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Davor

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23.01.2014
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Davor

Ich liege seit Stunden am Strand zwischen angeschwemmten Ästen, vertrockneten Quallen und Plastikmüll. Die Sonne steht hoch und versengt meine aufgeweichte Haut.
Wie lange werde ich hier liegen, bis mich jemand findet? Und wer wird es sein? Ein Fischer? Vielleicht ein Pärchen, das am Strand entlang wandert, Hand in Hand, die Füße in der Gischt, die Augen am Horizont?
Was ist das, das große Ding dort in dem angespülten Haufen? Wird es hysterisches Gekreische geben, wenn sie bemerken, dass ich kein Sack bin?

Davor
Ich habe erfahren, wie es sich anfühlt, das Meer zu atmen. Ich habe die Luft angehalten bis mir die Lunge zerplatzen wollte. Überall war Wasser. Um mich, in mir. Kalt. Meine Arme steif und kraftlos. Sie ruderten nicht mehr. Meine Beine leblos, der Kopf so bleiern, dass der Nacken ihn nicht mehr oben hielt. Ich musste die Luft entweichen lassen, schnappte nach neuer, aber da war keine. Husten, Würgen, Schaum aus verbrauchter Luft und Wasser. Dann das Schütteln, mein ganzer Körper, die Krämpfe, irgendwann dunkel.

Davor
Ich schwamm um das Boot, rief nach ihr. Der Schiffsrumpf. Hart, glatt. Bräuchte einen neuen Anstrich. Bescheuerter Gedanke, der mir da in die Angst kroch!
Ihr Gesicht kam nicht mehr. Wozu auch? Wozu sollte sie mich betrachten wollen? Sie wusste, wo ich war und wie ich enden würde.
Kein Griff, nicht mal eine Delle. Kein Halt für meine Fingerkuppen. Meine dummen Beine stießen sich im Wasser ab. Ich ertastete eine winzige Kerbe. Die Härte meines Nagels gegen mein Gewicht. Er brach.
Im Westen begann die Sonne zu versinken. Im Westen war Land. Eine Hügelkette, milchig grau, jetzt mit Abendrot. Einen ganzen Tag mit geblähten Segeln entfernt.
Zu weit.

Davor

nackt auf dem Deck. Sie lächelte viel. Wir hatten gut gegessen. Kleines aber Feines vom Türken an der Ecke, das sie für uns eingepackt hatte. Dazu Fladenbrot und einen Chablis. Über die Nacht sprachen wir nicht. Sie trug ein kleines Pflaster über dem rechten Auge.
Danach im Liegestuhl. Ihre Blutergüsse am Hals, am Körper. Zeugen eines Alptraums, eines Irrtums, der schon Vergangenheit war. Wir gingen bereits in eine neue Zeit. Ich hatte den Anker geworfen. Weitab jeder Schiffsroute. Es war heiß.
Wir hatten uns eingecremt. Sie mich und ich sie. Auch beim Berühren der Stellen, die sie schmerzen mussten, lächelte sie. Sie war so stark. Wollte es mir leicht machen. Die Zukunft nicht auf meinem schlechten Gewissen aufbauen.
Wir schwitzten. Sie wollte schwimmen gehen. Ich freute mich auf ihren Körper nach der Erfrischung. Sie lächelte so versprechend, dass ich hoffte. Ich hatte nichts verstanden.
Unsere Zehen krallten sich um den Rand der Reling. Ich hob die Arme für den Kopfsprung. Sie auch.
Ich sprang.
Als ich wieder auftauchte und mich umblickte, sah ich, dass sie nicht gesprungen war.
Sie blickte kurz herab zu mir, entriegelte die Leiter und zog sie an Bord.
Ich verstand.

Davor
„Du hast einen anderen?“, frage ich. „Und willst mich entsorgen?“
„Bemüh dich nicht!“, sagt sie. „Das ist die falsche Frage. Das alte Schattenboxen. Hab ich keinen Bock drauf. Außerdem geht es dich nichts mehr an.“
Schattenboxen. Sie hat Recht. Seit Jahren werfen wir uns auf die langen dunklen Monster, die das Licht auf den Boden malt. Aber es sind nur die Schatten unserer Ungeheuer. Wir treffen uns nicht mal mehr, wenn wir uns verwunden wollen, so fremd sind wir uns geworden.
„Ich lasse nicht zu, dass du gehst. Nicht so!“

Ich will mich wehren gegen ihre herablassende Lässigkeit, ihre Verachtung. Dagegen, dass alles schon beschlossen ist, dass sie mich nicht mehr braucht. Und gegen die Wut, die mich jetzt übermannt.
So einfach will sie es. Und sie will es jetzt. Alles in diesen Moment packen und dann hinter sich haben.
„Du glaubst, so geht das?“, schreie ich. „Einen kurzen schnellen Schmerz, und das war’s dann?“
„Schmerz?“, fragt sie. „Ich fühle keinen.“
Und in diesem Augenblick werde ich einverstanden und lasse all das herein, das in mich schießen will. Ich möchte noch einmal wissen, wie sie schmeckt. Will ihre Säfte. Egal welche! Süß oder bitter! Ganz egal!
Ich schlage zu. Treffe, was ich treffe. Arme, Bauch, Brüste, Gesicht.
Es rinnt von der Braue, die sich geöffnet hat. Ich packe sie, lecke es von ihrer Wange. Süß.
Sie scheint die Wunde nicht einmal zu spüren, bis sie ihre Finger ins Gesicht führt und die Nässe fühlt, ihre blutverschmierte Hand betrachtet. Aber jetzt sehe ich noch eine andere Regung. Angst! Jetzt spürt sie mich endlich.
Sie dreht sich um. Sucht nach Zuflucht. Einen Ort, an dem ich sie nicht erreichen kann. Aber den gibt es nicht.
„Wo willst du hin?“
Sie weiß, dass es kein Versteck vor mir gibt. Ihr Blick, wenn sie mich ansieht. Kälte, Hass, Abscheu. Und Angst.
Meine Hand ergreift, hält fest, schlägt.
Sie wehrt sich nicht. Nicht mehr.
So still ist sie jetzt. Ganz klein. Ganz schwach. Oder ist sie gleichgültig?
Ich schlage zu und sehe, dass ihre Augen groß und weit sind. Und dass sie blutet.
Dann ist da ein Loch in der Zeit. Ich weiß nicht, wie groß.
Irgendwann viel später sitzen wir auf zwei Stühlen nebeneinander auf dem Balkon und blicken in die Nacht. Sie war lang und sie hat mir vergeben. In der gleichen Nacht noch, unter dem gleichen Mond hat sie mir bei einer Zigarette auf dem Balkon verziehen.
Dass alle Wut nur meine Ohnmacht war, erkläre ich ihr. Und dass ich sie liebe, dass so etwas nie mehr geschehen wird, wenn sie bei mir bleibt.
Ich weiß, woran sie denkt während sie schweigt und ich rede.
Dass sie mich schon einmal verlassen wollte. An den Sturz von der Treppe mit dem Kind in ihrem Bauch.
"Wir können wieder eins haben", sage ich. „Wir gehören zusammen.“
„Fahren wir morgen mit dem Boot raus.“, schlägt sie vor. „Nur wir zwei.“
„Eine wunderbare Idee! Es tut mir so leid. Ich mache es wieder gut.“
„Morgen ist Vollmond. Lass uns auf dem Schiff übernachten!“, sagt sie.
„Oh Ja. Wir nehmen Essen mit. Es wird schön. Den ganzen Tag nur wir. Wind und Sonne spüren. Schwimmen. Ein neuer Anfang.“
Ich bin so dankbar, dass sie mir verziehen hat.

 
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Hallo Wander,

also ich kenn nur diese Version, und mir gefällt sie. Liest sich angenehm unverbraucht und das ist ja schon mal eine Menge wert.
Der erste Absatz ist super, der macht neugierig, ich will mehr, nach dem zweiten ist dann klar, in welche Richtung es läuft, aber es bleibt spannend. Wie ist es dazu gekommen?
Die Beschreibung der tat an sich finde ich den schwächsten teil. Das ist mir zu geschwätzig. ich weiß nicht, wie viel du da gekürzt hast, aber in meinen Augen darf da ruhig noch mehr weg. Auch die Brutalität, also für meinen Geschmack geht es zu sehr über das hinaus, was Frau einfach so wegsteckt. Da müssen ja mindestens Knochenbrüche dabei sein, und dann geht es am nächsten Tag mit dem Boot raus? Mäh. Würde ich eindampfen. Ich denke, du solltest dich zumindest bei diesem Abschnitt bei jedem Satz fragen, ob die Geschichte etwas verlieren würde, wenn der Satz nicht dort stünde. Und natürlich wird das Autorenherz dir bei jedem/ Jedem zweiten sagen Gefällt mir aber so - dann streich davon eben nur die Hälfte. ;)
Bleibt aber dabei, dass ich den Text sehr gern gelesen habe. Wie gesagt, das kommt frisch daher und ist flott erzählt.

„Schmerz?“, fragt sie. „Ich fühle keinen.
da fehlt einmal " am ende
Uns wieder berühren. Ein neuer Anfang.
Ich bin so dankbar, dass du mir verziehen hast.“

Wie viel stärker wäre das Ende mit diesem Satz?
das verzeihen hattest du schon drin, und gerade mit dem Titel und Trigger Davor ist doch Anfang ein perfekter Schluss (weil eben das Ende von Davor/ bzw der Beginn.)

hab ein prickelndes Wochenende

grüßlichst
weltenläufer

 

danke @weltenläufer
ich hab schon ziemlich gekürzt. Ich hab ein ziemliches Problem damit, dass mein Schluss, also der chronologische Anfang, die ganze Geschichte auf den Weg bringen muss und die grausame Rache glaubhaft machen soll.. Was schreib ich auch sowas? :-)

 
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Wir haben so eine Situation einmal in der sommerlich windstillen Adria auf der Equity and Law II, einem ehemaligen Whitbread Round The World-60 Fuß-Racer, durchgespielt. (Wobei der einzige Ausrüstungsgegenstand des jeweils „Überbordgegangenen“ die Badehose war und der Einstieg übers offene Heck natürlich nicht galt.) Von den sieben Crewmitgliedern, allesamt durchtrainierte harte Hunde, zwei davon obendrein Kletterer, schaffte es kein einziger über die Bordwand zurück an Deck. Absolut keine Chance. Sieben Tote, keine Verletzten sozusagen.
Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf hat mich deine Geschichte natürlich umso mehr gefesselt, @wander. Aber auch abgesehen von diesem persönlichen Zugang fand ich sie toll. Packend, spannend und ja, auch sehr verstörend. Eine wirklich böse Story.
Und auch wenn diese quasi auf den Kopf gestellte Chronologie natürlich nicht mehr so innovativ ist wie einstens die Erfindung der Pizza Calzone - immerhin mangelt es in Literatur und Film ja wahrlich nicht an einschlägigen Beispielen - ist es immer wieder interessant, wenn sich jemand an dieser nicht unbedingt einfach zu handhabenden Dramaturgie versucht. Für mein Gefühl ist dir das hier beeindruckend gut gelungen.

offshore

 

Lieber @wander,

Ich stürze mich nochmal auf den letzten Abschnitt, denn bis dahin habe ich nichts zu meckern. Das Ganze hat noch mehr Zug bekommen, finde ich. Und auch den Schluss finde ich jetzt klarer. Dennoch kommt er mir an einigen Stellen noch etwas unrund vor.

Schattenboxen. Sie hat Recht. Seit Jahren werfen wir uns auf die langen dunklen Monster, die das Licht auf den Boden malt. Aber es sind nur die Schatten unserer Ungeheuer. Wir treffen uns nicht mal mehr, wenn wir uns verwunden wollen, so fremd sind wir uns geworden.
Das gefällt mir, ist ein gutes Bild.

ch will mich wehren gegen ihre Verachtung, ihre Wut oder gegen die, die mich jetzt übermannt. Dagegen, dass alles schon beschlossen ist. Dass sie mich nur informiert. Dass sie mich nicht mehr braucht.
Das ist mir zu viel Erklärung. Würde ich weglassen, weil es so bremst und man das an seiner Reaktion merkt.

„Ich lasse nicht zu, dass du gehst. Nicht so!“,
Hier würde möglicherweise auch der zweite Satz reichen. Das wäre emotionaler.

So einfach will sie es. Und sie will es jetzt. Allen Zorn, alles Leid in diesen Moment packen und dann hinter sich haben.
„Du glaubst, so geht das?“, schreie ich. „Einen kurzen schnellen Schmerz, und das war’s dann?“
„Schmerz?“, fragt sie. „Ich fühle keinen.
Und in diesem Augenblick werde ich einverstanden und lasse all das herein, das in mich schießen will.
Das gefällt mir gut.


Ich möchte noch einmal wissen, wie sie schmeckt. Will ihre Säfte. Egal welche! Süß oder bitter! Ganz egal!
Und dieser Satz bremst für mich auch wieder. Könnte ich entbehren.

Es rinnt von der Braue, die sich geöffnet hat. Ich
Sie scheint die Wunde nicht zu spüren, bis sie ihre Finger ins Gesicht führt und die Nässe fühlt, ihre blutverschmierte Hand betrachtet.
Das "ich" ist zuviel und ich würde nach dem Satz keinen Absatz machen. Überhaupt sind da ein paar Absätze, die den Fluß eher unterbrechen. Vielleicht guckst du nochmal.

Sie dreht sich um. Sucht nach Zuflucht. Einen Ort, an dem ich sie nicht erreichen kann. Aber den gibt es nicht.
„Wo willst du hin?“
Sie weiß, dass es kein Versteck vor mir gibt.
Du hattest vorher noch die Zimmer der Wohnung genannt. Das hat mir auch gut gefallen. Ist komischerweise das Einzige, was ich aus der ersten Version entbehre.

Sie weiß alles. Auch, dass meine Wut aus der Verzweiflung kommt. Aus der Ohnmacht. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich habe sie schon verloren.“
In dem Teil geht auch was mit den Anführungszeichen durcheinander. Und es ist mir wieder zu viel Theorie.

Ihr Blick, wenn sie mich ansieht. Kälte, Hass, Abscheu. Und Angst.
Pünktchen weg? Und du hast vorher schonmal sowas, dass er ihre Angst entdeckt, das doppelt sich jetzt, ist jedenfalls keine Steigerung. Panik? Oder ihr Blick wird leer, sie schaut ihn nicht an.

Ich schlage zu (Komma) aber ich verstehe nichts mehr.

rgendwann viel später sitzen wir auf zwei Stühlen nebeneinander am Balkon, schweigen und blicken in die Nacht.
Sie war lang und sie hat mir vergeben. In der gleichen Nacht noch, unter dem gleichen Mond hat sie mir bei einer Zigarette auf dem Balkon verziehen.
Hier zum Beispiel, warum der Absatz? So fällt es noch schwerer das "Sie" auf die Nacht zu beziehen. Ich dachte schon die Frau war lang.


Dass wir noch so viele Gefühle füreinander haben, auch wenn sie auf so gewaltsame Weise aus uns herausgebrochen sind.“
„Oh Ja. Wir nehmen Essen mit. Es wird schön. Den ganzen Tag nur wir. Nackt sein. Wind und Sonne spüren. Schwimmen. Uns wieder berühren. Ein neuer Anfang.
Ich bin so dankbar, dass du mir verziehen hast.“
Irgendwie finde ich bei diesem letzten Teil wörtliche Rede nicht mehr so günstig. Das könnte alles indirekte Rede sein und dass man nicht so genau weiß, ob er das richtig wahrnimmt. Sie entfernt sich da ja ganz krass von ihm, plant offenbar schon den Mord. Hier hat er eigentich keinenKontakt zu ihr und das finde ich schwerer nachzuvollziehen, wenn sie direkt miteinander reden. Speziell den letzten Satz fand ich vorher besser. (Ich bin so dankbar, dass sie mir verziehen hat.?)
Denn das Schwierigste ist ja tatsächlich, das glaubhaft zu machen, dass sie die Entscheidung trifft ihn umzubringen und dabei so eiskalt strategisch vorgeht. Möglicherweise müßte sogar ihr Hass noch stärker begründet werden. Nehmen wir an, er hat sie schon einmal so geschlagen und sie hat dabei ein Kind verloren und danach war die Beziehung schon nur mühsam gekittet, sowas. Insofern würde mich jetzt noch das "davor" interessieren und vielleicht reicht da die Andeutung mit den Schatten noch nicht so ganz. Aber das sind nur so Gedanken.

Auch wenn das jetzt so einiges an Anmerkungen war, ich finde das ist eine tolle Geschichte.

Liebe Grüße von Chutney

 
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@wander,

zunächst mal Kleckerskram:

Ich habe die Luft angehalten bis mir die Lunge zerplatzen wollte
da fehlt ein Komma vor dem bis.

Meine dummen Beine stießen sich im Wasser ab.
Die dummen Beine stören mich immer noch.

„Schmerz?“, fragt sie. „Ich fühle keinen.
Da fehlen die finalen Gänsefüßchen.

Es rinnt von der Braue, die sich geöffnet hat. Ich
hinter dem Ich fehlt der Rest vom Satz?

„Es war nur meine Hilflosigkeit“, erkläre ich ihr. Nie mehr wird so etwas geschehen.
Da fehlen Gänsefüßchen vor dem Nie.

Die Überarbeitung hat sich gelohnt. Die sadistischen Töne hast du rausgeangelt und die Gewalt mit einem nachvollziehbaren Konflikt unterlegt. Hatte ich vorher nur am schwachen Motiv im letzten Absatz zu mäkeln, habe ich nun daran nix mehr zu meckern. Das Motiv "Schmerz fühlen (lassen)" ist deutlich genug. Ein winziges Problem habe ich damit:

All das erkläre ich ihr.
So fühlt es sich beim Lesen auch an und da würde ich mir wünschen, dass sich das Jetzige subtiler aus dem Vorherigen ergibt und ich die Verbindungen selbst ziehen kann.

Peace, linktofink

 

Liebe @Chutney, ich habe nochmal gekürzt, manchmal nicht leichten Herzens, aber ich wollte, dass sich der letzte Abschnitt nicht vollkommen von denen davor unterscheidet und nicht wie eine eigenständige Geschichte daherkommt. Ob's gut war....???
Aber es etwas von dir drin! :-) (der Hass ist jetzt stärker begründet)
Jetzt ist es fast unsere Geschichte. "lach"

 

Lieber wander,

ich lese den Text jetzt anders als vorher. Ich weiß gar nicht genau, wo du gestrafft und zugespitzt hast, aber er wirkt schlüssiger auf mich und ich finde auch, dass der letzte Abschnitt sich jetzt super einfügt. Nur mit einer Stelle habe ich ein Problem und das ist ausgerechnet die, wo du den Gedanken von mir aufgegriffen hast :shy:

Ich weiß, woran sie denkt während sie schweigt und ich rede.
Dass sie mich schon einmal verlassen wollte. Mit dem Kind in ihrem Bauch, das gestorben ist, als sie von der Treppe stürzte.
Ich verstehe das so, dass er sie damals auch geschlagen oder geschubst hat, weil sie ihn verlassen wollte. Dann würde sie sich jetzt aber nicht so provozierend, eiskalt von ihm trennen. Dann wäre sie sehr viel vorsichtiger. Auch sprachlich finde ich den zweiten Satz etwas umständlich und inhaltlich auch zu direkt, erklärend.

„Schmerz?“, fragt sie. „Ich fühle keinen.“
Eigentlich ist es jetzt genau die kalte, knappe Art, in der sie sich trennt, die mir hinterher den Mord schlüssig erscheinen lässt.

Und dass ich sie liebe, dass so etwas nie mehr geschehen wird, wenn sie bei mir bleibt.
Das erscheint mir jetzt als Drohung: Solange du bei mir bleibst, geschieht dir nichts. Finde ich sehr gut. Auch eine mögliche Motivation, dass sie ihn umbringt. Angst vor ihm. Die Szene, wo er sie schlägt kommt mir wirklich sehr brutal und entfesselt vor. So wäre die Motivation für ihren Mord, dass sie ihn vorher schon haßt auf eine kalte Art und das danach noch Angst vor seiner Unberechenbarkeit dazu kommt. Ich glaube, dadurch, dass das jetzt alles deutlicher ist, hat sich die Stelle mit dem Kind auch erübrigt.

Wir gehören zusammen.“, sage ich.
„Fahren wir morgen mit dem Boot raus.“, schlägt sie vor. „Nur wir zwei.“
„Eine wunderbare Idee! Es tut mir so leid. Ich mache es wieder gut.“
Nach "Wir gehören zusammen", könnte ich mir noch irgendetwas Retardierendes vorstellen. Und wenn sie nur "Ja" sagt und er auch, oder sowas. Oder ein Zögern ein Schweigen von ihr, ist nur so ein Gefühl.

Ich bin so dankbar, dass sie mir verziehen hat.
Dieser Satz hatte mich als Schlussatz echt umgehauen, ich erwähne es nur nochmal. :Pfeif: Im Moment hast du natürlich die Ironie, dass der "neue Anfang" sein Ende sein wird. Auch schön, aber mehr als Pointe. Aber in der anderen Variante war es diese krasse Fehleinschätzung ihrer Gefühle, die mich schaudern ließ und irgendwie auch für ihn eingenommen hat, obwohl er ja echt ein Arsch ist. Das war tiefgehender, finde ich.

Aber das ist natürlich alles nur mein Empfinden. Hat Spaß gemacht, nochmal reinzugucken!

Herzliche Grüße von Chutney

P.S. Die Überschrift ist doppelt.

 

Danke @Chutney, werde nochmal drüber nachdenken. Diese kleine Geschichte ist jetzt ein echt langes Projekt geworden. ;-) Aber sie gewinnt dabei.

 

Hallo @wander,

nachdem wir uns nun auch persönlich kennen, war mein Ziel nach Ostern, mir mal anzusehen, was du so schreibst, bin leider in den letzten Wochen wenig zum Lesen gekommen hier ... Aber jetzt!

Ich liege seit Stunden am Strand zwischen angeschwemmten Ästen, vertrockneten Quallen und Plastikmüll.
Geilster erster Satz, den ich seit langem gelesen habe. Wirklich, ich mag sowas total. Ein Satz, der ruhig daher kommt, hinter dem aber viel mehr steckt, dieses Morbide, Vergängliche ... Fand ich richtig gut!

Die Sonne steht hoch und versengt meine aufgeweichte Haut. Totenbrand.
Das Fettmarkierte würde ich streichen, das kommt mir zu erklärend daher und verdirbt diese wunderbar bösartige und absurde Stimmung des ersten Absatzes ein wenig.

Wird es hysterisches Gekreische geben, wenn sie bemerken, dass ich kein Sack bin?
:lol: Herrlich!!!

Ernsthaft, wander, diesen ersten Absatz feiere ich am meisten, den finde ich großartig!

Ich finde, das Rückwärts-Erzählen steht der Geschichte gut. Ich mag sowas nicht immer, aber hier passt das. Ich glaube aber, ich fände diesen ganzen Text noch besser, wenn er bruchstückhafter erzählen würde, wenn es wirkliche "Davor"-Fetzen wären, assoziativer, abgehackter. Klar, wäre dann womöglich keine klassische Kurzgeschichte mehr, aber spannend! Wie dunkle Ecken, die kurz mit Licht beleuchtet werden und aus denen der Leser sich dann zusammenbaut, wie der Kerl zwischen vertrockneten Quallen am Strand enden konnte.

Ja und inhaltlich brauch ich nix dazu sagen, verdient hat er's, der Sack!
Gerne gelesen!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Danke @AWM und @RinaWu fürs Lesen!

Eine Metaebene gibt es nicht, AWM. Es ist einfach ein Experiment, wie es verkehrt herum funktionieren kann. Das Ergebnis: Es funktioniert, aber es hat ganz schöne Tücken.
RinaWu, an den letzten Teil bin ich schon so oft mit dem Hackebeil rein. Ich häng da immer noch etwas fest.
Wenn es zu erzählend wird, bricht mir die Sprache weg, die ich am Anfang gefunden habe. Andererseits muss ich natürlich auch die Story liefern, die auslösend war. Echt knifflig.
Aber ich geh nochmal mit dem Beil rein.
Nochmal Danke und lieben Gruß
wander

 

Hallo @wander ,

ich habe die Geschichte vor Ewigkeiten gelesen, aber noch nicht kommentiert. Das will ich dann nun nachholen, nachdem es im Moment hier sehr ruhig ist (weil die Krieger wohl gerade im Zirbenschnapstrauma liegen ;)).

Ich liege seit Stunden am Strand zwischen angeschwemmten Ästen, vertrockneten Quallen und Plastikmüll.

Ein schöner, leider sehr realistischer erster Satz … aber ich finde ihn grandios.

Ich musste die Luft entweichen lassen, schnappte nach neuer, aber da war keine. Husten, Würgen, Schaum aus verbrauchter Luft und Wasser.

Das hört sich mitreißend an. Aber ich verorte die Person unter Wasser. Kann man da noch Husten, Würgen, Schaumspucken? Ich habe keine Ahnung, ich bin noch nie ertrunken. Oder taucht sie auf und unter und atmet nur zum falschen Zeitpunkt?

Bescheuerter Gedanke, der mir da in die Angst kroch!

Über den Satz bin ich gestolpert. Ich weiß, was Du meinst und er ist sicher so gewollt. Er hört sich für mich aber falsch an und wirft mich aus dem Lesefluss.

Ich sprang.
Als ich wieder auftauchte und mich umblickte, sah ich, dass sie nicht gesprungen war.
Sie blickte kurz herab zu mir. Sie wusste, wo ich war, sah in meine Augen, entriegelte die Leiter und zog sie an Bord.
Ich verstand.

Fiese Nummer … :D. Wobei es mir am Ende irgendwie leid tat, dass kein hungriger Hai in der Nähe war :Pfeif:

Ich bin so dankbar, dass sie mir verziehen hat.

Und schöner Schlusssatz ...

Also, ich habe die Geschichte gerne gelesen. Sie hat ein ruhiges Metrum und die "Davor"-Konstruktion finde ich sehr gelungen. Die Geschichte ist genau richtig dosiert. Nie zu viel oder zu wenig in den einzelnen Absätzen. Immer genauso, dass man weiterlesen möchte, auch wenn man irgendwann ahnt, worauf es hinausläuft.

Liebe Grüße und bis bald
Mädy

 

danke @Maedy. ich freu mich. dass dir die Geschichte gefällt. Über den Satz, der dich aus dem Lesefluss wirft, denke ich nochmal nach.
Lieben Gruß an Dich...
Peter

 

Hi, auch von mir dickes Lob. Was an Kritik d ist, muss ich nicht noch Mal wiederholen. Entscheidend ist das du mich gepackt hast und deine Geschichte nicht eine Sekunde langweilig ist

 

danke @Diller,
spät aber doch....Freu mich, dass dich meine Geschichte gepackt hat. Für mich ist sie jetzt endlich fertig. "Keine Sekunde langweilig" ist ein dickes Lob! Mercí.
wander

 

Hallo @wander

ich hab vor kurzem im Forum eine Geschichte eingestellt, in der es um häusliche Gewalt geht. @linktofink hat mir ein sehr hilfreiches Feedback geschrieben, in dem er mir u.a. Deine Geschichte empfohlen hat wegen der ähnlichen Thematik.

Ich habe sie gerade gelesen und sie ist echt krass! Das meine ich jetzt im positiven Sinne. Sie geht an die Nieren, rüttelt auf, bringt mich zum Nachdenken. Interessanter Aufbau, das Ende am Anfang. Gefällt mir. Interessant ist auch die Sicht des Mannes. Ich glaub, das würd ich gar nicht hinkriegen, mich in so einen Kerl hineinversetzen zu müssen. Mir wärs zu heftig. Hut ab, dass Du Dich da dran gewagt hast. Du drückst Dich gut aus, ich bin ganz nah bei Deinen Protas, an manchen Stellen hatte ich Gänsehaut. Da ich die Geschichte empfohlen bekommen hatte, wusste ich schon von der Thematik, hab aber versucht, da ganz neutral ranzugehen.

Hier ein paar Anmerkungen:

Ich liege seit Stunden am Strand zwischen angeschwemmten Ästen, vertrockneten Quallen und Plastikmüll. Die Sonne steht hoch und versengt meine aufgeweichte Haut.
Wie lange werde ich hier liegen, bis mich jemand findet? Und wer wird es sein? Ein Fischer? Vielleicht ein Pärchen, das am Strand entlang wandert, Hand in Hand, die Füße in der Gischt, die Augen am Horizont?
Was ist das, das große Ding dort in dem angespülten Haufen? Wird es hysterisches Gekreische geben, wenn sie bemerken, dass ich kein Sack bin?

Ein sehr interessanter und individueller Einstieg. Eine Leiche am Strand, die denkt. Das hat meine Neugierde geweckt. Hier weiß ich noch nicht, dass es eine männliche Leiche ist. Das kristalliesiert sich dann erst langsam heraus.

Dann das Schütteln, mein ganzer Körper, die Krämpfe, irgendwann dunkel.

Vorschlag. ... irgendwann Dunkelheit

Davor

nackt auf dem Deck.


Hier würde ich es machen wie zuvor ohne die Leerzeile.

Davor
Nackt auf dem Deck.

Sie trug ein kleines Pflaster über dem rechten Auge.

Hier konnte man als Leser noch hoffen, dass es nicht um häusliche Gewalt geht.

Danach im Liegestuhl. Ihre Blutergüsse am Hals, am Körper. Zeugen eines Alptraums, eines Irrtums, der schon Vergangenheit war. Wir gingen bereits in eine neue Zeit. Ich hatte den Anker geworfen. Weitab jeder Schiffsroute. Es war heiß.

Aber hier wirds dann kristallklar.

Sie war so stark. Wollte es mir leicht machen. Die Zukunft nicht auf meinem schlechten Gewissen aufbauen.

Krass, die Gedanken des Mannes.

Ich sprang.
Als ich wieder auftauchte und mich umblickte, sah ich, dass sie nicht gesprungen war.
Sie blickte kurz herab zu mir, entriegelte die Leiter und zog sie an Bord.
Ich verstand.

Eine heftige Szene. Und obwohl die Prota ihn sterben lässt, kann ich's ihr absolut nicht übel nehmen. Im Gegenteil. Ich kann's sowas von nachvollziehen.
Krass, dass ihr Ausweg ist, ihn sterben zu lassen. Klar, sie weiß, dass sie sich nirgends vor ihm verstecken kann.

Ich will mich wehren gegen ihre herablassende Lässigkeit, ihre Verachtung. Dagegen, dass alles schon beschlossen ist, dass sie mich nicht mehr braucht. Und gegen die Wut, die mich jetzt übermannt.
So einfach will sie es. Und sie will es jetzt. Alles in diesen Moment packen und dann hinter sich haben.

Einen kurzen schnellen Schmerz, und das war’s dann?“

"Ein kurzer schneller Schmerz, und ...

Und in diesem Augenblick werde ich einverstanden und lasse all das herein, das in mich schießen will. Ich möchte noch einmal wissen, wie sie schmeckt. Will ihre Säfte. Egal welche! Süß oder bitter! Ganz egal!
Ich schlage zu. Treffe, was ich treffe. Arme, Bauch, Brüste, Gesicht.

... werde ich einverstanden kingt irgendwie seltsam
Vorschlag: Und in diesem Augenblick gebe ich mein Einverständnis, und lasse all das ...

Eine heftige Szene. Du bringst das Grauen auf den Punkt.

Es rinnt von der Braue, die sich geöffnet hat. Ich packe sie, lecke es von ihrer Wange. Süß.

Echt grausam! Da hatte ich Gänsehaut. Sehr gut beschrieben.

Aber jetzt sehe ich noch eine andere Regung. Angst! Jetzt spürt sie mich endlich.

Meine Hand ergreift, hält fest, schlägt.
Sie wehrt sich nicht. Nicht mehr.
So still ist sie jetzt. Ganz klein. Ganz schwach. Oder ist sie gleichgültig?

Und hier fühle ich so sehr mit der Frau. Am liebsten würde ich sie in den Arm nehmen und trösten. Was für ein Scheißkerl! Du hast das mega gut umgesetzt.

Ich danke Dir für die berührende Geschichte.

Ganz liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
Silvita

 

Hi @wander ,
ich bin ganz neu hier und mir wurde dein Text empfohlen, weil ich ebenfalls einen rückwärtserzählten Kurzkrimi geschrieben habe. https://www.wortkrieger.de/threads/rückwärtserzählter-kurzkrimi.68152/

Ich muss sagen, ich finde deinen Text, so wie er jetzt da steht super und wenngleich es einzelne Punkte gibt, die man so und so sehen kann, habe ich (leider/zum Glück) nichts zu kritisieren...
Außer:

An den Sturz von der Treppe mit dem Kind in ihrem Bauch.

Dass er das schon mal gemacht hat, als sie ihn verlassen wollte, finde ich eine wichtige Information, aber das mit dem ungeborenen Kind, fand ich ein bisschen too much. Das war so das krassest mögliche, was es hier eigentlich nicht gebraucht hat. Du hast da Fremdgehen drin und Gewalt in der Beziehung und auseinander Leben, da braucht es das nicht auch noch, finde ich. Das bringt so eine ganz neue Dimension rein, auf die der Rest des Textes ja auch null eingeht.

 

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