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Das ABC der dünnen Wände

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17.10.2001
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674

Das ABC der dünnen Wände

Apartment A
Schreien eines Kindes

Apartment B
Mann 1: „...verloren zum dritten Mal in Folge...“
Frau: „... erneut keine Einigung zwischen Palästinenserführer Arafat und...“
Mann 2: „Verdammte Araber!“

Apartment C
Orgasmus einer Frau und Quietschen einer Gummiente

Apartment D
Freund: „Hey, hör mal! Duckgirl ist wieder bei der Sache!“
Freundin: „Nicht schon wieder...“

Apartment E
Eine Bluesmelodie wird auf einem Saxophon ständig wiederholt

Apartment F
Stille

Apartment G
Mädchen: „Ich bin die Königin der Hyazinthen!“
Junge 1: „Scheiße, wie viel hat sie genommen?“
Junge 2: „Keine Ahnung...“

Apartment H
Schnarchen

Apartment I
Mann: „Oh ja, Mammi! Versohl mir den Hintern, ich war ein böser Junge!“

Apartment J
Frau: „Vater Unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name...“

Apartment K
Musik mit dumpfen Untertönen

Apartment L
Frau: „Was zum Teufel macht der Typ in Apartment K bloß?“
Mann: „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, er springt immer wieder von seiner Couch auf den Boden und spielt dazu irgendeinen Akkord auf seiner E-Gitarre.“
Frau: „Total bescheuert...“

Apartment M
Mädchen: „Papi, warum wäscht Mami ihre Hände so oft?“
Mann: „Schlaf jetzt, Kleines!“

Apartment N
Mann: „Los jetzt, ja, schluck’s runter, dafür bezahl ich dich schließlich!“

Apartment O
Bellen mehrerer Pittbulls

Apartment P
Das ‚High Voltage’ Album von AC/DC wird gespielt, mehrere betrunkene Männer grölen mit

Apartment Q
Mann: „Scheiße, ich muss doch morgen früh raus...“

Apartment R
Schmerzvolles Stöhnen
Mann: „Oh Gott, endlich!“
Toilettenspülung

Apartment S
Stille

Apartment T
Gequältes Wimmern einer Frau, die vergewaltigt wird

Apartment U
Klingeln eines Telefons

Apartment V
Mann: „Komm hierher, du Miststück, komm verdammt noch mal hierher! Ich gebe dir was, worüber du heulen kannst!“
Streiterei, etwas zerbricht, eine Frau schreit und weint

Apartment W
Stimmen im Gleichklang: „Wir rufen dich, Satan...“

Apartment X
Laufender Wasserhahn‚ Love will tear us apart’ von Joy’s Devision
Frau: „Oh Gott, mein Baby!“
Mann: „Ruf den Notdienst! Verdammte Sauerei...“
Geplätscher, Schluchzen

Apartment Y
Stille

Apartment Z
Frau: „Ich liebe dich.“
Mann: „Ich dich auch.“

[ 01.07.2002, 17:40: Beitrag editiert von: Rabenschwarz ]

 

"@Zaza,

wann zerreißt Du endlich mal was von mir? Warte ich schon länger drauf, ehrlich...mach mal, honey?"

Oh yeah, baby, Du hast es auf den Punkt gebracht! Es ist wirklich nervig und unbefriedigend am laufenden Band gute Kritiken in den Arsch geschoben zu kriegen. Da denkt man sich: Wozu mache ich den Scheiß??? Damit jeder mir in den Arsch kriechen kann, und ich wieder in meine Phantasiewelt, in der ich DER Starautor bin, flüchten kann?
Oh bitte, bitte, San und Zaza bitten um gnadenlose, inhaltsreiche Verrisse! Denn wir verstehen uns in einer ständigen Weiterentwicklung und reagieren durchaus nicht angepinkelt, aber es kommt ja nichts...

Bitteschön: Zwar kein richtiger Verriss...

Wie gesagt, das Beste ist die Verwendung des Alphabets. Der Rest gefällt mir gar nicht. Um das Positive zusammenzustellen:
Der Text funktioniert, was die Aussage betrifft. Auch Atmosphäre schaffst Du meinetwegen auf minimalistische Weise. Besser herauszuarbeiten wäre die Komponente der Nicht-Kommunikation. Man kann eben drüber streiten, ob das völlig isolierte Nebeneinanderexistieren dafür reicht. Es reicht wohl auch als Vermittlung, jedoch wären für mich die durch Kommunikationsmangel entstehenden Vorurteile interessanter gewesen. Und das hast Du mehr nebenbei eingebaut.

Zum Text/Stil/Aufbau:

Der Text hat nur wegen seiner Aussage Existenzberechtigung. Doch eine "Geschichte", die nur durch ihre Message lebt, verliert den Touch einer Geschichte. Kein Mitreissen, keine sprachlichen Höhen, nichts als eine Aneinanderreihung von kürzesten Episoden. Als Film - also als Bilderflut - durchaus wirkungsvoll. Und auch als Geschichte könnte sie funktionieren, jedoch schaffst Du keine Bilderflut. Irgendwann mittendrin verlierst Du den Leser, weil die Wiederholungen stressen und nicht fesseln. Du ziehst den Leser nicht mit, du folterst ihn nicht durch, sondern überquerst gedankenversunken eine verkehrsreiche Strasse, ohne ihn an die Hand zu nehmen. Kein Wunder, dass der Leser nicht so lebensmüde ist, Dir zu folgen!

Das Werkzeug des Autors ist die Sprache. Wo ist die bei Dir? Keine markanten Stellen, keine Spielereien, und auch der Minimalismus so gewöhnlich, dass er gepaart mit der Episodenenumeration einschläfernd wirkt.

Schaffe sprachliche Kontraste oder setze irgendwelche Zeichen! Bei den Wiederholungen scheint es mir notwendig zu sein. Sicherlich sind einige der Vorfälle alleine wirkungsvoll, aber in der Menge gehen sie unter. Der Leser will wenigstens ein wenig gezogen werden. Sonst lässt er sich nicht auf Dein Spiel ein! Durch die Menge schaffst Du schon Symbolik, die Qualität der Erzählung entscheidet nun, ob man am Ball bleiben will.

Du kannst mit einer Ausarbeitung der Szenen meine Kritik substanzlos machen. Also, lass mich Dein Schreibleder spüren, Süße!

 

Hi Rabenschwarz.

Sehr geile Geschichte. Na ja, ne Geschichte ist es ja eigentlich nicht, aber trotzdem sehr geil. So richtig sagen, was ich so klasse find kann ich gar nicht. Na obwohl, mit so wenig Worten so viel zu erzählen find ich schon beeindruckend. Jedes Zimmer in das man reinguckt löst eine kleine Geschichte im Kopf aus und sofort wird man zur nächsten gerissen. Ich finde, das wäre ein sehr guter Anfang für eine sehr viel längere Geschichte, in der du nochmal auf jedes einzelne Appartement genauer eingehen könntest.
Ich möchte auf jeden Fall nicht in dem Haus wohnen, scheint schon eher ne stressige Nachbarschaft zu sein.

So long

Signore Salami

 

Hi San,

Auf jeden Fall eine lustige Geschichte, wobei ich dir die gesellschaftskritische Komponente, die du angesprochen hast, nicht wirklich abnehme. Entertainment steht hier mE im Vordergrund, und das wird auch geliefert.
Hat mich ausserdem sehr an die Montagesequenz im Film Delicatessen erinnert, indem alle Bewohner eines Hauses etwas im gleichen, sich steigernden Rhythmus machen.

Ein Detailfehler noch:

Laufender Wasserhahn‚ Love will tear us apart’ von Joy’s Devision
Die Band heißt Joy Division.

 

Hi San

Du näherst Dich mit großen Schritten der Hohen Kunst des Schreibens.
Die Idee gefiel mir genau so wie die m.E. gelungene reduktion auf Fetzen der Wahrnehmung.
Solch karnickelställe gibts ja wirklich..

Bin angetan
Lord

 

Hmmm, ich habe noch mal über die Geschichte nachgedacht, und über die Aussage, bzw. Gesellschaftskritik, die in den Beiträgen zur Sprache kam.

Geschichten über Nachbarn bzw. Nachbarschaftsverhältnisse nehmen oft eine von zwei möglichen Extrempositionen ein. Entweder "Keiner achtet auf seine Mitmenschen" (...seine verfaulte Leiche lag bereits sechs Wochen in der Wohnung und niemand bemerkte etwas...) oder "Verletzung der Privatsphäre / Voyeurismus" (...die neugierigen, sich einmischenden Nachbarn mit dem Fernglas und den Zivilklagen wegen nächtlicher Toilettenspülung).

Dieser Text nimmt (zum Glück) keine der Extrempositionen ein, sondern beschreibt nur die verschiedenen Ereignisse, die allerdings so verschiedene Tendenzen aufweisen, dass für mich keine eindeutige Aussage herauszulesen ist.
Höchstens "Wohnen in Mietshäusern ist ziemlich Scheiße, wenn die Wände so dünn sind". ;)

 

Danke nochmal fürs Lesen und Kommentieren, vor allem an Zaza. Ich bastel schon die ganze Zeit an dem Text rum, aber irgendwie fluppt da noch nichts. Hab noch nicht die richtige Sprache gefunden, und auch die einzelnen Szenen gewinnen bei einer Ausarbeitung irgendwie nicht an Substanz. Ich poste die Tage mal ein paar der Appartments, aber bin mir ziemlich sicher, dass die im Moment in die falsche Richtung gehen. We'll see.

San

 

Die Aussage oder das Wesen der Geschichte hast Du doch selbst schon treffend beschrieben, Ben:

Was mir diese Geschichte perönlich sagt, hmmmmm. Dass auf der Welt soooo viel gleichzeitig passiert, was wichtig, unwichtig, eklig, pervers, alltäglich, brutal, blöd, angenehm oder sinnlos ist, was keiner je mitkriegt und in keinem Geschichtsbuch steht, was Leute ihr Leben lang mit sich rumtragen oder sofort vergessen, und jede Sekunde wird der Wust von Gammel größer.
[...]
Eigentlich jedes Mal, wenn ich über die Autobahn fahre, denke ich: Jeder von den Insassen in den hunderten von Autos will irgendwo hin. Daran erinnert mich die Geschichte.
Natürlich passieren all diese Sachen nicht alle auf einmal an einem Tag. Es kann mM nur ein Zusammenschnitt mehrerer Tage/Wochen sein, auf einen Tag zusammengefasst.

Sich darüber zu wundern, oder das als unrealistisch darzustellen, ist eher unsinnig. Welche Geschichte ist denn nicht überzogen, wenn sie etwas im Leser berühren will?

Ein sehr eindrucksvoller Text, der mich auf die Knie zwingt und mal wieder über meine Mitmenschen nachdenken lässt.
Respekt.

Nachtrag:
Sowas hier, Zaza:

Das einzig Positive: Von A bis Z. Das ist das Beste an der Story!

Werde mich näher äußern, wenn ich Zeit habe.

ist eher kontraproduktiv. Wenn Du nichts zu sagen hast, dann spar Dir Deinen Kommentar auf, bis Du Zeit hast, etwas Sinnvolles beizutragen. Klar, der harte Kern hier weiß, wie Du drauf bist, aber für einen relativ neuen Leser wirkt das doch sehr überheblich.

[ 12.07.2002, 14:41: Beitrag editiert von: Webmaster ]

 

Ach ja, San: lass den Text bitte so stehen und wenn Du eine neue Version hast, poste sie halt hier drunter oder ganz neu. Nicht, dass Du den mE sehr guten Text kaputtbastelst ;) .

 

Nein, Mirko, wenn der relativ (ja, zur Sicherheit lieber relativ, auch wenn das gar nichts mehr heißt) neue Leser so ungeduldig, ja vorschnell urteilt, dann stellt er sich für mich als nicht ernst zu nehmender Diskussionspartner heraus. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich schließlich schon 21 Stunden später meinen Kommentar näher ausführte.

Wozu diese Kommentare? Die sind mehr für mich, damit ich auch so schnell wie möglich mich wieder mit den Geschichten befasse, denn man hat es ja sozusagen dem Autor "versprochen". Und in diesem Fall auch für San, da mir bei all der positiven Kritik ein Gegenpol wichtig erschien.

Ja, Geschichten überarbeiten ist nicht einfach, San, genauso wie Angefangene beenden. Ich erkläre Dir mal genauer, was ich meine:
Behalte diese minimalistische Erzählweise (die passt nämlich schon zur Geschichte). Es ist ja nicht ein totaler Stilwechsel nötig (vielleicht ist ja auch gerade das schwierig...). Doch an manchen Stellen sollte etwas Ungewöhnliches zu finden sein. Da ich nicht näher drüber nachgedacht habe, fällt mir nun kein Beispiel ein. Aber schon ein Begriff kann ja die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Vielleicht aber auch ein Gegenstand, der nun gar nicht ins "Bild" passt?

In manchen Wohnungen sprichst Du erschreckend genau aus, was passiert. Du enthüllst etwas, was der Leser eigentlich nicht lesen will. In anderen Wohnungen geschieht nicht viel, und so schreibst Du auch nicht viel. Da könnte man aber sicher noch als Kontrast zum Klaren etwas Geheimnisvolles draus machen. Vielleicht auch als Kontrast zum "Schock" etwas "Ruhe"?

Keine Ahnung, ob Dir das weiterhilft und ob es überhaupt in Deinem Sinne ist.
Du machst das schon!

 

Zaza: ok, diese Erklärung stellt mich zufrieden.

 

Vielleicht auch als Kontrast zum "Schock" etwas "Ruhe"?
Was die Gefahr birgt, der Geschichte die "Schärfe" zu nehmen. Gerade das "Nichts-Passieren" bereitet den Leser doch viel besser auf den nächsten "Schock" vor. Durch solche Ruhepole, die Du vorschlägst, könnte eine Art Lethargie entstehen, die den Leser von dem unbequemen Nachdenken fortführt.
Bin gespannt auf die nächste Version, obwohl mir diese schon ausgesprochen gut gefällt.

 

Hi Sandra!

Deine Geschichte holt mir einen Gedanken in mein Bewußtsein, den ich einmal hatte...

Ich stellte mir damals ein solches Haus vor, in dem plötzlich alle Wände verschwinden... (Habe aber längst den Gedanken, daraus eine Geschichte zu machen, verworfen...)
Sowas würde sich aber vielleicht auch in Deiner Geschichte gut machen, wenn - nur als simples Beispiel - in dem einen Apartment eine Frau und ein Mann um die Fernbedienung streiten und im Nebenap. sitzt einer alleine und sieht sich das Fußballspiel an. Oder der eine sucht Reste von Eßbarem in seiner Küche, während daneben die Mutter die Reste von den Tellern in den Mistkübel schiebt. usw.
Mit sowas könntest Du die gesellschaftskritische Komponente vergrößern... ;)

Es ist ja tatsächlich so, daß oft zwischen den Menschen nur wenige Zentimeter Mauer sind, würde man die wegnehmen, ergäben sich oft eigenartige Situationen...

Alles liebe
Susi

 

Danke nochmal für's Lesen und Kommentieren.

@Mirko,

nee, Zaza hat schon Recht...einerseits passiert vielleicht ne Menge in der Story, aber gleichzeitig ist sie auch ziemlich leer...vor allem stilistisch. Vielleicht wird nochmal was raus, vielleicht dump ich sie auch...ich hab' mir überlegt, erstmal 'ne 'Schaffenspause' einzulegen, in nächster Zeit wird's weder neue Sache noch Überarbeitung mehr geben, vielleicht beschäftige ich mich mal wieder mehr mit den Texten anderer, mal sehen.

Grüße,
Sandra

 

Gute Entscheidung; versuche dich mal zu inpirierer. Allerdings würde ich die Geschichte nicht dermaßen abwerten. Die Idee hat was, muss nur noch ausgearbeitet werden. Kein Dumpen.

 

San: na ja, man kann sie aber auch kaputtüberarbeiten. Nicht den Grundgedanken aus den Augen verlieren. Gerade der Minimal-Stil macht einen Teil der Atmosphäre aus. Aber Du schaffst das schon.

 

@Mirko:

Mein zweiter Beitrag bezog sich auch eher auf die "Kritik an Wohnblöcken", die hier im Thread öfter zur Sprache kam, und die in der Geschichte zu finden sein soll.

Ich fänd's auch schade, wenn die alte Version hier verschwinden würde, aber das ist ja Sans Entscheidung.

[ 14.07.2002, 22:36: Beitrag editiert von: Ben Jockisch ]

 

laß so stehen, San.
Immerhin hat es ja Diskussionen und Lob gegeben. und das zeigt, daß Posten sich gelohnt hat.
Wenn Du eine Idee hast, die KG besser zu machen, dann schreib und poste sie neu ( schwere Aufgabe! ) ich bin gespannt.

 

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