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Dem Licht ganz nahe

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02.04.2002
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Dem Licht ganz nahe

dem Licht ganz nahe

Die Nacht breitete ihre Dunkelheit aus, der Vollmond hing wie ein Wächter der Welt am Himmel, ohne wirklich Notiz von ihr zu nehmen. Gleichgültig betrachtete er die Szene, die sich unter ihm abspielte.

Man sagt, dass bei Vollmond mehr Verbrechen und Selbstmorde geschehen, als an anderen Tagen. Lutz nickte dem Mond grinsend entgegen, denn was er vor hatte, war wohl eine Mischung aus beiden, obwohl er sich weder umbringen noch materiell bereichern wollte. Er wollte nur den Kick erleben; die Grenze zwischen dem Dies- und Jenseits spüren. Je näher der Tod ihm war, desto lebendiger fühle er sich danach. Ohne das Schlechte existiert auch das Gute nicht, ohne Hunger ist man nie satt und ohne Tod kann es das Leben nicht geben.

Der rote Regionalexpress rollte langsam an und ließ den Bahnhof Plön hinter sich. Er fuhr dem märchenhaften Vollmond entgegen, der friedlich über dem Plöner See hing und sich in ihm spiegelte. Froh über den Gedanken in Lübeck endlich Feierabend zu haben, dachte Herr Wukler an seine auf ihn wartende Frau. „Nächster Halt: Bad Malente Gremsmühlen“, gab er mit gewohnt freundlicher Stimme über Lautsprecher durch. Ein kleiner, gelber Wagen hielt vor den Schranken. Ein Polo - Genau wie der seiner Frau. Herr Wukler, der von seinen Freunden Teddy genannt wird, lächelte zufrieden an seine Frau denkend vor sich hin.

Lutz konnte die Lichter des erwarteten Zuges erblicken und stellte sich auf die Gleise. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, sein Blick fixierte den auf ihn zurasenden Zug. Langsam fing sein Puls an zu steigen. Ganz deutlich konnte er sein Herz spüren. Nur noch wenige Sekunden und er müsste sich entscheiden: Leben oder Tod? Eine Frage für deren Antwort ihm nur Bruchteile einer Sekunde bleiben würden. Nein, sterben wollte er nicht, aber ohne die Gefahr wollte er auch nicht leben.

Teddy sah einen jungen Mann auf den Gleisen stehen. „Na, du Schlafwandler, sperr mal die Augen auf!“, dachte der nichtsahnende Lokführer und hupte.

Ein gewohntes Geräusch hallte durch die Nacht. Der junge Mann in Lebensgefahr kannte dieses Geräusch. Das machen sie alle, wenn sie den verwirrt aussehenden Lutz auf den Gleisen stehen sehen. Es war sehr laut und schien jedes Mal das Selbe aussagen zu wollen: „Spring!“ Doch wie jedes Mal blieb Lutz stehen.

Der sonst so friedlich und ruhig wirkende Vater von zwei Kindern erschrak, als der junge Mann, auf den er immer noch ungebremst zufuhr, nicht von den Gleisen verschwand. Erst nach dieser Schrecksekunde zog er die Bremse, während er ein zweites Mal hupte. Doch bei dieser kurzen Distanz kam der tonnenschwere Personenzug nicht rechtzeitig zum Stehen.

Der junge Mann auf den Gleisen begann zu schwitzen. Sein Brustkorb hob sich höher als gewöhnlich. Seine Atmung blieb ziemlich ruhig, wurde nur intensiver. Lutz konzentrierte sich auf den richtigen Zeitpunkt. Das war alles, woran er in diesem Augenblick denken konnte. Der bremsende Zug quietschte ohrenbetäubend. Der junge Mann auf den Gleisen schien dem Tode geweiht, der Zug war zu nahe. Nur fünf Meter bevor der Zug seinen Körper berührt hätte, sprang er zur Seite. Beinahe hätte der Zug ihn erwischt. So nahe war Lutz dem Tod noch nie. Der fünfte Personenanhänger hielt vor ihm. Halb auf dem Schotter, halb auf dem Sandweg lag er da, sein Gesicht mit seinen Händen beschützend. Nur einen halben Meter entfernt von dem Wagon. Er blieb liegen. Unbewegt und zitternd. Beinahe hätte er es nicht geschafft. Wie nahe konnte er dem Tod noch kommen? Was wäre, wenn er eines Tages stehen bliebe?

Teddy starrte auf den Mond; einen Himmelskörper, der wie kein anderer für Horror und Schrecken steht. Obwohl der Mond immer noch alles hell erleuchtete, spürte der Lokomotivführer eine kalten Dunkelheit um sich herum. Undefinierbar. Totenstille. Teddys Puls war hoch, seine Atmung schnell. Er ging zum Fenster, guckte vorsichtig raus, sah aber niemanden. Dann die andere Seite. – Wieder nichts. Wie ferngesteuert ließ er den Zug wieder anfahren.

Tausende Kilometer entfernt zog der Mond weiter seine Bahnen, ohne auch nur einen Moment zu zögern.

 

Weiß jemand einen besseren Titel ? Den jetzigen find ich doof, mir fiel blos nichts anderes ein. Ist schon spät. Ich geh doch lieber ins Bett...

 

Hallo hastdunmotto!

Das ist ziemlich sehr gut geschrieben! ;)

Finde Deine Geschichte echt interessant - sowohl von der Handlung als auch vom Stil, flüssig zu lesen und ohne Unnötiges zu beschreiben hast Du es geschafft, mir einen Film vorzuspielen!

Zwei kleine Korrekturen wollte ich noch anmerken:

"...gab er mit der gewohnter freundlichen Stimme über Lautsprecher durch."
- ...mit gewohnt freundlicher Stimme...
"ohne die Gefahr wollte er auch nicht leben."

Zu Deiner Frage wegen dem Titel:

"Gratwanderung"

"Millimeter am Tod vorbei"

"Mut?"

"Nervenkitzel"

...und mein persönlicher Favorit, weil zweideutig:

"Dem Licht ganz nah..."

Es würde mich freuen, wenn ich Dir helfen konnte und diese Auswahl Dir bei der Titelfindung hilft, - egal ob Du einen dieser nimmst oder ich Dich vielleicht auf einen anderen bringe/gebracht habe!

Alles liebe
Susi

[Beitrag editiert von: Häferl am 11.04.2002 um 04:35]

 

Puuuh....*schweißvonderstirnewisch*

Eine deiner besten Geschichten überhaupt, was mich betrifft.

Eigentlich hatte ich jeden Moment erwartet, dass den armen, nichtsahnenden Lokführer vor Schreck ein Herzinfarkt erwischt. Und war am Ende ziemlich erleichtert, dass das nicht geschah.

Warum mir diese Nebenfigur näher stand als der Protagonist selber? Hm, vielleicht, weil ich das Verhalten von Lutz ziemlich schofel finde. Wie leicht könnte ein Unbeteiligter zu Schaden kommen, nur weil er seinen "Kick" ausleben möchte. Bungee-Jumping ist ihm wohl zu teuer?!

Könnte meiner Meinung nach auch sehr gut bei "Spannung" stehen.

 

Ja Pipilasovskaya,
das ist genau das was ich sagen wollte ! Bin froh, dass es jemand verstanden hat. Wer die Hauptperson ist weiß ich nicht genau, aber es geht schon darum, dass der dumme Lutz nicht darüber nachdenkt, was er dem Zugfahrer antun könnte.

Und noch mal ein dickes Danke an Susie. Sowohl für ihre Rechtschreibkorrektur als auch für die Titelideen ! Brauch nur einen Moment, um mich zu entscheiden...

:)

 

Hi!!!

Also echt tolle Geschichte! Respekt...

Ich persönlich halte " Dem Licht ganz nah..." für den perfekten Titel deiner Geschichte.

Ich überleg auch schon die ganze Zeit...

Meld mich sofort, wenn mir ein Licht :D aufgeht.

Gruß shimmeringLight

 

Moin HastdunMotto.

Deine Geschichte gefällt mir richtig gut, *steinvomHerzenfall* weil er den Kicksucher Lutz nicht überfahren mußte.
Ich habe richtig mitgefiebert, auch, ob du (der Autor) Lutz jetzt seinen letzten "Kick" erleben läßt oder nicht.
Schön finde ich auch insbesondere, dass der Zugfahrer als Hauptfigur immer mehr in den Vordergrund rügt. Der arme Kerl.
Zu deiner Titelsuche; mir gefällt Susis Vorschlag ebenfalls supigut: "Dem Licht ganz nah"
Vielleicht auch:
Schatten im Licht oder so ähnlich.

Dickes Lob an dich.

Lieben Gruß
Maya

 

Ja. Ich denke auch, dass der Titel gut ist. Er setzt allerdings Lutz in den Vordergrund. Ach was solls. "Dem Licht ganz nahe ist genemigt" ! :D

 

Hallo hastdunmotto,

ob mit neuem Titel oder ohne - die Geschichte ist einfach klasse! Spannend, gut geschrieben und macht Lust auf mehr ...

Traurig alledings, daß wir in unserer viel zu einfachen und gut funktionierenden Welt scheinbar solche Kicks brauchen, um uns wieder wahr zu nehmen. Läßt an Menschen denken, die sich selbst Schmerz zufügen müssen, um sich zu spüren. Rücksichtlose und egomane Einsamkeit ...

Werd mich jetzt mal auf die Suche nach Deinen weiteren GEschichten begeben.

Gruß
Kay

 

Eine Sache müsste vielleicht noch klären. Ich wurde nämlich privat darauf angesprochen, dass der Mond ja gar nicht wachsam ist, wenn er nichts sieh, aber das war schon Absicht. Der Mond steht in dieser Geschichte für ein Objekt, dass die Übersicht über alles, was in der Welt passiert hat. Also könnte man wohl auch Gott sagen.
Von dieser Geschichte nimmt er keine Notiz, sie ist unwichtig für die Welt, ändert nichts an ihr.
Der Mond ist nur eine Rahmenhandlung.

[ 03.07.2002, 22:51: Beitrag editiert von: hastdunmotto ]

 

Tja... die Geschichte könnte man in der Tat ohne Weiteres in Spannung unterbringen.
Alltag trifft die Handlung deiner "Kurz-Reportage" natürlich weitesgehend auch, wäre allerdings im vorgeschlagenen Genre spezifischer platziert.

Nun, dann verschiebe ich diesen Text mal - mit deinem im voraus erteilten Einveständnis - nach Spannung. :)

 

Echt gut geschrieben! Ich konnte mir wirklich vorstellen, wie er auf den Gleisen stand. Das erinnerte mich an einen Urlaub. Damals sind wir auch mit dem Zug gefahren. Auf einmal quietschten die Bremsen. Jemand kam durch unseren Wagen gerannt und rief zu jemand anderem:" Wir haben einen erwischt!" Nach 10 Minuten ist der Zug dann wieder angefahren.

Hast du wirklich gut beschrieben. :thumbsup:

 

Hi!
Ich finde die Geschichte sehr gut , außerdem ist sie Spannend und mann kann sie auch gut lesen.
Toll Gemacht :D
Tschüss: Der Osten

 

Hey.

Nur die Krähe hat natürlich mal wieder was zu meckern ;)

Erstens, die Einleitung:

Die Nacht breitete ihre Dunkelheit aus, der Vollmond erhellte das Szenario in einer schaurigen Art. Halb bedeckt von den dicken grauen Wolken hing er oben am Himmel ohne Notiz von der Welt zu nehmen.
Klar, am Anfang einer Kurzgeschichte wird Atmosphäre vermittelt, also schreiben wir mal fix 3 Zeilen... ich übertreibe, aber halte die Einleitung zu sehr für 08/15... Du arbeitest mit Mondsymbolik...schön, mein subjektives Problem damit ist, dass diese a) relativ abgegriffen ist, und b) ich bereits dermaßen geniale Mondsymbolik gesehen habe (in Wilde's 'Salome' z.B.), dass mich diese nicht mehr wirklich vom Hocker reißt... na ja, nicht jeder ist pingelig wie ich, würde aber trotzdem empfehlen, ein bisschen verspielter, subtiler damit umzugehen...oder bleib nicht nur auf dem ollen Mond hängen, beschreibe die Nacht mit mehreren Details...

Der sonst so introvertierte Kfz-Mechaniker brauchte diesen Kick, um sich richtig lebendig zu fühlen.
Introvertiert...Riesenwort, nichts dahinter. Was für ein Mensch ist Lutz eigentlich? Und warum 'braucht der diesen Kick'? Die Erklärung, die Du im Anschluss gibts, ist zu oberflächlich...

Der Mond schien romantisch über seinen Zug.
So viel romantische Stimmung, ich schmilze gleich...ernsthaft, klatsch da nicht einfach einen Satz hin.

Der folgende Absatz ist gut.

Nur 5m bevor der Zug seinen Körper berührt hätte, sprang er zur Seite.
fünf Meter

Er blieb liegen. Unbewegt und zitternd. Beinahe hätte er es nicht geschafft. Wie nahe kann er dem Tod noch kommen ? Was wäre, wenn er eines Tages stehen bliebe ?
Du beschreibst so schön das 'Vorher'...warum bekommt das 'Nachher' nur zwei mickrige Zeilen?

-----------

Der Mond steht in dieser Geschichte für ein Objekt, dass die Übersicht über alles, was in der Welt passiert hat. Also könnte man wohl auch Gott sagen.
Von dieser Geschichte nimmt er keine Notiz, sie ist unwichtig für die Welt, ändert nichts an ihr.
Interessanter Gedanke, sickert im Text selbst leider nicht durch...dran arbeiten!

Habe mit Absicht übertrieben, soll alles andere als ein Verriss sein. Feil noch mal dran rum, könnte noch besser werden.

Gruß,
San

 

hey, endlich mal eine richtig konstruktive Kritik ! :) Danke San, ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass du sie kritisieren würdest. Nicht dass ich mich nicht über die positiven Kritiken gefreut hätte, dass tut ja wohl jeder, aber es ist auch sehr wichtig Tipps zu kriegen. Schließlich bin ich noch in der Entwicklung und will mich verbessern ! :D

Deswegen hatte ich die Geschichte sogar schon meinem Deutschlehrer mitgegeben ohne zu sagen, dass sie von mir ist und hoffe auf eine ehrliche Kritik ohne Rücksicht darauf, dass ich resigniert aufgebe, denn das werde ich nicht tun ! Er hatte es allerdings wieder vergessen, mal sehn was er sagt...

Also noch mal zu der Kritik von dir, San:
Wie soll ich denn das "inrovertiert" besser schreiben ? Ich wollte damit eigentlich nur aussagen, dass Lutz sonst halt nie im Mittelpunkt stehen will und mit dieser Aktion auch nicht bei Freunden angiebt oder so. Er lebt für sich alleine. Die Geschichte ist eigentlich vom "Base-jumping" abgeleitet.

Ich muss wohl noch viel lernen, das mit dem Mond ist also nicht richtig rüber gekommen ? Aber in diesem Bereich lerne ich gerne ! :D

Hast du noch ein paar Tipps für mich ?

[ 20.04.2002, 13:40: Beitrag editiert von: hastdunmotto ]

 

Hiya motto.

Hab mal drüber nachgedacht... der letzte Satz würde eigentlich schon viel besser funktionieren, wenn Du in der Einleitung den Mond relativ direkt mit einem Wächter oder so vergleichst, z.b. 'zur Hälfte mit schleierhaften, grauen Wolken bedeckt, betrachte er die Welt, ohne wirklich zu wachen oder wenigstens von ihren Geschehnissen Notiz zu nehmen...', sowas in der Art halt. Bin gerade erst wachgeworden, poetische Sprache lässt deshalb ziemlich zu wünschen übrig ;)

San

[ 20.04.2002, 14:53: Beitrag editiert von: Rabenschwarz ]

 

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