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Das innere Monster der Todeselfe
Mein Leben lang hab ich damit verbracht schlechtes zu tun. Immer und immer wieder. Es brachte mir Freude, andere Menschen leiden zu sehen. Von Anfang an war ich ein besonderes Kind. Besonders, so hat mich schließlich meine Mutter genannt. Aber ich war anders. Anders als alle Elfenkinder. Angefangen hat es schon bei meinem Aussehen. Während alle anderen Elfen helle, pastellfarbene und vor allem zarte Flügel hatten, hatte ich schwarze Rabenflügel. Doch im Gegensatz zu den anderen funktionierten meine Flügel nicht so wie sie sollten. Nur Nachts waren sie funktionstüchtig und auch nur, wenn meine Raben bei mir waren. Meine Augen waren dunkel wie die Nacht und meine Haare waren rabenschwarz. Im Gegensatz zu den anderen Elfen und Feen konnte ich nie viel mit Wohltaten anfangen. Das Leben der anderen war rosa mit Einhörnern und Glitzer, dass war nicht mal überspitzt dargestellt sondern entsprach der bloßen Wahrheit. Mein Leben war das Gegenteil hierzu, es war düster und trist und tatsächlich mochte ich es auch so. Ich bewegte mich in der Dämmerung und Nachtstunden, als Ausrede nutze ich immer, dass ich den anderen aus den Weg gehen möchte, doch um ehrlich zusein, hatte der Mond und die Nacht es mir angetan. Viele würden denken, ich wäre das Böse in Person, denn anstatt einem kleinen Kind zu helfen und ihm einen Lolli zu geben, nahm ich einen Lolli, spuckte drauf und stopfte es dem Kind in den Mund, einfach nur weil ich Spaß dran hatte. Doch zu Tieren war ich anders, vor allem zu meinen Raben, denn sie waren wie mein Schatten. Ich war die Außenseiterin und mittlerweile war ich all die schrägen und schiefen Blicke gewöhnt, welche mich verfolgten, wenn ich durch das kleine Dörfchen ging.
Sie war die Abstoßung in Person. Wenn sie mit ihren Raben durch die Straßen ging, lief es mir kalt über den Rücken. Anstatt zu fliegen, geht sie lieber durch die Straßen. Niemand kann nachvollziehen warum sie dies tut, doch genau das macht sie noch mehr zum Randmitglied unserer Gesellschaft. Noch nie hatte sie jemand reden gehört. Noch nie. Geschichten erzählten, sie habe keine Zunge. Aber niemand traute sich, sie zu fragen. Man sagte auch, dass sie sich vom Blut toter Seelen ernähre, weshalb man sich um so gerne sehr weit entfernt von ihr aufhielt.
Es machte mir eine Freude die Angst auf den Gesichtern der anderen zusehen, welcher entstand, wenn an den anderen vorbei ging. Jedesmal verstummten die Gespräche. Betretenes Schweigen. Totenstille. Doch genau diese Elfen haben mich zu der Person gemacht, welche ich heute bin. Denn anstatt mich so wie jeden anderen zu behandeln, hat man mich von Anfang an anders behandelt. Man ist mit mir anders umgegangen. Man hatte Angst etwas auszulösen, Irgendeine dunkle Macht oder Ähnliches. Ich würde so nicht von einer dunklen Macht sprechen, aber es konnte passieren, dass wenn mein Kopf nicht durchgegangen ist, ich oder besser gesagt etwas anderes einfach explodiert ist. Bis jetzt waren es immer nur Gegenstände, doch als zum ersten Mal eine kleine Maus explodiert ist, wurde ich ausgestoßen und genoss meine Ruhe. Niemand wusste, dass genau dies meine Absicht war. Ich wollte nur meine Ruhe, fernab des Normalen. Fernab allem, dass so normal war. So genoss ich meine Ruhe und den Respekt, welchen man mir zollte, ohne zu wissen, dass etwas noch schlimmeres kommen würde, als ich mir vorstellen konnte.
Der Himmel verdunkelte sich. Die Einhörner verschwanden, die Vögel verstummten und der Wind fing an zu wehen. Was hatte sie getan? Jahrelang hatten wir dadrauf gewartet, dass sie ausarten wird. Und jetzt war es so weit. Der Himmel färbte sich dunkelrot. Alle rannten auf die Straße und sahen in den beunruhigten Himmel. Blitze zuckten über den Himmel, der Donner grollte und die Sonne verschwand hinter den dicken Wolken. Mein Blick wanderte zu dem großen Hügel hinter dem Kristallsee. Und dort war sie. Sie stand in mitten des Hügels, in mitten der Blitze, in mitten des Sturms.
Endlich konnte ich alles rauslassen, was sich die Jahre über aufgestaut hatte. All der Frust, welcher sich die letzten Jahre über aufgebaut hatte. Der Himmel zog sich zusammen. Dunkle Wolken. Dunkelrot. Es fühlte sich befreiend an. Ein Monster befreite sich aus meinem Inneren. Dunkler Rauch. Flammen. Es formte sich zu einem konturlosen Wesen, mit roten Augen, welches hinter mir entstand. Ich dachte ich hätte die Kontrolle, doch in dem Moment, in dem sich das Wesen formte, verlor ich meine Kontrolle.
Allen stockte der Atem. Ein Monster entstand. Und von jetzt auf gleich brach Panik aus. Alle flogen weg, oder versuchten noch etwas mitzunehmen, oder jemanden zu retten. Und von jetzt auf gleich geschah passierte zu viel zeitgleich. Die Ranghöchsten Elfen und Feen machten sich auf den Weg zu ihr um etwas dagegen zu tun, als sich alles entzündete. Der rote Wald brannte, die Sonnenblumenfelder und die Häuser der anderen Feen. Und dann stürze das Monster den Hügel hinunter in das Dorf.
Ich hatte die Kontrolle verloren. Ich wollte eigentlich nur meine aufgestaute Magie endlich raus zulassen, aber da mir nie jemand geholfen hat, wie ich meine Magie kontrollieren kann, eskalierte es. Ich verlor die Kontrolle. So wie es jeder immer vorhergesagt hatte. Ich hatte die Kontrolle verloren. Einfach nur weil, ich endlich mal die sein wollte, welche ich schon immer war. Aber der Kontrollverlust fühlte sich befreiend an. Ich war ich. Und das fühlte sich so verdammt gut an. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht und ich breitete meine großen Flügel aus. Zum ersten Mal seit langem flog ich in die Lüfte. Ich flog meinem inneren Monster, welches ausgebrochen war, runter ins Dorf. Alles brannte. Ich sah Zerstörung, Tod und Angst in den Gesichtern der anderen. Und da sah ich sie. Das Mädchen, welches ich so abgrundtief hasste. Sie war die perfekte Elfe. Blonde, lockige Haare, welche über ihre Schultern fielen. Blaue Augen und eine perfekte Porzelanhaut. Das Mädchen, welches ich schon immer sein wollte. Das Machen, welches ich so sehr beneidete. Zum ersten Mal sah ich keinen Spott in ihren Augen, sondern pure Angst. Angst um ihr Leben. Und dieses Gefühl, bereitete mir Freude, denn das erste mal in meinem Leben, war ich ihr Voraus. „Bitte!“ Hörte ich es ganz leise. Und da erkannte ich es. Sie redete das erste Mal zu mir. „Bitte, so bist du nicht.“ Blaue Tränen rollten ihre Wangen hinunter.
„Woher weist du wer ich bin?“ Ihre Stimme klang hohl. Zum erstem Mal hörte ich sie und ich erkannte so viel Schmerz in ihr. „Du warst die eine, welche mir mein Leben zur Hölle gemacht hat.“ Ihre schwarzen Augen glühten. „Jeden Tag war ich deinen Schikanen ausgesetzt. Dank dir hat mich jeder als Monster gesehen, doch das eigentliche Monster bist du!“ Sie schrie. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viel Angst wie jetzt. Der Himmel brannte förmlich und ich kauerte in einem Eck, nicht fähig zu fliegen. Nicht fähig irgendetwas tun zu können. „Es tut mir leid!“ Schrie ich, gerade im Moment, als sie den Rücken zu mir drehen wollte, doch sie fror in ihrer Bewegung ein und drehte sich langsam zu mir um. „Es tut mir leid. Ich hab dich immer beneidet, du warst anders. Besonders!“ Ich korrigierte mich schnell. „Ich war wie jede andere, doch du warst besonders und hast dich abgehoben und das hab ich nicht. Ich war neidisch.“ Sie kam mir immer näher und landete paar Meter vor mir. Sie wirkte größer als sonst. „Alles was ich je von dir hören wollte, war eine Entschuldigung.“ Für einen kurzen Moment dachte ich, ich hätte einen weichen Zug auf ihrem Gesicht erkannt. Vielleicht ein Lächeln, doch im nächsten Moment verschwand dieser Ausdruck. Die Augen wurden wieder leer und sie lachte aus tiefsten Herzen, mit einer Bosheit in dem Lachen, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte. „Und du meinst, eine bloße Entschuldigung reicht?“ Alle waren weg, es waren nur noch ich und sie. „Schau dich um. Schau was du angerichtet hast.“ Sie gewährte mich einen Blick. Zig Elfen lagen tot auf der Straße, andere waren verletzt und verwundet und versuchten sich noch irgendwie zu retten, doch eine kleine Handbewegung und auch das Leben aus dieses Elfen verschwand für immer.
Die Verzweiflung in ihrem Blick brachte mir meinen Seelenfrieden. Endlich hatte ich die Macht, die Macht über sie zu siegen. Sie musste zusehen, wie jede einzelne Fee, jede einzelne Elfe starb. Jetzt war sie die letzte. Die letzte von unserer Gattung. Der Gattung, die alles verstieß, was paranormal ist. Eine kranke Gattung. Und so ging ich langsam auf sie zu. Ich öffnete langsam meine Hand und fing an sie langsam zu schließen. Sie fing an nach Luft zuschnappen, doch da kam keine Luft in ihre Lunge. Denn etwas, genauer gesagt meine Hand, drückte ihren Hals zu. Ihre feine Haut wurde langsam blau. Je mehr ich meine Hand schloss, desto weniger Luft drang in ihren Körper, bis schließlich keine Luft mehr durch kam. Und dann zwei endlose Minuten bis auch ihr Leben langsam aus ihrem Körper verschwand. Sie sackte zusammen. Keine Regung, keinen Atemzug. Jetzt war es vorbei. Ein kurzer Blick. Alles war zerstört, alles war kaputt, niemand war mehr da. Ich war allein und hatte das Ziel erreicht, was ich wollte. In dem Moment atmete ich ein letztes Mal ein, ein letztes Mal uns und verschmolz für immer mit meinem inneren Monster.