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Das Zimmer
Das Alien ist über Nacht gewachsen. Als Frank seine Morgenration Tabletten auf der Bettkante eingenommen hat, bugsiert er die Beine zurück auf die Matratze und zieht die Decke bis unters Kinn. Über dem Bett hängt eine Kalligrafie, in Holz gerahmt.
Frank schließt die Augen.
Einatmen, ausatmen, existieren.
Ein Handtuch um die Hüften geschlungen schlendert Uwe nach dem Duschen aus dem Badezimmer. Wassertropfen bedecken seinen Körper wie Perlen. Frank dreht sich auf die Seite und rutscht hin und her, bis die Position erträglich wird. Er hat Uwe voll im Blick, als er wie in Zeitlupe das Handtuch fallen lässt, sein Geschlecht enthüllt, alles präsentiert. Wie er sich mit den Fingern durch glänzende Haarsträhnen fährt, das Kinn in die Höhe reckt. In katzenhaften Bewegungen Kleidung zusammensucht und überstreift: Das weiße T-Shirt, den Tanga, die Jeans.
Wieso muss Frank das mitansehen. Warum macht Uwe es nicht wie er und nimmt die Kleidung vorm Duschen mit ins Bad. Was verspricht Uwe sich davon oder ist das pure Einbildung. Läuft es heute so.
Seit vier Jahren sendet das Alien Störsignale - eine Empfindung, für die Frank keine Worte findet. Anfangs erstreckte sie sich nur vom linken Fuß bis rauf zum Knie, dann breitete sie sich aus. Ob sich das eisig anfühle, kribbele oder brenne, wollten sie wissen, legten ihn für Tests in eine weiße Sargröhre. Die Größe des Aliens variiert. An guten Tagen läuft Frank mit einem Stock.
Wie jeden Samstag notiert Uwe Franks Wünsche auf einem Zettel.
"Vollkornbrot, Bananen, Quark. Noch was?"
"Nüsse. Cashewnüsse, falls es die gibt."
"Okay. Alles?"
"Ja."
"Also, dann kann ich jetzt losfahren?"
Frank nickt. Schwungvoll nimmt Uwe die Schlüssel vom Tisch, zieht seinen Kapuzenpulli über und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Die lädierte Klinke hängt runter.
Frank holt tief Luft, bevor er sich zur Bettkante vorschiebt und auf den vergilbten Teppichvorleger sinken lässt. Auf allen Vieren durchquert er das Zimmer, zieht den Rollstuhl aus dem Spalt zwischen Kleiderschrank und Wand hervor. Die Reflektoren auf der Reisetasche starren ihn an. Nachdem er sich hochgezogen hat, schießt der Schmerz in die Waden und eine Welle der Übelkeit überrollt ihn - für einige Minuten schließt er die Augen.
Marie.
Ihr Teint war durchscheinend wie Porzellan, mit rosigen Sommersprossen drauf. Sie roch nach Sauerklee und Nelke, hatte ein helles Lachen.
Durch die Nase atmen.
Ein. Und wieder aus.
Das Handy klingelt, als er die Nummer sieht, klickt er den Anruf weg. Ob er am Sonntag zum Essen käme, würden sie fragen. Bei der Gelegenheit könne er den Rollator mitnehmen. Ob er die Krankengymnastik gewissenhaft verrichte.
Er manövriert sich ins Bad. Uwe muss etwas bemerkt haben - er hat die nassen Handtücher zum Trocknen aufgehängt und nicht wie sonst auf dem Boden liegen lassen. In tiefer Stille absolviert Frank seine Morgenroutine. Er nimmt die Briefe vom Schreibtisch und kehrt ins Bett zurück, um vor sich hin zu dösen. Ob er heute in der Lage sein wird, an der Masterarbeit zu schreiben, ist fraglich.
Um halb eins kommt Uwe zurück - seine Haare stehen streichholzkurz in die Höhe. Er wäscht Kirschen, stellt sie Frank auf den Nachttisch und setzt sich auf die Bettkante. Frank will sich zur Wand hin bewegen, Platz schaffen für Uwe. Doch der legt die Hand fest auf seine Schulter, bedeutet, das sei nicht erforderlich. Nein, das sei nicht schön. Warum denn nicht einmal dicht an dicht sein. Wann hat das angefangen, dass Frank diese Berührungen nicht mehr für Zufall hält.
"Komm schon, probier mal", sagt Uwe.
Frank schüttelt den Kopf.
Im April hat er das Angebot der Eltern abgelehnt, ist runter in dieses Zimmer gezogen. Die Leitung des Hauses hat schnell auf seine Bitte reagiert - Frank fällt das Gehen schwer. Einmal stürzt er oben im Flur. Zu mehreren stehen sie um ihn herum und sehen zu, wie es ihm nicht gelingt, wieder aufzustehen.
"Heute gibt es Omelette mit Steinpilzen", sagt Uwe.
Er füllt eine Schüssel mit heißem Wasser und öffnet die Packung mit den getrockneten Pilzen. Sie haben Routine darin, sich einfache Gerichte zuzubereiten. Frank verlässt das Bett und schlägt Eier auf.
Uwe verzieht den Mund. "Für mich bitte nicht knusprig heute."
"Weiß nicht, was du meinst. Nur Anfänger verwenden die Schale mit."
Uwe schnalzt mit der Zunge, nimmt Teller aus dem Hängeschrank und deckt den Tisch.
"Lass mich Pilze schneiden."
Uwe überlässt ihm das Messer und gibt den Omeletteteig in die Pfanne, während Frank sich den Pilzen zuwendet. Die sind glitschiger als gedacht und seine Linke verhält sich unkooperativ. Uwe ist mit der Sauce fertig und schaut betont aus dem Fenster.
"Falls du die kleiner willst, dann fürchte ich ..."
"Ach was, ich mag es stückig." Uwe nimmt das Brettchen und schiebt die Pilze in die Sauce.
Nachdem sie ihre Mahlzeit schweigend eingenommen haben, spülen sie Geschirr. Frank fühlt sich wie auf der Zielgeraden des Berlinmarathons und kriecht zurück ins Bett.
Uwe hat wieder diesen verwundeten Blick aufgesetzt, als er Frank eine Strähne aus der Stirn streicht.
"Darf ich mich zu dir legen?"
Der schließt die Augen und schweigt. Das Bett bewegt sich, dann schmiegt Uwe sich mit dem Rücken an ihn. After Shave weht rüber. Frank fühlt Uwes Körper wie durch mehrere Lagen Plastikplane.
"Warst du beim Friseur?"
"Gefällt es dir", flüstert Uwe.
"Siehst witzig aus. Wie Mecki."
Uwe lacht leise.
"Wann gehst du heute Abend in den Club?", sagt Frank.
"So gegen sieben. Kommst du mit?"
"Idiot!"
Das Handy klingelt.
"Warte", sagt Frank, gleichzeitig nimmt Uwe das Gespräch an und reicht ihm das Smartphone.
"Endlich erreiche ich dich! Wie geht es dir?", fragt Mutter.
"Großartig. Alles bestens. Wirklich."
"Wo bist du? Wir wollen dich ma-"
"Du, die Verbindung ist schlecht. Ich melde mich später." Frank legt auf. "Ich habe nur eine Bitte: Lass mich nächstes Mal zuerst aufs Display schauen!"
"Hm."
Franks Oberschenkel zuckt, bis er die Hand darauf presst.
"Kann ich was tun, dich massieren?" Auf Uwes Stirn bildet sich eine Falte.
Frank verneint.
Uwe kehrt zurück in die Löffelstellung. Er atmet schneller und Frank kann die rhythmischen Bewegungen mehr sehen als fühlen. Wie Uwes ganzer Körper sich anspannt und loslässt.
Nicht an Herde in Gehirn und Rückenmark denken. Nicht an Nähe und nicht an Ferne. Denk was Schönes. Den rechten Arm kann Frank gut bewegen, könnte Uwe damit über die Schulter streicheln, aber er dehnt es hinaus, immer weiter, wie einen Kaugummi.
Ein undefinierbares Geräusch schwillt an. Stöhnen oder Weinen? Frank lauscht halbherzig.
Uwe studiert Kunstgeschichte und erwähnt gerne, dass er im Club jobbt, worauf er eine Sprechpause einlegt und Frank in die Augen sieht. Warum sollte Frank ihm den Gefallen erweisen, nach Details zu fragen, wenn Club und Kunst ihm gleichermaßen einerlei sind? Seit wann Uwe hier lebt, Frank weiß es nicht. Im Erdgeschoss des Wohnheims befinden sich, abgesehen von diesem Zimmer, nur Wirtschaftsräume. Gesichert ist, dass sich das Studentenleben in den oberen Stockwerken abspielt.
Die vergessene Vorlage fällt ihm ein. Dicht an dicht mit Uwe braucht er kein Malheur.
"Du, ich muss ins Bad."
Uwe reagiert schnell - er erhebt sich vom Bett und stützt Frank beim Transfer in den Rollstuhl den Rücken. Dabei fährt er sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Im Bad stellt Frank fest, dass seine Hose trockengeblieben ist. Er zuppelt eine Vorlage aus dem blickdichten Beutel im Schrank unter dem Waschbecken. Von Uwe liegt oben auf dem Spiegelschrank eine Plastiktüte, durch die es rosa schimmert, wenn die Lampe darauf scheint.
Als Frank die Hand auf die Türklinke legt, dringt aus dem Zimmer Schluchzen. Er setzt zurück, stützt den Kopf in die Hände - und wartet.
Zu Hause warten sie auch. Mutter - so heißt es - weine jeden Tag. Nachdem Frank innerlich bis zwanzig gezählt hat, rollt er wieder ins Zimmer. Uwe liegt wie ein Embryo auf dem Bett, das Gesicht zur Wand.
"Was ist", sagt Frank.
Es bleibt still.
Er fixiert die Bremsen und setzt über aufs Bett. Uwe rutscht ein Stück Richtung Wand. Wieder nehmen sie dieselbe Stellung ein - nur diesmal liegt Frank auf seiner rechten Seite - das ist die gute. Langsam streicht er Uwe über die Schulter, fährt den Arm entlang. Verweilt am Ellbogen, so gut es mit der zitternden Linken geht.
"Ich kann so nicht weitermachen", sagt Uwe.
"In deinem Club. Gibt es da niemanden, hm?"
Uwe zuckt die Schultern.
Nach einer Weile rutscht Frank Richtung Bettkante.
"Nicht!" Uwe dreht sich um und hält ihn am Ärmel fest. "Bitte!"
Seufzend rückt Frank wieder an ihn heran. "Erzähl."
"Nicht jetzt."
Sie liegen eine Weile schweigend da.
"Was machen wir", sagt Frank leise.
"Ekelt dich doch." Uwe zieht die Nase hoch.
Gerade als Frank am Einnicken ist, klopft es an die Tür und er hört Uwe leise reden. Er muss sich anstrengen, um alles mitzubekommen.
"Hallo. Ich suche Frank Schäfer", sagt eine Frauenstimme.
Er hebt den Kopf, aber Uwe steht im Blickfeld. Das macht der mit Absicht, Frank würde sie gerne sehen.
"Ah. Und worum geht es?", fragt Uwe.
"Jesus lebt und wir von der Auferstehungsgemein-"
"Ich werd's ausrichten."
"Aber ..."
"Hey!", ruft Uwe.
Die Matratze bewegt sich, ein Mädchen mit mächtigen Brüsten sitzt plötzlich neben Frank auf der Bettkante. "Ich bin Pia und Gott hat dich nicht vergess-"
"Ja doch", sagt Frank.
"Wir beten gemeinsam und später k-"
Das Bett wackelt, als Uwe sie am Arm packt und wegzerrt. Mit einem Knall rastet das Schloss ein, Schläge poltern gegen die Tür, durch die Ritze wird Papier geschoben. Frank fischt ein Feuerzeug aus der Nachttischschublade.
"Hinten im Geschirrschrank steht noch der angeschlagene Teller. Ich hol den mal", sagt Uwe. Er legt die gefalteten Blätter darauf, bringt sie ans Bett und Frank zündet sie an. Gemeinsam sehen sie zu, wie die Flammen hochschlagen, das Papier verkohlt, sich biegt und zu Asche zerfällt.
Das Handy klingelt.
"Lass! Geh nicht ran", sagt Frank.
"Was soll das? Wie lang noch!" Uwe geht zum Tisch und nimmt es. "Glaubst du nicht, dass die sich Sorgen machen?"
"Halt dich da raus."
Das Klingeln verstummt.
Uwe hält ihm das Handy entgegen. "Ruf sie an. Komm!"
"Du kannst mich mal."
Uwe setzt sich in den Rollstuhl. Kippelt, fährt damit vor, zurück und im Kreis.
"Hey, lass das."
"Du rufst da an und danach gehen wir raus an die Luft."
"Vergiss es."
Uwe schiebt den leeren Rollstuhl zurück ans Bett. "Dann halt nicht. Aber jetzt runter von meiner Matratze." Er verschränkt die Arme und sieht aus dem Fenster.
Frank rollt ins Bad, schließt die Tür hinter sich und schaut hoch zu der Plastiktüte auf dem Spiegelschrank. Mit beiden Händen stützt er sich am Waschbecken ab und zieht sich hoch. Wackelig steht er für wenige Sekunden auf tauben Fußsohlen. Es fühlt sich gut an. Richtig. Morgen wird es wieder besser sein. Jeden Tag bis an die Grenzen gehen, das ist wichtig. Niemals den Glauben an sich selbst verlieren. Jetzt noch den Arm nach oben strecken. Komm. In seinen Ohren rauscht es, die Knie sacken weg und der Kachelboden rast auf ihn zu.
Kälte durchdringt sein Auge, über sich sieht er das vertraute Gesicht in Großaufnahme.
"Tut dir was weh?" Uwe legt die Kompresse zur Seite.
Alles ist weich, Frank liegt in seinem Bett und spürt nach, schüttelt den Kopf. Uwe schlägt die Bettdecke zurück und tastet ihn - an den Füßen beginnend - ab.
"Lass das!" Frank will Uwes Arm wegschieben, aber es geht nicht. "Hör auf, sag ich!"
"Wenn ich nicht nachsehen darf, ob was gebrochen ist, rufe ich den Arzt."
"Was ist in der Tüte auf dem Spiegelschrank?"
"Ich ruf den Arzt."
"Fass mich nicht an!"
"Bist du deshalb auf die Fresse gefallen, hm? Weil du an die Tüte wolltest?"
"Ja, verdammt!"
Das Bett bewegt sich, Uwe geht ins Bad und kehrt mit dem Beutel zurück, legt ihn Frank in die Hand. "Hier. Kannst reinschauen."
Frank schiebt die Tüte wortlos über die Bettkante, bis sie raschelnd zu Boden fällt.
Das Handy klingelt.
Uwe nimmt ab. "Kann gerade nicht. Soll ich was ausrichten? ... Werd ich machen. ... Ja."
Frank setzt sich auf. "Ich hab dir gesagt, du soll-"
"Dein Vater wartet vorne in der Eingangshalle. Ich bring dich."
"Nein."
"Jetzt beweg deinen Arsch, der wartet."
"Was ist mit deinen Eltern?", sagt Frank.
"Erzähl ich hinterher."
Schmerz bohrt im Ellenbogen und mit ihm die Scham, eine unsichtbare Grenze überschritten zu haben, als er in die geheimnisvolle Tüte spähen wollte. In Frank reift der Entschluss, sich dem Vater im Zustand körperlicher Schwäche zu präsentieren, sich von Uwe dorthin schieben zu lassen, so als wäre das nur gerecht.
Wenn Frank die Augen schließt, wird ihm schwindelig. Zum Glück begegnen sie niemandem auf dem Flur. Schon von weitem sieht er den Mann in der Halle, wie er vom Plastiksitz aufspringt und sich mit der Hand übers Gesicht fährt.
Frank hält ihm die Rechte entgegen. "Wie geht es Mutter?"
Vater ignoriert die Geste, wendet sich über seinen Kopf hinweg an Uwe. "Und Sie sind ...?"
Der beugt sich runter an Franks Ohr: "Soll ich gehen oder bleiben?"
"Bleib."
Der Vater sieht stirnrunzelnd zu Uwe, der die Hände auf Franks Schultern ablegt und nicht spricht.
"Mein Zimmernachbar", sagt Frank. "Warum bist du alleine gekommen?"
"Deine Mutter fährt morgen zur Kur. Es würde sie freuen, wenn ..."
"Sag ihr, dass es mir fantastisch geht. Gestern bin ich zur Vorlesung gelaufen. Morgen oder übermorgen", er klopft auf die Armlehne, "stell ich das Ding wieder in die Ecke."
Zu der Reisetasche mit den glotzenden Reflektoren.
Vater reibt sich das Kinn und wiegt den Kopf.
"Ist so", sagt Uwe. "Kann ich bezeugen. Gehen wir was trinken oder stehen wir hier nur so rum?"
"Wann kommst du heim?", sagt Vater zu Frank. "Deine Mutter vermisst dich. Jetzt, wo ..."
"Gar nicht. Ich bin erwachsen, gewöhnt euch dran."
Der Vater öffnet den Mund und schließt ihn wieder.
"Sag ihr, ich ruf sie die Tage an." Frank dreht sich um und rollt davon.
"Machen Sie sich keine Sorgen", murmelt Uwe. Mit schnellen Schritten überholt er Frank und hält ihm die Schwingtür auf.
"So. Schieß los", sagt Frank, als sie wieder im Zimmer sind.
Uwe geht zum Fenster und zuckt die Schultern. "Meine Eltern sind tot. Schon lange."
"Oh. Das ... tut mir leid."
"Schon gut. Kannst du ja nichts für."
Als Frank seine Augen öffnet, werfen Straßenlaternen fahle Lichtstreifen auf den Holzboden. Es ist kurz vor zwei in der Nacht. Uwe schließt für gewöhnlich die Vorhänge, wenn er aus dem Club kommt. Nachdem Frank die Nachttischlampe angeknipst hat, rutscht er zur Bettkante, stellt seine Füße auf die Dielen, spürt Kontakt. Gerade als er den Rollstuhl heranzieht und sich zur Toilette aufmachen will, poltert und kratzt es am Schloss. Eine Gestalt taumelt ins Zimmer, fällt auf die Knie und beugt sich ächzend vornüber: Er ist zurück. Das automatische Licht im Gang erlischt. Frank gleitet zu Boden und lehnt sich vor, um der Tür einen Stoß zu versetzen, sodass sie ins Schloss fällt.
"Hey. Alles klar?"
Uwe schüttelt den Kopf, langt nach dem leeren Rollstuhl, wie um sich daran aufzurichten und beginnt zu würgen.
Frank rutscht näher und legt die Hand auf seinen Arm. "Kotz uns nicht die Bude voll. Geh ins Bad, hm?" Jetzt entdeckt er das verkrustete Blut über dem Auge.
"Dieser Scheißkerl", lallt Uwe. "Den werd ich ..."
Er versucht aufzustehen, stolpert und fällt Frank in den Schoß. Ein Schwall ergießt sich auf den Boden, gefolgt von einem zweiten. Frank versucht Uwes Hand loszulassen, will einen Lappen holen.
"Geh nicht weg", ächzt Uwe. "Bitte. Du und ich, wir zwei ..." Er vergräbt sein Gesicht in Franks Brust.
"Du, ich kann so nicht sitzen. Bitte, lass mal los."
Uwe gehorcht, rutscht zur Seite und stützt den Kopf in die Hände. Der säuerliche Geruch, der den Raum durchzieht, wird immer intensiver, jetzt holt Frank Eimer und Lappen aus dem Bad.
"Deine Eltern sind nicht wirklich tot, oder?"
Uwe zuckt die Schultern, während er zur Seite blickt. Er steigt schwankend auf Franks Bett und hängt den gerahmten Spruch ab. Nachdem er ihn auf den Fußboden gelegt hat, betrachtet er ihn eingehend.
"Was ist damit?", sagt Frank.
Uwe räkelt die Arme über den Kopf, sein Mundwinkel zuckt, als er sich zu Frank beugt, bis sie einander beinahe an der Stirn berühren. "Weißt du, ich mag dich. Wirklich."
Frank nickt, dreht der glotzenden Reisetasche den Rücken zu. Über Marie zu sprechen, ist keine Option. Sein Atem geht ruhig und gleichmäßig, während er mit der Rechten Uwes Hand sucht und sie umfasst.