Was ist neu

Serie Das dunkle Herz der Männer II

Seniors
Beitritt
28.12.2009
Beiträge
2.438
Anmerkungen zum Text

Zweiter Teil der Serie. Teile dieses Textes sind aus einem anderen, älteren Text entnommen.

Das dunkle Herz der Männer II

Es bebt, gleich da unter ihrem Rock. Da bin ich mir sicher. Sie bebt, und macht mich verrückt damit. Sitzt einfach so in der Gegend, lässt die Beine von der Mauer baumeln. Ein grausames Biest. Schenkt mir ein Lächeln, sagt: „Malst du mir was, Onkel Hans?“, und reicht mir Malkasten und Papier. Mein Mund ist trocken. Ich nehme das Papier an mich, breite es vor mir aus. Sie sieht mich neugierig an, ganz erwartungsvoll – und ich leide in stiller Agonie, kann keinen klaren Gedanken fassen. Malen. Sie mag Tiere. Alle Kinder mögen Tiere. Ich weiß nicht, warum, aber so ist es. Ich starre auf das Weiß, sie rückt näher. Ihr Geruch in der Luft, ganz leicht nur, gerade so wahrnehmbar … ich atme gleichmäßig, etwas pocht in meinem Kiefer, dann nehme ich den Kohlestift aus dem Kasten und zeichne ein Paar Augen auf das Papier. Ich weiß nicht, warum – sie fließen aus meinen Fingern, ich halte nur den Stift, danach passiert es von selbst, ganz organisch. Augen, und diese Augen starren mich, starren sie an.

Ich hasse ihre Haare. Blond und dünn und lang. Ich würde ihr den Kopf kahl scheren, es wäre wie eine Kastration. Sie legt ihre Hand auf meinen Arm, fragt: „Malst du weiter?“ Ihre Stimme ist die einer Sirene, es ist eine Qual, ihr zuzuhören. Man gibt mir sowieso zu viel Zeit mit diesem Gör, mein Verstand hält das kaum noch aus. Ich würde ihre Schenkel küssen, das zuerst, und dann, ganz langsam, ihre Ärmchen umdrehen, bis die Knochen brechen, bis sie nutzlos an ihrem kleinen Körper hängen. Es ist gut, denke ich, es ist gut, und dann höre ich Bernds Stimme

„Ein Elefant?“, fragt er und lacht, und sie kichert und schreit: „Papa!“ Papa, Papa, Papa – ich kann es nicht mehr hören. Bernd setzt sich und bietet mir eine Zigarette an. „Sie malt so gerne“, sagt er und gibt mir Feuer, und ich nicke und setze ein Lächeln auf. „Möchtest du noch ein Glas Wein?“, fragt er, er hat die Karaffe bereits in der Hand, aber ich lehne höflich ab. Wir beide sitzen für eine Weile einfach auf dieser Mauer, rauchen, betrachten Lisa, schweigen. Ihre schlanken Finger gleiten ungelenk über das Papier, auf ihrem Kleid überall kleinste Farbkleckse. „Wie geht es Gitta?“ Es ist eine dumme Frage, eine unnötige, denn er kennt die Antwort bereits. Er kann die Stille nicht ertragen. „Sie ist immer noch im Krankenhaus“, antworte ich. Bernd senkt den Blick. Er ist durchschaubar, kein sehr guter Schauspieler. Natürlich weiß er, dass sie nicht im Krankenhaus liegt. Krankenhaus – das ist nur ein Code, es klingt harmloser als Irrenanstalt. „Das ist schlimm“, sagt er dann und sieht mich ganz direkt an. Ich nicke stumm. Ist es schlimm? Ihr geht es besser so, denke ich, aber eigentlich steht mir kein Urteil zu. Was ist verrückt? Was ist normal? Und wer darf es bestimmen? Ich weiß es nicht, aber es scheint ein altes Spiel zu sein, ein sehr altes.

Lisa malt noch immer. Ihr Kleid ist etwas hochgerutscht, ich starre auf ihre Knie, auf das weiße Fleisch ihrer Schenkel. Bernd zündet sich eine neue Zigarette an, er wirkt entspannt, der Zeitpunkt ist günstig. „Hast du schon darüber nachgedacht?“, frage ich ihn, ganz beiläufig, und er dreht seinen massigen Körper in meine Richtung, die Zigarette zwischen seinen Lippen. Er nickt. „Ja, das habe ich“, antwortet er und die Glut lodert auf, „ich weiß nicht, Hans … sie ist erst zwölf. Versteh' mich nicht falsch, aber …“, seine Stimme bricht, er hebt seine Augenbrauen und zuckt mit den Achseln, „ich denke, sie ist einfach zu jung.“ Zuerst höre ich nur auf das Rauschen in meinen Ohren, gleichmäßig und beruhigend, dann sehe ich in dieses aufgedunsene, frisch rasierte, unbescholtene Gesicht. „Bernd – was soll schon passieren?“ Er seufzt. In meinen Ohren klingt das verächtlich und gönnerhaft. In seinem Blick, da liegt etwas Vorwurfsvolles, etwas zutiefst Vorwurfsvolles. Ich weiß es, ich erkenne es. Er will nicht sagen, was er wirklich denkt, er vertraut darauf, dass ich es selbst erkenne. Ich klopfe ihm auf die Schulter und sage: „Schon gut, ich verstehe das“, aber natürlich verstehe ich es nicht. „Sie ist meine Tochter“, sagt er, und ich gieße mir Wein ein und trinke, trinke um zu vergessen, um Bernd und seine Engstirnigkeit zu vergessen, um den fehlenden Mut zu vergessen, den ihn und all die anderen auszeichnet. Bernd prostet mir zu, er sieht mir meinen Unmut, meinen Hass nicht an. Er übersieht ihn, er will ihn übersehen. So ist es einfacher. Er verschlingt eine Artischocke und schmatzt wie ein Schwein – und dann berichtet er über diesen und jenen Galeristen, über diesen und jenen Künstler, es seien alles Versager. Geschwätz, dass der Senkgrube der Bürgerlichkeit entstammt. Ich höre hin, aber ich höre nicht zu, so ist es meistens.

Sie erkennt mich und rennt los. Sie ist schnell, fast stürzt sie und verliert das Gleichgewicht, aber im letzten Augenblick fängt sie sich wieder. Die anderen Kinder beobachten mich, ich spüre ihre neugierigen Blicke, aber mein Innerstes bleibt kalt, unberührt. Ihnen fehlt etwas, etwas ganz Bestimmtes, etwas, das ich nicht genau erklären kann. Ich wünschte, ich könnte es, es ist mir jedoch selbst ein Rätsel. Vielleicht ist es Dunkelheit, die Lisa begleitet. Dunkelheit hat mich seit jeher angezogen. Ich sehne mich eher nach dem Anblick einer Wasserleiche, aufgedunsen und welk im Mondschein, als nach einer in Blüte stehenden Blume. Ich werde angezogen vom Makaberen, vom Bizarren, von den ekelhaften Dingen; die guten, die plausiblen, die logischen Dinge sind für mich uninteressant wie nur was. An Menschen interessieren mich nur die im Niedergang befindlichen oder diejenigen, die bereits im Schmutz liegen, besser: In den Schmutz gestoßen wurden. Nur sie sind eine wirkliche Beschäftigung wert. Die Verwundeten, Benutzten, Ausgestoßenen, Schmerzensmänner und Schmerzensfrauen, solche, die zum Krüppel gestochen, geschlagen, geschossen wurden, solche, die sich willentlich haben zermürben lassen vom lauten Generator, der sich Leben nennt. Nur sie haben sich die Erinnerung, ihre Meriten verdient. Die nassforschen Könner, die verhinderten Streber und Heuchler, die, die alles legitimieren wollen, um möglichst lange zu überleben, die ewigen Talente, die man immer vor dem Absturz behütet hat, die ungebrochenen Saubermänner, die stets schön bleiben – sie alle sind mir ein Gräuel. Sie lassen mich kalt. Hässlichkeit, Zerfall, Schmerz – süße Melodien in meinen Ohren, denn sie sind unumstößliche Wahrheiten. Und das ist es doch, nach dem wir suchen: Wahrheit. Oder etwa nicht?

Das Schöne, das Reine, das Unschuldige sehe ich immer nur im Zerfall begriffen, immer schon auf der Flucht in das Reich der Dunkelheit. Ich habe schon sehr früh die Schäbigkeit hinter den schönen Dingen entdeckt – immer dann, wenn sie die Grenze zum Lächerlichen überschreiten. An die Schönheit werde ich mich nie gewöhnen. Schönheit, Schönheit ist nur eine Rechnung auf Zeit; viel zu rasch lässt sie nach. Wenn sie dahingeht, bleibt einem nur die Betäubung. So machen sie es, die petit bourgeois: Sie saufen eine Flasche teuren Wein, fressen Pasteten, verschlingen riesige Portionen von Fleisch. Am besten alles auf einmal, bis der Wanst sich bläht. Der Fraß macht müde, und müde werden auch die Sinne, wenn sie es nicht immer schon waren. Und so fallen sie alle in einen traumlosen Schlaf, der wie ein kleiner Tod für sie ist, und das Erwachen fällt schwer, so schwer. Das ist das Immergleiche, der Zirkus des In-der-Welt-Seins.

„Wo gehen wir hin?“, fragt sie und bleibt stehen, dreht sich mit suchendem Blick um, presst die Lippen aufeinander. „Wo ist Papa?“, fragt sie, und ich lächle, ziehe sie in den nächsten Hauseingang und bücke mich, streichle sanft über ihre Pausbacken, sage, dass er bald kommt, der Papa, sehr bald, und dann nehme ich das Taschentuch und presse es auf ihr Gesicht. So ist es, ich habe da kein Gewissen, und sie schreit nicht einmal. Das Äther wirkt rasch, ihre Beine knicken ein, ich halte sie fest, halte sie in meinen Armen. Der betörende Duft, der Menschen umgibt; der Geruch kalter Götter, die keine Gnade kennen. Zwischen ihnen löse ich mich auf, durch ihre Mitte fliehe ich. Es sind stets die immergleichen, rundumfrohen Gesichter, die ihre Geschwüre zur Schau tragen, so erzogen, so mündig, so unverdrossen.

Der Körper – ein Wort, das ich in seine Buchstaben zergliedere, damit sich in einer endlosen Reihe von Anagrammen aufs Neue fügt, was er in Wahrheit enthält. Sie ist nackt. Was für ein Drama es doch ist, dass wir nicht gänzlich bei uns bleiben können! Das können nur die überzeugten Pfaffen, die, die ihre keimende Wollust durch die immense Trägheit ihrer Gebete abtöten. Manchmal muss man sich eben verteilen, und sei es, dass man aus der Mansardenwohnung auf die Köpfe der Passanten wichst. Meine Hände fuhrwerken überall an ihr herum, ich bin von Sinnen. Kann man es damit erklären? Es gab ja nur diesen Körper und diesen Moment und diesen Versuch, etwas von sich mitzuteilen. Und sei es nur dieser kurzer Augenblick, an den man sich dann erinnert, an den man sich klammern kann, dem sie einem nicht mehr nehmen können. Ein wenig den Geruch eines anderen Menschen aufnehmen, kurz davon träumen, ihn zu umarmen und dabei mehr als den eigenen Herzschlag zu spüren.

Die Fäden schneiden ins Fleisch, Haut wirft Falten, Muster zeichnen sich auf Beinen, Brust und Po. Der Faden als Messer, als Zeichenstift, als Modellierspatel. Der Körper bietet das Bild der Uneinheitlichkeit, einer Hässlichkeit, die dem ewig Heilen widerspricht, es verhöhnt. Die Verwirrung, sie vor meinen Augen zu entblättern, sie zu zergliedern, sie kann nicht triumphierender sein. Das Spiel mit der Ungeduld, und wie reizend sich die hundert hellen Knöchelchen ihres Fußes vor dem dunklen Samt ihrer Eingeweide absetzen. Morgen werde ich ihren Kopf mit dem schwarzen Hut schmücken und versuchen, die Haut von den Hüften zärtlich den Rücken entlang emporzuziehen, und zwar bis sie ihr Gesicht, aber nicht ihr Lächeln verschleiert.

Sie ist perfekt, so perfekt wie kein jemals Mensch sein kann. Alabastern, mit den richtigen, mit ihren Proportionen, und – stumm wie eine Leiche. Und sie wird immer stumm bleiben, wird sich meinen Befehlen beugen, sich für mich im Schmutz suhlen wie ein Schwein, wird sich in Gebüschen erdrosseln und in Kellern erstechen lassen. Ich werde sie durch die Dunkelheit schleifen können, werde sie bespucken, auf sie einschlagen, sie wie Vieh ausweiden, und sie wird weder Schmerz noch Angst empfinden. Sie wird mein Begehren sein, und bleibt doch nur eine seelenlose Puppe, die irgendwann der Schimmel befällt, eine Hülle, ein Surrogat, ein Projekt jenes Wahnsinns, der nicht, der niemals ausbrechen darf.

Ich höre Lisa husten und stöhnen, sie erwacht. Ich werde ganz nah bei ihr sein, wenn sie die Augen aufschlägt. Sie wird mich ansehen, verwirrt, sie wird sich an nichts erinnern. Sie wird mich erkennen, vielleicht sogar lächeln. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, was ich sagen werde … die Wahrheit? Die Wahrheit wäre mir am liebsten als Aussparung, als Explosion in einem luftleeren Raum.

 
Zuletzt bearbeitet:

„Die Lust geht anstatt mit der Zärtlichkeit mit der Grausamkeit einen Bund ein,
und aus der Geschlechtsliebe wird, was sie nach Nietzsche schon immer war,
»in ihren Mitteln der Krieg, in ihrem Grunde der Todhaß der Geschlechter.«
»Beim Männchen und Weibchen«, lehrt uns die Zoologie, »ist 'Liebe' oder
geschlechtliche Anziehung ursprünglich und hauptsächlich 'sadistisch';
zweifellos gehört zu ihr die Zufügung von Schmerz; sie ist so grausam wie
Hunger.«“ Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, Ffm. 1969 (1949), S. 47​

Von dem heute fast vergessenen Mathematiker Charles Lutwige Dodgson (1832 – 1898) gibt es schriftliche Belege, in denen er gesteht, „ich habe Kinder gern (abgesehen von Jungen)“, oder an eine Zehnjährige „Extradank und Küsse für die Haarlocke, die ich mehrmals geküsst habe, im Wunsch Dich zu küssen“, dass wir getrost pädophile Neigungen unterstellen dürfen. Bekannt ist aber auch sein Grundsatz gegenüber den Naturwissenschaften, nicht alles durchzuführen, was theoretisch möglich sei. Konsequent war er, denn es ist nicht bekannt, dass er seiner Neigung je praktisch nachgegeben habe.
Mag der Name Dodgson in Vergessenheit geraten sein, seine fotografische Kunst war beachtlich, aber vor allem sein literarisches Werk als fantastische Rebellion gegen die viktorianisch „naturalistisch“, kurz spießige Enge ist heute Weltliteratur, nonsense Gedichte und die Alice-Romane, d
a wird man sich fragen dürfen, was denn „Onkel Hans“ an seiner zwölfjährigen Nichte finde, die keinen Namen trägt wie Miss Alice Liddell -

lieber jimmy,

Augen zu zeichnen ist keine Kunst, sie sind quasi nahe bei einfachen Strichen zu geöffneten Miesmuscheln, dass ich getrost behaupte, gekochte und weitgeöffnete Miesmuscheln starren jeden entsetzt an, dass man sie zum Fressen gern haben muss und hernach noch ein Süppchen erhalten kann, was sicherlich appetittlicher ist als die Weltsicht des Onkels Hans.

Pädophilie - wenn denn der dicke Onkel überhaupt von der durchaus natürlichen, zumindest nicht widernatürlichen Neigung heimgesucht wird, ist so wenig wie Homo- und/oder Heteroerotik eine Krankheit, es kömmt aber darauf an, seine erotischen Neigungen (wie sich überhaupt selbst) zu kontrollieren, und sei es wie Lewis Carroll zu sublimieren, wobei das Erhabene jeder Kunst natürlich auch abstürzen kann ins Lächerliche (siehe mies-Muschi). Schon dass man Homo-/Heteroerotik mit einer anderen Endung als in Erinnerung an den Sohn der Aphrodite beglückt, den Pädophilen mit der abweichenden Endung für „Vorliebe, Liebhaberei, Neigung (zu etwas)“ (so Duden | -philie | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft) bringt, die diese ca. 5 % der Bevölkerung Pädophiler in die Nachbarschaft des Philatelisten, des Briefmarkensammlers rückt, zeigt eigentlich, dass sexuelle Neigungen gleich welcher Art an sich harmloser sind und an sich bleiben, als Nietzsche vermeint(e).

Aber ist Onkel Hans überhaupt pädophil?

Ich hasse ihre Haare. Blond und dünn und lang. Ich würde ihr den Kopf kahl scheren, es wäre wie eine Kastration.

Diese Selbstauskunft reicht sicherlich nicht, um des lieben Onkels Charakter festzumachen, aber autoritär wird er sein und in der Folge vor anderen Autoritäten strammstehn, kuschen, aber dann den Drang entwickeln, gegenüber Unterlegenen, Unsicheren – dem Bruder und Vater?, vor allem aber Objekten der Begierde - ein Gefühl von Macht zu genießen.

Das hierarchische Denken bildet sich gerne in der gesellschaftlichen Hierarchie von oben und unten ab, wie auch umgekehrt das mehr oder weniger (gut-)bürgerliche Denken hierarchisch ist.

Da stören Abweichungen, die ja die gesellschaftliche Pyramide in eine mehr oder weniger symmetrische Glocke verwandeln können (Gauß' "Normalverteilung").

Den Sadisten gibt er nicht nur verbal, aber Mutmaßungen über „Gitta“ und „Onkel“ Hans (Johannes > Jochanaan > „Gott ist gnädig“, Du neigst doch gar nicht zur Ironie oder hab ich mal wieder was nicht ...) verbieten sich mangels Masse.

Es bleibt im Ungefähren, aber da liegt ja die Kunst – in der gelingenden Andeutung und die Fantasie des Lesers schafft sich eine Variation über ein Thema -

Friedel

 

Moin,

ich hatte anfangs (mehrere Zeilen) Probleme damit, mir den Ort und die Position der Figuren vorzustellen, bis ich sie dann nebeneinander auf der Mauer sitzen sah.

Anfangs saß in meinem Kopf nur das Mädchen auf der Mauer. Hans steht ihr gegenüber. Geilt sich an dem Anblick der bebenden Rockfalten in ihrem Schoß auf. Sie bemerkt die Blicke, lächelt, will das nette, interessierte Onkelchen teilhaben lassen. Malst du mir was, Onkel Hans?
Er breitet das Papier vor sich (in der Luft? Auf dem Boden?) aus und das Bild zerbricht in meinem Hirn.

Hatte was von nem in Kapitel 1 nicht näher beschriebenen Protagonisten, den ich mir glattrasiert vorstelle ... und dem der Autor dann in Kapitel 2 nen Vollbart aufsetzt.

--

Jo. Bis auf dieses, evtl. bei mir selbst zu suchende Verortungsproblem, ist die Atmosphäre zu Anfang erste Sahne. Hätte ich gerne so weitergelesen. Mit Beginn des Monologs hast du mich dann leider verloren. Auch wenn selbst da nochn paar geile Ansätze drin sind – in dem Wust aus Gefasel :D

Hast du The Silence of the Lambs gelesen? Dieser deine Monolog, das mit der Haut unso, das hat mich an Buffalo Bill (*hust* Ed Gein *hust*) erinnert. Aber bei weitem nicht so ausgearbeitet. Dein Bill ist ein mittelmäßiger Theaterdarsteller. Der echte Bill, selbst wenn er gerade Monolog führt, der schauspielert nicht, der ist authentisch.

Solche Vergleiche musste dir gefallen lassen. Finde ich mal ganz frech so.

Nochmal ein Beispiel zum Abschluss:

Die Verwundeten, Benutzten, Ausgestoßenen, Schmerzensmänner und Schmerzensfrauen, solche, die zum Krüppel gestochen, geschlagen, geschossen wurden, (...) Die nassforschen Könner, die verhinderten Streber und Heuchler, die, die alles legitimieren wollen, um möglichst lange zu überleben, die ewigen Talente, die man immer vor dem Absturz behütet hat, die ungebrochenen Saubermänner

Wenn das Qualität durch Quantität sein sollte, dann hat es bei mir nicht funktioniert. Ich sehe da größtenteils Buchstaben vor Augen, Worthülsen, keine Charaktere, keine echten Menschen. Bestenfalls Klischees. Bestenfalls. Schlimmer noch: Was soll ich mir in dem Zusammenhang unter einem Verwundeten vorstellen, was unter einem nassforschen Könner, einem verhinderten Streber oder Heuchler? Was ist ein ewiges, immer vor dem Absturz behütetes Talent?

Sorry, ne, geht für mich gar nich. Aber geil, sowas mal von dir zu lesen :D²

--

Jup. Nur allein die ersten 40% gefallen mir besser als die sehr gern gelesenen 70% des ersten Teils dieser Serie.

Weiter so. Freue mich auf Teil 3. Vielleicht sogar einfach mal straight durch erzählt, auch wenn du dich dagegen ja in nem Kommi zum ersten Teil noch verwehrt hast. Ich für meinen Teil finde nen Pageturner mit 200 Seiten geiler als nen sechshundertseitigen Wälzer mit vierhundert Seiten Füllmaterial.

Hau rein,
Analog

PS: Bin mal wieder stinkbesoffen und zugekokst. Nimm meine Worte also lieber nicht so ernst.

 

PS: Bin mal wieder stinkbesoffen und zugekokst. Nimm meine Worte also lieber nicht so ernst.
Hallo @Analog , ich schreibe das jetzt nicht als Moderatorin, sondern als Privatperson. Wenn du einigermaßen ernst genommen werden willst, dann lass doch solche Sprüche. Oder schreib gleich so, dass du dir am nächsten Morgen noch in die Augen schauen kannst.
Ich würde vielleicht auch ganz gerne mal wieder einen Kommentar schreiben, statt mich mit solchen Kindereien auseinandersetzen zu müssen.

 

@Gefrierpunkt @Friedrichard @Analog @TeddyMaria

Ich antworte mal euch allen. Dies hier ist, wie bereits erwähnt, ein wesentlich älterer Text. Es war der Versuch, diese ganze Boheme-Stimmung einzufangen, also dieses Spiel mit dem Tabu. Das ist natürlich ein alter Hut. Als ich aber so in meinem Archiv herumgelesen habe, ist mir dieser Text aufgefallen, und ich dachte, er passt eventuell in diese Serie. Vor allem, weil er eben so kontrastiert zu dem anderen, viel lässigeren, härteren Text. Es sollten zwei sehr unterschiedliche Texte in einer Reihe sein, nebeneinander stehen, damit eben gar nicht erst der Verdacht der Eintönigkeit aufkommt, oder der Monotonie. Was ja vorkommen kann. Nun scheint es so zu sein, das dieser hier vorliegende Text einige Kriterien nicht erfüllt. Ich kann das absolut nachvollziehen, ich würde diesen Text garantiert heute so nicht mehr schreiben. Da ist natürlich viel Pose drin, in dem Text, das ist mir klar, und im Grunde soll das ja auch so sein; der Erzähler ein schnöseliger, intellektualisierender Dandy, der sich in seine Obsession verliert. Wie gesagt, das war so die Grundidee, nachdem ich mich in meinen Zwanzigern sehr stark mit Bellmer beschäftigt habe - wie kommt man auf so eine Idee, warum macht man das, was bewegt einen? Naja, klingt jetzt schlauer, als es vielleicht da geschrieben steht. Ich muss hier einfach anerkennen, dass der Text nicht das einlöst, was er sollte, bzw was er soll. Das ist unfassbar viel tell, wogegen ich ja heute im Allgemeinen extremst wettere, das wirkt alles sehr verschwafelt und hermetisch. Ich lasse den mal so stehen und werte das einfach mal als Erfahrungswert.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Analog , ich schreibe das jetzt nicht als Moderatorin, sondern als Privatperson. Wenn du einigermaßen ernst genommen werden willst, dann lass doch solche Sprüche. Oder schreib gleich so, dass du dir am nächsten Morgen noch in die Augen schauen kannst.
Ich würde vielleicht auch ganz gerne mal wieder einen Kommentar schreiben, statt mich mit solchen Kindereien auseinandersetzen zu müssen.

Hallo Novak,

ich schaue in die "Regeln"/"Absatz 4"/"Satz 1" und sehe keinen Verstoß. Ich kann dein "privates" Problem nicht nachvollziehen. Mein Postskriptum galt weder dir noch der Allgemeinheit. Im Rahmen einer Geschichte über einen pädosexuellen Folterer gestatte ich mir beim Verfassen eines Kommentars – im Rahmen geltenden Gesetzes – alle Facetten von Humor und künstlerischer Freiheit. Auch weiterhin. Wenn es damit ein Problem gibt, soll mich der Administrator dieser Seite kontaktieren und ich werde mich zukünftig selbst zensieren.

--

Hallo jimmysalaryman.

Es sollten zwei sehr unterschiedliche Texte in einer Reihe sein, nebeneinander stehen, damit eben gar nicht erst der Verdacht der Eintönigkeit aufkommt, oder der Monotonie.

Hehre Absichten, ich verstehe aber nicht, dass, wenn du ...

Ich kann das absolut nachvollziehen, ich würde diesen Text garantiert heute so nicht mehr schreiben. Da ist natürlich viel Pose drin, in dem Text, das ist mir klar

... doch wusstest, dass der Text nicht optimiert ist, wieso du ihn trotzdem veröffentlichst und ....

und im Grunde soll das ja auch so sein;

... rechtfertigst. Schlechter Text sollte nie, ist aber leider viel zu oft. Wieso gerade du, der doch ...

im Allgemeinen extremst

... gegen sowas wettert, wieso gerade du ...

anerkennen

... musst,
dass es halt so ist,
statt den Text mit deinen Fähigkeiten Stand 2019 ins Jahr 2019 zu holen, verstehe ich nicht.

Ich verstehe auch nicht, inwiefern das von dir als ...

Erfahrungswert

... gewertet werden kann, denn du sagst ja selbst, dass du heute nicht mehr so schreiben würdest.

Ich dachte, du hast sone Art eigene Philosophie übers Schreiben, ein unbarmherziges Handwerksverständnis, kein Mitleid mit Worten – und keins mit dem Autor, wenn er Scheiße baut.
Nun benutze ich die Vergangenheitsform von "denken", was nicht wirklich korrekt ist, denn ich denke das auch weiterhin. Ich denke aber auch, dass du es dir mit deinen lauwarmen Rechtfertigungen, um einen unfertigen Text einen unfertigen Text sein lassen zu können, ein wenig sehr, sehr leicht machst.

Andererseits, alles kann, nichts muss, wir sind ja alle freiwillig hier.

Traurig trotzdem, ich finde, dass gerade dieser zweite Teil enormes Potential hat. Gibt halt nicht viele hier im Forum, die einen Text über Monster wirklich schreiben können.

Das einer der wenigen solchen Texte nun in der Versenkung verschwindet,

bedauert,
Analog

 

@Analog

Naja, jeder macht mal einen Fehler. Du stammelst besoffen und verkokst Kommentare ins Forum, und ich lade einen alten, unfertigen Text hoch, von dem ich dachte, er passt in die Serie. Machste nix. Isso.

 
Zuletzt bearbeitet:

ich schaue in die "Regeln"/"Absatz 4"/"Satz 1" und sehe keinen Verstoß.
Na sowas, da steht doch tatsächlich nicht drin, dass es nicht empfohlen wird, bekokst und besoffen Kommentare zu schreiben. Klar, dann würde ich das unbedingt so weiter treiben.
Noch mal zur Verständigung auf sachlicher Ebene: Jimmy hat sehr cool und besonnen reagiert, Chapeau dafür, jimmy. Bei anderen Usern oder in anderen Fällen hätte dein provokanter Kommentar, Analog, zu dem du noch nicht mal stehen willst, für Ärger sorgen können. Und das, und das meine ich ganz unironisch, hätte uns im Modteam Arbeit gemacht. Da ich das mit dem Modteam noch nicht abgeklärt hatte, konnte ich dir nur als Privatperson schreiben.
Von weiteren Kommentaren bitte ich dich abzusehen, du erhältst ggf eine PM.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @jimmysalaryman ,

für mich passt dieser Text in die Serie. Es geht dann halt (bislang) um eine Auswahl von Destilaten schwärzester Männerseelen. Der Blick in den Kopf von Ernst und jetzt eben Hans. Die Sammlung lässt sich erweitern.
Es war auch diesmal schwer, das zu ertragen. Das sind Gedanken und Menschen, mit denen ich mich nicht auseinandersetzen will; das ist mir zu gruselig. Aber ich möchte dem auch eine homöopathische Wirkung unterstellen. Die kleinen Dosen Grauen, die ich als Rezipient in Form von Kunst konsumiere, zwingen mich, über scheußliche Dinge nachzudenken und eine Haltung dazu einzunehmen. Das hängt für mich definitiv mit der kathartischen Wirkung solcher Texte zusammen.
Ein paar kleine Stellen, die ich rausgepickt habe, danach zur Struktur.

So machen sie es, die petit bourgeois

Ich fand es zuerst trotz der von Peeperkorn und dir besprochenen Verankerung im Sinne kulturellen Kapitals komisch. Vielleicht kann man hier auch eher von Bildung sprechen, weil der Kapitalgedanke (so wie ich das von Bourdieu kenne) da nicht im Vordergrund steht. Ich dachte nämlich zuerst, er macht da so eine Art Codeswitching, springt ins Französische, weil er das gut beherrscht. Der Begriff wurde ja aber scheinbar von Marx prominent besprochen. Also ein Klassendiskurs. Da macht es in diesem Text schon seinen Sinn.


Der betörende Duft, der Menschen umgibt; der Geruch kalter Götter, die keine Gnade kennen

fand ich gut beschrieben

Und sei es nur dieser kurzer Augenblick

Tippfehler, dieser kurze_ Augenblick

so perfekt wie kein jemals Mensch sein kann

wie kein Mensch jemals ...


Jetzt zu Strukturellem:

Ich habe den Text mal auf meine Weise analysiert. Die ersten Absätze funktionieren für mich gut. Diese doppelte Spiel, dass hier abläuft, weckt mein Interesse. Lisa ahnt nicht, welche Perversionen sich im Kopf ihres lieben Onkel Hans abspielen. Unschuld und ein pechschwarzes Männerherz stehen sich gegenüber.

Bernd, Lisas Vater, kommt dazu. Das Gespräch wird Auslöser der weiteren Entwicklungen deiner Geschichte. Hier offenbarst du auch, dass Hans eine Frau hat. Die ist wie in Teil I auf ihre Weise indisponibel. Das ist eine Parallele, lässt bei mir anklingen, dass diese Männer aus ihrer rollenkonform monogamen Beziehung ausgebrochen sind, dass sie zwar noch etwas mit ihren Partnerinnen verbindet, diese aber als sexuell und geistig 'abgenutzt', 'nicht weiter verwertbar' betrachtet werden. Ein Menschenbild, dass bei den meisten Lesern Abscheu hervorrufen wird. Hier habe ich mich gefragt, ob es die Frau von Hans braucht. Allein um eine Parallele zu Teil I zu ziehen, wäre mir das zu wenig, dafür ist sie hier zu blass. Mich würde überzeugen, wenn sie noch stärker als Gegenpol zu Lisa aufgebaut wäre. Das ist nicht so einfach, denn dein Erzähler legt überzeugend dar, dass er sich ausschließlich fürs Hässliche begeistert. Das ist sowieso ein Problem für mich (ähnlich Friedrichard), denn offenbar interessiert er sich ja auch für ein kleines Mädchen – ohne Falten und andere Zeichen von Alter.

Jetzt kommt das Gespräch zwischen Bernd und Hans. Es geht um Lisa. Aber worum eigentlich genau? Was genau fordert Hans von seinem Bruder mit „Hast du schon darüber nachgedacht?“ und lässt Bernd antworten, "ich weiß nicht, Hans … sie ist erst zwölf."? Ich dachte kurz, Bernd wäre ebenfalls Pädaophil und Hans will ihn zum gemeinsamen Missbrauch überreden. Später dachte ich, vor allem nach dem Hinweis auf Hans Bellmer, er wolle sie in sein Atelier(?) bringen, Maße nehmen, was er ja eventuell auch tut. Erstes wäre natürlich krasser und hat mich emotional auch mehr entsetzt. Das zweite wäre handlungslogischer. Es liegt daran, welche Geschichte du erzählen willst. Wenn es da wirklich um den pädophilen Puppenfetischisten geht, dann würde ich bereits hier ein bisschen konkreter werden.
Da ich nicht genau weiß, um welche Forderung es zwischen Hans und Bernd gegangen ist, kann ich über den übrigen Inhalt nur spekulieren, auch wenn ich meine Lesarten gefunden habe.

Es folgt ein Cut. Hans fängt Lisa unter beobachtenden Blicken. Wieder eine Parallele, je nachdem, was du da eigentlich schilderst (dazu gleich mehr). Hier besteht für mich Unklarheit: "Sie erkennt mich und rennt los. Sie ist schnell, fast stürzt sie und verliert das Gleichgewicht, ..." Ich lese das als eine Flucht. Allerdings werden die beiden beobachtet. Warum aber sollte Lisa fliehen, sie mag doch ihren Onkel Hans (erster Absatz). Und als sie später aufwacht, spekuliert Hans: "Sie wird mich erkennen, vielleicht sogar lächeln". Es ist für mich also eigentlich wahrscheinlicher, dass sie zum Spaß vor ihm wegrennt, Fangen spielt. Dazu passt allerdings für mich nicht die dramatische Beschreibung. Da schwingt zu sehr die Flucht mit, da wird der Spaß nicht angedeutet. Als Parallele zum ersten Text würde ich es sehen, wenn sie flieht. Und zwar genau weil sie beobachtet werden und Hans damit rechnen muss, strafverfolgt zu werden. Das war im ersten Teil der Serie dasselbe. Ernst wusste, dass sie ihn rankriegen.
Wieder weiß ich nicht, was du eigentlich schilderst. Eine Flucht oder ein Fangenspiel. Ich würde unbedingt zum Spiel raten. Damit würdest du den Faden vom Anfang des Textes wieder aufgreifen, die Doppelbödigkeit ihrer Kommunikation. Sie denkt, es ist alles witzig.

Er lockt sie in den Hauseingang. Sie fragt nach ihrem Vater. Scheinbar hat Hans sie damit beruhigt oder gelockt. Das spielt mit meinen Erwartungen als Leser. Ich bin überzeugt, dass das Mädchen in höchster Gefahr schwebt, weil ich weiß, was sie nicht weiß. Der Horror-Klassiker. Das funktioniert also für mich gut. Hätte sogar noch etwas länger sein können.

An dieser Stelle verlangsamst du extrem. Das hat seinen Effekt. Ich will wissen, was mit Lisa geschieht – obwohl mir klar ist, dass hier niemand verschont wird. Stattdessen gehst du in erneute Betrachtungen über die Bourgeoisie.
Hier der Exkurs: Der Text ist über und über voll mit den teilweise (moral)diskurshaften Gedanken von Hans. Wie du das machst, funktioniert das schon für mich. Es ist manchmal wie ein Essay, manchmal wie ein ausformuliertes Psychogramm, das da miterzählt wird. Du hast es überall so eingewoben, theoretisch ließe es sich aus dem Text entfernen. Dann hättest du wahrscheinlich nur noch ein Drittel des Umfangs. Das ist Geschmacksfrage. Manche werden es für Plauderei halten, andere für geistreich. Ich bin da tendentiell bei denen, die sowas "gerne" mitnehmen, zumal wenn es so sauber eingearbeitet ist.
Hier benutzt du das jedenfalls, um die Handlung zu verlangsamen, in die Länge zu ziehen und Spannung aufzubauen. Das ist gut.

Es geht weiter mit den Ausführungen zu Hans Verständnis von Körperlichkeit. Hier frage ich mich, ob du das nicht etwas kürzen könntest, es wirkt in die Länge gezogen, überspannt das ganze für mich etwas.

Dann gehts an die Entweidung. Von Lisa, der Puppe oder wem eigentlich? Das habe ich beim ersten, dennoch aufmerksamen Lesen nicht begriffen. Ich dachte, es wäre Lisa, die aufgeschnitten und als Puppe neu zusammengeflickt wird. Das dem nicht so war, habe ich nur deinem Kommentar an Peeperkorn entnommen. Dieser Teil lässt sich kaum kürzen, das ist wichtig, aber auch Exposition und es verlangsamt die Handlung weiter. Diesen Teil würde ich umschreiben. Es hängt jetzt natürlich alles davon ab, ob ich den Text in den Grenzen verstanden hab, wie du ihn verstanden wissen wolltest. Wie gesagt, habe ich geglaubt, dass er sie als Vorlage für seine Puppe benutzen will. Falls er sie missbraucht, ändert das allerdings auch nicht so viel an meinem Einwand an dieser Textstelle.
Das Problem für mich ist, dass Lisa in dieser ganzen Beschreibung fehlt. Eigentlich seitdem sie mit "Äther" betäubt wurde. Sie taucht dann erst wieder am Ende auf, nachdem alles bereits geschehen ist. Keine Wendung, keine Zuspitzung. Was, wenn er seine ganze Puppenaffinität beschreibt und klar wird, was er da eigentlich tut, und nebenbei liegt sie da. Sie scheint aufzuwachen oder es pocht an der Tür, egal was. Nur eben ein wenig zugespitzt. Momentan geht es so: Hans will Lisa auf seine Weise besitzen. Er fängt sie – fertig. Dann erzählt er nur noch. Es gibt auch keine Überraschung. Ab der Mitte hat er sie. Dabei deutet er ganz zum Schluss ja noch an: "Ich weiß nicht, was ich sagen soll, was ich sagen werde … die Wahrheit?" Scheinbar ist etwas Überraschendes eingetreten. Er ist sprachlos. Zumindest erwarte ich bei seinem zuvor bezeigten, zielstrebigen Verhalten keine derartige Verwunderung. Im Nachhinein, in der Analyse dachte ich, hat Hans sie am Ende doch missbraucht und ist ihr darin "endlich" so nah gekommen, wie er es mit den Puppen nie konnte?

Ein Absatz über Hans Verhältnis zur Puppe. Das ließe sich für mich auch integrieren.

Der letzte Absatz ist stark gemacht. Lisa erwacht aus ihrem Blackout. Mit der Rührung einer Hebamme beobachtet Hans das Geschehen. Er ist richtig euphorisch. Sein Wunsch ist irgendwie in Erfüllung gegangen. Er hat bekommen was er wollte, egal wie kurz er davon etwas haben wird, zehren wird er davon sein ganzes Leben.

Zusammenfassung: Das größte Problem ist für mich das Fehlen von Handlung ab dem Mittelteil. Hier müsste meines Erachtens nach etwas passieren, womit Hans mal ausnahmsweise nicht rechnet . Außerdem will ich wissen, ob und wie er zu seinem "Glück" gekommen ist. Nein, es müssen keine Details sein. Ein offenes Ende kann es dann immer noch geben.

Ich würde die Serie nicht aufgeben. Das ist extrem harter Tobak und es werden dir nicht viele in dieses Terrain folgen. Aber es ist auch Neuland und extrem giftiges. Ein paar kommen sicher mit.

Gruß
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Jimmy

Ich werde warscheinlich keine neuen Erkenntnisse zum Text beitragen, aber ich möchte, nein ich muss endlich was dazu schreiben, weils mich stark beschäftigt (hat). Erst Ernst in DHM I, jetzt der Hans in DHM II. Männer mit dunklen Seelen, von Herz keine Spur. Aber das ist natürlich nur meine Sicht, sich selbst würde Hans auf jeden Fall ein schlagendes Herz für seine Sache attestieren.

Himmel, der Text ist nur schwer zu ertragen, aber gerade deshalb musste ich ihn nochmal lesen, dann nochmal, und nochmal, bis sich endlich eine gewisse Nüchternheit eingestellt hat, der Puls nicht gleich auf hundertachtzig und ich weitere Facetten des Textes erkannt habe. Damit ich nicht verrückt werde, habe ich angefangen, die Bedeutung der Sätze zu entschlüsseln, was treibt Hans an, was ist seine vermeintliche Bestimmung. Geht es nur um Befriedigung des Triebs und der Lust am Quälen, oder geht es um mehr, sieht er in seinem Tun eine Bestimmung, der "Alles-so-schön-bunt-hier-Welt" eins in den Arsch zu treten. Ach, wie soll ich es ausdrücken. Der Text spaltet mich, verlangt von mir, mich mit unangenehmen Zeitgenossen auseinanderzusetzen. Mit zunehmender Fahrt in den Abgrund, reisst es mich mit und ich werde schon wieder emotional vor Wut auf Hans, auf seine pervertierte Natur, auf dass sie über den Verstand siegt und Unschuldige zu Opfern werden lässt.

Aber was macht den Text denn aus, weshalb ist er trotzdem so lesenswert? Da ist zum einen Hans' selektive Wahrnehmung aus seinem krankhaften Trieb heraus. Dem gegenüber stehen die diffusen Bedenken seines Bruders (Schwagers ?) - zwar nicht laut ausgesprochen, aber im Rückenmark kribbelnd und für mich (als Vater von zwei Kindern) absolut nachvollziehbar.
Warum wühlt mich das so auf? Ist es die Erkenntnis, hier mal hinter die Fassade eines Triebtäters zu blicken, sind es die eigenen, in keiner Weise an die hier beschriebenen dunklen Gedanken heranreichend, die ich als empathisches Wesen mit der Vernunft des Verstandes reflektieren und für nicht gut, oder gar praktikabel halten kann? Ich komme zu keiner Lösung, es bleibt diffus, wie dieses Gefühl sich anbahnender Zahnschmerzen.

Ich sehne mich eher nach dem Anblick einer Wasserleiche, aufgedunsen und welk im Mondschein, als nach einer in Blüte stehenden Blume.
Was auffällt, ist Hans' umfangreiche Selbsterkenntnis im Bereich seiner Vorlieben, was ihn anzieht. Er weiss, dass "normalerweise" das Schöne, Zarte, Liebliche im Menschen anziehend wirken "sollte".

An Menschen interessieren mich nur die im Niedergang befindlichen oder diejenigen, die bereits im Schmutz liegen, besser: In den Schmutz gestoßen wurden.
Dies bildet für mich die Quintessenz der Triage, die Hans bei seinem Weltbild vollzieht. Auch Lisa passt anscheinend in dieses Bild. Sie, die unschuldige, blonde Nichte ist ja alles andere als eine Wasserleiche. Aber Hans erkennt die Dunkelheit in ihr, obwohl ich nicht ganz sehe, woran er das festmacht. Und er will es aus ihr herausschälen, das Gute ins Kröpfchen, das Böse ins Töpfchen,

Das Schöne, das Reine, das Unschuldige sehe ich immer nur im Zerfall begriffen, immer schon auf der Flucht in das Reich der Dunkelheit. Ich habe schon sehr früh die Schäbigkeit hinter den schönen Dingen entdeckt ...
In diesem Abschnitt erklärt sich Hans' Abscheu gegenüber Bernds Essverhalten in der Einstiegsszene. Spür ich da etwa auch Neid, bzw. Missgunst gegenüber "Bessergestellten"? Ich kenne Hans ja nur aus seiner Innenansicht, was er genau macht, wer er für sein Umfeld ist bleibt meiner Fantasie überlassen und so könnte es sich um einen unauffälligen Versicherungsvertreter handeln, der Freude daran hat, wenn ein Kunde aufgrund Reorganistaion seines Arbeitgerbers die nächste Rate nicht mehr zahlen kann. Das Schöne, das Reine, das Unschuldige im Zerfall.

Das Äther wirkt rasch, ...
Der Äther

Sie ist perfekt, so perfekt wie kein Mensch [jemals] sein kann.
[...]
Sie wird mein Begehren sein, und bleibt doch nur eine seelenlose Puppe, die irgendwann der Schimmel befällt, eine Hülle, ein Surrogat, ein Projekt jenes Wahnsinns, der nicht, der niemals ausbrechen darf.
Mir ging es ähnlich wie zuletzt @Carlo Zwei: Erst im zweiten Anlauf - mit Hilfe der ersten Kommentare - erkannte ich die Bedeutung des Surrogats. Tatsächlich ist von einer richtgen Puppe, und nicht Puppe als Metapher für die betäubte Lisa die Rede. Ein Rest von Verstand, es nicht zum Äussersten kommen zu lassen, die Vermeidung eines sozialen Selbstmords!

Die letzten beiden Abschnitte liessen mich Hans noch perfider erscheinen. Da haben nicht nur die Triebe das Sagen, sonder da geht ein gebildeter Mensch ziemlich berechnend mit seiner Neigung um und findet Worte und Wege, seine Bedürfnisse in einem "ausgewogenen Mass an Gesellschaftsverträglichkeit" zu befriedigen.

Und dann ist da noch Lisa, die mit 12 die Welt noch gar nicht richtig begreifen kann, erst später wird sie möglicherweise - #metoo - die Puzzleteile zusammensetzen und Vaters Überfürsorglichket, Mutters ständige Abwesenheit und die komischen Besuche bei Onkel Hans zu einem Vexierbild zusammensetzen und das versteckte Motiv darauf erkennen.

Und dann eine weitere Lesart: Wissend um Hans' Neigung, verweigert Bernd ihm seine Tochter, weil "ich denke, sie ist einfach zu jung." Der Bruder etwa auch pervers?
Zu jung für ... Oh Mann, ich sollte den Text wohl lieber mal ruhen lassen ...

Stark, verstörend, unschön - aber trotzdem lesenswert, weils zum Nachdenken anregt!

Lieben Gruss,
dot

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom