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Das Schiff im Eis

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05.04.2002
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Das Schiff im Eis

Logbuch der Kristin II. Kapitän P. Olafson

6. April 1902:
Endlich wieder ein Auftrag der Gewinn verspricht. Ein reicher Amerikaner hat unser Schiff gechartert und uns dafür den doppelten Preis geboten. Ich habe gehört, er wäre schon bei Anderen gewesen, doch immer abgewiesen worden. Ein Bekannter hat mir geraten auch abzulehnen. Einen Grund wollte er mir nicht sagen. Egal, ich brauche das Geld. In zwei Tagen stechen wir in See.
Meine Mannschaft ist frohen Mutes.

15. April 1902:
Nun sind wir schon eine Woche auf See und kennen das Ziel der Reise immer noch nicht. Unser feiner Herr schweigt sich darüber gründlich aus. Auch sonst ist er ein stiller Mensch. Die meiste Zeit verbringt er allein in seiner Koje.
Meine Mannschaft redet hinter vorgehaltener Hand über ihn.

18. April 1902:
Nachdem wir erst von Dover an Irland vorbei Richtung Nordwest gesegelt sind, halten wir uns jetzt direkt nach Norden. Ich habe unseren Steuermann dazu angehalten nicht so hart am Wind zu segeln. Es ist noch zu kalt. Heute morgen konnten wir schon die ersten Eisschollen sehen. Doch unser Gast besteht darauf. Direkt nach Norden.
Meine Mannschaft glaubt, er wäre besessen.

20. April 1902:
Er ist besessen. Vor einer Stunde hat er mir den Grund unserer Reise berichtet und ich versuche hier seiner Worte sinngetreu aufzuzeichnen:
„Wir waren letztes Jahr im Herbst mit meinem Zweimaster Katharina I. auf dem Atlantik unterwegs. Wir, das heißt meine Frau, meine Mannschaft und ich. (Bei „meine Frau“ stockte er) Wir gerieten in einen Sturm und unser Ruder brach. Wir konnten es nicht reparieren und trieben immer weiter nach Norden ab. Eines Morgens war unser Schiff dann von einer dünnen Eisschicht eingeschlossen. Zwölf Tage wuchs das Eis weiter, dann wurden wir gerettet. Ein Eisbrecher wurde auf uns aufmerksam, doch alles musste schnell gehen. Meine Frau musste noch etwas auf unserem Schiff vergessen haben, denn sie ging zurück, aber sie sagte niemandem Bescheid. Sie ist immer noch auf dem Schiff. Als wir es bemerkten, konnten wir nicht mehr zurück. Ich muss sie retten!“
Den wahren Grund darf die Mannschaft niemals erfahren. Sie würden sofort meutern. Auch mir behagt der Gedanke ganz und gar nicht ein Geisterschiff zu suchen. Doch ich kann nicht anders. Wenn ich umkehren würde, wäre ich Pleite. Möge uns Gott beistehen.
Meine Mannschaft hält geheime Versammlungen ab.

25. April 1902:
Wären wir doch früh genug umgekehrt!
Wir haben das Schiff gefunden. Es ist noch zur Hälfte in einer Eisscholle eingeschlossen. Vorsichtig sind wir mit einem Beiboot heran gerudert. Und dann haben der Amerikaner und ich das Schiff betreten. Hätten wir es doch bloß nicht betreten. Ich begutachtete das Deck, während unser Gast zielstrebig die Treppe zu den Kabinen hinab ging. Dann hörte ich einen erstickenden Schrei der mir durch Mark und Bein ging und ein anschließendes Gepolter. Ich rannte zur Luke und sah ihn. Er saß auf dem Boden am Fuße der Treppe, sein Oberkörper lehnte gegen die untersten Stufen. Mit schreckensgeweiteten, leblosen Augen blickte er in Richtung der Tür am Ende des Ganges. Sie hatte ihn zu sich geholt. In diesem Moment fiel besagte Tür gegen einen vernehmlichen Widerstand ins Schloss. Panik erfasste mich, doch als ich die Reling erreichte, war das Beiboot schon fast wieder bei meiner Kristin II.
Jetzt sitze ich hier und schreibe meinen letzten Eintrag. Ich sitze mit dem Rücken zur Luke, denn ich will ihn nicht sehen, ich will sie beide nicht sehen. Ich weiß, sie kommen. Ich könnte mir einreden, er wäre auf der Treppe ausgerutscht und hätte sich den Kopf eingeschlagen. Doch in diesem Blick war maßloses Grauen. Er hatte mehr gesehen, als Lebende sehen dürfen. Und die Tür ist durch eine Welle zugeschlagen worden. Doch die See war den ganzen Tag spiegelglatt. Die Sonne färbt sich rot. Gleich wird es dunkel. Gut so. Ich will sie nicht sehen. Beide nicht. Und sie werden kommen.
Meiner Mannschaft geht es gut.

[Beitrag editiert von: Jack Lyric am 06.04.2002 um 13:38]

 

Hallo Jack, cooler Nick übrigens..

Deine Geschichte gefällt mit ziemlich gut, Dein Stil ist sicher, wenig Tippfehler, gute Idee.
Aber erstmal zu meinen Kritikpunkten:

Ein Kollege hat mir geraten auch abzulehnen
Ist zwar "Korinthen-Scheißerei", aber "Kollege" empfinde ich hier als störend. "Befreundeter Kapitän" oder so etwas in der Art fände ich besser.
Unser feiner Herr schweigt sich darüber gründlich aus. Auch sonst ist er ein schweigsamer Mensch.
Wortdoppelung: Schreib besser "stiller Mensch" oder so.
Die meiste Zeit verbringt er allein in seiner Kombüse.
Hehehe, er ist echt die ganze Zeit in seiner Schiffsküche? Ich glaube, Du meinst "Koje" oder "Kabine".
Jetzt sitz ich hier und schreib
Passt nicht zu Deinem eigentlichen Schreibstil, besser "sitze" und "schreibe".

Was mich alerdings ziemlich irritiert, ist, dass ich meine schonmal eine (bekannte) Geschichte gelesen zu haben, deren Inhalt mit Deiner nahezu identisch ist. Kann aber auch sein, dass ich blöd bin..

Der letzte Satz unter den Bordbucheintragungen ist echt genial, übrigens. Und auch der knappe Stil gefällt mit total gut. Nur bei der Szene, wenn der Kapitän den Amerikaner findet, fehlt irgendwie ein etwas mehr erklärender Satz.
Trotzdem im Großen und Ganzen ein toller Einstieg auf KG.de. Achja, herzlich willkommen übrigens! :prost:


Ugh

 

Danke Bibliothekar,
war auch überrascht, dass mein Nick noch frei war.

Deine Kritik habe ich gleich umgesetzt, besonders das mit der Kombüse... natürlich habe ich Kabine gemeint (schäm :rolleyes: )

Und das dir die Geschichte bekannt vorkommt kann auch gut sein. Ich selber habe sie vor Jahren in einer deutlich anderen Form als "Gute Nacht Geschichte" gehört. Jedoch dachte ich, der Erzähler hätte sie spontan erfunden. Naja, soviel zu "guter Idee". Immerhin kann ich mich damit rühmen die Perspektive gewechselt zu haben. Ich habe sie damals aus der Sicht eines Erzählers gehört. Und der Kapitän ist nicht auf dem Schiff geblieben. Das nächste Mal schreibe ich eine komplett eigene Geschichte. Versprochen. :engel:

 

Hi Jack!
*freu* Wow, das ist das erste Mal, dass meine Verbesserungstips ohne Einschränkung umgesetzt wurden. Oh..hätte ich das jetzt besser nicht erwähnen sollen? :rolleyes:

Nachdem Du ja quasi nur die Idee zur Geschichte "geklaut" hast, denke ich, geht das in Ordnung. Denn die Ideen für die meisten Geschichten sind ja nicht besonders neu. Und sich von etwas inspirieren zu lassen, ist ja nicht schlimm. Trotzdem freue ich mich auf Deine nächste, komplett eigene Geschichte.

Ugh

 

Hallöle,

mir gefällt die Art der Logbuch-schreibung.
Was nicht in dem Sinne eine Handlung, sondern eine Handlungsbeschreibung ist. Eben aus der Sicht des Kapitäns.
Schade, das er den Geist der Frau nicht sieht.
Ich hätte sie gerne noch gesehen...ich meine als Leser natürlich.

Gruß
Rub.

[Beitrag editiert von: Rub. am 06.04.2002 um 08:57]

 

Eine wirklich coole Geschichte. Die Idee gefällt mir sehr gut und auch wie du es umgesetzt hast. Habe überhaupt nix zu bemängeln, na ja, liegt wohl daran, dass du schon alles korrigiert hast. :D
Ich finde es gut, dass du das Ende etwas offen gelassen hast. Er denkt zwar, dass sie kommen, aber ob dass dann geschieht bleibt dem Leser überlassen.
Wirklich schön! :)

Viele Grüße,

Fallen Angel

 

moin Jack

Spannend geschrieben. Aber nachdem dem Kaptitän klar war das die Mannschaft Angst hat und geheime Versammlungen abhält, wäre er da nicht besser erst mal alleine rübergerudert? Ok das würde dann das gute Ende zunichte machen, wo er dann alleine auf dem Zweimaster hockt...hatte halt grade mal einen Logik Anfall :D
Ist mir aber auch erst beim zweiten lesen in den Sinn gekommen.
Finde Du könntest die Story mit "Sie werden kommen" enden lassen.
So genug gemeckert...Story war nämlich spannend... :)

*greez*

jadzia

 

@Rub.: Das liegt mir nicht einen Geist oder eine Leiche zu beschreiben und hätte deine Erwartungen bestimmt nicht erfüllen können. Außerdem finde ich, dass die Geschichte durch das Geheimnisvolle lebt.

@The FallenAngel: Danke für das Lob. :cool:

@Jadzia: Ja, jetzt wo du es sagst... Obwohl ich glaube, dann wäre er gar nicht mit rüber gerudert. War halt ein gutgläubiger Mensch. :rolleyes:
Bei dem Ende habe ich auch länger überlegt. Die Version, die du meinst, erschien mir auch erst dramatischer, aber nach dem ich alle anderen Einträge mit der Mannschaft enden ließ, konnte ich mir das einfach nicht verkneifen. Vorher ist er immer um seine Mannschaft besorgt (Nur wie ein Kapitän zur Mannschaft, nicht wie Vater zu Sohn) und dann läßt er seinen Zynismus freien Lauf. "Ich sitzte hier und meiner Mannschaft geht es gut!" Vielleicht muss ich das nur ein Bischen mehr hervor heben.

 

So, habe "Die Mannschaft" in "Meine Mannschaft" geändert und ich werde das mit der Versammlung nochmal abschwächen, sobald ich eine Idee dazu habe...

 

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