da geht es zum Ziel, fragt man sich. Warum biegt einer dann nicht ab. Man interessiert sich, das ist alles. Pascal sieht seine wedelnden, abwiegelnden Hände vor seinem Gesicht als gehörten sie nicht mehr zu ihm, und dann muss er denken, wie lange er sie noch frei wird bewegen können. Er will raus.
„Verstehe“, sagt der Mann entgegenkommend.

Dann klackert der Blinker und sie biegen ab, wirklich auch rechts. Aber jetzt ist da nichts mehr, kein Leitpfosten, kein Schild. Die Räder rumpeln über Kopfsteinpflaster. Am Straßenrand eine lange Mauer ohne Tor, dann wieder nichts als Gebüsch, das an der Karosserie kratzt. Auf dem Beifahrersitz Pascal: Schlank, sportlich, groß gewachsen. Klebrige Finger, pochender Puls. Die Pupillen geweitet, das kommt vom Dämmerlicht. Er ist jung, gesund, nur das Herz schlägt zu schnell. Er kann noch viele Jahre leben.

Ein heftiger Drang ergreift ihn aus der Mitte seines Körpers. Es erscheint ihm mit einem Mal verlockend wie ein befreiendes Weinen, allen Anstand fahren zu lassen, sich zu erniedrigen, bloßzustellen, und den Mann um Schonung anzuflehen. Sich im Betteln mit ihm gemein zu machen. Loszulassen, die starre Anspannung über Bord zu werfen, etwas tun, wenigstens heulen wie ein Kind oder ein Tier. Er bleibt aber still, atmet nur tiefer, noch hält der Damm.

Dann ist es vorbei. Wie wenn du vom Sprungturm springst und dann ist unten das weiche Wasser. Wenn du fällst ohne Boden, und der Fallschirm öffnet sich. Lichter sind da: Straßenlaternen, Behausungen. Leichtes, fröhliches Dasein rundum. Gleich sind sie oben am Platz bei der Kathedrale. Wie klein die Stadt ja doch ist! Da drüben sieht Pascal auch das Hotel, schlicht, billig, zentral, er deutet darauf. Einen Augenblick lang ist es eine neue Geburt. Im nächsten Moment schon war es nie anders. Das Auto steht noch nicht, da ist bereits alles Böse aus seiner Nähe abgefallen, lachhaft und unecht geworden, kaum schon mehr denkbar.

Pascal hat den Rucksack aufgesetzt, beugt sich zum Abschied wieder ins Auto hinein, quer über den Beifahrersitz ein letztes Mal zu dem Mann, gibt ihm die Hand und drückt fest, jetzt endlich doch von großer Dankbarkeit erfüllt für alles, was ihm nicht geschehen ist. Der Mann schaut Pascal lange an, als wollte er sich sein Bild für immer einprägen. Er weiß, dass es nicht erlaubt ist, dem Jungen noch einmal, auch nur zum Abschied, zart über die Wange zu streichen, und er reibt sich nur selbst mit dem Handballen an der Schläfe. „Bonne Chance“, sagt er dann, und reißt sich los.

Pascal schlendert über den erleuchteten Platz zum Fastfood, Leuchtreklame weist ihm den Weg. Beim Gehen summen ihm plötzlich die Knie, während doch alles schon so fern, so vorbei ist und die geschäftige Zivilisation den Mensch längst wieder hat.
In den weißgekachelten Raum und ins Licht tritt er, steht dann an der Theke und nennt seinen Wunsch. Lässig steht er da, eine Hand am Tresen, einen Fuß auf der Stufe eines Barhockers, sicher und gewöhnlich, als sei es wie jeden Tag. An einem Tisch in der Ecke kauert ein Mann mit verlebtem Gesicht und wischt träge über sein Smartphone. Ein Siebzehnjähriger steht breit in der Tür, jetzt kommen auch seine Freunde und stellen sich forsch und federnd mit ihm in der Reihe an. Jemand setzt sein Glas auf den Tisch und wird wohl gleich gehen. Der Stolz des Abenteurers wirft einen unbestimmten Abglanz auf Pascal, der einen erhabenen Moment hat, als ihm klar wird, wie sie alle hier nicht ahnen, dass er eben noch hart am Abgrund gestanden hat.
Der Mann hinter der Theke reicht ihm den Burger. Es schmeckt nicht gut, aber vertraut.
Pascal denkt wehmütig an das Mädchen, deren Bild jetzt verblasst.

Der Mann mit den schlechten Zähnen ist unterdessen auf dem Weg nach Hause. Er muss denselben Weg zurück. Er biegt auf die Schnellstraße ein, drückt die Sonnenblende in die Verankerung und legt dann schwer die Hand auf den leeren Beifahrersitz. Für einen Moment schließt er die Augen und spielt mit dem Gedanken, sie einfach nicht mehr zu öffnen, so lange, bis etwas passiert. Aber das wagt er nur, weil er genau weiß, er könnte es gar nicht, selbst wenn er wollte.

 

Hallo erdbeerschorsch
OMG, was für starke Geschichten zur Zeit bei uns zu finden sind. Deine gehört zweifellos dazu. Da ist sauviel Dynamik zu erkennen, viele Autoren entwickeln sich weiter, probieren sich aus.
Dein Text ist wunderbar atmosphärisch, leise und schafft es dennoch, eine wahnsinnige Spannung aufzubauen. Hat was Spielberg-mäßiges, was von Hitchcock, wie die Geschichte auf einen vermeintlichen Höhepunkt zusteuert, den es dann klugerweise gar nicht gibt. Gerade, weil du nicht auf Effekte setzt, gewinnt das Ding. Auch die Figurenzeichnung ist sehr gelungen, Ich kann mir die beiden Hauptpersonen plastisch vorstellen. Der junge, unerfahrene Kerl, der Mann, der einen Moment lang aus der Spur gerät, sich wieder fängt. Auch das Mädchen, das mit dem Jungen spielt, die Chance, wenn es denn eine war, die er verpasst, alles in ein sphärisches, südliches Licht getaucht, das sich greifen lässt.

Was mir allerdings zu schaffen gemacht hat, war der letzte Teil. Für mich ist die Geschichte vorbei, als der Junge wider Erwarten, vor dem Hotel aussteigt. Der ganze Burger-Kram, den bräuchte es für meinen Geschmack nicht. Der letzte Ansatz würde auch reichen, das Ganze runder machen.

Paar Textstellen, die sich auf die Version von vor ein paar Tagen beziehen:

[QUOTEZwei schmale junge Leute, die sich seit heute kennen, küssen sich.][/QUOTE]:Pfeif:schön

Er lässt sich durch die Menge treiben, ohne viel zu säumen.
säumen klingt sehr antiquiert

Damals war das größer, wilder, echter, aber es muss die Stelle sein, er will es so.
so spielt man mit seinen Erinnerungen, klasse

[Das Leben reicht zurück, so weit die Erinnerung reicht. Seins hat hier begonnen./QUOTE]bleibt mir zu vage

[QUOTEdie mit den Sonnenstrahlen auf dem Mund. ]

bisschen schwülstig, aber gut

Sie will etwas sagen! Da ist er an ihr vorbei. Er nimmt ihr Bild mit sich, um an sie zu denken heute Nacht, sie heimlich mit sich zu vereinigen, wenn er allein ist. Sie wird ihm fehlen.
echt jetzt? das mit dem vereinigen könntest du weglassen, ist zu viel...

als sei das Mädchen noch immer neben ihm, als streife der Stoff ihres Sommerkleids seine Fingerspitzen.
wieder ein schöne Stelle

Er muss nicht weit, dennoch ergreift ihn voll die bekannte Verwegenheit:
das "voll" passt nicht zum Sound

Es schläfert fast ein, jedenfalls regen sich Träume.
schläft

[ein wohl entschuldigendes Gemurmel war vielleicht zu hören gewesen/QUOTE]das ist nicht elegant... so?:; womöglich hörte er eine gemurmelte Entschuldigung

Das war's erst mal, schöne Geschichte:thumbsup:

viele Grüße
Isegrims

 

Hey @erdbeerschorsch

Dir ist es hier wunderbar gelungen, Spannung aufzubauen, den Leser zu fesseln und mitzureißen. Und auf was für eine kreative Art! (Mal ganz abgesehen davon, dass ich es genial finde, dass hier nicht eine Frau Angst hat, vergewaltigt zu werden, sondern dass diese Angst einem Mann passiert - was selbstverständlich beides im echten Leben vorkommt, aber wie ich finde, im Fall von 'Mann belästigt Mann' doch oft zur Seite geschoben oder verharmlost wird)

Was mich besonders beeindruckt hat, ist wie du spontan und ganz kurz die chronologische Erzählweise durcheinanderrüttelst:

Dann aber: Pascal fährt auf, wehrt ab, ohne zu berühren, da hat der Mann beide Hände bereits wieder am Lenkrad. Auch Pascal sitzt augenblicklich wieder steif. Dazwischen war etwas, und es ist schnell gegangen. Noch mal von vorn: Ist es so gewesen, dass der Fahrer seine Hand auf Pascals Schenkel gelegt und zärtlich darüber hinweggestrichen hat?

Es passiert was, und dann ist es auch schon wieder vorbei, und dann kommen wir nochmal darauf zurück, nochmal von Anfang an, was ist denn jetzt genau passiert? Du schaffst es, dass der Leser einen Augenblick lang genauso überrascht und verwirrt ist wie Pascal, und das ist große Klasse. Ich sitze hier und bin schwer beeindruckt, weil es erzähltechnisch einfach so gut funktioniert.

Was ich auch noch anmerken möchte: Der subtile und elegante Schreibstil, der sich durch die ganze Geschichte zieht, ist für mich perfekt. Ich habe einige Kommentare überflogen, in denen nach mehr Direktheit und klareren Aussagen gefragt wurde, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Ich finde auch das Detail mit den Zähnen sehr gut gelungen - in Angstsituationen wird einem leicht ein normalerweise unwichtiges, vielleicht besonders abstoßendes Detail plötzlich extrem bewusst, so sehr, dass sich das Hirn darauf fokussiert, auch wenn es für die Bedrohung an sich nicht von Bedeutung ist. Dadurch, dass du das so herausgearbeitet hast, fühlt man die Angst des Protagonisten noch stärker.

Liebe Grüße von Pumpkin, die viel von deinem Text lernen konnte und froh ist, ihn gelesen zu haben!

 

Lieber erdbeerschorsch,

weiter geht’s.

Er steigt über die Leitplanke, stellt sich auf und hält den Daumen auf Hüfthöhe. Der Wind weht lau. Grillen lärmen im Ginster. Wieder an der Straße. Pascal meint, den Asphalt zu riechen. Er muss nicht weit, dennoch ergreift ihn voll die bekannte Verwegenheit: Autostopp, ganz wie früher, wie noch vor wenigen Jahren.
Hier finde ich, dass der fett markierte Satz an anderer Stelle besser passt (nur so ein Gefühl):

Er steigt über die Leitplanke, stellt sich auf und hält den Daumen auf Hüfthöhe. Wieder an der Straße. Der Wind weht lau. Grillen lärmen im Ginster. Pascal meint, den Asphalt zu riechen. Er muss nicht weit, dennoch ergreift ihn voll die bekannte Verwegenheit: Autostopp, ganz wie früher, wie noch vor wenigen Jahren.

Man sieht ihn spät und hat dann in der beginnenden Kurve nur den Seitenstreifen. Halten dürfen sie hier nicht, aber jemand wird es tun, das ist immer so.
Mir wird nicht klar, ob er den absoluten Willen hat, mitgenommen zu werden. Wenn ja, dann würde er doch ein Stück weitergehen, wo man ihn besser sieht und wo die Autos besser halten können. Oder ist woanders keine Straßenlaterne und er würde im Dunkeln stehen?

Es gibt diese Möglichkeit: Wenn
Oder aber: wenn
Du schreibst mal groß, mal klein weiter nach dem Doppelpunkt.

Der Fahrer setzt sogleich zurück und öffnet ihm von innen die Tür.
„von innen“ kannst du streichen. Das ist klar, er steigt ja nicht aus, geht um den Wagen herum und öffnet dann von außen die Beifahrertür :lol:

„Monte, je te ramène“
„Monte, je te ramène.“
Auch bei französischer, wörtlicher Rede ist ein Satzzeichen notwendig. :)

Auf der Beifahrerseite hängt die Sonnenblende lose im Gelenk, man sieht Kabel.
Hier habe ich mich die ganze Zeit gefragt, was das für Kabel sein sollen. (Soll er damit gefesselt werden usw.) Ist das wichtig?

Wie er ihr erzählt, dass hier, an genau dieser Stelle, sein Leben begonnen hat.
Das mit dem „hier hat sein Leben begonnen“ zieht sich durch den ganzen Text. Aber am Ende bleibe ich ratlos zurück, was damit genau gemeint war. :confused:

Und hat er dabei nicht eine entrüstete, angewiderte(n), zornige(n), panische(n) Grimasse gezeigt, eine bei Lichte besehen peinliche(n) Fratze,
Ein paar n zu viel.

Der Mann am Lenkrad ist nicht groß, er sieht schwächlich aus, weit eher unbeholfen als kaltblütig.
Sehr gut gemacht. Man bemerkt, wie er ihn abschätzt.

Er schaut ihn an, lacht breit und lieb, nimmt sich die Zeit.
Hättest du hier „lieb“ gestrichen, wäre eine vermutlich bevorstehende Gefahr gegenwärtiger. Hätte mir besser gefallen.

Pascal weiß plötzlich, dass er einmal nur diese Zähne in Erinnerung behalten wird, fleckig und lang, ohne Zahnfleisch.
Wird er sie nur einmal in Erinnerung behalten? :D

„Ich bin kein Strizzi.“
Ist das nicht ein österreichischer Ausdruck? Passt meines Erachtens hier gar nicht hin.

Hat mir sehr gut gefallen, erdbeerschorsch.
Obwohl, ehrlich gesagt, hättest du daraus auch zwei Geschichten machen können.
Die Tramperszene gefällt mir wesentlich besser, der Zusammenhang zum ersten Teil erschließt sich mir persönlich nicht so sehr, bzw. diese Szene hätte auch ohne das Mädchen funktioniert.

Schönen Tag noch.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Liebe Isegrims,

jetzt wird es aber Zeit, dass ich auf deinen Kommentar antworte, über den ich mich schon den ganzen Tag freue. Schön, dass dir der Text gefallen hat.

Die Idee, die Geschichte früher enden zu lassen, ist gar nicht schlecht. Ich setze das jetzt mal nicht überhastet um, aber das hat etwas für sich. Komischerweise bin ich darauf nie gekommen. Ich hatte nur darüber nachgedacht, den allerletzten Abschnitt wegzulassen, und das kommt mir eher weniger rund vor. Aber die letzten beiden Absätze - ja, das könnte schon gehen. Auch dann würde die Geschichte aus der Perspektive des Mannes mit den schlechten Zähnen enden, und das hätte ich eben schon gerne, dass man mit einem sympathischen Blick auf ihn weggeht.

säumen klingt sehr antiquiert
Ich habe da etwas rumprobiert, so mit "ohne sich aufzuhalten" o.ä. Ginge schon auch. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das Säumen nicht doch zur Atmosphäre beträgt. jedenfalls fand ich die Alternativen, die mir eingefallen sind, bisher noch nicht ganz überzeugend.

Das Leben reicht zurück, so weit die Erinnerung reicht. Seins hat hier begonnen.
bleibt mir zu vage
Wäre anscheinend nicht schlecht, hier noch etwas an den Schräubchen zu drehen. Es gab auch andere, die das nicht ganz ausgereift fanden.

das mit dem vereinigen könntest du weglassen, ist zu viel...
Ja, kann gut sein. Ich hatte sogar zwischendurch die Idee, das noch stärker zu machen, so dass sich noch deutlicher eine Parallele zwischen Pascal und dem Mann ergibt: Beide wollen von jemandem Besitz ergreifen, den sie kaum kennen. Schien mir dann aber übertrieben auf Konstruktion ausgerichtet. Aber ein paar Ansätze und die Richtung gibt es halt trotzdem. Eigentlich würde es mir schon immer noch gefallen, wenn man so eine Parallele erkennen kann. Ich lasse den Satz deswegen erst mal. Dabei bin ich mir aber weder sicher, ob er überhaupt ausreicht, noch ob es nicht sogar ohne ihn ausreicht...

das "voll" passt nicht zum Sound
Jo, stimmt eigentlich. Gedacht war halt: Die Verwegenheit könnte ihn ja auch nur so andeutungsweise ergreifen, weil er eben nicht weit muss. Vielleicht finde ich was besseres; oder vielleicht ist der Unterschied auch unwichtig und es kann einfach weg...

schläft
Halt, halt: "Es schläfert" im Sinne von: Die gleichförmige Fahrt schläfert ihn fast ein. Aber dann ist es evtl. besser mit ihn? Außerdem, warum eigentlich nicht "er schläft fast ein"...? Könnte auch gehen.

ein wohl entschuldigendes Gemurmel war vielleicht zu hören gewesen
Klingt ein bisschen geschraubt, stimmt's? Aber ich muss zugeben, im Moment gefällt es mir noch so.

Herzliche Dank für's Lesen und Kommentieren!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Liebe pumpkin,

vielen Dank auch dir für den schmeichelhaften Kommentar! Da scheint ja mal alles gepasst zu haben. Das ist natürlich ganz erfreulich. Klar, kritische Stimmen sind auch schön, wenn man eben sieht, dass sich da Leute Gedanken machen und sich mit interessanten Ideen melden, und vor allem sind sie wichtig. Aber gar kein Kritikpunkt, und das nicht so schnell mal kurz "hey, alles toll" sondern auch noch als ziemlich ausführliche Stellungnahme - tja, was soll ich sagen, das ist schon auch was Feines.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Lieber GoMusic,

vielen Dank für's neuerliche Hineinschauen und deinen unermüdlichen Fleiß. Ich hätte es sogar verstehen können, wenn du die Fortsetzung doch sein gelassen hättest, es gibt auch so ja immer genug zu tun. Aber klar, ich habe schon auch drauf gewartet :)

Er steigt über die Leitplanke, stellt sich auf und hält den Daumen auf Hüfthöhe. Wieder an der Straße. Der Wind weht lau. Grillen lärmen im Ginster. Pascal meint, den Asphalt zu riechen. Er muss nicht weit, dennoch ergreift ihn voll die bekannte Verwegenheit: Autostopp, ganz wie früher, wie noch vor wenigen Jahren.
Dagegen kann ich nichts sagen - machen wir so.

Mir wird nicht klar, ob er den absoluten Willen hat, mitgenommen zu werden. Wenn ja, dann würde er doch ein Stück weitergehen, wo man ihn besser sieht und wo die Autos besser halten können. Oder ist woanders keine Straßenlaterne und er würde im Dunkeln stehen?
Es ist ja eine Schnellstraße, daran weiter entlang zu laufen wäre auch nicht lustig. Aber stimmt: warum ausgerechnet dort, wo man ihn auch noch spät sieht? Es könnte nicht schaden, ein Hindernis einzubauen, das ihn deutlich auf diese Stelle festlegt. Weiter hinten kommt ein Tunnel, vielleicht so was?

„von innen“ kannst du streichen. Das ist klar, er steigt ja nicht aus, geht um den Wagen herum und öffnet dann von außen die Beifahrertür :lol:
Huch, das kling überraschend überzeugend:Pfeif: Trotzdem, komisch, ganz ersatzlos streichen traue ich mich nicht. Hat man das dann wirklich vor Augen? Ich versuche es mal mit "schon" statt "von innen", das kommt mir noch akzeptabel vor.

Hier habe ich mich die ganze Zeit gefragt, was das für Kabel sein sollen. (Soll er damit gefesselt werden usw.) Ist das wichtig?
Es schauen die Kabel für die Beleuchtung dieser Sonnenblende raus. Die Idee war, dass man ein halbwegs heruntergekommenes Auto vor sich sehen soll. Klappt nicht? Dann muss ich da wohl noch was tun.

Das mit dem „hier hat sein Leben begonnen“ zieht sich durch den ganzen Text. Aber am Ende bleibe ich ratlos zurück, was damit genau gemeint war.
Ging mehreren so...


Hättest du hier „lieb“ gestrichen, wäre eine vermutlich bevorstehende Gefahr gegenwärtiger. Hätte mir besser gefallen.
Auch das ist nachvollziehbar. Ich dachte eigentlich so: Man liest "lieb", denkt: "ha, falsche Fährte, der ist bestimmt fies", und dann war das aber eine falsche falsche Fährte. Funktioniert nicht? Ich frag mich gerade, wie ich darauf kommen konnte. Schnell mal streichen.

Obwohl, ehrlich gesagt, hättest du daraus auch zwei Geschichten machen können.
Die Tramperszene gefällt mir wesentlich besser, der Zusammenhang zum ersten Teil erschließt sich mir persönlich nicht so sehr, bzw. diese Szene hätte auch ohne das Mädchen funktioniert.
Ja, das kann sein. Ich wollte aber den Kontrast schon haben: Er hofft auf Zuneigung, und die kriegt er auch, nur eben anders. Insgesamt bin ich eigentlich schon froh, dass es für manche (in der gedachten oder einer anderen Form) stimmig gewesen ist. Dabei finde ich ja selbst den Zusammenhang etwas lose und hätte nichts dagegen, wenn mir noch etwas einfallen würde, ihn zu stärken.

Ich danke herzlich für den großen Einsatz und die Ausdauer!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Lieber erdbeerschorsch,

ich nochmal ganz kurz.

Es ist ja eine Schnellstraße, daran weiter entlang zu laufen wäre auch nicht lustig. Aber stimmt: warum ausgerechnet dort, wo man ihn auch noch spät sieht? Es könnte nicht schaden, ein Hindernis einzubauen, das ihn deutlich auf diese Stelle festlegt. Weiter hinten kommt ein Tunnel, vielleicht so was?
Der Tunnel ist eine gute Idee.

Zitat von GoMusic
„von innen“ kannst du streichen. Das ist klar, er steigt ja nicht aus, geht um den Wagen herum und öffnet dann von außen die Beifahrertür
Huch, das kling überraschend überzeugend Trotzdem, komisch, ganz ersatzlos streichen traue ich mich nicht. Hat man das dann wirklich vor Augen? Ich versuche es mal mit "schon" statt "von innen", das kommt mir noch akzeptabel vor.
Du könntest ja schreiben, dass er sich zur Beifahrerseite beugt, um die Tür zu öffnen.

Es schauen die Kabel für die Beleuchtung dieser Sonnenblende raus. Die Idee war, dass man ein halbwegs heruntergekommenes Auto vor sich sehen soll. Klappt nicht? Dann muss ich da wohl noch was tun.
Also ich persönlich habe noch nie Kabel aus einer Sonnenblende heraushängen gesehen.
Wenn du das Auto als ein wenig heruntergekommen beschreiben möchtest, würde ich etwas anderes wählen, nicht gerade eine Stelle im Fahrzeug, an der man i.d.R. relativ selten herumfuchtelt bzw. wo eigentlich ja nichts kaputt gehen kann.
Z.B. ein übergelaufener Aschenbecher, quietschende Scheibenwischer, zerfetzte Stoff-Fußmatten, fleckiges Sitzpolster, kaputter Außenspiegel … Such dir was aus :D

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo erdbeerschorsch,

dass du mich hinter der letzten Maske vermutet hast, hat mich gefreut. Wirklich schön, wie du meine Geschichten bzw. meinen Schreibstil beschrieben hast. :)

Ich beginne mal damit, was ich mir beim ersten Lesen deiner Geschichte notiert habe.

Ein Geschäftsmann im Hawaiihemd hält eine Muschelkette in den Fingern und schaut sich wie ratsuchend um.
Klar, der Erzähler weiß alles, aber muss er denn wissen, dass der Mann im Hawaiihemd ein Geschäftsmann ist? Daran habe ich mich irgendwie gestört. Auch das "wie" vor "ratsuchend" hätte es für mich nicht unbedingt gebraucht.

Sie streckt den Arm nach rückwärts
"nach rückwärts" finde ich unschön

Für jetzt ist er ganz Teil des Schwarms, der hier flaniert, der sich nicht sorgen muss, auf Zeit hierher gehört, die späten Sommertage genießt, eine Yacht hat am Hafen.
Musste ich zweimal lesen, finde ich nun aber wunderschön. Ein großartiger Satz!

dahinter führt eine Treppe wenige Meter nach unten durch das Kliff zu einem schmalen streifen Sand
Streifen

Uneben und manchmal unvorhersehbar ist der Boden, die weit ausgreifenden Schritte sacken ab, wenn hohes Gras eine fußballgroße Grube verborgen hielt.
Hier würde ich im Präsens bleiben, also "hält"

Pascal aber geht leichtfüßig, wie wenn er die von vorhin neben sich mitführte und seine und ihre Hand im Rhythmus der Schritte mitschwingen ließ.
Konjunktiv 2 = er ließe

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen und bin auch nicht enttäuscht, dass es sich bei den schmalen jungen Leuten, die sich seit heute kennen und küssen, nicht um Pascal und "die von vorhin" handelt, obwohl ich eigentlich darauf gewartet habe, dass sich die beiden noch ein drittes Mal begegnen. Der Ausflug zur Angst im Auto ist aber so glaubhaft und spannend geschildert, dass er das Verblassen der Erinnerung an das Mädchen verzeiht.
Ich habe mich beim Lesen übrigens sehr an Bernhard Schlink erinnert gefühlt. Man erfährt wenig bis gar nichts von den Charakteren und doch entsteht ein Bild, mit dem man etwas anfangen kann.
Schöner Text, Erdbeerschorsch.

Liebe Grüße,
JackOve

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber GoMusic,

Der Tunnel ist eine gute Idee.
Wird also wohl reinkommen, ich muss aber noch überlgen wie.

Du könntest ja schreiben, dass er sich zur Beifahrerseite beugt, um die Tür zu öffnen.
An sich keine schlechte Lösung. Ich hab das gestern mal einen Moment lang so eingefügt gehabt, aber dann doch nicht abgespeichert. Mir schient, du hattest eh schon recht: Man versteht es auch so.


Z.B. ein übergelaufener Aschenbecher, quietschende Scheibenwischer, zerfetzte Stoff-Fußmatten, fleckiges Sitzpolster, kaputter Außenspiegel … Such dir was aus :D
Das fleckige Sitzpolster wollte ich nehmen, aber dann kam mir das doch an der Stelle überladen vor. Ich hab doch erstmal einfach nur die Kabel gestrichen. Aus deinem Geschenkekorb bediene ich mich später vielleicht trotzdem noch ;)

vielen Dank für’s Dranbleiben!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

———————————


Hallo JackOve,

schön, dass du hier vorbeischaust. Du siehst, ich bin schon gelegentlich an deinen Geschichten hängengeblieben, wenn ich auch bisher noch keine sichtbaren Spuren dort hinterlassen habe.


Klar, der Erzähler weiß alles, aber muss er denn wissen, dass der Mann im Hawaiihemd ein Geschäftsmann ist? Daran habe ich mich irgendwie gestört.
Ja, das ist nachvollziehbar. Auf der andern Seite bin ich mir aber nicht sicher, wie viel diese Kleinigkeit zur Atmosphäre beiträgt. Mit dem „Geschäftsmann“ ist ein Beruf angedeutet, und der Mensch hat jetzt frei und kann durchatmen. So fühlen sich die Leute, die da unterwegs sind. Braucht’s vielleicht nicht, aber ich lasse es erstmal so.

Auch das "wie" vor "ratsuchend" hätte es für mich nicht unbedingt gebraucht.
Bleibt aber auch erstmal, denn ohne „wie“ hätte ich die Befürchtung, man wartet als Leser darauf, dass dann noch was kommt. Oder tut man das auch so schon? Das wäre an der Stelle nämlich keine Absicht.

"nach rückwärts" finde ich unschön
Ich find’s an sich ok, hätte aber auch „hinter sich“ genommen, wenn „hinter“ nicht wenig später bei den Masten schon gesetzt wäre.

Musste ich zweimal lesen, finde ich nun aber wunderschön. Ein großartiger Satz!
Freut mich sehr. Aber, tja, zweimal lesen: Sollte man eigentlich nicht müssen. Ob ich doch nochmal dran muss, obwohl dir der Satz so gefällt? Erstmal lass ich ihn so.

Hier würde ich im Präsens bleiben, also „hält"
Hab ich drüber nachgedacht, aber auch das bleibt erst einmal. Irgendwie möchte ich gerne die Zeitstufe darin haben, im Sinne von: Wenn man reingetreten ist, ist die Grube nicht mehr verborgen. „Gehalten hat“ wäre womöglich die Schulbuchlösung, gefällt mir hier aber nicht.

bin auch nicht enttäuscht, dass es sich bei den schmalen jungen Leuten, die sich seit heute kennen und küssen, nicht um Pascal und "die von vorhin" handelt, obwohl ich eigentlich darauf gewartet habe, dass sich die beiden noch ein drittes Mal begegnen.
Ja, das überrascht mir gar nicht mal. Es war nicht direkt Absicht, aber mir schien es auch nicht verkehrt, wenn man das erwartet. Ich hatte es so ein bisschen auf eine Art Spiegelung abgesehen: Da klappt etwas ganz locker, was bei den anderen später dann nicht klappt.

Der Ausflug zur Angst im Auto ist aber so glaubhaft und spannend geschildert, dass er das Verblassen der Erinnerung an das Mädchen verzeiht.
Interessant, wie unterschiedlich die Fahrt wahrgenommen wird. Manche fanden es an der Stelle langatmig, andere haben es gesehen wie du. Irgendwie gefällt es mir sogar, wenn nicht alle gleich reagieren, aber ich weiß eigentlich nicht genau, was mir daran gefällt…

Herzlichen Dank für deine Besuch und die kritischen Anmerkungen! Ach, und für die lobenden natürlich auch :D

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo nochmal erdbeerschorsch,

wow, da hat sich das Stöbern gelohnt, was für eine tolle Geschichte! Die Beschreibungen, Formulierungen,
sehr, sehr cool. Zunächst nimmst du den Leser mit in eine erinnerungsträchtige Urlaubssituation, dazwischen so nette Sätz wie

Das Leben reicht zurück, so weit die Erinnerung reicht.
- der zwar nicht stimmt, aber trotzdem gedacht werden könnte und durch das Drüber-Nachdenken inspiriert.
Hier unten platziert Pascal die Schuhe auf einem Felsen und geht barfuß ins Meer. Er ist angekommen, am Anfang von allem. Er kennt das alles noch, genau so: Den wie hingeflossen geschichteten Fels, die Abbruchkante der Grasnarbe darüber.
Diese Stelle zeigt, was mich auch ansonsten an dieser Geschichte begeistert, die genauen Beobachtungen, durch die Stimmungen entstehen. Hier ist ein Wort zuviel (was):
Die Pupillen geweitet, was an sich kein Wunder im Dämmerlicht.

Dass die Geschichte in zwei Teile zerfällt und viel in den Gedanken des Prots spielt macht in diesem - seltenen - Fall nichts aus, weil mich die Sprache so mit sich nimmt, dass ich all dem gerne folge.

Klasse!

Gruß,

Eva

 

Liebe Eva Luise Groh,

das freut mich ja, wie dir die aufgestöberte Geschichte gefällt!

Hier ist ein Wort zuviel (was):
Das hab ich jetzt insgesamt geändert: "An sich" und "Kein Wunder" fand ich jetzt nicht mehr so gut.

Dabei sind mir dann noch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen, die ich abgeändert habe. Ganz wenig, lohnt sich gar nicht, darüber zu sprechen. Ich wollte nur noch herzlichen Dank dafür sagen, dass du mir den Anlass gegeben hast.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch,

ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen!

Habe auch den Thread, so gut es ging, quergelesen, um nicht lauter Sachen zu wiederholen, die dir andere Wortkrieger schon geschrieben haben.

Ganz beherrschen kann ich mich in diesem Punkt dann aber doch nicht. :D

Genau wie barnhelm finde ich die Kombination mondän + gewöhnlich schwer zu ertragen. Wenn du ins Synonymwörterbuch schaust, stellst du fest, dass viele Bedeutungen dieser beiden Wörter sich gegenseitig ausschließen. Ich weiß genau, was du meinst, und ich weiß auch, wie sorgfältig gerade du über deine Wortwahl nachdenkst. Trotzdem kann ich mir diese Bemerkung nicht verkneifen.

Es gibt furchtbar viele Doppelpunkte in deiner Geschichte. Fast so, dass es mich ablenkt. Ich frage mich, ob nicht an der einen oder anderen Stelle auch ein Gedankenstrich oder ein Komma möglich gewesen wäre.

Deine Groß- und Kleinschreibung nach den Doppelpunkten ist mir auch nicht immer plausibel. Wenn kein vollständiger Satz folgt, wenn man auch einen Gedankenstrich setzen könnte, sollte man dann nicht klein weiterschreiben? Etwa hier:

"Er kennt das alles noch, genau so: Den wie hingeflossen geschichteten Fels, die Abbruchkante der Grasnarbe darüber."

Im folgenden würde ich aber groß weiterschreiben und nach "mitnimmt" ein Komma setzen:

"Oder aber: wenn niemand ihn mitnimmt wird er umkehren müssen, ein Zimmer finden für die Nacht."

Nächste Frage, reine Neugier, das "hielt" im folgenden Satz, was ist das denn für eine Form? Ist das Imperfekt, ist das Konjunktiv?

"Uneben und manchmal unvorhersehbar ist der Boden, die weit ausgreifenden Schritte sacken ab, wenn hohes Gras eine fußballgroße Grube verborgen hielt."

Während der Autofahrt wird mal französich, mal deutsch gesprochen. Das geht hin und her, und ich verstehe nicht warum.

Mich hat beim Lesen irritiert, dass ich erst relativ spät erfahre, wie alt Pascal ist. Als er im vierten Absatz über "damals" sinniert, sehe ich ihn als einen alten Mann vor mir, à la "Der Tod in Venedig" von Th. Mann. Irgendwie hätte ich schon gerne früh einen Anhaltspunkt dafür gehabt, dass Pascal unter dreißig ist.

So, jetzt habe ich genug herumgekrittelt.
Die Atmosphäre, die du in dieser Geschichte schaffst, die ist unglaublich dicht! Ich bin sehr, sehr beeindruckt. :thumbsup:

LG, Anne

 

Hi Anne49,

na, wenn das so ist:

Ich bin sehr, sehr beeindruckt. :thumbsup:
dann wäre es eine große Versuchung, über alles weitere mal lieber gar nicht zu reden. :shy:


finde ich die Kombination mondän + gewöhnlich schwer zu ertragen.
Schwer zu ertragen sogar! Das ist ein wenig paradox, das muss ich zugeben. Absicht war das natürlich, aber nicht alle Absichten sind gut, wie wir wissen. Das könnte ich abmildern, indem ich so in der Art schreibe: Sie scheinen ..., sind letztlich aber doch ... Aber, hm, was soll ich sagen: Ich kann mich nicht dazu durchringen.

Es gibt furchtbar viele Doppelpunkte in deiner Geschichte. Fast so, dass es mich ablenkt. Ich frage mich, ob nicht an der einen oder anderen Stelle auch ein Gedankenstrich oder ein Komma möglich gewesen wäre.
Vor den hingeflossenen Fels habe ich jetzt sogar einen Punkt gesetzt. Geht auch, denke ich.

Die anderen Doppelpunkte schau ich mir mal noch an.

Nächste Frage, reine Neugier, das "hielt" im folgenden Satz, was ist das denn für eine Form? Ist das Imperfekt, ist das Konjunktiv?
Das ist Imperfekt (bzw. richtiger eigentlich Präteritum). Ich kann mir vorstellen, warum du stolperst: Eigentlich wäre da Perfekt gefordert. Das klingt mir da aber irgendwie zu lang: "... eine fußballgroße Grube verborgen gehalten hat." Ich lass es mal so.

Während der Autofahrt wird mal französich, mal deutsch gesprochen. Das geht hin und her, und ich verstehe nicht warum.
Sprachen mischen ist ja eigentlich immer problematisch. Den Fahrer lass ich mal noch weiter so reden, bei Pascal hab ich's getilgt. Jetzt hat es immerhin eine Art System: Der Fahrer redet nach Möglichkeit Französisch, aber nur, wenn ein kurzer Satz im Grunde allein steht, nicht im Dialog. Ob das so gut ist? Weiß nicht ...

Mich hat beim Lesen irritiert, dass ich erst relativ spät erfahre, wie alt Pascal ist.
Ich hätte gedacht, weil er sich mit einem "Mädchen" mehr oder weniger auf einer Ebene sieht, wäre man automatisch dazu eingeladen, ihn jünger zu sehen. Aschenbach ist ein respektables Gegenargument. Ich hätte dann noch das Trampen anzubieten, das machen Ältere ja auch nicht so häufig (kommt aber vor, stimmt). Also: Ich weiß ehrlich gesagt im Moment nicht, wie ich das unauffällig noch deutlicher machen kann. Und auffällig möchte ich nicht so gern.

Also dann: Herzlichen Dank für's Lesen, Kommentieren und Den-Ball-oben-halten.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey erdbeerschorsch,

du schreibst wirklich gut. Gefällt mir. Damit meine ich aber vor allem den Stil und nicht die Anordnung des Inhalts. Ich finde du schwadronierst ganz schön herum, verlierst dich auch ziemlich in Abschweifungen. Ich habe mich durch den ersten Teil des Textes echt durchziehen müssen, hab einiges überflogen. Ich könnte auf die kompletten Ausführungen, bis er in die Karre steigt verzichten. Ein kurzer Absatz zu der Stadt und der Begegnung mit der Frau. Dann wirds echt cool. Die Situation ist spannend, weil sich der Konflikt nur im Kopf des Jungen abspielt. Hat mir dann gegen Ende gut gefallen.

Ob er sie fotografieren könne(, hier so): Sie zeigt mit dem Arm nach (rückwärts), ohne hinzusehen, wedelt mit der Hand, die Finger gespreizt.

.. ober er sie fotografieren könne: Sie zeigt mit dem Arm hinter sich ...

Das Mädchen streicht eine Strähne aus dem Gesicht,

streicht sich eine Strähne ...

„Béziers?“
„Monte, je te ramène.“
Auf der Beifahrerseite hängt die Sonnenblende lose im Gelenk.

sowas mag ich. Zeigt ne gewisse Art von Genauigkeit und liebe zum Detail. schön.

„Du bist ganz jung.“ Der Mann grinst wieder rüber.
So einer haust in einem elenden Loch, unaufgeräumt, siffig, ohne Zweifel, ganz wie die abgelebte Karre, in der sie gefangen sitzen. Ein dreckiger Mensch. Das sind Leute, die dir in der Menge hinterherlaufen, um dir von hinten an die Eier zu fassen. Die dich unter die Brücke ziehen wollen, ums da zu treiben. Dass auch so einer ich zu sich sagt!

dein Charakter ist mir unsympathisch [Edit: gemeint ist natürlich die Figur bzw. der Prot. deiner Story, hoffe es gab kein Missverständnis, wer so schreibt, ist mir grundsätzlich erst mal sympathisch ;) ]. Tut der Sache aber keinen Abbruch.

Ein heftiger Drang ergreift ihn aus der Mitte seines Körpers. Es erscheint ihm mit einem Mal verlockend wie ein befreiendes Weinen, allen Anstand fahren zu lassen, sich zu erniedrigen, bloßzustellen, und den Mann um Schonung anzuflehen. Sich im Betteln mit ihm gemein zu machen. Loszulassen, die starre Anspannung über Bord zu werfen, etwas tun, wenigstens heulen wie ein Kind oder ein Tier. Er bleibt aber still, atmet nur tiefer, noch hält der Damm.

schön.

LG
Carlo

 

Hej @ erdbeerschorsch,

wenn ich nicht schon dein Fan wäre ... dabei klingt es gar nicht wie ein erdbeerschorsch.
Das ist durch und durch romantisch und ich hätte ewig mit dir auf die Dinge schauen können. Zur Not auch ohne Handlung und natürlich wäre es mir lieber gewesen, ich hätte eine Geschichte lesen dürfen über Pasqual, der das Mädchen findet mit dem Licht auf den Lippen.
Ich mag die anfängliche Rundschau im kurzen Sätzen, rasche Blicke und Wahrnehmung benötigen keine langen Sätze.

Aber ich habe gelernt, das es eine Wendung geben muss, einen Bruch, irgendetwas mit "Dreck" :shy:

Und dass du dann einen Doppelbreak zeichnest, der am Ende den Protagonisten einen Burger essen lässt und ich den Eindruck habe, es ist nullkommanichts passiert, empfinde ich genial.(ich bin aber auch leicht zu begeistern).


Während sie sich dreht in der Hüfte, schaukeln an den Schnürsenkeln die Schuhe mit ihren Händen mit.

Hoppla, während alle Vorlagen sofort in mein Hirn drangen und bewegte Bilder schufen, hakelte es hier kurz.

Wieder hinauf denn, wieder über das geleckte Pflaster.

Nein, bitte nicht geleckt. Es gefällt mir in der Folge nicht und weil es hier möglich ist, sage es es dir.

Die Schuhe bleiben in einer Schlinge aus Stängeln und Blättern hängen, die er mit einem Ruck zerreißt.

Ohja, das kenne ich. Lange nicht daran gedacht.

Bald schon stochert er ohne Weg vorwärts.

:hmm: klar weiß ich, was gemeint ist, aber es klingt befremdlich für mich.

Eine Straßenlaterne geht über ihm an.

So bitte nicht. :shy:

Und dann kommt der Bruch und ich stürze diese Geschichte in einem Zug hinunter und mir sind kleinere Unzulänglichkeiten völlig schnuppe.
Und weil ich hier spät dran bin und keinen einzigen Kommentar gelesen habe, langweile ich dich nicht weiter, denn ich könnte etliche Stellen herauslupeln, die mich glücklich machen.

Danke und ein freundlicher Gruß, Kanji

 

Ist ja erfreulich, was da noch so hereingetrudelt kommt. Mal schauen, ob ich alle schaffe, aber mit dir, lieber Carlo Zwei, fange ich jedenfalls an.


.. ober er sie fotografieren könne: Sie zeigt mit dem Arm hinter sich ...
Das hab ich gestern schon geändert, als ich nämlich sogar schon meine erste Antwort geschrieben, dann aber unvohersichtigerweise erst die Seite verlassen habe, bevor die Nachricht abgeschickt war. Jedenfalls: Ich habe über diesen Satz immer wieder mal nachgedacht, und erst jetzt ist mir aufgefallen, dass da ja wohl auch einfach "rückwärts" stehen kann, ihnen "nach". "Hinter sich" wollte ich deswegen nicht so gerne, weil gleich drauf "hinter ihnen" (den Freundinnen) die Masten der Segelschiffe lauern.

streicht sich eine Strähne ...
Ist gebongt und steht jetzt so da.

dein Charakter ist mir unsympathisch [Edit: gemeint ist natürlich die Figur bzw. der Prot. deiner Story, hoffe es gab kein Missverständnis, wer so schreibt, ist mir grundsätzlich erst mal sympathisch ;) ]. Tut der Sache aber keinen Abbruch.
Ja, perfekt, du bist, glaube ich, der erste, der dazu was sagt (den Nachtrag hätte es gar nicht gebraucht. Das ist schon richtig angekommen). Die Geschichte wird ja immer betagter, da scheue ich langsam nicht mehr so davor zurück, etwas dazu zu sagen, was ich ursprünglich mal vorhatte. Wenn sie frisch ist, mache ich das nicht so gerne, sonst lenkt man schnell zu sehr in eine Richtung. Also: Ursprünglich hatte ich die Idee, den Fahrer zwar vordergründig als miesen Grapschet dastehen zu lassen, dann sollte aber dämmern, dass Pascal sich auf subtilere Art das Mädchen in seiner Vorstellung nicht weniger rücksichtslos aneignet. Wohingegen der Fahrer wiederum an einer gerechtfertigten Sehnsucht leidet. Vielleicht sogar: Er findet niemanden, der sich mit ihm abgeben will, während es Pascal eigentlich leicht hätte. Ich bin da auf halber Strecke stehen geblieben, weil es mir dann irgendwann so genug war, wie es jetzt ist. Oder vielleicht hätte ich es auch nicht geschafft, diese Perspektive deutlich zu machen, ohne zu drastisch zu werden (drastisch ginge ja relativ leicht: irgendwelche Schweinerein einbauen, die Pascal in der Vorstellung mit dem Mädel veranstaltet). Insofern hast du da etwas aufgespürt, was mir gar nicht so unwichtig ist. Und es ist an der Stelle natürlich sehr gut, wenn dir Pascal und nicht der Fahrer unsympathisch wird. (Wobei ich für Pascal doch noch eine klein Entschuldigung parat hätte, denn er ist ja in einer Extremsituation und schmäht denjenigen, dem er sich machtlos ausgeliefert findet, vielleicht als eine Art Kompensation.)

Herzlichen Dank für deinen Kommentar und besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Kanji,

stimmt, du hattest diese Geschichte noch gar nicht kommentiert. Nicht, dass mir das seinerzeit nicht aufgefallen wäre, aber so unmittelbar hätte ich es jetzt vielleicht nicht mehr gewusst. Umso schöner, dass du hier hingeführt worden bist.

Während sie sich dreht in der Hüfte, schaukeln an den Schnürsenkeln die Schuhe mit ihren Händen mit.
Hoppla, während alle Vorlagen sofort in mein Hirn drangen und bewegte Bilder schufen, hakelte es hier kurz.
Aha, gut, kann ich verstehen. Muss ich noch mal kucken, wie das glatter geht. "Baumeln" statt "schaukeln" könnte vielleicht erste Hilfe leisten.

Nein, bitte nicht geleckt.
Hm, warum nicht? Zu abgedroschen?

Eine Straßenlaterne geht über ihm an.
So bitte nicht.
Und warum das nicht? Find ich eigentlich unauffällig. Oder ist dir das an der Stelle zu sachlich?

Vielen Dank fürs Vorbeischauen! Wie schön, dass ich dich stellenweise glücklich machen konnte :)
Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Bas,

dass du den Höhenflug nicht bis zu Ende mitgeflogen bist, hab ich so gar nicht gemerkt. Dass es eine Achterbahnfahrt war, hattest du angedeutet, und das ist ja trotz allem nicht das Schlechteste ...

anders als beim Anfang des Flügelhügels finde ich diese Aneinanderreihung von Eindrücken stilistisch komplett gelungen
Komisch eigentlich auf den ersten Blick, denn die Struktur ist ja ganz ähnlich. Beschämend ähnlich sogar, wenn ich mir das hier jetzt nochmal ankucke. Wahrscheinlich wollte ich das irgendwie wiederholen, weil es mir eben auch selbst gefallen hat. Was lernen wir daraus? Soll man nicht versuchen ...

Ansonsten kann es mich nur freuen, dass du meinem Zwang so gerne gefolgt bist.

Herzlichen Dank für den schönen Kommentar!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo erdbeerschorsch,

Mich hat beim Lesen irritiert, dass ich erst relativ spät erfahre, wie alt Pascal ist. Als er im vierten Absatz über "damals" sinniert, sehe ich ihn als einen alten Mann vor mir, à la "Der Tod in Venedig" von Th. Mann. Irgendwie hätte ich schon gerne früh einen Anhaltspunkt dafür gehabt, dass Pascal unter dreißig ist.
Ich hätte gedacht, weil er sich mit einem "Mädchen" mehr oder weniger auf einer Ebene sieht, wäre man automatisch dazu eingeladen, ihn jünger zu sehen. Aschenbach ist ein respektables Gegenargument. Ich hätte dann noch das Trampen anzubieten, das machen Ältere ja auch nicht so häufig (kommt aber vor, stimmt). Also: Ich weiß ehrlich gesagt im Moment nicht, wie ich das unauffällig noch deutlicher machen kann. Und auffällig möchte ich nicht so gern.

Zum Fettmarkierten: Das ehrt dich, dass du so denkst. :lol: Kann ich aber nicht grundsätzlich voraussetzen.

Ich habe deinen Text gleich nochmal gelesen. War aber schwierig, abzuschätzen, für wie alt ich Pascal nun halten würde, wenn ich es nicht schon wüsste.

In der Notfallmedizin und in der Psychiatrie gibt es diesen Ausdruck "dreifach orientiert". Der Patient wird gefragt nach Ort, Zeit und seiner eigenen Person (Name, Alter ...).

Übertragen auf eine Geschichte, auf das Genre Romantik kann ich mir nun überlegen, welche Orientierung ist mir wichtig als Leser.

Den Ort grenzt du gut ein, Béziers wird erwähnt. Die Zeit grenzt du auch ausreichend ein, es gibt Autos und Burger, reicht mir. Bei beidem wäre ich mit weniger zufrieden gewesen.

Und das wichtigste, die Hauptfigur? Vielleicht ist es spießig, aber ich finde, junge Menschen lieben anders als ältere. Da kommen unterschiedliche Aspekte, Erfahrungen mit rein. Ich als Leser brauche für mein Kopfkino beim Lesen einen Anhaltspunkt.

Pascal spricht von "damals", von einer jungen Frau (erst später von einem Mädchen). Diese Erzählstimme, ich weiß nicht ob diese Argumentation zulässig ist (bitte korrigier mich), ist wunderschön, aber sie suggeriert keine Jugendlichkeit - eher zeitlose, klassische Eleganz, etwa wenn es heißt:

"Er lässt sich durch die Menge treiben, ohne viel zu säumen."

Beim "Tod in Venedig" wird das Alter im ersten Satz abgegrenzt, wenn vom fünfzigsten Geburtstag die Rede ist. Das kommt hier nicht in Frage, das verstehe ich absolut.

Entweder ein subtiles Detail dazu, oder die "damals" modifizieren?

Oder dazu stehen, und als Autor sagen: Tja, so isses halt!
Habe so eine kleine Vermutung, wohin du tendierst ... :Pfeif:
Und das darfst du ja auch, du bist der Autor. :D

Themenwechsel: Diese zwei sich spiegelnden Situationen - er träumt von dem Mädchen, dann hat er selbst Angst vor dem Taxifahrer - das gefällt mir übrigens gut. Ist ein gelungenes Doppelpack.

Last, but not least, danke ich dir für deinen Hinweis auf Imperfekt vs. Präteritum. Hab's nachgelesen. Früher in der Schule habe ich mich gerne mit Sprachen beschäftigt. Dann aus den Augen verloren. Ist schön, sich das mal wieder anzuschauen. Also, danke!

Und falls ich dir mit meinen Rumgenöle auf die Nerven gehe, dann sag Bescheid, okay? ;)

LG, Anne

 

Herzlichen Dank, lieber Bas, für den Nachtrag. Hätt mich ja auch gewundert ...
Besten Gruß
erdbeerschorsch


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Hi Anne49

Zum Fettmarkierten: Das ehrt dich, dass du so denkst. :lol:
So hab ich das noch gar nicht betrachtet ...

Ich habe deinen Text gleich nochmal gelesen. War aber schwierig, abzuschätzen, für wie alt ich Pascal nun halten würde, wenn ich es nicht schon wüsste.
Ich finde das schwer einzuschätzen, ob das im Großen und Ganzen als Hinweis ok ist und nur einzelnen - wie bei dir - nicht funktioniert. Irgendwo könnte es heißen: "in etwa sein Alter" oder so was. Mal sehen.

Und das wichtigste, die Hauptfigur? Vielleicht ist es spießig, aber ich finde, junge Menschen lieben anders als ältere.
Meinem Eindruck spielt das in dem Fall keine Rolle. Oder eben nur insofern, als einen Unterschied macht, ob da einer auf das Mädel schaut und sich dabei auch nach der Jugend sehnt. Das soll so nicht sein. Naja, und vielleicht insofern, als es für einen alten Pascal deutlich unwahrscheinlicher wäre, dass sich etwas aus der Begegnung ergeben hätte. Also gut, es spielt eine Rolle.


Entweder ein subtiles Detail dazu, oder die "damals" modifizieren?
So in der Art werde ich wohl wirklich gleich was ändern, aber nicht so früh im Text, wie du es gern hättest. Er steht an der Straße und fühlt sich zurückversetzt in Zeiten, in denen er offenbar regelmäßig und lange Strecken per Anhalter gefahren ist. Ich finde das nicht umplausibel, dass das für Pascal mit Mitte 20 vorbei gewesen ist. Wenn er da ins Berufsleben eingestiegen ist, kann er die Tramperei ruckzuck nicht mehr angemessen gefunden haben. Trotzdem: "vor wenigen Jahren" - die Distanz versuche ich gleich mal zu verkleinern (oder ich nehme das ganz raus).

Die "damals" ändern - ist vielleicht nicht die schlechteste Idee. Aber für sich genommen finde ich diese "damals" schon gerechtfertigt. Es geht um seine ersten Erinnerungen, das ist also rund 25 Jahre her, schon ein ordentlicher Batzen Zeit, würd ich sagen.

Habe so eine kleine Vermutung, wohin du tendierst ... :Pfeif:
Es kann sich noch einiges tun, aber bis auf weiteres vermute ich, du vermutest richtig ;)

Schönen Dank fürs erneute Vorbeischaun!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

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