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Deal

Monster-WG
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18.06.2015
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Deal

1​

Lea hörte den Wagen. Sie stand auf, ging in die Küche, spülte das Glas, aus dem sie getrunken hatte. Dann löschte sie das Licht und wartete im Flur.
„Hey!“, sagte sie, als Alex hereinkam. Sie küssten sich. „Alles klar?“
„Sicher.“ Alex zog die Jacke aus. „Kochen wir? Oder rüber ins Capri?“
„Wie du möchtest“, sagte Lea.
„Stimmt was nicht?“

Sie bekamen einen Tisch am Fenster. Sie setzten sich, Lea strich die Serviette glatt und sah nach draußen. Neonlicht. Zwei Männer überquerten die Straße. Gegenüber zog jemand die Vorhänge zu.
„Ich muss dir was sagen.“
„Okay?“
„Ich hab' echt aufgepasst.“
„Ja?“
„Ich hab' mir was geholt.“
Alex sah sie lange an. „Was?“
„Nichts Schlimmes. Antibiotika und gut ist. Du solltest dich untersuchen lassen.“
„So eine Scheiße!“

Lea schlief schlecht. Als sie erwachte, waren die Lider verklebt. Sie streckte die Hand aus, aber da war bloß eine zurückgeschlagene Decke. Sie hörte Geräusche, die sie nicht einordnen konnte, streifte sich ein T-Shirt über und ging ins Wohnzimmer. Alex stand auf einem Stuhl und hängte die New Yorker Skyline von der Wand.
„Was machst du?“
Alex rollte das Poster ein und fixierte es mit einem Gummiband. Er ließ das Band gegen das Papier schnippen. „Sind nützlich, die Dinger“, sagte er.
„Und jetzt?“
„Das Poster gehört mir.“
„Willst du ausziehen?“
Alex stieg vom Stuhl und legte das Poster auf den Couchtisch. „Von wem hast du es?“, fragte er.
„Ist das wichtig?“
„Dann könnt' ich mich bedanken.“
„Darum geht’s doch nicht. Gut möglich, dass ich dich gar nicht ...“
„Gibt man's nur weiter, wenn man lustvoll vögelt?“

Lea setzte Kaffee auf, sie frühstückten schweigend. Alex kratzte sich am Oberschenkel, griff unter seine Shorts.
„Juckreiz zählt nicht zu den Symptomen“, sagte Lea.
„Mach' keine medizinische Sache daraus.“
„Und du kein Drama.“ Sie stand auf. „Ich muss los.“ Sie küsste ihn auf die Stirn.
Alex blieb am Küchentisch sitzen und steckte sich eine Zigarette an. Dann ging er durch die Wohnung und hängte alles ab. Die Meerbilder im Schlafzimmer. Das Betreten-verboten-Schild, das sie von einer Baustelle geklaut hatten. Die Fotos von Athen, die an die Kühlschranktür gepinnt waren. Danach duschte er und zog sich an.

2​

Den Sommer zuvor hatten sie auf der Akropolis gestanden. Gleißendes Licht. In der Ferne das Meer. Baukräne mitten im Parthenon, doppelt so hoch wie die antiken Säulen. Alex hielt Lea umklammert.
„Beeindruckt?“, fragte er.
„Es geht.“ Lea wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Sieht alles ziemlich kaputt aus.“
Alex lachte. „Unten am Hang ist das Dionysos-Heiligtum“, sagte er.
„Gab's da Orgien und so?“
„Fünf Tage am Stück.“
Sie blieben, bis das Gelände geschlossen wurde, nahmen den Weg in die Plaka, wo sie sich zwei T-Shirts mit aufgedrucktem Spartanerhelm kauften, das Nachtessen ausließen und so viel tranken, dass sie ihr Hotel fast nicht mehr gefunden hätten. Alex stieß die Glastür auf, hob Lea hoch und trug sie ins Foyer.
„Lass mich runter!“ Sie lachte.
Der Mann an der Rezeption nickte ihnen zu, spitzte die Lippen, hielt den Zeigefinger vor den Mund. Er sah jung aus, keine zwanzig, und hatte weiche Wangen. Lea ging zu ihm hin, stützte sich mit den Ellenbogen auf der Theke ab und blinzelte.
I’m sorry. But he is crazy.“ Sie drehte den Kopf in Richtung Alex, der sich am Getränkeautomaten zu schaffen machte.
No problem“, sagte der Mann. Er lächelte.
Sie roch sein Aftershave und schloss die Augen. „We are both crazy. Really crazy“, sagte sie.

Lea zog ihr Kleid aus und setzte sich aufs Bett.
„Komm her“, sagte sie, legte die Hände auf Alex' Hintern, presste den Mund auf seinen Bauchnabel. Sie öffnete ihre Haare. „Lass uns den Typen an der Rezeption anrufen.“
„Warum?“
„Dem ist bestimmt langweilig.“ Sie griff nach dem Hörer.
„Nicht“, sagte Alex.
„Gefällt er dir nicht? Holy shit, hast du seine Lippen gesehen?“
Alex griff nach Leas Handgelenken, löste ihre Umarmung, ging zum Waschbecken. „Ich hab' zu viel getrunken. Ich bin echt müde.“
„Du wirst noch zum Spießer!“ Lea warf das Kopfkissen nach Alex, verfehlte ihn jedoch um einen halben Meter. Sie legten sich ins Bett, löschten das Licht, hörten die Klimaanlage surren, hörten, wie der andere atmete. Schließlich schliefen sie ein, enttäuscht und erschöpft von den Gedanken, die sie sich machten.

3​

Es war spät, als Lea nach Hause kam. Schneeflocken schmolzen auf ihrem Kopf. Sie holte ein Frotteetuch aus dem Badezimmer, rieb sich die Haare trocken, während sie im Flur auf und ab ging.
„Würdest du vielleicht mal Stellung beziehen?“, fragte Alex. Er saß im Wohnzimmer, war im Dunkeln nicht zu erkennen gewesen.
„Verflucht, hast du mich erschreckt!“
„Und?“
„Stellung beziehen?“
„Ja.“
„Du meinst Rechenschaft ablegen?“ Lea setzte sich aufs Sofa, knipste die Lampe an.
„Wenn du so willst.“
„Das werde ich nicht.“
„Aha.“
„Wir wissen beide, dass so was passieren kann.“ Lea stand auf und goss sich einen Ouzo ein. „Haben wir Eis?“
„Weiß ich doch nicht.“
„Es tut mir leid, Alex. Wirklich.“
„Gib mir auch einen.“
Sie tranken die ganze Flasche. Dann schlug Lea vor, zum Fluss zu gehen. Sie zogen Jacken und Stiefel an, machten sich auf den Weg, schwankten die steile Straße hinunter, die man zu salzen vergessen hatte, hielten sich aneinander fest, um nicht auszurutschen.

Sie standen am Ufer, die Hände in den Jackentaschen. Das Wasser war schwarz.
„Hast du einen Termin vereinbart?“, fragte Lea.
„Nein.“
„Der Scheiß kann echt heimtückisch sein, das weißt du? Kriegst nichts mit und in ein paar Jahren wird deine Birne weich.“
„Na und? Dann lass' ich mich von dir pflegen.“
„Verstehe“, sagte Lea.
„Was verstehst du?“
„Schon okay.“ Sie gingen den Fluss entlang, Kies knirschte unter ihren Füssen, die Luft roch nach Schnee. „Das sieht nicht schön aus, die kahlen Wände.“
„Ich weiß“, sagte Alex. „Du fandst es spießig.“
„Was?“
„Das New-York-Poster. Damals, als ich es aufgehängt habe.“
„Ach ja?“

Der Weg führte über eine Brücke und sie blieben stehen, starrten auf den Fluss, bekamen das Gefühl, das Wasser bleibe an Ort und Stelle, während sie sich bewegten. Auf einer Sandbank, ganz in der Nähe, konnte man ein demoliertes Fahrrad liegen sehen, freigelegt wie ein archäologisches Fundstück. Ein Jogger näherte sich, stieß weiße Wölkchen aus, keuchte, zupfte sich das Stirnband zurecht, rannte über die Brücke, die zu vibrieren begann. Dann war es wieder still.
„Lass uns nach Hause gehen“, sagte Lea.

4​

Als sie sich kennenlernten, stand die Sonne im Zenit. Sie saßen in einem Boot, gemeinsam mit Freunden trieben sie den Fluss hinunter, trugen Strohhüte und schwarze Sonnenbrillen, fischten in der Kühlbox nach Bierbüchsen, ließen die Arme schlaff ins Wasser hängen.
„Du bist Daniels Freundin?“, fragte Alex.
„Hm.“
„Warum bist du nicht zu ihm ins Boot gestiegen?“
„Weil ich tue, wozu ich Lust habe.“ Lea lächelte. „Noch ein Bier?“
Und als sie am nächsten Morgen aufwachten, das einfallende Licht ihre Körper kitzelte und Lea ihren Arm auf Alex‘ Brust legte, als ihnen wieder einfiel, wie der andere gerochen hatte, in der Nacht zuvor, erschien ihnen alles, was geschehen war, und alles, was geschehen sollte, richtig und zwingend.

Sie hinterließen zwei Scherbenhaufen. Noch Monate später, da waren sie bereits zusammengezogen, klingelte das Telefon mitten in der Nacht. Daniel, der in den Hörer schrie, Lea werde es bereuen. Alex' Ex, die das Gleiche sagte, nur leiser. Während Alex nicht müde wurde, alle Schuld auf sich zu nehmen und mit einem geflüsterten Alles wird gut aufzulegen, knallte Lea den Hörer meist nach kurzer Zeit hin.
„Versprich mir, dass du nie so wirst“, sagte sie zu Alex.

In ihrem ersten Jahr als Paar, an einem milden Frühlingstag saß Alex auf einer Parkbank und sah zu, wie Lea auf eine Schaukel sprang, wie sie sich von einem Mann, der zufällig in der Nähe stand, anstoßen ließ, wie sie ihm, Alex, zuwinkte, die Hände des Mannes sich auf ihre Schultern legten, um noch mehr Schwung zu geben, Lea vor Vergnügen kreischte, der Kerl grinste.
„Das war schön“, rief sie, als sie zu ihm zurückgerannt kam und dann kauften sie sich ein Eis und aßen es gemeinsam, sodass sich ihre Zungenspitzen berührten, und alles war in Ordnung.
„Wenn man mich einengt, hau' ich ab“, sagte sie einmal.

5​

„Scheiß Besitzdenken“, sagte Lea.
„Darum geht's nicht.“
„Doch. Und dir hätte dasselbe geschehen können.“
„Hätte es nicht. Nicht mehr.“
„Das ist deine Sache. Das geht mich nichts an. Das ist nicht unser Deal.“ Lea verschränkte die Arme. „Werd' erwachsen, meine Güte!“
„Vielleicht sollten wir beide erwachsen werden, Lea. Schon mal darüber nachgedacht?“
Alex drückte die angerauchte Zigarette aus und verließ die Wohnung.

Kalter Dezemberregen. Menschen, die unter schmalen Vordächern Schutz suchten. Grüne Kreuze, die über Apotheken blinkten. Eine Frau mit Einkaufstaschen in den Händen rempelte Alex an, er ging weiter, mit halb geschlossenen Augen, Bilder des Sommers im Kopf. Wie sich Lea ins Wasser gleiten ließ, untertauchte, wiederauftauchte, wie die Tropfen auf ihrem Haar glitzerten und Lea ihm zuwinkte und rief, er solle reinkommen. Wie sie wieder abtauchte.
„Nicht“, murmelte er.

Als Lea nach Hause kam, bemerkte sie, dass im Wohnzimmer Licht brannte, warf einen Blick hinein, sah eine Schachtel Antibiotika auf dem Couchtisch liegen und Alex auf dem Stuhl stehen. Er hatte das New-York-Poster in der Hand, die eine Ecke an die Wand gepinnt, den Rest hielt er unbeholfen fest. Das Papier wellte sich, drohte zu reißen. Lea hielt die Hand vor den Mund.
„Warte. Ich helf' dir“, sagte sie.

 
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Hi Peeperkorn,

ist eine gut geschriebene und vom Stil her reduzierte Geschichte. Figuren, Plot, das ganze Fremdgeh-Thema, finde ich alles gut und gut dosiert. Auch Lea, diese ganzen Kleinigkeiten, man merkt als Leser, da stimmt irgendwas nicht mit ihr, man kann sich gut vorstellen, dass sie irgendetwas in der Beziehung vermisst, oder, dass sie die Kontakte zu anderen Männern vermisst.

Hier läuft seit Tagen ja am Rande diese ganze Diskussion, ob Reduktion und wenn ja wie viel etc., ich möchte da gar nicht einsteigen, auch wenn das Folgende jetzt vielleicht so klingen mag.
Es ist bloß so (und das ist jetzt ein rein persönlicher Standpunkt, für mein Geschmack sozusagen), dass ich schon gemerkt habe, dass mir hier was gefehlt hat. Ich möchte das gar nicht auswelzen. Ich kenne deine ganzen anderen Geschichten, und was ich an denen immer geliebt habe, war, dass es wirkliche Geschichten waren, in die man sich einfach fallen lassen konnte und das vllt ähnlich wie ein Film konsumieren konnte. Klar, du erzählst hier auch eine Geschichte, eine gute sogar, aber dieser bestimmte Peeperkorn-Sound, dieses Feeling, was beim Lesen mitgeschwungen ist, das hatte ich hier leider nicht.
Noch mal: Ich will nicht sagen, dass das eine schlechte Story wäre. Sie ist gut. Bloß kommt es mir so vor, als ob es kein 100%iger Peeperkorn wäre, sondern ein komprimierter Peeperkorn. Der Nachteil beim Komprimierten ist eben, dass man als Leser absolut aufmerksam sein muss, und sobald man einen Satz überflogen hat, muss man zurückspringen, noch mal lesen, weil man sonst eine wichtige Info überlesen haben könnte - das erschwert (für mich!) dieses "Fallenlassen".

Eines noch:

„Willst du ausziehen?“
Alex stieg vom Stuhl und legte den Poster auf den Couchtisch. „Wer?“, fragte er.
„Ist das wichtig?“
„Dann könnt' ich mich bedanken.“
„Darum geht’s doch nicht. Gut möglich, dass ich dich gar nicht ...“
„Kriegt man's nur, wenn man lustvoll vögelt?“

Also, kann sein, dass ich hier hart auf der Leitung gestanden war, aber ich musste den Absatz wirklich einige Male lesen, um zu verstehen, um was es hier eigentlich geht, wieso er "wer" fragt.


Ist eine gute Geschichte, Peeperkorn. Habe das Gefühl, du hast dich hier mal an etwas Neues gewagt, einen anderen Stil probiert. Ich habe ein bisschen deinen "anderen" Sound vermisst, irgendein Gefühl, das ich hier beim Lesen nicht bekommen habe, bei deinen anderen Texten aber schon. Bin gespannt, was andere sagen.

Viele Grüße
zigga

 
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Hallo, Peeperkorn,

mich intressieren Set und Setting - wie die beiden sind und wie sie miteinander, nebeneinander und gegeneinander sind, was da im Hintergrund mitläuft, diese Frage, was der Deal war oder sein sollte. mir gefällt dein Stil, der vermittelt mir so eine protokollarische Ordnung und damit die Gewissheit, dass hier alles gezeigt wird, was gebraucht wird, um sehen zu können.

zum Thema habe ich einiges an Meinung. ich fasse mich kurz.

der Titel findet sich in einem Satz der Protagonistin wieder, die davon spricht, dass zum Handel gehöre, was geschehen ist. da sie es ihm nur erzählt, weil sie sich mit was angesteckt hat, und das nicht thematisiert wird, scheint das Stillschweigende ein Teil der Abmachung zu sein, die es außerdem erlauben müsste, mit anderen Partnern Sex zu haben. darauf deuten immerhin Titel und dieser eine Satz von ihr und noch ein anderer. man darf mit anderen Sex haben, aber es muss nicht drüber geredet werden.

in meinen Augen müsste ein Handel für beide Seiten fair sein. zumindest theoretisch jeder die gleichen Rechte genießen und Verantwortungen tragen. wie das dann ausgelebt wird, ist eine andere Frage. aber um ein echter Deal zu sein, bräuchten beide wenigstens Vermögen und grundsätzliche Bereitschaft dazu, die Vertragsbestandteile zu erfüllen. zB Sex mit anderen. so ist es in meinen Augen kein Deal, sondern ein Diktat.

dass es ein Handel ist, dem widerspricht, als er sagt, von ihm würde so was nicht kommen. dem widerspricht, dass sie vor Beginn ihrer Beziehung sagt, sie tue, was sie will. dass die Beziehung überhaupt erst mit einem "Betrug" begann und bald mit der Frage nach einem Dreier weiterging. alles Anzeichen, dass es eben kein Deal ist, kein Handel oder Vertrag zwischen zwei Partnern. sondern ein Diktat oder Anarchie, die Abwesenheit von Regeln, bzw das Vortäuschen davon.
Vieles wirkt, als hätte sie von Beginn an die Regeln gesetzt, von denen keine verhandelbar wären, und er hat sich gefügt, in jede einzelne Situation. nie widersprochen, höchstens passiv gewesen, sich durch Nichthandeln und Sprechen abgegrenzt.
das gibt die Geschichte mE her. mehr sehe ich nicht.

beide wirken seltsam emotionslos während der ganzen Geschichte. den stärksten gefühlsmäßigen Eindruck habe ich von ihrem 'werd endlich erwachsen' - und den Satz lese ich mit genervtem Unterton. es ist ein Protokoll.
ich kenne es, dass ein Mensch so zurückhaltend ist oder es im Laufe einer Beziehung wird, aber hier sind es beide, die so sehr kontrolliert wirken, so gleichgültig gegenüber dem Geschehen, als ginge es sie nichts an. das passt für mich nicht ganz.

als er das Poster abnimmt, als beide es wieder aufhängen: da fühlt sich nichts zwingend an, nicht wie Symbole oder Ergebnisse intensiver Prozesse. sondern willkürlich. es hätte auch ganz anders da stehen können. oder auch gar nicht.

die meisten offenen Beziehungen werden mit größtmöglicher Transparenz geführt. heimliches Fremdgehen ist ein no-go, deswegen ja der ganze Aufwand, um authentisch mit seinen Gefühlen sein zu können. da wird eher zu viel über Gefühle geredet, als zu wenig, ist mein Eindruck. seinem Partner by the way zu sagen, er habe sich mglw ebenfalls angesteckt, ist schon sehr krass, wirkt kaltblütig. so gesehen, passt ihr Verhalten, aber ich sehe keinen Grund, warum er bei ihr ist. da fehlt mir ein Mosaikstück. so wirkt die Beziehung nicht überzeugend - und sie ist hier der Dreh- und Angelpunkt.
es gibt diese Liebesbeziehungen ohne wechselseitige Augenhöhe, aber dann braucht es auch Gründe, warum einer der Partner das aushält, darin gefangen ist. wenn der Autor nicht in die Personen reinzoomt und nicht wenigstens einen Teil der Innenwelt transparent macht, hätte ich etwas mehr äußere Handlung hier wichtig gefunden, um zumindest Ideen davon zu bekommen, was sie so faszinierend macht oder ihn so sehr festhält. dass er sich trotz dreister Zumutungen nur träge am Sack kratzt und sogar über ihren Sackkratzspruch hinweg geht.

ich mag die Schreibe. dieser ruhige Blick, der Vieles sieht und auch alltäglichen Sinneseindrücken wie dem Vibrieren der Brücke ihren Platz einräumt. die Ruhe in dem Erzählen und der Platz in den Sätzen laden zum Mitlesen und -denken ein. erinnert mich in der Tendenz an Schlink und den späten Roth. und ich stelle mir vor, dass dieser Blick gerade seine Stärke ausspielt, wenn mehr passiert, mehr Leben, Gefühl, Leidenschaft. mehr Spannung zwischen den Menschen.

ein paar Gedanken zu einem Text, der mir gefällt.

Grüße,
Kubus

 

Hallo @ peeperkorn ,
Dies ist das erste Mal, dass ich eine Geschichte von dir lese und daher kenne ich den peeperkornsound nicht, den @ zigga anspricht. Ich hatte keine Schwierigkeiten, der Geschichte zu folgen und auch der Absatz mit der Frage "wer" erschloss sich mir sofort. Ich wusste, hier ist ein Seitensprung das Thema, der Grund, warum er sich testen lassen sollte. Die Krankheit wird explizit nicht genannt, es geht aber um eine Geschlechtskrankheit, früher nannte man sie die Franzosenkrankheit, die weich machte in der Birne. Dank Antibiotika hat diese Krankheit ihren Schrecken verloren.
Ich finde, die Reduktion auf das Wesentliche, lässt mir als Leser Freiraum für eigene Gedanken. Ich lese von einer Liebesgeschichte, die gleichzeitig auch eine Antiliebesgeschichte ist. Warum es so ist, was die Figuren treibt, wird nicht erklärt. Nur eins wird deutlich. Dieses Paar hat unterschiedliche Bedürfnisse und deutlich wird, dass die Frau sich das Recht nimmt, sich diese zu erfüllen. Der Mann knickt ein, ordnet seine Bedürfnisse unter. Die Düsternis, die zwischen den Zeilen entsteht, hast du nicht hingeschrieben, sondern du überlässt es mir als Leser, die zu fühlen, oder nicht.

Sie küsste ihn auf die Stirn und er ließ es geschehen
Das ist der einzige Satz, der mir als unpassend zum Stil erschien. Und er ließ es geschehen ist doch zu sehr Einmischung durch den Autor.
Liebe Grüße, GD

 

Hallo Peeperkorn,

wieder eine tolle Geschichte von dir. Kannst du eigentlich gar nicht anders? ;)

Mich erinnert der Text in Stimmung und Konstellation ein bisschen an "Spuren". Auch so eine schwierige Paarbeziehung, die eigentlich schon von Beginn an erschwerte Voraussetzungen hat. Und in beiden Fällen hat es was mit ... ich sag mal ... dem Gemüt der Frau zu tun.

Aber Vergleich hin oder her, diese Geschichte steht ja für sich. Hier geht es also um einen Seitensprung in einer Beziehung, die schon aus einem doppelten Seitensprung entstanden ist, von der man also meinen könnte, beide sähen es da nicht so eng oder wüssten zumindest, worauf sie sich einlassen - dass "so was eben passieren kann". Aber diese Erkenntnis war wohl eher einseitig, Alex jedenfalls hat ein Problem damit, vielleicht ein größeres, als er selbst vorher gedacht hätte. Man fragt sich allerdings trotzdem, wie Lea wohl reagiert hätte, wenn es umgekehrt gewesen wäre.

Ich geh mal den Text der Reihe nach durch.

Sie stand auf, ging in die Küche, spülte das Glas, aus dem sie getrunken hatte. Dann löschte sie das Licht und wartete im Flur.
„Hey!“, sagte sie, als Alex hereinkam. Sie küssten sich.
Ich habe mich gefragt, ob das Spülen des Glases vielleicht mit der Infektion zu tun haben soll. Dass Lea Alex lieber nicht aus dem Glas trinken lassen will für den Fall, dass er bisher noch nicht infiziert ist. Aber dann müsste sie ja eigentlich auf den Kuss verzichten, oder?

Das heißt: Entweder ich habe überinterpretiert, oder Lea verhält sich inkonsequent (was beides keine große Überraschung wäre).

Nichts Schlimmes. Aber du solltest dich testen lassen.“
Das sagt ja einiges über ihre Einstellung ...

Dass sie anschließend schlecht schläft, hat mich dann allerdings überrascht.

Alex rollte den Poster ein und fixierte ihn mit einem Gummiband.
Nördlich der Alpen ist es m.E. das Poster. Nur falls du die Schweizer Idiome raushalten möchtest.

„Darum geht’s doch nicht. Gut möglich, dass ich dich gar nicht ...“
„Kriegt man's nur, wenn man lustvoll vögelt?“
Hier will Alex sarkastisch und verletzend sein, da muss man nicht nach Logik fragen. Aber unlogisch ist der Satz trotzdem. Denn "man" ist hier ja er selbst, d.h. er stellt die Frage in den Raum, ob er wohl noch mit Lust bei der Sache ist/war.
Logischer wäre m.E.: „Gibt man's nur weiter, wenn man lustvoll vögelt?“ Das würde Leas Lust (= Liebe) ihm gegenüber in Frage stellen und damit die verletzende Wirkung haben, die er beabsichtigt.

Dann ging er durch die Wohnung und hängte alles ab. Die Meerbilder im Schlafzimmer. Das Betreten-Verboten-Schild, das Lea von einer Baustelle geklaut hatte.
Ist das dann nicht eher ihr Schild als seins? Wenn er ausziehen will, müsste er das doch dort lassen?
Und ich würde "Betreten-verboten-Schild" mit kleinem v schreiben.

wo sie sich zwei T-Shirts mit aufgedrucktem Spartaner Helm kauften
Spartaner-Helm oder Spartanerhelm

Der Dialog im Hotel verwirrt mich. Der klingt ein bisschen so, als hätten sie schon öfter einen Dreier gemacht. Jedenfalls redet Lea mit großer Selbstverständlichkeit davon. So schätze ich aber Alex nicht ein.

Und ich nehme an, der Junge von der Rezeption war dann der fatale Seitensprung?

Sie holte ein Frotteetuch aus dem Badzimmer
Bei uns im Norden: Badezimmer

„Verflucht, hast du mich erschreckt.“
Da könnte man ein Ausrufezeichen spendieren. Sonst klingt es nicht besonders erschrocken.

„Der Scheiß kann echt heimtückisch sein, das weißt du? Kriegst nichts mit und in ein paar Jahren wird deine Birne weich.“
Du deutest ja immer nur an, um welche Krankheit es gehen mag. Hier tippe ich endgültig auf Syphilis.

„Du fandst es spießig.“
„Was?“
Der New-York-Poster. Damals, als ich ihn aufgehängt habe.“
Wenn "Poster" bei dir maskulin ist, müsste sie ihn spießig gefunden haben, und zwar den Poster.

Während Alex nicht müde wurde, alle Schuld auf sich zu nehmen und mit einem geflüsterten Alles wird gut aufzulegen, knallte Lea den Hörer meist nach kurzer Zeit hin.
„Versprich mir, dass du nie so wirst“, sagte sie.
Das fasst den Unterschied zwischen den beiden schon ganz zu Beginn der Beziehung sehr gut zusammen.

„Das ist deine Sache. Das geht mich nichts an. Das ist nicht unser Deal.“ Lea verschränkte die Arme. „Werd' erwachsen, meine Güte!“
Und am Ende ist Alex so "erwachsen" geworden, dass er sich mit Leas Verständnis von Partnerschaft abfindet und bleibt. Da kann man jetzt lange drüber nachdenken, welche Reaktion die wirklich erwachsene gewesen wäre. Letztlich hängt es wohl davon ab, ob man die gleichen Vorstellungen vom "Deal" des Zusammenlebens hat, und das scheint mir hier nicht der Fall zu sein. Aber die Sommerszene mit der auf- und abtauchenden Lea soll wohl zeigen, dass er sie nicht verlieren will. Warum, das ist mir allerdings nicht komplett klargeworden.

Nun ja - er muss ja wissen, was er tut ...

Das Papier wellte sich, drohte zu reißen.
... aber so, wie man das Poster nicht beliebig oft ab- und wieder aufhängen kann, ohne dass es reißt, so wird auch die Beziehung der beiden nicht viele solcher Zwischenfälle verkraften. Schönes Bild!

Eine starke Geschichte, wie gesagt. Mit Protagonisten, deren Verhalten du mir weitestgehend verständlich gemacht hast, obwohl ich mit ihnen niemals übereinstimmen würde. Das ist eine Kunst!

Grüße vom Holg ...

 
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Hey zigga

Habe das Gefühl, du hast dich hier mal an etwas Neues gewagt, einen anderen Stil probiert. Ich habe ein bisschen deinen "anderen" Sound vermisst, irgendein Gefühl, das ich hier beim Lesen nicht bekommen habe, bei deinen anderen Texten aber schon.

Ja, das triffst du natürlich ganz gut. Ich frage mich, ob du den selben Eindruck gehabt hättest, wenn die Geschichte chronologisch aufgezogen wäre, also wenn ich mit Abschnitt 4 begonnen hätte und dann zu 2 übergegangen wäre. Ich habe versucht, von der Ausgangsituation her in zwei Richtungen zu erzählen, einmal in die Zukunft (3 und 5), einmal in die Vergangenheit und dabei im Ton wärmer zu werden, mich dem Sound anzunähern, den ich sonst in meinen Geschichten habe, vor allem in Abschnitt 4, wo die beiden sich kennenlernen. Das Ziel war eigentlich, mit dem Stil ein wenig zu spielen, den Ton zu variieren. Da aber der Schluss wieder sehr reduziert daherkommt, geht das insgesamt vielleicht unter und es dominiert der Eindruck des Kargen.

Ich musste mich da zuweilen schon recht kontrollieren, ich hab's aber auch gern gemacht, weil ich fand, es sei dem Thema angemessen.

Und der sound, den du vermisst, da habe ich in letzter Zeit viel darüber nachgedacht und ich glaube, der kommt dann, wenn ich nicht allzu sehr nachdenke und einfach schreibe. :)

Vielen Dank, zigga, für diese Rückmeldung, ist auch schön, dass du das so in den Kontext meiner übrigen Geschichten stellst, kann ich sehr viel mit anfangen.

Hallo kubus

Ja, der Titel ist Ironie. Wann ist ein Deal ein Deal? Bedeutet schweigen einverstanden sein? Ist die Unterschrift unter den Arbeitsvertrag ein Einverständnis? Ich schweife ab. Ich sehe mich da in deinen Überlegungen verstanden.

Was dir fehlt, sind zwei Dinge. Die Motive von Alex, bei Lea zu bleiben und die Emotionen. Ich wollte Alex' Faszination für Lea in der Kennenlernszene durchscheinen lassen, ich weiss nicht, die Wärme, das Boot auf dem Wasser, die Leidenschaft der ersten Nacht, ich hab' das vor meinem inneren Auge so gesehen, dass Alex ihr vom ersten Augenblick an verfällt, da habe ich vielleicht zu sehr redzuiert, werde ich noch drüber nachdenken müssen. Ich meine, ich habe schon daran gedacht, aber dann sind mir bloss so physische Dinge eingefallen, Lea hatte so schönes Haar und dieser Quatsch. Ich überlege mir, ob ich da ebenfalls ein Bild finde, analog zu Leas Karussell.
Die Emotionen. Ich wollte es unter der Oberfläche brodeln lassen, das Gefühl, wenn der andere so kontrolliert über allem steht und dir jede Faust, die auf den Tisch knallt, als peinlicher Ausbruch ausgelegt wird. Aber irgendwas verbindet die beiden eben doch, ich wollte da ein paar zärtliche Gesten einbauen, ich seh auch Lea nicht unbedingt als Monster, unten am Fluss nicht und auch am Ende nicht. Aber vielleicht braucht die ganze Geschichte noch etwas mehr Entgegenkommen von ihrer Seite, damit sie runder wird. Und etwas mehr Zorn von Alex. Das muss ich mir ebenfalls durch den Kopf gehen lassen.

Kubus, das hat genau die Flughöhe, die ich brauche, du hast dich wirklich tief in die Geschichte reingekniet und ich kann eine Menge aus deinem Komentar mitnehmen. Vielen Dank!

Hallo Goldene Dame

Vielen Dank für deinen Kommentar. Er wird mich mahnen, sanft vorzugehen, wenn ich die Ideen von zigga und kubus aufgreifen und einbauen will. Es hat mich sehr gefreut, dass du dich in der Geschichte zurechtgefunden und dich darin bewegen konntest. Denn bei einigen Passagen war ich mir schon unsicher, ob das gut rüberkommt und verstanden wird.
Das "... und er liess es geschehen" passt nicht gut, da hast du recht, ich nehme es raus.

Hey, es war mir eine Freude, lieben Gruss an euch
Peeperkorn

 

Was dir fehlt, sind zwei Dinge. Die Motive von Alex, bei Lea zu bleiben und die Emotionen. Ich wollte Alex' Faszination für Lea in der Kennenlernszene durchscheinen lassen, ich weiss nicht, die Wärme, das Boot auf dem Wasser, die Leidenschaft der ersten Nacht, ich hab' das vor meinem inneren Auge so gesehen, dass Alex ihr vom ersten Augenblick an verfällt, da habe ich vielleicht zu sehr redzuiert, werde ich noch drüber nachdenken müssen. Ich meine, ich habe schon daran gedacht, aber dann sind mir bloss so physische Dinge eingefallen, Lea hatte so schönes Haar und dieser Quatsch. Ich überlege mir, ob ich da ebenfalls ein Bild finde, analog zu Leas Karussell.
Die Emotionen. Ich wollte es unter der Oberfläche brodeln lassen, das Gefühl, wenn der andere so kontrolliert über allem steht und dir jede Faust, die auf den Tisch knallt, als peinlicher Ausbruch ausgelegt wird. Aber irgendwas verbindet die beiden eben doch, ich wollte da ein paar zärtliche Gesten einbauen, ich seh auch Lea nicht unbedingt als Monster, unten am Fluss nicht und auch am Ende nicht. Aber vielleicht braucht die ganze Geschichte noch etwas mehr Entgegenkommen von ihrer Seite, damit sie runder wird. Und etwas mehr Zorn von Alex. Das muss ich mir ebenfalls durch den Kopf gehen lassen.

Das finde ich beides gute Ideen. Ich habe Kubus' Komm erst gelesen, nachdem ich meinen abgeschickt hatte, und gedacht: Da hat einer mehr gesehen als ich.

Dass ich nicht recht verstehe, warum Alex nicht ohne Lea kann, habe ich zwar angemerkt. Aber Kubus schrieb etwas von fehlender Augenhöhe und du etwas von verfallen. Finde ich gut, das deutlicher zu machen.

Und ein bisschen mehr Zorn von Alex bzw. Entgegenkommen von Lea: Das finde ich passend, nachdem du gerade deine Intention benannt hast. Bisher habe ich nämlich Lea schon als ziemlich kalt und Alex als etwas unterwürfig wahrgenommen.

Grüße vom Holg ...

 
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Hey Holg

wieder eine tolle Geschichte von dir. Kannst du eigentlich gar nicht anders?

Irgendwie warte ich ständig auf den grossen Ausrutscher. :)

Mich erinnert der Text in Stimmung und Konstellation ein bisschen an "Spuren". Auch so eine schwierige Paarbeziehung, die eigentlich schon von Beginn an erschwerte Voraussetzungen hat. Und in beiden Fällen hat es was mit ... ich sag mal ... dem Gemüt der Frau zu tun.

Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber sagen wir, es gibt da eine gemeinsame Inspirationsquelle. :D

Ich habe mich gefragt, ob das Spülen des Glases vielleicht mit der Infektion zu tun haben soll. Dass Lea Alex lieber nicht aus dem Glas trinken lassen will für den Fall, dass er bisher noch nicht infiziert ist. Aber dann müsste sie ja eigentlich auf den Kuss verzichten, oder?

Das heißt: Entweder ich habe überinterpretiert, oder Lea verhält sich inkonsequent (was beides keine große Überraschung wäre).


;)

„Nichts Schlimmes. Aber du solltest dich testen lassen.“
Das sagt ja einiges über ihre Einstellung ...

Hm. Ich habe das noch ganz am Schluss hinzugefügt, weil ich nicht wollte, dass man an HIV denkt. Aber ja, da kommt Lea gleich zu Beginn schlechter weg als ich wollte.

Nördlich der Alpen ist es m.E. das Poster. Nur falls du die Schweizer Idiome raushalten möchtest.

Ja, das heisst eigentlich auch bei uns so. Duden erlaubt beides, aber ich hab jetzt auf "das" gewechselt.

Hier will Alex sarkastisch und verletzend sein, da muss man nicht nach Logik fragen. Aber unlogisch ist der Satz trotzdem. Denn "man" ist hier ja er selbst, d.h. er stellt die Frage in den Raum, ob er wohl noch mit Lust bei der Sache ist/war.
Logischer wäre m.E.: „Gibt man's nur weiter, wenn man lustvoll vögelt?“ Das würde Leas Lust (= Liebe) ihm gegenüber in Frage stellen und damit die verletzende Wirkung haben, die er beabsichtigt.

Ach, das ist so einfühlsam gelesen, krass. Merci. Hab's geändert. Auch das Schild, den Spartanerhelm und das Badezimmer.

Der Dialog im Hotel verwirrt mich. Der klingt ein bisschen so, als hätten sie schon öfter einen Dreier gemacht. Jedenfalls redet Lea mit großer Selbstverständlichkeit davon. So schätze ich aber Alex nicht ein.

Könnte aber schon sein, dass er ihr zuliebe mal mitgemacht hat.

Und ich nehme an, der Junge von der Rezeption war dann der fatale Seitensprung?

Das war nicht meine Absicht, aber ich habe mir gedacht, dass man das denken könnte. Hauptziel war es, die verschiedenen Bedürfnisse zu zeigen, irgendwo in der Wärme. Aber es könnte ja auch so sein, wie du denkst.

Warum, das ist mir allerdings nicht komplett klargeworden.

Das Schema wiederholt sich. Aber diesmal verfalle ich nicht in Panik. Ich denke, da braucht es nicht allzu viel, kubus hatte da die Idee, das szenisch zu ergänzen. Ebenso diese Sache mit den Emotionen, die du in deinem zweiten Komm ansprichst. Werde ich alles berücksichtigen.

Eine starke Geschichte, wie gesagt. Mit Protagonisten, deren Verhalten du mir weitestgehend verständlich gemacht hast, obwohl ich mit ihnen niemals übereinstimmen würde. Das ist eine Kunst!

Vielen Dank!

Merci, lieber Holg, für diese wie immer äusserst sorgfältige Lektüre.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Pepperkorn,
also wie GoldeneDame kenne ich leider den typischen Peppercornsound nicht. Ich fand die Geschichte jedenfalls sehr schön. Dieses starke Reduzieren macht die Geschichte, finde ich, für den Leser, der sich noch nivht so gut mit Pepperkorn Geschichten auskennt, erreichbarer, weil er nicht von so viel Text erschlagen wird.
Also ist das da eine schöner Einstieg in deine Kurzgeschichten, finde ich.
Ist schon spät. Morgen schreibe ich vielleicht noch mehr.
Gute Nacht,
alexei

 

Ich frage mich, ob du den selben Eindruck gehabt hättest, wenn die Geschichte chronologisch aufgezogen wäre, also wenn ich mit Abschnitt 4 begonnen hätte und dann zu 2 übergegangen wäre.

Hallo Peeperkorn,

ja, dann hätte ich den selben Eindruck gehabt. Ich fand das sogar gut, dass du die Chronologie durchbrichst, dadurch wirfst du anfangs einige Fragen auf und beantwortest die dann in Rückblenden/Vorblenden. Ich fand die verschiedenen Beziehungsstadien auch szenisch sehr schön gezeigt, das hat mir alles sehr gut gefallen. Ich habe noch mal über diese Sache mit dem "Sound" nachgedacht. Da ist zum Einen natürlich eine Distanz vom Erzähler zu deinen Figuren, die in anderen Text nicht so war, mag sein, dass das auch ein bisschen am auktorialen Erzählen liegt, ansonsten erzählst du ja oft (korrigiere mich, wenn ich das jetzt falsch sage?) in der Ich-Form.
Aber im Gegensatz zu dem Umfang, was du erzählst, zeigst du mir als Leser hier natürlich nur sehr ausgewählte, kurze Szenen - da bleibt mir weniger Zeit, "warmzulaufen" mit den Figuren, sie so ausgiebig kennenzulernen, wie in anderen Texten von dir. Ja, ich lerne hier beim Lesen weniger Figur kennen als sonst, das ist es glaube ich auch, was ich mit "Sound" meine.

Möchte aber noch mal sagen, dass mir die Geschichte trotzdem gefallen hat und ich sie gut geschrieben finde.

Viele Grüße
zigga

 
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Hallo alexei

Schön, dass dir der Text gefallen hat.

Dieses starke Reduzieren macht die Geschichte, finde ich, für den Leser, der sich noch nivht so gut mit Pepperkorn Geschichten auskennt, erreichbarer, weil er nicht von so viel Text erschlagen wird.

Also, das verstehe ich jetzt nicht ganz. Vielleicht klärt sich das ja noch. [Edit: Ach so, ja der Text ist ziemlich kurz, hatte ich gar nicht so ein Gefühl dafür] Danke für deinen Kommentar, hat mich gefreut.

Hey zigga

Cool, dass du dich nochmal gemeldet hast, mir ist jetzt einiges klarer geworden. Ja, es war natürlich nie meine Absicht, das linear zu erzählen, ich wollte nur auf den unterschiedlichen Ton der Abschnitte hinweisen. Aber da zeigt sich jetzt, dass du das auf einer anderen Ebene meinst. Mit "Sound" habe ich eher so Satzkonstruktionen, bestimmte Wendungen, nachgestellte Nebensätze usw. gemeint. Da habe ich eben variiert. Aber was du ansprichst, die Nähe zu den Figuren, bzw. die Distanz, ja, das ist hier durchgehend und durchgehend etwas anders als in meinen anderen Texten.

Das war übrigens das zweite Experiment, das ich mit diesem Text durchgeführt habe, die Perspektive, ich weiss gar nicht, ob das auktorial ist, der Erzähler weiss ja nicht mehr als die Figuren, mir schwebte eher vor, von der einen zur anderen Figur überzugehen, mal eher aus der Perspektive von Lea, mal eher aus der von Alex zu erzählen. Das geht natürlich auf Kosten der Nähe, bleibt ja pro Figur nur noch die Hälfte Text übrig, ich denke als Leser wird man sich auch nicht so sehr an eine Figur anhaften und bleibt da eher auf Distanz.

Nochmal sehr hilfreich, zigga!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber Peeperkorn,

das vorweg: Auch ich habe in dieser Geschichte das typische Peeperkorn-Feeling vermisst. Diesen speziellen Sound, der beim Lesen das Gefühl aufkommen lässt, der Autor selber läse einem diesen Text vor. Es mag an der Verknappung liegen, mit der du deine Szenen gestaltest. Keine Ahnung.

Sehr gut gefallen haben mir wie immer deine vielen sensiblen Beobachtungen. Ich denke im Moment (aus gegebenem Anlass) darüber nach, warum ich bestimmte Texte gerne lese. Und das ist eine Antwort auf diese Frage: weil der Autor sehr fein beobachtet und damit seine Geschichte für mich erfahrbar macht. So auch hier. Eine Stelle von vielen:

Ein Jogger näherte sich, stieß weiße Wölkchen aus, keuchte, zupfte sich das Stirnband zurecht, rannte über die Brücke, die zu vibrieren begann. Dann war es wieder still.

Das sind schöne Beobachtungen, die in mir sofort Bilder erzeugen.

Zur Beziehung.
Ich beginne mal prosaisch: Es ist ja nun passiert: Lea hat sich angesteckt und sie muss es Alex sagen. In dieser Situation fällt ganz am Anfang die Äußerung:

„Wie du möchtest“, sagte Lea.

Dieser Satz wirft für mich in der Regel ein spezielles Licht auf eine Beziehung. Ich habe ihn oft bei anderen gehört, hin und wieder auch selbst benutzt. Aber immer schien er mir zu bedeuten: ‚Ich gebe es auf mit dir, ich habe keine Lust mehr zu diskutieren. Bestimm du, das machst du ja sonst auch immer.’ So interpretiere ich ihn und deshalb führt er mich an dieser Stelle in eine falsche Richtung. Es geht ja – wenn ich es richtig verstehe, nicht darum, dass Lea genug hat von Alex, sondern dass sie ihm die Wahrheit sagen muss.

„Scheiß Besitzdenken“, sagte Lea.
„Darum geht's nicht.“
„Doch. Und dir hätte dasselbe geschehen können.“
„Hätte es nicht.“
„Das ist deine Sache. Das geht mich nichts an. Das ist nicht unser Deal.“ Lea verschränkte die Arme. „Werd' erwachsen, meine Güte!“
Es scheint einen Konsens, einen ‚Deal’, gegeben zu haben, zumindest eine theoretische Überlegung. Doch als Alex erfährt, dass Lea mit einem anderen zusammen war, wird deutlich, dass alles gar nicht wahr ist. Und wie schon so oft gehört, reagiert auch dein Protagonist anders, als es sich nicht mehr nur um die theoretische Möglichkeit handelt, das Vorgestellte Realität geworden ist. Ein wenig empfinde ich die Idee deiner Geschichte deshalb wie ein Muster, das mir recht bekannt ist.

Und das Ende. Alex bleibt. Aber warum bleibt er? Du hast dir viel Mühe gegeben, Lea gut zu charakterisieren. Sie ist die Freie, Unabhängige, die sich nicht anbinden lässt. Und sie ist egoistisch. Aber wer ist Alex? Ich weiß nur, dass er bereit war, seine alte Beziehung für Lea aufzugeben, dass es ihn trifft, dass Lea mit einem anderen zusammen war, das er reflexartig reagiert, sie verlassen möchte und dann doch bleibt. Aber warum?

Lea kann ich mir sehr gut vorstellen. In ihrem Wesen ist kein Bruch, fast schablonenhaft (klingt jetzt härter, als es gemeint ist) entspricht sie unserer Vorstellung von einem freien, unabhängigen, tief egoistischen Wesen.
Aber Alex? Schwach und hilflos kommt er mir vor: Er erliegt der Faszination seines Gegenentwurfs Lea, reagiert reflexartig auf ihren Betrug, kann sich aber nicht wirklich lösen. Ist er am Ende wirklich erwachsen geworden? Hat er sich verändert? Oder ist er nur zu schwach, sich zu trennen?
Ich kann es nicht beurteilen, weil ich zu wenig über ihn weiß, zu wenig in ihn hineinschauen kann.

Auch dieser Charakteristikversuch hilft mir da nicht so recht:

Sie hinterließen zwei Scherbenhaufen. Noch Monate später, da waren sie bereits zusammengezogen, klingelte das Telefon mitten in der Nacht. Daniel, der in den Hörer schrie, Lea werde es bereuen. Alex' Ex, die das Gleiche sagte, nur leiser. Während Alex nicht müde wurde, alle Schuld auf sich zu nehmen und mit einem geflüsterten Alles wird gut aufzulegen, knallte Lea den Hörer meist nach kurzer Zeit hin.
„Versprich mir, dass du nie so wirst“, sagte sie.

Ich spüre die Funktion des Absatzes. Er soll die beiden charakterisieren, aber er zeigt mir eigentlich nur das, was ich eh schon weiß: dass Lea egoistisch ist und nicht wirklich mitleiden kann, während Alex der Schwächere und Hilflosere von beiden ist. Aber das sagt mir ja deine ganze Geschichte schon.

Es mag an mir liegen, dass ich während des Lesens meine Distanziertheit nicht ganz los wurde. Lea bleibt so, wie du sie schilderst, kalt und egoistisch, und Alex hilflos und schwach. Ich habe am Ende das Gefühl, dass ich beiden nicht richtig nahe kommen konnte.

Ich finde gerade in deiner Antwort auf Kubus das, was mir zu fehlen scheint:

Die Emotionen. Ich wollte es unter der Oberfläche brodeln lassen, das Gefühl, wenn der andere so kontrolliert über allem steht und dir jede Faust, die auf den Tisch knallt, als peinlicher Ausbruch ausgelegt wird. Aber irgendwas verbindet die beiden eben doch, ich wollte da ein paar zärtliche Gesten einbauen, ich seh auch Lea nicht unbedingt als Monster, unten am Fluss nicht und auch am Ende nicht. Aber vielleicht braucht die ganze Geschichte noch etwas mehr Entgegenkommen von ihrer Seite, damit sie runder wird. Und etwas mehr Zorn von Alex. Das muss ich mir ebenfalls durch den Kopf gehen lassen.
Dieses ‚Unter-der-Oberfläche-brodeln’ teilt sich mir nicht richtig mit. Das würde ich verstärken. Und natürlich Alex Zorn. Der ist dann doch ziemlich versteckt – für mich zumindest.

Lieber Peeperkorn, trotz der kleinen Probleme, die ich mit ihr hatte, habe ich deine Geschichte gerne gelesen und merke gerade, dass sie viel Anlass zum Nachdenken bietet – über ihr Thema, aber auch über deine Gestaltung.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo Peeperkorn,

das hat mir gefallen. Nach dem ersten Absatz war ich verwirrt, dann brachte mich der zweite ein Stück weiter. Dann war ich wieder verwirrt – und wurde wieder durch einen kleinen Hinweis weitergebracht. Das hast du sehr geschickt über deine Dialoge gemacht, Respekt.

Ich mag den Klang deiner ausformulierteren Geschichten auch sehr, fand das hier aber einen interessanten Versuch. Es fehlt zwar ein bisschen Emotionalität, aber vielleicht ist dieses Paar einfach so. Ich habe es übrigens nicht so verstanden, dass ausschließlich sie ihn betrügt. Mir kommt es eher so vor, als hätten beide diese Freiheit. Ja, als würden sie es teilweise auch gemeinsam mit anderen treiben (siehe Rezeptionist Griechenland). Eine offene Beziehung sozusagen.

Dieses Paar macht Platz für ausschweifende Diskussionen. Ich finde es immer wieder interessant, dass monogame Beziehungen von solchen Paaren als "besitzergreifend" bezeichnet werden. Ich wiederum würde Paare, die nur offene Beziehungen führen können, als nicht bindungsfähig bezeichnen. Schon interessant, wie unterschiedlich da die Einstellungen sind. Ich glaube ja, dass eine monogame Beziehung nicht zwingend einengend oder erdrückend sein muss. Hatte ich natürlich auch schon, mir kam deshalb aber nie in den Sinn, es mal mit einer offenen Beziehung zu probieren. Es geht nämlich auch anders, man kann sich auch zu zweit Freiheiten lassen und ausschwärmen und wieder zusammenkommen, ohne mit anderen in die Kiste zu springen. Ich könnte das gar nicht. Keine Ahnung, klingt kitschig, aber wenn ich liebe, will ich von keinem anderen berührt werde. Punkt. Und ich frage mich oft, ob die Verletzung nach einem Seitensprung tatsächlich auf Besitzdenken zurückzuführen ist, oder nicht viel eher auf das Gefühl von Verrat. Und zwar nicht mal unbedingt nur sexuell betrachtet, sondern Verrat an etwas viel Tieferem, das man sich möglicherweise über Jahre hinweg aufgebaut hat. Du siehst schon, bei mir rattert es gleich los im Kopf ;)

Gefallen hat mir auch, dass du zwei Rückblicke eingeflochten hast. Die kommen unaufdringlich daher und erklären zwischen den Zeilen dennoch, dass bei deren Beziehungskonstrukt wohl schon sie die treibende Kraft ist. Wenn sie aber sagt "hätte dir auch passieren können", dann denke ich, er hat das schon auch probiert. Auch dass beide verbrannte Erde hinterlassen haben, indem sie sich fanden, hast du gut angerissen. Wäre für mich persönlich ja auch ein schlechtes Omen. Eine Beziehung auf Trümmern alter Beziehungen aufzubauen. Aber naja. Ich bin einfach eine treue Seele, was soll ich machen?

Sprachlich gibt es da nix zu meckern, das ist sehr auf den Punkt, aber dennoch nicht zu sehr Ratespiel, echt gut. Nur hier würde ich kontinuierlich im Präteritum bleiben:

Kalter Dezemberregen. Menschen, die unter schmalen Vordächern Schutz suchen. Grüne Kreuze, die über Apotheken blinken. Eine Frau mit Einkaufstaschen in den Händen rempelte Alex an, er ging weiter, mit halb geschlossenen Augen, Bilder des Sommers im Kopf.

Gerne gelesen!
RinaWu

 
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Liebe Maria

Du weißt, ich mag lange Kurzgeschichten, ich mag es, wenn man viel zu viel von einer Figur erfährt und weiß, wieso sie das macht.

Ja.

Ich hasse das. Wirklich, hier hat man sehr viele Interpretation-Möglichkeiten und ich hasse das. Klar, der rote Faden ist hier drinnen, aber so dünn, dass es nicht wirklich für Gefühle sorgt. Es ist so, als würde ich mir einen Stummfilm ansehen.

Ich finde das ein tolles Bild, der Stummfilm. Auf eine Art hat es sich auch so angefühlt, diese Geschichte zu schreiben. Und ja, ich weiss, dass du das nicht magst. Du selbst gehst ja in deinen Geschichten dermassen in deine Figuren rein, wühlst da rum, bis sie schreien und ihr Inneres preisgeben. Das ist ein ganz anderer Zugang. Ich bin ehrlich gesagt sogar überrascht, wie gut die Geschichte bei dir wegkommt.

Wäre die Geschichte länger, dann würde sie, glaube ich, nicht amüsieren.

Ja, das sehe ich auch so. Ich lese grad jeden Abend eine Geschichte von Carver. Da bin ich auch jeweils froh, wenn nach sechs, sieben Seiten eine neue Geschichte beginnt und das Thema wechselt, der hat ein gutes Gespür dafür, wie lange so was sein darf.

Aber in dieser Form funktioniert sie, amüsiert und ist interessant. Ich habe sie gern gelesen, aber ich glaube nicht, dass ich aus ihr etwas für meine eigenen Geschichten fladern werde.

Kann ich gut verstehen. Ich bin nicht mal sicher, ob sich selber was aus dieser Geschichte mitnehmen kann. ;)

Hat mich sehr gefreut, Maria, dass du reingeschaust hast. Danke dir!

Liebe barnehlm

Auch ich habe in dieser Geschichte das typische Peeperkorn-Feeling vermisst. Diesen speziellen Sound, der beim Lesen das Gefühl aufkommen lässt, der Autor selber läse einem diesen Text vor. Es mag an der Verknappung liegen, mit der du deine Szenen gestaltest. Keine Ahnung.

So was hätte mich vor einiger Zeit wohl ziemlich ins Grübeln gebracht, aus Angst, den Sound nun für immer verloren zu haben. Aber hier war das ja ein bewusster Versuch, es mal anders zu machen. Passt für mich.

Sehr gut gefallen haben mir wie immer deine vielen sensiblen Beobachtungen. Ich denke im Moment (aus gegebenem Anlass) darüber nach, warum ich bestimmte Texte gerne lese. Und das ist eine Antwort auf diese Frage: weil der Autor sehr fein beobachtet und damit seine Geschichte für mich erfahrbar macht.

Das freut mich dann allerdings schon. Ich denke, das ist essentiell, wenn man einen ruhigen, reduzierten Text schreiben will.

Dieser Satz wirft für mich in der Regel ein spezielles Licht auf eine Beziehung. Ich habe ihn oft bei anderen gehört, hin und wieder auch selbst benutzt. Aber immer schien er mir zu bedeuten: ‚Ich gebe es auf mit dir, ich habe keine Lust mehr zu diskutieren. Bestimm du, das machst du ja sonst auch immer.’ So interpretiere ich ihn und deshalb führt er mich an dieser Stelle in eine falsche Richtung. Es geht ja – wenn ich es richtig verstehe, nicht darum, dass Lea genug hat von Alex, sondern dass sie ihm die Wahrheit sagen muss.

Ich weiss nicht. Ich wollte mit der Abfolge: "Wie du willst" - "Stimmt etwas nicht" lediglich andeuten, dass Alex überrascht ist, dass sie ihm die Wahl lässt, also die thematische Frage einführen, wer in der Beziehung das Sagen hat.

Und das Ende. Alex bleibt. Aber warum bleibt er? Du hast dir viel Mühe gegeben, Lea gut zu charakterisieren. Sie ist die Freie, Unabhängige, die sich nicht anbinden lässt. Und sie ist egoistisch. Aber wer ist Alex? Ich weiß nur, dass er bereit war, seine alte Beziehung für Lea aufzugeben, dass es ihn trifft, dass Lea mit einem anderen zusammen war, das er reflexartig reagiert, sie verlassen möchte und dann doch bleibt. Aber warum?

Ich glaube, ich muss mal darüber nachdenken, ob ich in meinen Bestreben, Frauenfiguren plausibel zu machen - das erfordert ja besonderen Aufwand, da will man sich nicht blamieren - meine Männerfiguren vernachlässige. Zwar sollte die Geschichte beide Perspektiven erfassen, aber der Alex ist da etwas zu sehr in meinem Kopf geblieben.

Ich spüre die Funktion des Absatzes. Er soll die beiden charakterisieren, aber er zeigt mir eigentlich nur das, was ich eh schon weiß: dass Lea egoistisch ist und nicht wirklich mitleiden kann, während Alex der Schwächere und Hilflosere von beiden ist. Aber das sagt mir ja deine ganze Geschichte schon.

Ja, die Veränderung. Ich habe da bloss diese Szene, wo er durch die Strassen geht und an vergangene Zeiten denkt, das ist wohl einfach zu dünn.

Es mag an mir liegen, dass ich während des Lesens meine Distanziertheit nicht ganz los wurde. Lea bleibt so, wie du sie schilderst, kalt und egoistisch, und Alex hilflos und schwach. Ich habe am Ende das Gefühl, dass ich beiden nicht richtig nahe kommen konnte.

Nein, das ist vielleicht wirklich ein Effekt dieser Art von Geschichte, so wie ich das erzählt habe. Das war auch die Absicht. So wie ein Bild von Edward Hopper. Da kommst du auch nie an die Figuren ran. Ich werde das nicht zu meinem neuen Erzählparadigma machen, aber ich fand es sehr reizvoll, mal damit rumzuspielen.

Lieber Peeperkorn, trotz der kleinen Probleme, die ich mit ihr hatte, habe ich deine Geschichte gerne gelesen und merke gerade, dass sie viel Anlass zum Nachdenken bietet – über ihr Thema, aber auch über deine Gestaltung.

Das freut mich wirklich sehr. Ich weiss nicht, das bedeutet mir zur Zeit fast mehr als begeisterte Anerkennung - hoffentlich ein Zeichen dafür, dass sich da so langsam ein gesundes Verhältnis zum Schreiben entwickelt. Vielen Dank für deine Zeit und diese, ich gebe das Wort zurück, sensible Rückmeldung.

Lieber Gruss euch beiden
Peeperkorn

 
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Lieber Peeperkorn,

ich hab die anderen Komms nicht gelesen. Das sind schon wieder so viele und irgendwie kommt man mit dem ganzen Lesen und Kommentieren gar nicht mehr nach. Und selbst was Kreatives machen will ich ja auch noch. Der Tag müsste dreißig Stunden haben. Und dabei arbeite ich gar nicht mehr.
Aber ich schreib das nicht um Rentnerjammerei zu betreiben, sondern ich wollt einfach eine Generalentschuldigung haben, wenn ich jetzt wiederhole, was alle anderen vielleicht auch schon geschrieben haben.

Eine Generalentschuldigung wie dieser Deal, denn dass der nicht als echte Gemeinsamkeit zustande gekommen ist, das spürt man sehr schnell und das schnürt einem den Hals etwas zu, weil man merkt, dass Alex leidet, auch wenn er in den Deal eingewilligt hat.
Auch Lea leidet übrigens, weil ihr ja was an dem Alex liegt, und sie ist enttäuscht, weil er ihre Freiheitsvorstellungen nicht so erfüllen kann, wie sie das gerne hätte. Man merkt das in der Szene, wenn sie in Athen sind und dann beide enttäuscht im Bett liegen. Glück klingt anders für mich und trotzdem schimmert immer ein kleines bisschen verlorenes Glück durch, das finde ich das Phänomen in diesem Text. Auch wenn du das so arg reduziert schreibst, wie du das sonst nie tust.
Aber man spürts zum Beispiel ganz am Schluss, als sie ihm hilft, das Poster wieder aufzuhängen. Oder wenn sie gemeinsam durch den Schneematsch laufen und sich gegenseitig stützen. Da merkt man, so schnell kommen die beiden nicht voneinander los, da gibts (noch) ein Band, das sie hält. Und das ist wohl Liebe trotz aller Deals.


Ja, echt guter, leitender Titel. Und ich finde das auch toll, dass er so geschäftsmäßig klingt. Deal in der Liebe.
Mein Gott.
Scheiße echt, ein Gefühl, das nur auf Freiwilligkeit beruht, etwas so Kostbares und Schönes ist und dann wird es in solche Kriterien wie Deal und gegenseitige Abmachung gezwungen. Und dann auch noch kurioserweise genau mit dem Inhalt, dass der Deal in der gegenseitigen Freiheit besteht. Und wenn man dahinter schaut, gibt es diese Gemeinsamkeit gar nicht, die ist nur eine Fiktion. Denn die eine Seite kann/will sich die Freiheit gar nicht nehmen. Der fühlt ja ganz anders. Wir wissen es nicht, ob er das schon am Anfang ihrer Beziehung so wusste oder dachte, vielleicht ist dieses Gefühl für ihn erst im Laufe ihrer Beziehung entstanden. Vielleicht denkt man ja auch, wenn man so einen Deal eingeht, das wird nicht passieren, oder es wird einem nicht ausmachen. Und ja, es klingt ja auch so schön: Gegenseitige Freiheit. Das hat was Verlockendes.

Irgendwie ist das eine Geschichte, auf die man vielleicht dann erst abfährt, wenn man schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat oder viele viele Erfahrungen. Oder gleich beides. :D
Aber ich vergaloppiere mich grad mal wieder.
Ich wollt noch auf den Deal selbst eingehen. Puhhh, das ist echt ein Ding. Also der Titel ist wirklich genial, weil der so richtig wie bei einem Gedicht eine Leitlinie für das Verstehen und Eintauchen in den text gibt. Im Nachhinein sowieso, aber auch schon in und durch die erste Szene, wenn die Lea Alex diese Info hinknallt, dass sie Syphilis hat und sich weigert, auch nur irgendeinen Ton darüber zu sagen, wie und wo sie sich diese geholt hat. (Dass es Syphilis ist, versteh ich jedenfalls so wegen der weichen Birne).
Die ist schon ganz schön cool, wie sie ihm sagt, dass er kein Ding draus machen soll. Ja, der Deal der beiden hats in sich.
Weshalb geht man so einen Deal ein, frage ich mich, als wenn ich es nicht genau wüsste. Verliebt ist er in sie bis über beide Ohren, schön gezeigt in der Szene ihrer ersten begegnung. Und klingt es nicht auch verdammt gut, Freiheit füreinander zu sein? Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass Leas Ungebundenheit, ihre Freiheitsliebe, ihre Ungezwungenheit sie gerade so anziehend macht für ihn. Sie sagt das ja nicht nur, sondern die positive Seite dieser Freiheitsliebe wird ja auch von dir gezeigt: das Ungebundene.
Sie kann und will sich nicht einengen lassen, das sagt sie von vorneherein, also bleibt ihm gar nichts anderes übrig, wenn er mit ihr zusammen sein will, dann geht das nur nach ihren terms of trade möcht ich fast sagen. Soviel zu der Gleichberechtigung oder gleichen Kräfteverhältnissen in diesem Deal. Man sieht das, weiß das, der Alex spürt das selbst. Und trotzdem macht er es, denn die Liebe funktioniert eben nicht immer nach Maßstäben der Vernunft. Es ist ihre Leichtigkeit, das Ungefesselte, das sie für ihn darstellt, das ihn diesen Deal eingehen lässt. Du schreibst das nie so direkt hin, aber man spürt das, wie das erste Zusammentreffen erzählt wird oder wie er sie auf diesem Karussell sieht, sie fliegt und ist wunderschön und er weiß in demselben Moment, er wird sie nie halten können. Aber es gibt eben auch Menschen, die lieben die Leichtigkeit, das Freie des anderen Menschen. Und das ist manchmal auch ein Fluch für einen selbst.
Ja, trotz aller Schwere und aller Traurigkeit in der Beziehung, man spürt auch die Faszination, die die Frau auf ihn ausübt und man spürt, dass mehr zwischen ihnen ist als nur eine eine einseitige Handelsbeziehung. Man spürt auch Leas Erleichterung, als er bei ihr bleibt.
Dass ich innerlich natürlich Partei für Alex ergreife, liegt wohl an Persönlichkeit dieser speziellen Leserin, aber vielleicht auch an deiner Leserführung. Denn man merkt, ich kann mich da nur wiederholen, Alex Leid. Ach Mensch, man kann ihm eigentlich nur wünschen, die Beziehung entweder anders zu leben, die Seitensprünge mit Fassung zu tragen oder eben die Kraft, den Vogel fliegen zu lassen.

Was ich noch anfügen wollte, ich fand das sehr geschickt und sehr fleißend, wie du hier permanent zwischen den Perspektiven gewechselt bist. Normalerweise, wenn es ungeschickt geschieht, kreischt jeder, Perspektivbruch. Hier geschieht es sehr weich und flüssig - und ist von daher einfach nur toll.

Viele liebe Grüße an den Peeperkorn von mir.


Nachträgliches Edit: Jetzt hab ich natürlich doch die Kommentare überflogen, neugierig wie ich bin. Und ja, mich überrascht das jetzt, dass viele die Gründe nicht sehen, warum Alex bleibt. Hmm.
Also ich hatte das Problem nicht, aber vielleicht schließe ich ja zu sehr von eigenen Lebenserfahrungen oder Persönlichkeitsmerkmalen auf seine Motive. Ich habe keine Ahnung.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich mich nicht mit dem Lösen dieses Problems befassen muss.

 

Hallo RinaWu

Erst mal danke für den Hinweis auf die Zeiten, ich war mir da unsicher, aber ich denke, durchgehendes Präteritum ist besser, so wie du das vorschlägst.

Und dann vielen Dank für deine Anmerkungen und Überlegungen zum Inhalt, es ist schön zu sehen, wie der Text was anstossen konnte.

Ich habe es übrigens nicht so verstanden, dass ausschließlich sie ihn betrügt. Mir kommt es eher so vor, als hätten beide diese Freiheit. Ja, als würden sie es teilweise auch gemeinsam mit anderen treiben (siehe Rezeptionist Griechenland). Eine offene Beziehung sozusagen.

Ja, die Hintergrundgeschichte, die ich im Kopf hatte, geht in eine ähnliche Richtung. Vielleicht war der Deal mal eine echte Vereinbarung, vielleicht hat er seine Freiheiten auch mal genutzt, aber jetzt hat sich das verschoben. Daher die Szene mit dem Rezeptionist, das sollte ein wenig so wirken, dass sie das auch schon gemacht habe, er aber nun nicht mehr will.

Schon interessant, wie unterschiedlich da die Einstellungen sind.

Das denke ich auch. Mir war es ein Anliegen, diesebezüglich nicht zu werten. Ich sah die Gefahr, dass das dann so rüberkommt, dass offene Beziehung notwendigerweise zu Syphilis und emotionalem Ruin führe. Das hat bisher niemand so gelesen und da bin ich froh drüber. Dass man sich nach der Lektüre aber Gedanken macht, ob und wie so was überhaupt funktionieren kann, und wie das für einen selbst aussieht, das freut mich sehr.

Es geht nämlich auch anders, man kann sich auch zu zweit Freiheiten lassen und ausschwärmen und wieder zusammenkommen, ohne mit anderen in die Kiste zu springen.

Lea hätte in dir eine wichtige Gesprächspartnerin.

Auch dass beide verbrannte Erde hinterlassen haben, indem sie sich fanden, hast du gut angerissen.

Da war ich mir etwas unsicher, ob das passt, weil da plötzlich nochmal zwei Figuren, als Schatten, auftauchen, ob das zu sehr ablenkt. Scheint aber zu funktionieren.

Sprachlich gibt es da nix zu meckern, das ist sehr auf den Punkt, aber dennoch nicht zu sehr Ratespiel, echt gut.

Cool!

Vielen Dank, RinaWu, und schöne Reise!

Hallo ChrissiS

Du überforderst Deine Leser nicht mit zu vielen Bildern und Metaphern, sondern lässt Freiräume, die der Leser nutzen kann für seine eigenen Gedanken.

Vielen Dank für diese Rückmeldung, freut mich tierisch, weil das ja eine der Gratwanderungen war, auf die ich mich da begegeben habe (nebst den Perspektivwechseln). Ich verstehe die Stimmen, die sagen, dass da vielleicht etwas zu viel Freiheit, d.h. Nichtnachvollziehbarkeit drin ist. Aber ist auch gut zu hören, dass das bei dir geklappt hat.

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,
die gläserne Kühle der Geschichte hat mir sehr gefallen. Ich habe die beiden Figuren so zwingend verloren empfunden und allein. Und am Ende kommt dann doch so fast nebenbei, ganz lapidar eine Chance herein, die eine neue Tür aufmacht. Beeindruckend finde ich, dass ich die Figuren ganz klar sehen konnte, ohne dass sie übermäßig viel sagen und mit wenigen Worten gleich eine Kulisse entstanden ist. Da passiert viel zwischen den Zeilen und über die schöne Jahreszeitenanalogie. Beim nochmaligen Durchlesen fallen mir etliche genau gesetzte Details auf, die ihren Zweck erfüllen. Wie einige vorher kenne ich auch die früheren Geschichten nicht. Ganz unbefangen hat mich die Kargheit und Sachlichkeit des Textes angezogen, die ich nicht unemotional empfinde.
Grüße
rieger

 

Novak! Meine Güte!

Das ist einer der schönsten Kommentare, die ich je gekriegt habe. Ich zitiere einfach mal die Passagen daraus, wo ich mich richtig gut verstanden gefühlt habe. (Ach, das klingt kitschig, ist nun aber mal so):

Auch Lea leidet übrigens, weil ihr ja was an dem Alex liegt, und sie ist enttäuscht, weil er ihre Freiheitsvorstellungen nicht so erfüllen kann, wie sie das gerne hätte. Man merkt das in der Szene, wenn sie in Athen sind und dann beide enttäuscht im Bett liegen.

Aber man spürts zum Beispiel ganz am Schluss, als sie ihm hilft, das Poster wieder aufzuhängen. Oder wenn sie gemeinsam durch den Schneematsch laufen und sich gegenseitig stützen.

Wir wissen es nicht, ob er das schon am Anfang ihrer Beziehung so wusste oder dachte, vielleicht ist dieses Gefühl für ihn erst im Laufe ihrer Beziehung entstanden.

Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass Leas Ungebundenheit, ihre Freiheitsliebe, ihre Ungezwungenheit sie gerade so anziehend macht für ihn.

Ja, trotz aller Schwere und aller Traurigkeit in der Beziehung, man spürt auch die Faszination, die die Frau auf ihn ausübt und man spürt, dass mehr zwischen ihnen ist als nur eine eine einseitige Handelsbeziehung. Man spürt auch Leas Erleichterung, als er bei ihr bleibt.

Ich habe das Postive, die Wärme in der Beziehung, die auch von Lea ausgeht, wirklich maximal sparsam angesprochen und ich sage nicht, dass dein Kommentar all diejenigen Einschätzungen zunichte macht, die in die Richtung gehen, dass Alex' Motive und Leas Entgegenkommen zuwenig spürbar seien, nein, da werde ich auf alle Fälle weiterhin drüber nachdenken. Und ich finde es toll, wenn Texte verschieden gelesen werden, dafür schreiben wir ja Geschichten und keine Abhandlungen. Aber ehrlich, es ist halt schon sehr cool, wenn jemand kommt und das genau so liest, wie man es gemeint hat.

Was ich noch anfügen wollte, ich fand das sehr geschickt und sehr fleißend, wie du hier permanent zwischen den Perspektiven gewechselt bist. Normalerweise, wenn es ungeschickt geschieht, kreischt jeder, Perspektivbruch. Hier geschieht es sehr weich und flüssig

Cool. Ich habe mir schon gedacht, dass das funktioniert hat (weil niemand gekreischt hat), aber ist schön, das noch explizit gesagt zu bekommen. Mich hat das bei einigen Geschichten von Alice Munro sehr fasziniert, die macht das z.T. noch radikaler, da bist du ganz nahe bei der einen Figur und plötzlich bist du bei der anderen und hast den Übergang nicht einmal bemerkt.

Ich bin jedenfalls froh, dass ich mich nicht mit dem Lösen dieses Problems befassen muss.

Ist aber auch sehr spannend. Ich werde den Text wohl eine Weile liegen lassen. Und dann denke ich, dass man mit ganz wenigen Massnahmen Leas Wärme und Alex' Motive noch ein kleines Stück deutlicher machen kann. Das könnte ich mir gut vorstellen.

Vielen Dank, Novak!

Hallo rieger

Freut mich sehr, dass du reingeschaut hast. Und mir gefällt die Symmetrie, die da entstanden ist; so wie ich den Erzählstil deines Debuts unheimlich toll fand, so scheinst du diesen hier zu mögen, und dabei sind sie doch so unterscheidlich. Was du über die Figuren, die Details schreibst, freut mich ebenfalls sehr. Danke!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hey Maria

wieso zum Teufel Sound?

Ja, es gibt hier im Forum so Begriffe, die herumgeistern, der eine bringt sie ins Spiel, die anderen greifen sie auf. Während ich bei meinen Texten einen eigenen Ton (siehste, geht ja) einigermassen finde, muss ich immer aufpassen, dass ich nicht in eine Art Kommentarslang falle.

Womit wir beim Thema wären. Ich fand das echt spannend, dass du den Sprung ins Spiel gebracht hast, habe ich selbst gar nicht als Vergleichsgrösse wahrgenommen, weil es meine wärmste Geschichte ist. Aber was du schreibst, hat mir sofort eingeleuchtet.

Ich glaube, es ist gut, wenn man Phasen hat, in denen man mit dem, was man Stil nennt, experimentiert, und das auch während des Schreibens im Kopf hat. Das löst, denke ich, Prozesse aus, die sich im Gehirn irgendwie festsetzen. Ich finde es verrückt, wie wenig man den Lernprozess bewusst steuern kann, im Vergleich zu einer Fremdsprache, zum Beispiel, wo ich am Abend sagen kann, so jetzt kann ich dieses und jenes Verb konjungieren.

Aber dann, so nehme ich mir vor, werde ich einfach wieder versuchen, Geschichten zu erzählen, und der Stil der Geschichte ergibt sich automatisch. So stelle ich mir das zumindest vor.

Merci, dass du mit mir über diese Dinge nachgedacht hast!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey, Peeperkorn,

ich habe noch etwas mitgelesen und bin auf Hopper gestoßen. in meinem Leben erfahre ich immer wieder etwas, das ich als Hopper-Feeling bezeichne. vor allem in Gegenwart von Architektur, aber auch manchmal in Beziehungen, und da eher in größeren Kreisen als in Zweier-Beziehungen, wo ich das aber auch kenne. so was wie ein Gefühl von Verlorenheit, Kleinheit, fehlender Verbindung.
den Maler kennen ja auch relativ viele Menschen und die angesprochenen Empfindungen sind mE zu häufig, als dass sie als gehäufte Einzelschicksale abgetan werden könnten. dieses Feeling ist vielleicht irgendwann zu Beginn der Moderne als befremdende Kombination von Individualisierung und Vermassung zu uns gekommen und begleitet uns seither in wechselnden Formen. well, Spekulation.

will sagen: mir fehlte der echte Grund, warum die beiden zusammen bleiben. dieses Fehlen war Teil meines ersten Eindrucks und der Frage bin ich nachgegangen, das habe ich dokumentiert, so ist mein Kommentar entstanden.

aber insgesamt und in Kombination mit dem Hopper-Feeling plädiere ich doch dafür, im Zweifel die reduzierte Darstellung beizubehalten, Lea kälter abzubilden oder wirken zu lassen, als du sie dir eigentlich vorstellst. oder wenigstens nur minimal nachzusteuern. liegt ja dann viel am Leser, wie sie wahrgenommen wird, Novak hat uns ja gezeigt, dass sie auch anders nachvollziehbar ist.

Auch Lea leidet übrigens, weil ihr ja was an dem Alex liegt, und sie ist enttäuscht, weil er ihre Freiheitsvorstellungen nicht so erfüllen kann, wie sie das gerne hätte. Man merkt das in der Szene, wenn sie in Athen sind und dann beide enttäuscht im Bett liegen.

das ist ein Punkt, den ich nur überflogen habe. ist natürlich schwierig, das einzuordnen. ist sie enttäuscht, dass sie sich nicht ausleben kann? dass Alex nicht der ist, als den sie sich ihn vorgestellt hat? oder empfindet sie sich auch selbst als Enttäuschung, dass ihr Lieben so kompliziert ist, obwohl es eigentlich einfacher sein sollte? eine Mischung aus den Punkten, oder etwas ganz anderes? ich fände es gerade sehr spannend, zu erfahren, wie sie auf einen Seitensprung reagiert hätte.

ich verstehe Menschen als Black Boxes, für sich und für andere, allein gesehen und in Beziehungen. man kann nicht reinblicken, sich nie letztgültig sicher sein, bekommt nur vermittelte Signale. das ist nicht unser Alltagsgefühl, das würde zu viel verunsichern, aber wir stoßen darauf, wenn wir nachforschen, ist meine Überzeugung.
was wir sehen, ist immer nur ein kleiner Teil dessen, was sich im Menschen abspielt. so kann zB ein Mensch, der viel Gutes tut, aber nur wenig darüber redet oder es nicht versteht, sich darzustellen, schlechter wirken als jemand, der wenig Gutes tut, aber es versteht, sich zu präsentieren.

unter diesen Vorzeichen ließe sich auch Lea anders lesen - du hast ja ein paar Hinweise auf das Band zwischen den beiden eingestreut. das einzige, was mE dieser Lesart massiv im Wege steht, ist die Beiläufigkeit, mit der sie von Sex und Erkrankung berichtet.
normalerweise kenne ich es als das Mindeste, vom Partner beim Seitensprung zu erwarten, dass er oder sie sich vor Geschlechtskrankheiten schützt. wenn das nicht geschehen ist, ist es wenigstens erklärungsbedürftig. also diese Szene (wie ich sie in Erinnerung habe), prägt mein Bild von Lea stärker, als du als Autor es vllt wünschst. die Situation ist ja in zweierlei Hinsicht eine Ausnahmesituation: Seitensprung und Erkrankung. darüber hinwegzugehen mit "Nichts Schlimmes. Aber du solltest dich testen lassen." wäre für mich ein starker Hinweis entweder auf Gefühlskälte oder auf Verständnis-Schwierigkeiten, wie das eigene Verhalten bei anderen ankommt. und da ist es auch fast egal, was mal irgendwann ausgemacht oder ausgehandelt wurde. sondern da kommt es eher darauf an, was das eigene Verhalten tatsächlich beim anderen auslöst. die Kraft des Faktischen. und so gut und lange kennen sich die beiden mittlerweile, dass sie weiß, es ist für ihn keine Lapalie. danach schläft sie schlecht, okay, aber das ist für mich kein eindeutiger Hinweis, dass es für sie um ihn geht. sie könnte auch schlicht schlecht schlafen, weil sie weiß, jetzt wird es schwierig in der Beziehung - im Leben.

ansonsten wäre diese seltsam anmutende Unverbundenheit, die fehlenden Emotionen, die fehlende Möglichkeit, als Leser gefühlsmäßig an die Figuren anzudocken, ein Bild von Beziehung im Hopper-Feeling. wo die Menschen eher nebeneinander als miteinander oder gegeneinander leben.
und so würden die Kritikpunkte zu Merkmalen dieser entfremdeten Beziehung der Menschen zueinander und zu sich selbst.

Hopper ändert für mich hier viel, fast alles, das wollte ich noch dringend sagen. :)

Kubus

 

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