Was ist neu

Das Händy

Mitglied
Beitritt
18.04.2011
Beiträge
1

Das Händy

...und es begab sich zu der Zeit als die Bürger der neuen Welt zahlreich dem Wahn verfielen ein Händi haben zu müssen. Auch ich, getrieben von diesem Verlangen nach dem neuen Wunderwerk der Technik, suchte einen sogenannten Point auf, in dem es diese Geräte zu kaufen gab.

Das Fachpersonal ging davon aus, dass ich keine große Beratung brauchte und verlangte gleich meinen Personalausweis um meine Daten für den bevorstehenden Erwerb eines Telefongerätes vorbereiten zu können. Alles ganz einfach, alles kein Problem sagte der freundliche Verkäufer, als er meine Daten in sein EDV-Gerät tippte. Und tatsächlich, es dauerte nicht lange und ich stand mit einem Händi, der dazu passenden Ledertasche, meiner PIN, TAN, SUPER-PIN und natürlich meiner eigenen Telefonnummer auch schon wieder vor der Tür.

Stolz trug ich das soeben erstandene Objekt der Begierde nach Hause um es dort sofort in Betrieb zu nehmen. Denn ab jetzt sollte eine neue Zeit anbrechen, ich wollte für jeden überall und immer erreichbar sein. Dieser Gedanke ließ mein Herz sogleich höher schlagen. Was für ein Fortschritt !

Meine Frau war gerade dabei das Mittagessen zubereiten. Sie war nicht sonderlich erbaut darüber, dass ich jetzt, so kurz vor dem Mahl, noch anfangen wollte, dass neu erstandene Elektrogeräte in Betrieb zu nehmen.
Ich versicherte ihr jedoch, dass es ganz schnell ginge, es sei ja alles recht einfach und bedienerfreundlich. Sie brauche sich keine Sorgen machen, noch bevor das Essen auf dem Tisch stehe, sei ich mit dem Programmieren und der Inbetriebnahme fertig!

Schnell packte ich alles aus, der Verkäufer hatte freundlicherweise schon die CHIP-Karte eingelegt, so dass ich sofort nach Eingabe meiner PIN-Nummer loslegen konnte.
Zunächst rief ich mich selber zu Hause an um zu prüfen ob das Gerät funktionierte. Dann rief ich mich von zu Hause auf dem neuen Mobilgerät an um zu hören wie es klingelte.
Was für ein erhabenes Gefühl, das Gerät in der Hand klingelte und signalisiert mir somit volle Funktionsfähigkeit. Ein kleiner Schritt für die Welt – eine große Errungenschaft für mich !!

Was aber, wenn ich einmal nicht höre wenn das Telefon klingelt, oder es ausgeschaltet ist wenn ich im Theater bin ? Dann bin ich nicht mehr erreichbar.
Ah, das kleine Wunder verfügt natürlich über eine eigens für mich bereitgestellte MAIL-BOX-! Diese galt es nun in Betrieb zu nehmen.

Schritt für Schritt tastete ich mich vor und folge genau der Kurz-Beschreibung in meinen Händen:

1. stellen Sie Ihr Gerät ein - OK
2. folgen Sie dem Ansagetext - OK

Jetzt ging´s los, eine sehr sympathische Tonbandstimme, wies mich in das Geheimnis meinen Anrufbeantworter einzurichten, ein.

Das klang wie folgt:

• Guten Tag, Sie sind mit Ihrer persönlichen Service-Hotline verbunden und haben nun die Möglichkeit Ihre persönliche PIN, TAN, CODE oder SUPER-PIN – Nummer zu ändern. Wenn Sie diesen Service in Anspruch nehmen möchten dann drücken Sie jetzt bitte die 1.
• Möchten Sie Ihren persönlichen Guthabenstand abfragen oder Ihr Guthaben per Cash, Card, Post, Bank oder über die Zahltasten Ihres Händis aufladen, dann drücken Sie jetzt bitte die 2.
• Möchten Sie Ihr persönliches Kennwort ändern dann drücken Sie jetzt bitte die 3.
• Möchten Sie mit Ihrem persönlichen Berater verbunden werden, dann drücken Sie jetzt bitte die 4.
• Möchten Sie Ihre persönliche MAIL-BOX einrichten dann drücken Sie jetzt bitte die 5.
• Möchten Sie ...

Nein! Halt! Jetzt schnell die 5 gedrückt.

Weiter ging es:

• Guten Tag, Sie sind mit Ihrer persönlichen Service-Hotline verbunden und haben nun die Möglichkeit Ihre persönliche MAIL-BOX einzurichten.

Die Zeit verging recht schnell und ich kam doch nicht, wie ich anfangs dachte, zügig voran. Aus der Küche drangen schon die leckeren Gerüche des zubereiteten Mahles zu mir und hin und wieder hörte ich schon den leisen Ruf:
„Das Essen ist gleich fertig.“
Eile war also geboten und ich lauschte weiter der Ansage.

• Sie haben jetzt die Möglichkeit Ihre persönliche Mail-Box einzurichten.
(Ja, ja bitte nur zu, das Essen ... ich habe nicht mehr so viel Zeit, was um Himmels willen soll ich tun?)
• Sie haben die Möglichkeit einen Ansagetext aus dem eigens für Sie vorprogrammierten Dienstleistungs-Service-Programm herunterzuladen, dann drücken Sie jetzt bitte die 7 und wählen die hier Ihre persönliche Nachricht aus:
• für die Ansage: The person you call is temporally not available, drücken Sie bitte die 846
• für die Ansage: Lieber Anrufer, leider ist im Moment niemand zu erreichen, Sie haben jedoch die Möglichkeit eine Nachricht zu hinterlassen, drücken Sie bitte die 739
• für die Ansage: ... drücken Sie bitte die 6547
• für die Ansage ...drücken Sie bitte die 2136
oder
• Sie haben die Möglichkeit einen persönlichen Ansagetext zu sprechen dann drücken Sie jetzt bitte die 8.

Och, dann möchte ich schon einen eigenen Text haben. Aber was sage ich dann, jetzt erst einmal überlegen, bevor ich voreilig die acht drücke. Noch einmal räuspern, damit sich die Ansage auch professionell anhört und ...
Da rief auch schon wieder die Stimme aus dem Hintergrund: „Das Essen ist gleich fertig!“ Es klang jetzt schon etwas drohender.
„Ich bin ja gleich soweit, nur noch das Band besprechen, eine Minute bitte noch, ich stehe kurz vor dem Ziel!“ Flehend antwortete ich meiner Frau, die mit hochrotem Kopf in der vom Dampf geschwängerten Küche stand und schon ansetzte die Köstlichkeiten auf die bereitstehenden Teller zu verteilen.

Rasch drückte ich nun die acht und es erklang sogleich wieder die nette Tonbandstimme mit der Anweisung, ich sollte jetzt klar und deutlich meinen Vor- und Nachnamen nennen. Dies tat ich. Es folgt ein kleiner Pfeifton und nun kam der entscheidende Moment, sprechen Sie jetzt Ihren persönlichen Text auf Ihre persönliche Mail-Box. Ich holte tief Luft - in dem Moment schrie es aus dem Hintergrund:
„Wenn Du nicht sofort zum Essen kommst, koche ich nie wieder für Dich!“
Erneut erklang ein leiser Pfeifton aus dem Netzgerät und es folgte die Ansage: „Vielen Dank, Sie haben jetzt Ihre persönliche Mail-Box erfolgreich eingerichtet.“

 

Besser könnt' man Deprivation und sozialen Tod kaum beschreiben, als das mobile Telefon (alternativ: das www mit seinen scheinbaren sozialen Netzen) als Ersatz für den Kontakt zum Andern. Aber ach ...

... es begab sich zu der Zeit …,

liebe Schreibfee,

beginnt wie die Einleitung zum wohl bekanntesten, weil millionenfach als Weihnachtsgeschichte hervorgeholten, als Krippenspiel dramatisierten neutestamentarischen Kapitels und kann das mitgelieferte Versprechen nicht halten, was mich nicht daran hindern soll und schon gar nicht kann,

Dich hierorts herzlich willkommen zu heißen,

selbst wenn’s schon mit der Schreibweise zum Handy hapert mit der Endung –y und –i.

Sehn wir mal von Unkonzentriertheit ab, hapert’s auch bei der Zeichensetzung:

...und es begab sich zu der ZeitKOMMA als die Bürger der neuen Welt zahlreich dem Wahn verfielenKOMMA ein Händi haben zu müssen.
Die hier temporale Konjunktion als leitet einen Nebensatz ein und auch der Infinitivgruppe muss ein Komma zugestanden werden, denn sie bezieht sich auf ein Substantiv und hat deshalb nach K 117 Ziffer 2 Duden Bd. 1 ein Komma zu erhalten, wie überhaupt in Infinitivsätzen grundsätzlich das Komma nur entfallen kann, keineswegs muss. Um den Ausnahmen zu entgehen, (!, das ist schon wieder eine) kann man demnach getrost bei Infinitvsätzen ein Komma setzen. Verboten und vom Deutschlehrer rot anzustreichen wär’s auf keinen Fall.

Deine Schreibe will witzig sein, wobei das Händy/i ja in der Tat eine modebewusste denglisierende teutsche Erfindung ist, die’s im Englischen gar nicht gibt. Aber schon

… einen sogenannten Point …
zeigt, woran es vor allem harpert: Du schreibst, wie Du – wahrscheinlich – sprichst und dabei willstu witzig wirken (was im Gespräch auch so wirken wird). Aber was im kleinen Kreis anerkannt wird, aber vor allem flüchtig ist (kaum von der Zunge, ist der Satz schon verhallt), muss hier nicht gelingen, denn hier liegt er wie zur Jagd freigegeben und zur Strecke gebracht vor uns. Und:
Ist nicht jede Erscheinung nur „so genannt“ und Morgen schon wieder anders, wenn der Krone der Schöpfung danach ist? Das sogenannte wäre somit allemal entbehrlich …

Das Fachpersonal ging davon aus, dass … und verlangte gleich meinen PersonalausweisKOMMA um meine Daten für den bevorstehenden Erwerb eines Telefongerätes vorbereiten zu können.
Da ist wieder so’ne Ausnahme in der Kommasetzung beim Infinitiv, diesmal nach K117 Ziffer 1.
Auffällig sind zudem die vielen Substantivierungen, klingt nach Bürokratie und Verwaltung, schöner und eleganter wäre ein verbaler Stil, also auch der Konjunktiv, der sogar noch Musik hineinbrächte: „Das Fachpersonal ging davon aus, dass es mich nicht groß beraten brauche [alternativ: bräuchte], und verlangte [gleich] meinen Personalausweis, um [Daten für] den Kaufakt vorzubereiten usw."

Ich fürchte, mein Beitrag könnte länger werden als der Muttertext. Nach Deinem Profil zu urteilen müsstestu schon was Manierliches draus machen können. Ich trau’s Dir blind zu. Hilfreich wäre auch jemand, der vorweg Korrektur läse.

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Schreibfee,

und herzlich willkommen auf KG.de! :)

Schlage was zum Titel vor: korrekt Handy oder Neuschöpfung/eingedeutscht Händi, aber ey, nicht mixen, das ist ja gruselig.
Sag bitte hier im thread oder per PN Bescheid, wie Du den Titel gerne hättest, den kannst Du - anders als den Text - nicht selbst ändern. Danke.

Ich habe - ab von zu vielen Tippern im Text - einige Probleme hiermit:
* ein Drittel des Textes sind Bandansagen, wie sie vermutlich jeder hier kennt. Und vermutlich dachtest Du, 'toll, dann kann sich jeder mit meiner Geschichte identifizieren'. Das ginge allerhöchstens, wenn hier etwas satirisch überhöht wäre - aber so 1:1 ist das nervtötend und leider auch in diesem Verhältnis wenig zu einer Handlung beitragend.

* Handlung: überhaupt der plot - der Text wäre vor circa zwanzig Jahren ganz lustig gewesen. So bleibt ein mulmiges Gefühl, was jetzt an der Errungenschaft eines Handys so aufregend ist. So, daß man es obendrein 'technische Gerätschaft' nennt. Also, hm ... vllt hättest Du dieses Gerät durch ein heute etwas weniger Gebräuchliches ersetzen sollen. Es wirkt auf mich sonderbar skurril, leider nicht im positiven Sinne. Wer macht noch so ein Gedöns um ein Mobiltelefon?

* Ich stimme Friedel zu, was die Sprache angeht. Mit Literatur hat das nicht sehr viel zu tun, auch eigentlich mit einer Handlung/plot in einer Fiktion nicht. Nun steht es bei Alltag, das heißt aber nicht, daß ein Text so stilistisch platt daherkommen muß.

* Eine Geschichte mit einem Spannungsbogen und einem interessanten Konflikt wird nicht erzählt; es liest sich wie ein Tagebucheintrag, ein aufgezeichnetes Telefonat (dieses andere Gerät, dessen Schnur in der Wand steckt ;)) von wie gesagt 1985.

Da ist noch viel Luft nach oben - ein Muß wäre aber erstmal, den Text zu korrigieren.

Herzlichst,
Katla

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom