- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 27
Das negative Trampolin
Zirkus. Jahrmarkt der Fröhlichkeiten. Ich sitze hier und freue mich, lache, spiele mit in dieser Darbietung. Jeder ist Zuschauer und Artist, alles in einem, ganz egal, Hauptsache, man ist vergnügt. Sorgen läßt man vor der Tür, da draußen stören sie nicht. Vergessen. Fröhlich sein. Lächeln. Mitspielen, das ist wohl der beste Weg.
Manche malen sich zur Sicherheit ein Lachen auf …
Schminke wie Maske, Gefängnis der Gefühle.
Zu viele Gedanken sind in mir und ich bemerke, wie es hinter mir zischelt, ein Streichholz brennt mein Zirkuszelt nieder. In der Arena hüpfen sie weiter auf und ab, bemerken nichts von alldem.
Ich stehe im Freien und der Wind pfeift mir eisig um die Ohren. Die draußen gelassenen Probleme stürzen auf mich ein, ich sehe sie überall, rufe »Hilfe!«, doch der Wind verbläst meinen Schrei. Ich bin alleine hier draußen. Das negative Trampolin kommt von oben auf mich zu und stößt mich hinunter, immer tiefer in das Loch.
Ich suche einen Ausgang, doch es ist keiner da. Sitze fest, verliere die Orientierung. Es wird finster. Oben höre ich Stimmen und Lachen, rufe ihnen zu; sie geh'n vorbei. Wollen nur fröhliche Menschen um sich haben oder nehmen es nicht wahr. – Niemand kommt, nichts geschieht.
Es wird Morgen. Draußen scheint die Sonne und ich sitze immer noch in meinem finsteren Loch. Will hinaus. Beginne, hinaufzuklettern, rutsche auf halber Höhe ab und habe Angst, nochmals bis auf den Grund dieses Loches zu fallen. Doch da ist schon das positive Trampolin, das mich auffängt, mir heraus hilft und mich durch mein Zutun wieder hochschleudert, hinauf, in luftige Höhen, der Sonne entgegen. Es geht mir wieder gut, ich fühlte mich niemals besser, das Leben ist ja so schön!
Warum war ich bloß in diesem Loch?
Ich versuche, mich möglichst lange oben zu halten, immer höher zu springen, so lange es geht die Welt aus der Vogelperspektive zu sehen. Möchte Flügel und wie ein Falke in der Luft stehen. Einfach oben bleiben.
So hoch wie ich traut sich kaum jemand springen. Aber nur wenige bemerken es; sie sehen nicht so weit. Der Horizont ist eine variable Grenze.
Das negative Trampolin ist zuverlässig. Es wird irgendwann wiederkommen, um mich tief nach unten zu schleudern. Ich brauche gar nicht draufzuspringen, es kommt von selbst auf mich zu, wirft mich mitten im Flug aus der Bahn.
Je höher man fliegt, desto tiefer man fällt. Ich berühre gleich die Wolken.
*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*