Das Leben und sein Stück vom Kuchen
Nachdem ein Mensch gestorben ist, treffen sich Tod, Leben und Erinnerung an seinem Grab und spielen Karten, um die Seele des Menschen bestmöglich aufzuteilen.
Der Tod, groß und weise behauptet, während er ein As nach dem anderen aus seinem Ärmel zaubert, dass er die eigentliche Arbeit geleistet habe um diesen Menschen das zu geben, was ihm ausmacht. Dies begründet es unter anderem mit dem unglücklichen Zufall, welcher dem toten Wesen im Alter von fünf Jahren widerfahren musste. Kaum hatte dieses nämlich den Begriff "Tod" bei seinen Eltern aufgeschnappt, wollte es unbedingt erfahren, was sich hinter ihm versteckte.
Und so ging das kleine Wesen neugierig wie es war sofort mit seinem Hamster auf die große Straße und setzte ihn, möglichst vorsichtig, direkt auf dem Mittelstreifen ab. Der kleine Hamster schnupperte auf der Straße herum und setzte sich schließlich in Bewegung, um aus dieser misslichen Lage zu entfliehen.
Nun ja, was dann passierte kann sich wohl jeder denken. Tod reibt sich zufrieden die Hände, dieses Beispiel musste einfach überzeugen.
Die Erinnerung aber trumpft nun mit einer ganz unglaublichen Kartenfolge auf und schreit dann laut, „Mau Mau!“.
Der Tod will sich nicht so schnell schlagen lassen und verlangt eine Revanche, die ihm die Erinnerung gutmütig gewehrt.
Und so teilen die knöchrigen Hände des alten Gevatters Tod die Karten sorgfältig aus.
„Nun denn,“ flüstert die Erinnerung und gedenkt längst vergangener Zeiten “ es ist jetzt Zeit, dass ich den Grund dafür anbringe, den größten Teil an der Seele dieses Wesens zu erlangen.“.
„Und der wäre?“, fragt der Tod und kann sich ein bissiges Lächeln nicht verkneifen.
„Der wäre, dass ich es war, die das Wesen in seinem Handeln ermutigte.“, begehrt sich die Erinnerung aus, „Denn nur durch das Gedenken an seine Vorväter, welche wirklich großartiges vollbrachten, konnte dieses Wesen sein Leben meistern.“.
Die Erinnerung fährt fort mit einem wohl gewähltem Beispiel. Sie erzählt ihren gespannten Zuhörern, dass nichts anderes als der Gedanke an seinen Opa, das Wesen dazu gebracht hatten, den Beruf eines Schriftstellers auszuüben. Und diese Lebensaufgabe hatte ihm schließlich Millionen eingebracht.
„Nun ja,“ sagt der Tod und schreit fast im selben Moment „Mau Mau!“.
Doch das will sich die Erinnerung nicht gefallen lassen, sie will Revanche.
„Aber dies ist das letzte Spiel für heute abend. Wer dies gewinnt, bekommt die Seele des Wesens. Seid ihr einverstanden?“.
Erinnerung und Leben nicken im Gleichklang.
Das letzte Spiel wird verbissen bestritten und Tod und Erinnerung liefern sich einen harten Kampf, doch dann geschieht das Unglaubliche. Das Leben gewinnt und ruft „Mau mau!“.
Erinnerung und Tod wollen sich das nicht gefallen lassen und verlangen sofort eine erneute Chance.
Doch das Leben schüttelt sachte den Kopf und beginnt leise zu erzählen „ Während dieser Mensch am 2. 5. 1950 geboren wurde, war ich dabei und gab ihm die Stärke die nötig dafür war. Und nur durch mich konnte dieser Mann seine Zeit auf Erden im vollen Bewusstsein erleben, denn er hatte Achtung vor ihr. Damals, als seine Kinder geboren wurden, war ich dabei und gab ihnen die Kraft.
Und auch an solchen Tagen, an denen er kaum noch Hoffnung sah und schon bereit war für seinen letzten Tag, da war ich bei ihm und gab diesem Menschen den Mut sein Leben fortzusetzen.
Wo ihr beide nur das Ende bringt und an Vergangem hängt, da bin ich der neue Anfang.“. Nachdem das Leben geendet hat, lassen Tod und Erinnerung ihre Karten endgültig sinken und blicken sich wissend in die Augen.
„Ich glaube beim nächsten brauchen wir uns nicht mehr zu treffen. Vielleicht auch nicht beim übernächsten.“, sagt der Tod leise.
„Ja genau, du gewinnst ja eh immer!“, murmelt die Erinnerung und beleidigt ziehen die beiden von dannen.
[Beitrag editiert von: annah am 22.03.2002 um 22:06]