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Damit das hier funktioniert

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13.07.2017
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Damit das hier funktioniert

Er holt immer wieder aus, um mit der Faust in Richtung meines Gesichts zu schlagen. In seinem Blick stehen Entschlossenheit und gewaltiger Zorn. Ich versuche, beruhigend auf ihn einzureden, greife nach seinen Handgelenken und halte sie so fest wie nötig, ohne ihm weh zu tun. Linus will mich verletzen, daran besteht kein Zweifel. Wie sollte ich das nicht persönlich nehmen? Ich gebe ihm doch keinen Grund, seine Wut an mir auszulassen.

Im Kopf überschlage ich die Entfernung vom Park zur U-Bahn. Zwei Mal umsteigen. Gegen vier Uhr könnten wir zu Hause sein. Okay, jetzt heißt es abwarten, bis seine Wut verraucht ist und Linus sich entspannt. Ich stehe ein paar Schritte entfernt, dicht genug, um ihn wieder packen zu können, etwas zu weit weg, um ihm die verschwitzten hellblonden Haare aus der Stirn zu streichen. Die Schweißtropfen auf seiner Stirn glitzern in der Oktobersonne. Linus schimpft vor sich hin, tritt immer wieder gegen einen der Parkmülleimer, was eine Frau im Vorbeigehen beobachtet. Sie schüttelt missbilligend den Kopf.
„Is‘ was?“, blaffe ich sie an. Sie ignoriert mich und verschwindet hinter der nächsten Ecke. Soll sie doch denken, ich wäre unfähig, mein Kind zu erziehen.

Dabei war der Besuch im Technikmuseum genau sein Ding. Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, will deren Aufbau und Zusammenhänge verstehen. Als es vor einigen Wochen zu Hause verdächtig still war, erwischte ich ihn, wie er sämtliche Uhren und Wecker in deren Einzelteile zerlegte. So, wie er dort stand, mit roten Wangen und leuchtenden Augen, konnte ich ihm nicht böse sein. Bis auf die im Wohnzimmer bekamen wir gemeinsam alle Uhren wieder zum Laufen. Die Reaktionen von anderen Menschen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat. Das war mir doch klar, als ich mit ihm in das brechend volle Museum ging. Und warum habe ich nicht auf die Zeichen geachtet?

Zwei ältere Jungs fahren mit ihren Rädern langsam an uns vorbei in Richtung Parkausgang. Ich sehe, dass Linus sie wahrnimmt und er deutlich weniger und leiser gegen den Abfallbehälter tritt. Das ist gut, er lässt sich schon ablenken. Wenn die beiden weg sind, werde ich versuchen, mit ihm zu reden und ihn in den Arm zu nehmen. Der Park ist bei dem schönen Wetter gut besucht. Betont entspannt setze ich mich auf eine Bank nicht weit von Linus, schaue in mein Buch und blättere ab und zu eine Seite um, ohne ein Wort gelesen zu haben, nur um die Blicke der Leute nicht zu sehen.

Nachdem wir zu Hause angekommen sind, schalte ich seine Lieblingscartoonserie an. Ich mache mir Vorwürfe, ihn überfordert zu haben, weil ich den richtigen Zeitpunkt zum Gehen verpasst habe. Jetzt wird eine weitere, negative Erfahrung in seinem kleinen Köpfchen abgespeichert. Um nicht vor Linus zu weinen, gehe ich ins Nebenzimmer, die Wäsche aufhängen, doch kann durch den verschwommenen Blick kaum die Wäscheklammern erkennen. Ich muss die Tränen wegblinzeln und mich sammeln, es ist Zeit für das Essen und die folgende abendliche Routine, in der alle Handgriffe schon mechanisch ablaufen. Heute ist Tag zwei von Christians dreitägiger Schulung in Hamburg. Die Kanzlei sehe großes Potential in ihm, betonte sein Chef. Als er anruft, um uns eine gute Nacht zu wünschen, erzählt Linus nichts von dem Streit im Park. Dabei scheint er es ihm nicht wissentlich zu verschweigen. Christian sagt, dass er uns um den schönen Ausflug beneidet. Dann fragt er, ob sonst alles in Ordnung sei. Ich weiß, dass er Linus Ausbrüche meint. Ja, ja, wir kommen schon klar.
Auch wenn ich abends völlig übermüdet in mein Bett falle, hasse ich das schnelle Einschlafen, weil der nächste Tag viel zu schnell kommt. Mit weit aufgerissenen Augen liege ich aufgedeckt da, schaue mich unruhig im Schlafzimmer um und versuche, so viel Zeit wie möglich bewusst zu erfassen, bis mich die Schwere überkommt.

Ich beobachte Linus am Morgen noch eine Weile, bevor ich ihn wecke und ins Bad manövriere. Er sieht zum Knutschen aus, wie er verschlafen in seinem Pyjama mit den vielen Krokodilen neben mir steht. Die kurzen Haare stehen in alle Richtungen ab, seine Hose schlackert ihm um die dünnen Beine. Gähnend schaut er hoch, unsere Blicke treffen sich im Spiegel.
„Mama, warum schminkst du dich an den Wimpern?“
„Dann sehen meine Augen schöner aus.“
„Ich finde, du siehst auch so schön aus.“

Am Nachmittag klingelt das Telefon. Sofort erkenne ich die Nummer von Linus Klassenlehrerin und nehme das Gespräch mit resignierter Gewissheit an.
„So geht es nicht weiter. Linus hat sich wieder im Gebüsch versteckt und sich geweigert, zurück in das Schulgebäude zu gehen. Dann wurde er leider handgreiflich. Auf Verhaltensauffälligkeiten nehmen wir Rücksicht. Aber Aggressivität gegenüber Lehrern und Erziehern können wir nicht dulden. Das müssen Sie verstehen!“
Seine Ausbrüche kommen in immer kürzeren Abständen. Jedes Mal rede ich mir den Mund fusselig, auch wenn nichts, was ich Linus erkläre oder vorbete, bei ihm anzukommen scheint. Klar verstehe ich, dass die Lehrer sein Schlagen und Treten nicht akzeptieren können. Doch sie sehen nicht, dass sein Verhalten keine Böswilligkeit ist. Er reagiert auf seine Umwelt.
Manchmal denke ich, es wäre leichter für uns, wenn Linus eine offensichtlichere Behinderung hätte. Die Menschen sind geduldiger und verständnisvoller, wenn sie einen kleinen Jungen im Rollstuhl sehen, als einen ihrer Meinung nach nur verzogenem Bengel. Die ständigen gut gemeinten Erziehungsratschläge anderer Eltern habe ich satt und meine Erklärungsversuche zu seiner Krankheit ermüden mich immer mehr. An guten Tagen wirkt Linus völlig normal, bis an einem, für Außenstehende unsichtbaren Punkt, sein Reiz-Fass überläuft.

Wegen den zunehmenden Vorfällen spricht seine Psychologin von einem Muster, das durchbrochen werden muss. Sie erklärt mir, dass, wenn Linus mit seiner Umgebung oder einer Situation nicht klarkomme, er ausbreche und darauf vertraue, dass ich ihn abhole. Ich hole ihn dann nach Hause in seinen sicheren Hafen. Um diesem Verhaltensmuster entgegenzuwirken, will sie Linus stationär in die Kinder- und Jugendpsychiatrie einweisen lassen. Der Griff um meinen Hals wird fester. Ein gut strukturiertes Umfeld soll helfen. Unweigerlich frage ich mich, was denn mit seinem häuslichen Umfeld nicht in Ordnung sein könnte.
Nach dem Gespräch renne ich zur Besuchertoilette, schaffe es gerade noch rechtzeitig, die Tür zu schließen und mich in Richtung Toilette zu drehen, bevor der erste Schwall aus mir herausbricht. Die Hand an der Wand neben der Spültaste abgestützt, warte ich, bis das Würgegefühl nachlässt. Die Fliesen kühlen meine Handinnenfläche. Auf wackligen Beinen drehe ich mich langsam zum Waschbecken um und spüle meinen Mund mit kaltem Wasser aus. Mein Rachen brennt. Ich lasse den Kopf hängen, kneife meine Augen zusammen, während aus meinem geöffneten Mund dünner, saurer Speichel tropft.
Als ich aus der Praxis in die kalte Novemberluft trete und sich mein Blick langsam klärt, sehe ich die Psychologin mit dem Rücken zu mir an der kleinen Raucherinsel stehen.

Das U-Bahnfahren im Stoßverkehr vermeiden wir - wenn möglich. Die vielen Reize überfordern Linus schnell. Aber wenn es nicht anders geht, lass ich ihn während der Fahrt zocken. Klar, registriere ich die abschätzigen Blicke, die Linus beobachten, wie er unaufhörlich, wie ein Wahnsinniger, mit seinem Zeigefinger auf das Handydisplay eindrischt, während ich neben ihm aus dem Fenster schaue und nur darauf warte, dass eine dieser perfekten Übermuttis etwas sagt.

„Fahren wir nachher auch mit der U-Bahn zurück?“
„Spatz, wir haben doch darüber gesprochen. Du bleibst eine Weile hier, damit die Ärzte schauen können, was dich so wütend macht. Sie helfen uns, damit es dir in der Schule besser geht. Nächsten Dienstag kommen Papa und ich dich besuchen.“ Linus blinzelt unaufhörlich, wirkt abwesend. Ich muss für uns beide tapfer sein, muss funktionieren, damit das hier funktioniert.

Sobald ich an Besuchertagen die große Eingangshalle der Klinik betrete, bekomme ich stechende Kopfschmerzen. Die Frau am Empfangstresen mustert mich. Ich spüre, dass sie mich alle hier mit prüfendem Blick beobachten. In den Gesprächen mit der Klinikpsychologin fühle ich mich zwiegespalten zwischen Hilfe dankbar annehmen und bockiger Verteidigungshaltung. Ich bin eine gute Mutter! Wem will und muss ich das eigentlich beweisen? Die auszufüllenden Formulare nehmen kein Ende. Wirklich alles scheint von Bedeutung zu sein. War das Kind geplant und verlief die Schwangerschaft problemlos? In welcher Beziehung stehen die Kindseltern zueinander? Seit wann ist das Kind nachts trocken? Bitte kreuzen Sie zutreffendes an. In meinem Kopf schwirrt alles. Was ist schiefgelaufen? Ich habe keinen Grund, mich bloßgestellt zu fühlen. Schließlich sind alle Kreuze an den für ein Kind optimalen Stellen.
Linus hat sich laut der Klinikpsychologin schnell und problemlos eingelebt. Er füge sich gut in den Klinikalltag ein und zeige sich in den Therapiesitzungen kooperativ. Ich schlucke mühsam die Tränen weg, wenn ich abends in sein leeres Bett sehe. Manchmal gebe ich mir diese Mühe nicht.
Die Lücke zwischen meinem Bett und dem Schlafzimmerfenster ist mit zerknüllten Taschentüchern bedeckt. Jeden Abend schmiere ich eine dicke Schicht Creme auf die wunden Stellen an Nase und Oberlippe. Die ständig geröteten Augen begründe ich gegenüber Freunden und Kollegen mit einer schweren, aber nicht ansteckenden Bindehautentzündung. Nein, ein Heuschnupfen wird es zu dieser Zeit wohl nicht sein. Im Augenwinkel merke ich, wie Christian mich beobachtet. Ständig fragt er, was er machen solle, damit es mir besser geht. Ich kann es ihm nicht sagen. Vielleicht bräuchte ich Hilfe. Ich? Ich komm schon zurecht. Linus braucht jetzt dringender Hilfe. Christian nimmt mich in den Arm. Aber es verbessert nichts.

Nach zehn Wochen wird Linus, mit guten Prognosen, aus der Klinik entlassen. Letzte Nacht hat es geschneit. Dick eingepackt stapfen wir über das Klinikgelände. Linus versucht, seine Schrittlänge an meine anzupassen, um seinen Schuhabdruck im Schnee direkt neben meinen zu setzten.
Inzwischen ist auch sein Wechsel an eine kleinere Schule mit Autismus-geschultem Personal geregelt. An seinen ersten Tagen in der neuen Schule liegt mein Telefon neben der PC-Tastatur. Jeder abgearbeiteten Mail folgt der Blick auf das Handydisplay.
Wenn er nachmittags nach Hause kommt, wirkt er ruhiger und wird mit jedem Tag selbstsicherer und entspannter. Auch die Rückmeldungen aus der Schule sind positiv.

Abends im Bad schneide ich mir neben ihm meine absplitternden Nägel so kurz, dass es fast weh tut. Draußen ist es stockdunkel. Doch die Tage werden schon wieder länger. Linus fingert fasziniert an der übervollen Haarbürste rum.
Vielleicht lass ich mir einen Stufenschnitt machen, damit niemand merkt, wie dünn mein Haar geworden ist.
„Krass. Aus den Haaren in deiner Bürste könnte man einen ganzen Pullover stricken!“
„Igitt. Wer will denn so was tragen?“
Er kichert und fängt an, sich die Zähne zu putzen. Seine Augen blicken unruhig im Bad umher, wie immer, wenn er über etwas nachgrübelt. Nachdem er ins Waschbecken ausgespuckt hat, wischt er sich mit dem Ärmel den Mund ab.
„Mama. Ich weiß jetzt, wie man das macht, wenn man die anderen Kinder noch nicht kennt, aber mitspielen will.“
„Was meinst du?“
„Na, man läuft immer neben den Kindern her. Und wenn sie springen, springt man auch und spielt neben denen. Und dann fragen sie, ob man mitspielen will.“
„Und? Hat es geklappt?“
„Ja.“
Lächelnd drücke ich ihm einen Kuss auf den Scheitel. „Nacht, Großer. Bin stolz auf dich!“
Er stellt die Zahnbürste zurück in das Glas und schlurft in sein Zimmer. Ich schaue ihm nach, stehe einen Moment einfach nur da. Ich glaube, ab jetzt kann es für Linus funktionieren. Dann schließe ich die Badezimmertür, zupfe meine Haarbürste aus und sehe dem Haarknäuel nach, wie es unter der Toilettenspülung verschwindet.

 

Hallo wegen,


ich finde das ein sehr gutes Thema, dem du dich auch prima angenähert hast. Diese Ohnmacht der Erziehungsberechtigten, der Pädagogen (allgemeinbildender Schulen), das Unverständnis der Menschen im Umfeld. Das hast du alles mit drin, ja.

Du legst den Schwerpunkt der Probleme - neben den häuslichen - auf die schulische Ausbildung. Verständlich, denn die Sorgen der Mutter, der Psychologen, Psychiater sind berechtigt, geschuldet der gesellschaftlichen Erwartungshaltung, der Sorge um ein sich erfüllendes Leben in kapitalistischen Hochbildungsländern wie dem unseren. Deswegen wirbt man auch mit Inklusion an den Schulen, was allerdings meist nur plakativ erscheint. Es gibt positive Beispiele, klar, Schulbegleitung und so, in den meisten Fällen läuft es aber leider doch eher klassisch ab, ohne Lehrkräften den Schwarzen Peter zuschieben zu wollen. Schulverweis hochbegabter Kinder, weil es an der Umsetzung hapert, weil es an Personal mangelt, weil sich andere Eltern ereifern, ihr "gesundes" Kind werde durch die Störungen nicht ausreichend gefördert, Schuld trügen eh die Eltern dieser verhaltensauffälligen Kinder. Das führt dann immer wieder bis hin zu Sonderschulen, die so ja nicht mehr heißen. Schlimm wird es dann, wenn das Elternhaus nicht stimmt. Die Karrieren, die sich abzeichnen, verlaufen leider oft genug tragisch, bis hin zur kriminellen Entwicklung. Das gilt übrigens nicht nur für Autismus, sondern auch für andere sog. Störungen wie AD(H)S bsp.

Dein Ende macht Hoffnung, für Linus und seine Mutter, finde ich an sich auch gut, dass du diese schenkst, könntest dir trotzdem überlegen, ob du das nicht ein wenig offen lassen wolltest - so als Momentaufnahme: läuft gerade gut, aber wer weiß, was passieren wird.

Du könntest dir auch überlegen, ob du die Ohnmacht der Mutter nicht weiter verstärken könntest - durch ein zwei Szenen (Erziehungsproblemen) mehr.
Ich bin mir auch noch nicht sicher, ob du die klare Diagnose brauchst, ohne hättest du mehr Projektionsfläche, aber gut, störend ist es nicht.
Was mir ein wenig fehlt, ist die Rolle des Vaters. Wo ist der? Tot? hat er es nicht ausgehalten?
Ich fände in dem Zusammenhang eine Scheidung sehr treffend, denn viele Ehen scheitern ja, aufgrund psychisch auffälliger Kinder bzw. der Unfähigkeit mit ihnen klar zu kommen bzw. daran, dass eben diese Kinder zum Zentrum der Beziehung werden, sich das Paar aus den Augen verliert, sich daran aufreibt, dass unterschiedliche Auffassung - wie es nun weiter gehen soll - zum Bruch führen.
Kannst ja mal darüber nachdenken, ob du in dieser Richtung etwas nachlegen möchtest. Gerade hinsichtlich des Vaters fände ich es angebracht - zwei, drei Sätze würden wohl schon ausreichen.

Sprachlich hat mir dein Text gefallen, unaufgeregt, passend zum Sujet.
Ich steige wohl noch tiefer in deinen Text, aber zu einem anderen Zeitpunkt.

Nur eines noch:

Die Schweißtropfen auf seiner Stirn glitzern in der Oktobersonne. Linus schimpft vor sich hin, tritt immer wieder gegen einen der Parkmülleimer, was eine Frau im Vorbeigehen beobachtet und zum Schmunzeln bringt. „Finden Sie das witzig?“, blaffe ich sie an. Sie schüttelt erschrocken den Kopf, bevor sie weitergeht und hinter der nächsten Ecke verschwindet. Ist mir doch scheißegal, ob sie mich für unverschämt und meine Ansage für überzogen hält. Sie denkt sowieso, ich wäre unfähig[K] mein Kind zu erziehen.
Ich fände es (gerade in unserer Gesellschaft) wahrscheinlicher, wenn die Frau nicht schmunzeln, sondern den Kopf schütteln würde, um ihre Missbilligung zu demonstrieren.
Und was die Innanansicht deiner Prota anbelangt: Ich würde den Schwerpunkt auf die Erziehungssicht legen, also das "Unverschämte" und "Überzogene" rauswerfen.
Vorschlag:
Die Schweißtropfen auf seiner Stirn glitzern in der Oktobersonne. Linus schimpft vor sich hin, tritt immer wieder gegen einen der Parkmülleimer, was eine Frau im Vorbeigehen beobachtet. Sie presst die Lippen aufeinander und schüttelt energisch den Kopf.
„Ist irgendwas?“, blaffe ich sie an. Sie geht einfach weiter, ignoriert mich und verschwindet hinter der nächsten Ecke. Soll sie halt denken, ich wäre unfähig, mein Kind zu erziehen.


So viel mal (vorerst) von mir.


Vielen Dank fürs Hochladen


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Sobald ich an Besuchertagen die große Eingangshalle der Klinik betrete, bekomme ich stechende Kopfschmerzen. Die Frau am Empfangstresen mustert mich. Ich spüre, dass sie mich alle hier mit prüfendem Blick beobachten. In den Gesprächen mit der Klinikpsychologin fühle ich mich zwiegespalten, zwischen Hilfe dankbar annehmen und bockiger Verteidigungshaltung. Ich bin eine gute Mutter! Wem will, und muss, ich das eigentlich beweisen? Die auszufüllenden Formulare nehmen kein Ende. Wirklich alles, scheint von Bedeutung zu sein. War das Kind geplant und verlief die Schwangerschaft problemlos? Welche Bezugspersonen gibt es? Seit wann ist das Kind nachts trocken? Bitte kreuzen Sie zutreffendes an. In meinem Kopf schwirrt alles. Was ist schiefgelaufen? Ich habe keinen Grund, mich bloßgestellt zu fühlen. Schließlich sind alle Kreuze an den, für ein Kind optimalen Stellen.
Linus hat sich laut der Klinikpsychologin schnell und problemlos eingelebt. Er füge sich gut in den Klinkalltag ein und zeige sich in den Therapiesitzungen kooperativ. Ich schlucke mühsam die Tränen weg, wenn ich abends in sein leeres Bett sehe. Manchmal gebe ich mir diese Mühe nicht.
Die Lücke zwischen meinem Bett und dem Schlafzimmerfenster ist mit zerknüllten Taschentüchern bedeckt. Jeden Abend schmiere ich eine dicke Schicht Penaten Creme auf die wunden Stellen an Nase und Oberlippe. Die ständig geröteten Augen begründe ich, gegenüber Freunden und Kollegen, mit einer schweren, aber nicht ansteckenden Bindehautentzündung.

Hallo wegen,

auch ich finde deine Geschichte sehr lesenswert und sprachlich gut ausgeführt.

Allein mit der obigen Stelle habe ich nach dem ersten Lesen ein paar Probleme. Deine Protagonistin erscheint mir in ihrer Art, wie sie mit dem Ablauf, dem Ausfüllen der Papiere und dem Warten auf die Entlassung des Kindes umgeht, recht widersprüchlich. Wenn alle Kreuze an der richtigen Stelle sind, warum stellt sie sich die Frage, ob etwas schiefgelaufen ist? Warum weint sie, wenn sie doch weiß, dass Linus sich schnell und problemlos in der Klinik eingelebt hat und die Therapie Erfolg zeitig?

Diese Wahrnehmungen und das Verhalten deiner Protagonistin (in diesem Teilstück deines Textes) kann ich nicht ohne Weiteres einordnen. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit dieses trotzige

Ich bin eine gute Mutter!

eine Abwehr echter Wahrnehmung ist oder nur eine Reaktion auf Eingebildetes. Besonders hier:

Die Frau am Empfangstresen mustert mich. Ich spüre, dass sie mich alle hier mit prüfendem Blick beobachten.

ist mir nicht klar, ob sie sich etwas einbildet oder ob die Umwelt wirklich so reagiert? Das finde ich für meine Bewertung dessen, was du erzählen möchtest, und auch deiner Protagonistin, schon wichtig.

Das nur als erste Rückmeldung. Eine sehr gut geschriebene Geschichte, in der das Thema kompetent (so kommt es mir zumindest vor) und eindringlich beleuchtet wird.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo hell,

danke für deine Gedanken zur Thematik und die Verbesserungsvorschläge.

Tatsächlich soll die missglückte Inklusion von Linus nur einen Strang der Handlung ausmachen, die psychische Belastung der Mutter den Anderen. Stichwort Belastungsinventar/ Therapiebedarf der Angehörigen. Weswegen die mittelfristige Zukunft für Linus Mutter weniger rosig, als für Linus aussehen sollte. Vielleicht muss ich das noch stärker aufzeigen. (?)

Ich bin mir auch noch nicht sicher, ob du die klare Diagnose brauchst, ohne hättest du mehr Projektionsfläche, aber gut, störend ist es nicht.
Ich hatte es erst ziemlich weit vorn im Text und habe es nur in Bezug auf die Spezialschule, etwas weiter hinten, eingefügt.

Was mir ein wenig fehlt, ist die Rolle des Vaters. Wo ist der? Tot? hat er es nicht ausgehalten?
Ich fände in dem Zusammenhang eine Scheidung sehr treffend,
Ich verstehe, was du meinst. Das der Vater im Hintergrund bleibt, ist Absicht. Eine Scheidung fand ich hier zu plakativ. Der Vater ist für die physische Belastung der Mutter nicht unbedingt verantwortlich. Auch wenn er sich rührend um beide kümmert und seine Familie unterstützt, kann sie sich in dieser heftigen Situation und ihrer Mutterrolle verloren und einsam fühlen. Die Passage:
Ich habe keinen Grund, mich bloßgestellt zu fühlen. Schließlich sind alle Kreuze an den, für ein Kind optimalen Stellen.
Sollte das ein bisschen verdeutlichen.

Ich fände es (gerade in unserer Gesellschaft) wahrscheinlicher, wenn die Frau nicht schmunzeln, sondern den Kopf schütteln würde, um ihre Missbilligung zu demonstrieren.
Das Schmunzeln stört mich auch noch. Ich passe es mit Hilfe deines Vorschlags an.

Lieben Dank für deine Hilfe!
Viele Grüße
wegen

Hallo barnhelm,

auch dir herzlichen Dank für deine Eindrücke!

Wenn alle Kreuze an der richtigen Stelle sind, warum stellt sie sich die Frage, ob etwas schiefgelaufen ist?
Das sollte aufzeigen, das eine Verhaltensauffälligkeit eben auch in einem gut aufgestelltem Umfeld auftreten kann, trotz aller positiven Einflüsse.

Diese Wahrnehmungen und das Verhalten deiner Protagonistin (in diesem Teilstück deines Textes) kann ich nicht ohne Weiteres einordnen.
Schau mal oben bei hell, Stichwort Belastungsinventar/ Therapiebedarf der Angehörigen. Sie soll schon ein bisschen drüber sein.

Die Frau am Empfangstresen mustert mich. Ich spüre, dass sie mich alle hier mit prüfendem Blick beobachten.
ist mir nicht klar, ob sie sich etwas einbildet oder ob die Umwelt wirklich so reagiert? Das finde ich für meine Bewertung dessen, was du erzählen möchtest, und auch deiner Protagonistin, schon wichtig.
Ich dachte, dass sie sich das einbildet, ist hier klar. :hmm:

Lieben Dank und viele Grüße
wegen

 

Nur kurz:


Tatsächlich soll die missglückte Inklusion von Linus nur einen Strang der Handlung ausmachen, die psychische Belastung der Mutter den Anderen. Stichwort Belastungsinventar/ Therapiebedarf der Angehörigen. Weswegen die mittelfristige Zukunft für Linus Mutter weniger rosig, als für Linus aussehen sollte. Vielleicht muss ich das noch stärker aufzeigen. (?)
Ich finde schon, ja. Ich sehe hier noch keine Dysfunktion bei der Mutter, noch (zu) wenig an gestörtem Mutter-Kind-Verhältnis, auch wenn das sicher (immer) drohen mag, in solch Situationen. Aber eben auch nicht muss, gerade dann, wenn Entlastung eintreten sollte - bsp. hinsichtlich funktionierendem Schülerverhaltens = weniger Stress für die Mutter.


Gruß


hell

 

Hallo hell,
o.k. danke dir. Ich schaue mir das im Text an.

Zu deinem Vater-Kommentar und meiner ERklärung habe ich mir noch einmal Gedanken gemacht. Vlt. baue ich seine (nutzlose[das klingt ganz schön hart :(]) Rolle noch explizit ein.

Viele Grüße
wegen

 

Hallo wegen,

ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen. Besonders gut fand ich den Einstieg - ich habe erst gedacht, ja ja, es geht mal wieder um eine Frau, die nicht von ihrem gewalttätigen Typen loskommt - aber als ich dann geschnallt habe, dass es sich um einen kleinen Jungen handelt, war ich richtig betroffen. Und mitten drin in deiner Story.
Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten anzumerken:

Andere Menschen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat.
Menschen laufen nicht ab. (Es sei denn, du willst das bewusst so sagen.)

Jetzt wird eine weitere, negative Erfahrung in seinem kleinen Köpfchen abgespeichert.
Den Satz finde ich nicht so gut, der ist so erklärend. Vielleicht fällt dir da noch eine geschmeidigere Formulierung ein.

Er sieht zum Knutschen aus, wie er verschlafen, in seinem Pyjama mit den vielen Krokodilen, neben mir steht. Die kurzen Haare stehen in alle Richtungen ab, seine Hose schlackert ihm um die dünnen Beine.
Schön beschrieben - ich könnte den auch gleich knutschen! :herz:

Nach zehn Wochen wird Linus, mit guten Prognosen, aus der Klinik entlassen. Letzte Nacht hat es geschneit. Dick eingemurmelt stapfen wir über das Klinikgelände. Linus versucht, seine Schrittlänge an meine anzupassen, um seinen Schuhabdruck im Schnee direkt neben meinem zu setzten. Inzwischen ist auch sein Wechsel an eine kleinere Schule mit Autismus-geschultem Personal geregelt. An seinen ersten Tagen in der neuen Schule, liegt mein Telefon neben der PC-Tastatur. Jeder abgearbeiteten Mail, folgt der Blick auf das Handydisplay.
Wenn er nachmittags nach Hause kommt, wirkt er ruhiger und wird mit jedem Tag selbstsicherer und entspannter. Auch die Rückmeldungen aus der Schule sind positiv.
Denn Absatz finde ich nicht ganz so gelungen - den Tag des Abholens und das, was danach geschieht, könntest du vielleicht durch Absätze besser voneinander trennen.
Übrigens: eingemummelt (ohne Murmeln)

Wenn er nachmittags nach Hause kommt, wirkt er ruhiger und wird mit jedem Tag selbstsicherer und entspannter. Auch die Rückmeldungen aus der Schule sind positiv.
Ich finde gut, dass die Geschichte hoffnungsvoll endet, aber irgendwie finde ich das hier zu friedefreudeeirkuchenhaft - vielleicht kann man das ja doch etwas offener lassen.

Ich glaube, ab jetzt wird es für Linus funktionieren.
Vielleicht besser "ab jetzt kann es für Linus funktionieren"?

Die ollen Haare, die im Klo verschwinden, finde ich auch einen sehr gelungenen Schluss.

Viele Grüße
Raindog

 

Hallo Raindog,
dass dir die Geschichte gefallen hat, freut mich sehr.:)

Andere Menschen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat.
Menschen laufen nicht ab. (Es sei denn, du willst das bewusst so sagen.)
Hast Recht. Ändere ich in ... Die Reaktionen der Anderen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat.

Denn Absatz finde ich nicht ganz so gelungen - den Tag des Abholens und das, was danach geschieht, könntest du vielleicht durch Absätze besser voneinander trennen.
Ja, finde ich auch schöner.

Übrigens: eingemummelt (ohne Murmeln)
:lol: Habe es durch eingepackt ersetzt.

Ich finde gut, dass die Geschichte hoffnungsvoll endet, aber irgendwie finde ich das hier zu friedefreudeeirkuchenhaft - vielleicht kann man das ja doch etwas offener lassen.
Ich hatte versucht, neben der missglückten Inklusion von Linus, die psychische Belastung der Mutter darzustellen. Stichwort Belastungsinventar/ Therapiebedarf der Angehörigen. Weswegen es für die Mutter nicht so friedefreudeeirkuchenhaft ausgeht.
Ich werde das nochmal verstärken und auch den Vater in die Handlung einbringen (siehe Kommentar von/für hell).

Vielleicht besser "ab jetzt kann es für Linus funktionieren"?
Klingt viel besser. :)

Die ollen Haare, die im Klo verschwinden, finde ich auch einen sehr gelungenen Schluss.
Erst sollte sie die Tür schließen... damit Linus das Würgen nicht hört. Oder sie zerschmettert etwas.
Aber das wäre wohl zu viel Effekthascherei im Schlusssatz. :Pfeif:

Lieben Dank für deine Hilfe.
Viele Grüße
wegen

 

Gude wegen,

danke zunächst für's hochladen. Du hast ein spannendes Thema gewählt und dich dem interessant genähert. Im Zentrum steht neben dem Autismus das soziale Stigma - sowohl für das Kind als auch für die Erziehenden (oder hier sogar nur die Erziehende).
Du bleibst konsequent, das finde ich gut. Als Linus weg ist, weint die Mutter quasi zehn Wochen durch, statt sich an den Zustand zu "gewöhnen". Das wirkt sehr intensiv auf mich.
Und solche Details, wie hier:

Auch wenn ich abends völlig übermüdet in mein Bett falle, hasse ich das schnelle Einschlafen, weil der nächste Tag viel zu schnell kommt.
lassen die Geschichte nah und wirklich werden.

Durch den starken Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Mutter wirkt es insgesamt auf mich eher, als hätte sie ein Tagebuch geschrieben anstatt eine gerade passierende, auf Spannung basierende Aktion zu lesen. Das ist jetzt vielleicht auch ein sehr persönlicher Eindruck, den ich habe. Ich finde es auch nicht schlecht sondern angemessen, ich dachte aber nur, ich sage mal alles, was mir einfällt :shy:

Das Ende gefällt mir dahingehend, dass es Hoffnung und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigt. Allerdings vernachlässigt es meiner Ansicht nach die zweite Seite der Medaille. Zu einem Konflikt gehören immer zwei, Linus hat nun an sich gearbeitet. Aber was ist mit der Welt? Die soziale Verurteilung der Mutter wird nicht sofort enden und irgendwann wird auch der Junge abseits von geschultem Personal sein.
Ich will hier auf keinen Fall sagen, dass Linus ein hoffnungsloser Problemfall ist und für immer bleiben wird, aber das auch die Welt um ihn herum etwas lernen und an sich arbeiten muss. Rücksichtnahme und Verständnis sind da wichtige Schlagworte.
... ähm, gut, bevor das jetzt zu einer Moralpredigt an die Gesellschaft gerät, versuche ich mal den Bogen zu konkreten Vorschlägen zu kriegen:
Ich würde dir vorschlagen wollen, dass du am Ende durchaus Bedenken der Mutter mitaufnimmst, dass nicht nur Linus ein "Problem" hat, sondern auch die Menschen um ihn und um sie herum - und die sind nach zehn Wochen Klinik nicht verschwunden.
Das ist jetzt etwas unverschämt, weil ich dir nicht sagen sollte, was du zu schreiben hast. Aber ich glaube, du hast das bereits selbst in deinem Text angelegt, da du das soziale Stigma mitaufgenommen hast. Also wäre mein Vorschlag vielleicht als konsequentes Ende dieses Gedankengangs zu sehen.


Hoffentlich war dieser super verschwurbelte Kommentar dir irgendwie hilfreich!


Schönen Abend,
Vulkangestein

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Vulkangestein,
danke für deinen Kommentar!

*...wirkt es insgesamt auf mich eher, als hätte sie ein Tagebuch geschrieben anstatt eine gerade passierende, auf Spannung basierende Aktion zu lesen
Gut, dass dir das aufgefallen ist. :) Die manchmal etwas Protokoll-artige Erzählweise soll die (schützende) Distanziertheit der Mutter widerspiegeln. Poetisch fließende Texte finde ich in dem Kontext unpassend.

Ich finde, du gehst mit der Gesellschaft zu hart ins Gericht.
Manchmal ist ein bockendes Kind eben einfach genau das und es wäre fatal, wenn ein Wildfremder gleich eine Diagnose parat hat. Obwohl sich mancher, auch ohne Fachausbildung, das Recht heraus nimmt, seinen Senf dazuzugeben.
Ich (ohne fachbezogenem Studium/Ausbildung :) ) würde mir das nicht anmaßen, nur weil ich ein paar Artikel darüber gelesen habe.
Das Schwierige an nicht ganz so offensichtlichen Behinderungen, ist leider die Unwissenheit der Anderen und die daraus resultierenden Missverständnisse. :(
Außerdem, fehlt es an geschulten Kräften in den Schulen, um Inklusion tatsächlich umzusetzen.

Viele Grüße
wegen

 

Gude wegen,

Ich finde, du gehst mit der Gesellschaft zu hart ins Gericht. Der Otto-Normal-Bürger kennt wohl kaum die Verhaltensmuster eines ASS-Kindes oder den Unterschied zwischen frühkindlichem und hochfunktionalem Autismus(Asperger Syndrom) wie es Linus in dieser Geschichte hat.

Ja, das sollte jetzt eigentlich auch kein Rundumschlag werden. Es kann und soll ja auch nicht jeder Experte sein - nur auf der anderen Seite sollte man sich eben nicht zum Experten darin machen, sich über andere zu echauffieren. Das wäre dann die Toleranz, solche Situationen auszuhalten, ohne gleich zu verurteilen. Das fände ich doch wünschenswert :)


Liebe Grüße,
Vulkangestein

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe wegen,
ich habe deinen sehr interessanten Text jetzt noch einmal gelesen und möchte dir ein paar Gedanken zu ihm mitteilen:

wegen schrieb:
Tatsächlich soll die missglückte Inklusion von Linus nur einen Strang der Handlung ausmachen, die psychische Belastung der Mutter den Anderen. Stichwort Belastungsinventar/ Therapiebedarf der Angehörigen. Weswegen die mittelfristige Zukunft für Linus Mutter weniger rosig, als für Linus aussehen sollte.

Deine Geschichte hat einiges, was mich zum Nachdenken anregt. Das ist auf der einen Seite das Thema selbst, sei es nun Autismus oder ein anderes Krankheitsbild des Jungen, und auf der anderen Seite, wie sich allmählich der Fokus (der Geschichte, aber auch des Autors) vom Kind zur Mutter verschiebt und deutlich wird, dass auch sie sich auf ein psychisches Problem hinbewegt, das wahrscheinlich irgendwann behandlungsbedürftig sein wird. Diesen Zusammenhang würde ich auf jeden Fall noch stärker darstellen, vielleicht sogar zum Hauptthema machen. Denn dem Jungen wird ja geholfen, er ‚normalisiert’ sich ja in gewisser Weise, aber die Mutter hat ihre Blessuren davongetragen und wird mit ihnen ohne Hilfe möglicherweise nicht mehr alleine zurechtkommen. Das ist ein äußerst spannender Aspekt des Themas und eigentlich für eine Geschichte ausreichend. Eventuell solltest du deshalb die Beschreibung der Verhaltensweisen des Jungen etwas reduzieren, dich auf das unbedingt Nötige beschränken, um seine ‚Eigenarten’ anzudeuten. Stell stattdessen die Mutter in den Mittelpunkt, lass uns erleben, was die ‚Krankheit’ des Kindes und die damit verbundenen Umstände mit ihr machen. Das Verhalten der Umgebung würde ich konsequent aus der Wahrnehmung der Mutter beleuchten, wie du es ja auch schon jetzt tust.

Zum Sprachstil:

wegen schrieb:
Die manchmal etwas Protokoll-artige Erzählweise soll die (schützende) Distanziertheit der Mutter widerspiegeln.

Dem kann ich zustimmen. Allerdings würde ich, um die Entwicklung der Mutter noch klarer zu zeigen, noch stärker in sie eintauchen. Du skizzierst ja schon ansatzweise ihre übersensible bzw. verzerrte Wahrnehmung. Um deinem Text etwas mehr Spannung zu verleihen, dürfte sich für mein Gefühl dieser Aspekt im Fortlauf der Handlung durchaus steigern. Damit kämest du auch sprachlich weg von dem sehr Berichtenden deines jetzigen Textes hin zu einer echten Kurzgeschichte.

Noch einige Kleinigkeiten:

Zuerst einmal die Sache mit den Kommas. Bei dir sind es nicht zu wenige, sondern zu viele. Grundsätzlich trennen Kommas Haupt- und Nebensätze und Aufzählungen, manchmal auch erklärende Einschübe. Da ich mir die einzelnen Sätze markiert habe, liste ich sie hier mal auf. Im Prinzip handelt es sich aber immer um den gleichen Fehler:

Ich versuche, beruhigend auf ihn einzureden, halte seine Handgelenke(,) so fest wie nötig, ohne ihm weh zu tun.

Als es vor einigen Wochen(,) zu Hause verdächtig still war, erwischte ich ihn, wie er sämtliche Uhren und Wecker in deren Einzelteile zerlegte.

Er sieht zum Knutschen aus, wie er verschlafen(,) in seinem Pyjama mit den vielen Krokodilen(,) neben mir steht.

An guten Tagen wirkt Linus völlig normal, bis an einem, für Außenstehende unsichtbaren(,) Punkt, sein Reiz-Fass überläuft.

Ich hole ihn dann nach Hause(,) in seinen sicheren Hafen.

Nach dem Gespräch(,) renne ich zur Besuchertoilette, schaffe es gerade noch rechtzeitigK die Tür zu schließen und mich in Richtung Toilette zu drehen, bevor der erste Schwall aus mir herausbricht.

In den Gesprächen mit der Klinikpsychologin fühle ich mich zwiegespalten(,) zwischen Hilfe dankbar annehmen und bockiger Verteidigungshaltung.

Wem will(,) und muss(,) ich das eigentlich beweisen?
Schließlich sind alle Kreuze an den(,) für ein Kind optimalen Stellen.

Linus hat sich(,) laut der Klinikpsychologin(,) schnell und problemlos eingelebt.
Die ständig geröteten Augen begründe ich(,) gegenüber Freunden und Kollegen(,) mit einer schweren, aber nicht ansteckenden Bindehautentzündung.

Jeder abgearbeiteten Mail(,) folgt der Blick auf das Handydisplay.
Abends im Bad schneide ich mir neben ihm(,) meine absplitternden Nägel so kurz, dass …
Und noch ein paar andere Sachen:

O.K., jetzt heißt es abwarten, bis die Wut verraucht (ist) und Linus sich entspannt (hat).

Ich glaube, sie wartet, bis beides geschehen ist und er nicht mehr wütend oder verspannt ist.

um ihm die geschwitzten hellblonden Haare aus der Stirn zu streichen.
verschwitzten

Die Reaktionen der Anderen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat.
der anderen

Das ist ein Satz, den ich auf Anhieb nicht verstehe, weil ich nicht glaube, dass Linus einen genau definierten Plan aufgestellt hat. Hier scheint mir die Formulierung nicht ganz glücklich gewählt zu sein.

Wenn die Beiden weg sind,
die beiden

Ich mache mir Vorwürfe, ihn überfordert zu haben, weil ich den richtigen Zeitpunkt zum Gehen verpasst habe. Jetzt wird eine weitere, negative Erfahrung in seinem kleinen Köpfchen abgespeichert.
An dieser Stelle ist mir nicht klar, was du ausdrücken möchtest.
Um nicht vor Linus zu weinen, gehe ich ins Nebenzimmer, die Wäsche aufhängen, doch kann (ich) durch den verschwommenen Blick kaum die Wäscheklammern erkennen.

Wegen den zunehmenden Vorfällen(,) spricht seine Psychologin von einem Muster, das durchbrochen werden muss. Sie erklärt mir, dassK wenn Linus mit seiner Umgebung oder einer Situation nicht klarkommt(klarkomme), er ausbricht[ausbreche] und er darauf vertraut(vertraue), dass ich ihn abhole.
Ich glaube, hier solltest du durchgängig den Konjunktiv verwenden.

Beide Sätze finde ich recht hölzern formuliert.

Um diesem Verhaltensmuster entgegen zu wirken,
mMn: entgegenzuwirken

Die Hand an der Wand neben der Spültaste abgestürzt,
damit es dir in der Schule bessergeht.
besser geht

Wer will denn sowas tragen?“
so was

und sehe dem Haarknäul nach,
Haarknäuel

Das sind alles Kleinigkeiten in einem schon jetzt wirklich interessanten Text, bei dem es sich bestimmt lohnen wird, noch etwas Arbeit zu investieren und das eine oder andere anders zu gewichten.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wegen,

eine interessante Geschichte, die sich gut lesen läßt. Am Anfang dachte ich zunächst an zwei Erwachsene. Aber bei

halte seine Handgelenke, so fest wie nötig, ohne ihm weh zu tun.

klärte sich das. Etwas verwirrt hat mich, das er nach ihrem Gesicht schlägt. Ist er besonders groß, sie besonders klein oder auf den Knien? Schlagen Kinder nach dem Gesicht? Auf mich macht er den Eindruck eines Acht- bis Zehnjährigen.

Linus will mich verletzen

Hier würde ich sagen, das es eine emotionelle Reaktion ist und nichts bewusst Zielgerichtetes.

Ich stehe ein paar Schritte entfernt, dicht genug, um ihn wieder packen zu können, etwas zu weit weg, um ihm die geschwitzten hellblonden Haare aus der Stirn zu streichen

Ein schöner Satz, ob man das Wort „geschwitzten“ verwenden kann, weiß ich nicht. Für mich klingt es fremd.

Soll sie doch denken, ich wäre unfähig mein Kind zu erziehen.

Dabei war der Besuch im Technikmuseum genau sein Ding.


Hier ist ein etwas abrupter Übergang.

Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, möchte immer dem Bauplan folgen können

Mit „Bauplan folgen“ kann ich nicht wirklich etwas anfangen. Den Aufbau verstehen oder die Zusammenhänge, aber ein Bauplan ist eine Anleitung auf „Papier“. Empfinde ich wie: er möchte einer Anleitung folgen können.

Als es vor einigen Wochen(,) zu Hause verdächtig still war,

Er sieht zum Knutschen aus, wie er verschlafen, in seinem Pyjama mit den vielen Krokodilen, neben mir steht.

Auch ein toller Satz.

Unweigerlich frage ich mich, was denn mit seinem häuslichen Umfeld nicht in Ordnung ist

An diesem Punkt und da der Junge auch zu einer Psychologin geht, sollte doch eigentlich klar sein, das es sich um eine neurologische Störung handelt.
Ihr sollte klar sein, das das häusliche Umfeld dabei keine große Rolle spielt, sondern das es an Erfahrungsinhalten mangelt. Ich weiß nur, das man therapeutisch „gute“ Angewohnheiten durch Belohnung fördern will und neue Erfahrungen vermitteln möchte.
Vielleicht liegt mein Konflikt hier, das die Mutter glaubt, ihr Junge wäre nur reizbar, auf der anderen Seite wird aber gesagt „wenn er eine offensichtliche Behinderung hätte.“ Ihr ist also doch klar, das es sich um eine Verarbeitungsstörung handelt.

Die Geschichte gefällt mir, weil sie angenehm geschrieben ist. Erst etwas über den Jungen, dann Probleme in der Schule, eine Psychologin, die Therapie und eine gesundheitlich Verbesserung. Der Aufbau ist logisch. Das Empfinden der Mutter wird gut dargestellt. Trotzdem fehlt irgendetwas, das mich richtig berührt. Ich muss das noch ein- oder zweimal lesen, um drauf zu kommen. Ich habe mal gelesen, das Autisten sich auch schon mal Listen machen, was du vielleicht auch unter dem Plan verstehst. Bei einem stand: Arbeit 12 - 16 Uhr. In dieser Zeit wollte er keine Privatgespräche, weil ja gearbeitet wird. Das hat mich berührt. Die Defizite des Jungen beschränken sich hauptsächlich auf Überreaktionen und die Konzentration auf ein Interessensgebiet, was angerissen wird. Man könnte seinem Verhalten mehr Raum geben.

Liebe Grüße

Rainer Hohn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Vulkangestein,

die Toleranz, solche Situationen auszuhalten, ohne gleich zu verurteilen. Das fände ich doch wünschenswert
Da gebe ich dir natürlich Recht. :)

Das unmittelbare Umfeld ist ja meist eingeweiht, im besten Fall geschult, im allerbesten Fall verständnisvoll.
Was den Rest der Welt angeht, können die Eltern nicht jedem der schief guckt (oder jedem von dem sie meinen er würde schief gucken) das Krankheitsbild erklären. Wenn sie das eingesehen haben und ihre Rolle gefestigt ist, denke ich, dass sie da drüberstehen. -> Linus Mutter ist noch nicht an diesem Punkt.

Lieben Dank und viele Grüße
wegen


Hallo barnhelm,
vielen Dank, dass du dich nochmal mit dem Text auseinandergesetzt hast. Schön, dass du das Thema auch so interessant findest.:)

Wenn du magst, schau/hör dir diesen wundervollen Blog und Podcast über einen besonderen Jungen und dessen Vater an.
http://www.wochenendrebell.de/


Mit Hilfe deiner Gedanken und Ideen zu der Geschichte, habe ich versucht die psychischen Probleme und die ansteigende verzehrte Wahrnehmung der Mutter einzuarbeiten.

Zuerst einmal die Sache mit den Kommas. Bei dir sind es nicht zu wenige, sondern zu viele.
Ohje, comma overload! :hmm:
Habe ich, wie auch die anderen Fehler, berichtigt.


Die Reaktionen der Anderen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat.
Das ist ein Satz, den ich auf Anhieb nicht verstehe, weil ich nicht glaube, dass Linus einen genau definierten Plan aufgestellt hat. Hier scheint mir die Formulierung nicht ganz glücklich gewählt zu sein.
Asperger haben immer einen Plan :shy:, von dem sie schwer abweichen können. Das ist oft das Problem.

Ich mache mir Vorwürfe, ihn überfordert zu haben, weil ich den richtigen Zeitpunkt zum Gehen verpasst habe. Jetzt wird eine weitere, negative Erfahrung in seinem kleinen Köpfchen abgespeichert.
An dieser Stelle ist mir nicht klar, was du ausdrücken möchtest.
Sein Muster auszubrechen, manifestiert sich mit jeder Negativerfahrung.

Wegen den zunehmenden Vorfällen(,) spricht seine Psychologin von einem Muster, das durchbrochen werden muss. Sie erklärt mir, dassK wenn Linus mit seiner Umgebung oder einer Situation nicht klarkommt(klarkomme), er ausbricht[ausbreche] und er darauf vertraut(vertraue), dass ich ihn abhole.
Beide Sätze finde ich recht hölzern formuliert.
Das sind nicht Worte der Mutter, sondern die der Psychologin.


Ich danke dir für deine Hilfe und dein Lob!
Viele Grüße
Wegen


Hallo Rainer Hohn,
dass du die Geschichte gern gelesen hast, freut mich sehr. :D


Etwas verwirrt hat mich, das er nach ihrem Gesicht schlägt. Ist er besonders groß, sie besonders klein oder auf den Knien? Schlagen Kinder nach dem Gesicht? Auf mich macht er den Eindruck eines Acht- bis Zehnjährigen.
Also ein Achtjähriger ist ungefähr 130cm, seine durchschnittlich große Mutter vielleicht 165cm? Das macht einen Größenunterschied von 35cm, den er mit seinem ausgestrecktem Arm überwinden kann. ;)


Ein schöner Satz, ob man das Wort „geschwitzten“ verwenden kann, weiß ich nicht. Für mich klingt es fremd.
Habe es in verschwitzten geändert.

Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, möchte immer dem Bauplan folgen können
Mit „Bauplan folgen“ kann ich nicht wirklich etwas anfangen. Den Aufbau verstehen oder die Zusammenhänge, aber ein Bauplan ist eine Anleitung auf „Papier“. Empfinde ich wie: er möchte einer Anleitung folgen können.
Ich empfinde das nicht als unrichtig. Magst du nochmal konkretisieren, was dich stört?

Trotzdem fehlt irgendetwas, das mich richtig berührt.
Du eiskalter Hund, du!:sealed:

Die Defizite des Jungen beschränken sich hauptsächlich auf Überreaktionen und die Konzentration auf ein Interessensgebiet, was angerissen wird. Man könnte seinem Verhalten mehr Raum geben.
Hier liegt der eigentliche Fokus auf der Belastung der Mutter, weshalb Linus Eigenheiten nicht mehr Gewichtung bekommen werden.
„Damit es funktioniert“ beschreibt ihre Erwartungshaltung.
Wenn die Geschichte hier „rund“ ist, würde ich eventuell mal versuchen, die gleichen Situationen aus Linus Sicht zu (be-)schreiben, à la „Du funktionierst für mich“. :shy: Für eine glaubhafte Darstellung der Denkweise eines Asperger Autisten brauchts aber eine Menge Recherchearbeit.


An diesem Punkt und da der Junge auch zu einer Psychologin geht, sollte doch eigentlich klar sein, das es sich um eine neurologische Störung handelt.
Ihr sollte klar sein, das das häusliche Umfeld dabei keine große Rolle spielt, sondern das es an Erfahrungsinhalten mangelt. Ich weiß nur, das man therapeutisch „gute“ Angewohnheiten durch Belohnung fördern will und neue Erfahrungen vermitteln möchte.
Vielleicht liegt mein Konflikt hier, das die Mutter glaubt, ihr Junge wäre nur reizbar, auf der anderen Seite wird aber gesagt „wenn er eine offensichtliche Behinderung hätte.“ Ihr ist also doch klar, das es sich um eine Verarbeitungsstörung handelt.
Die Eltern und auch das autistische Kind selbst, schließen nicht mit Erhaltung der Diagnose ab, sondern müssen damit arbeiten und damit umzugehen lernen. Eltern und generell das Umfeld sorgen für das richtige Setting. Das Kind muss sich selbst regulieren und erlernt Stück für Stück die gesellschaftlichen Regeln und erlangt dadurch eine Sozialkompetenz, die es immer sicherer mit anderen, auch in unbekannten Strukturen, werden lässt. Und nur weil eine Diagnose steht heißt es für mein Verständnis nicht, dass es keine Kämpfe oder Rückschläge mehr gibt.

Lieben Dank für deine Leseeindrücke und deine Korrekturen!
Viele Grüße
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wegen,

ich lese gerade die verbesserte Fassung und sie gefällt mir besser.

Etwas verwirrt hat mich, das er nach ihrem Gesicht schlägt

Die Sache mit der Größe ist überzeugend. Ich habe halt nur nicht die Vorstellung, das Kinder in diesem Alter bewusst nach dem Gesicht schlagen.

Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, möchte immer dem Bauplan folgen können

Ich finde den Begriff „Bauplan folgen“ etwas schwammig. Wenn ich etwas zusammensetze, folge ich einem Bauplan, der dann vielleicht vor mir liegt. Vielleicht ist es das Wort „folgen“, denn er möchte den Bauplan wohl eher erkennen. Den Zusammenhängen kann er folgen.

Trotzdem fehlt irgendetwas, das mich richtig berührt. --
Hier liegt der eigentliche Fokus auf der Belastung der Mutter

Das wird auch recht gut dargestellt, es kommt aber für mich ein wenig trocken herrüber, ein wenig wie ein Bericht. An dieser neuen Stelle kommt es besser rüber

Ich sehe, dass Linus sie wahrnimmt, deutlich weniger und leiser gegen den Abfallbehälter tritt. Das ist gut. Er lässt sich schon ablenken. Wenn die beiden weg sind, werde ich versuchen, mit ihm zu reden und ihn in den Arm zu nehmen. Der Park ist bei dem schönen Wetter gut besucht. Betont entspannt sitze ich auf der Bank neben Linus, schaue in mein Buch und blättere ab und zu eine Seite um, ohne ein Wort gelesen zu haben, nur um die Blicke der Leute nicht zu sehen.

Der letzte Satz berührt mich. Hier gibt es aber einen kleinen Sprung. Erst ist Linus aufgedreht, dann sitzt er scheinbar eine Weile neben ihr, sie hat ja ein Buch herausgezogen.
Hier musste für die Bank ein Park her, den man vorher besser einbauen könnte:

„Noch 500 Meter vom Park bis zur U-Bahn“

„Ich ziehe Linus zu einer Parkbank ...“

Unweigerlich frage ich mich, was denn mit seinem häuslichen Umfeld nicht in Ordnung ist

Hier ging es mir nur darum, das es so aussieht, als würde alles vom „Setting“ abhängen. Ihr sollte klar sein, das dies allein nicht reicht. Das Wort „Setting“ gefällt mir auch nicht. Klingt nach Literaturbegriff für mich.

Ich werde die Geschichte demnächst noch mal in Ruhe lesen. Das Relikt habe ich zusammengestrichen und neu aufgebaut. Ist kurz geworden, aber nun siehts nach einer Geschichte aus.

Liebe Grüße

Rainer Hohn

 

Dabei war der Besuch im Technikmuseum genau sein Ding. Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, möchte immer dem Bauplan folgen können. Als es vor einigen Wochen zu Hause verdächtig still war, erwischte ich ihn, wie er sämtliche Uhren und Wecker in deren Einzelteile zerlegte.
[...]
So, wie er dort stand, mit roten Wangen und leuchtenden Augen, konnte ich ihm nicht böse sein. Bis auf die im Wohnzimmer, bekamen wir gemeinsam alle Uhren wieder zum Laufen. Die Reaktionen der anderen und das Leben selbst laufen meistens nicht so ab, wie Linus es in seinem Plan definiert hat. Das war mir doch klar, als ich mit ihm in das brechend volle Museum ging. Und warum habe ich nicht auf die Zeichen geachtet?
[...]
Ich muss für uns beide tapfer sein, muss funktionieren, damit das hier funktioniert.

Das Verb "funktionieren" kommt eigentlich aus der Sprache der Technik und der Welt des Ingenieurs und meint an sich, dass etwas "intakt" sei im Zusammenspiel technischer Vorgänge. Mit zunehmender Rationalisierung gesellschaftlicher Vorgänge seit der industriellen Revolution wird das Bild der Maschine auf die Gesellschaft übertragen, dass umgangssprachlich "funktionieren" auf angepasstes Verhalten übertragen wird,

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts,

wegen,
begegnen wir uns doch das erste Mal.

Abweichendes Verhalten kann viele Ursachen haben und Du gibst einen - m. E. gelungenen - Einblick in die Sorgen und Nöte des Linus und seiner Mutter, aber auch, wie die praktischen Sozialwissenschaften zum Reparaturbetrieb wird, Sozialwissenschaften zum sozialen Ingenieurwesen (urprünglich durch Soziologen mit dem Begriff "social ingeneering" belegt, der heute missverständlich auf krimineller Erscheinungen des Internets angewandt wird). Mit den

verschwitzten hellblonden
Haaren erlaube ich mir, auf den Namen "Linus" kurz einzugehen, der als Sohn des Apoll von der griechischen Mythologie über den zwoten Papst, dem Nachfolger des Simon Petrus bis zu den Peanuts verbreitet ist, nd im "Linux" dem alternativen Betriebssystem seinen Namen verleiht und den "Jammernden/Klagenden/Trauernden" bedeutet, aber auch der Blonde ... wobei ich beim Letztgenannten gar nicht mehr weiß, wo ich das gelesen hab.

Paar Trivialitäten aus dem Schatzkästlein der deutschen Sprache

Gegen [v]ier Uhr könnten wir zu Hause sein.
(die Zahlenangeben bei Zeit - und somit auch alter - i. d. R. klein, selbst wenn das zugehörige Substantiv nicht mit aufgeführt wird)

Soll sie doch denken, ich wäre unfähig[,] mein Kind zu erziehen.
(Infinitivgruppe ist von einem Substantiv abhängig, darum das Komma)

Dann fragt er, ob sonst alles in Ordnung ist. Ich weiß, dass er Linus Ausbrüche meint.
Der erste Nebensatz sollte besser im Konjunktiv stehen ("in Ordnung sei"), beim zwoten kann, muss man aber nicht, obwohl z. B. ich der indirekten Rede allemal den Konj. I zugestehe.

Hier besser Konj.

Unweigerlich frage ich mich, was denn mit seinem häuslichen Umfeld nicht in Ordnung ist.
wie zuvor

Hier kann das Komma vorm Vergleich weg (anders wäre es, wenn die vergleichende Konjunktion einen vollständigen Satz einleitete)

Die Menschen sind geduldiger und verständnisvoller, wenn sie einen kleinen Jungen im Rollstuhl sehen[...] als einen ihrer Meinung nach nur verzogenen Bengel.

Hier
Das U-Bahnfahren im Stoßverkehr vermeiden wir[,] wenn möglich.
ist der Schluss ein nachgeschobener Zusatz, der von Satzzeichen umschlossen ist. Selbstverständlich kannstu auch einen Gedankenstrich statt des Kommas nehmen, was vielleicht sogar einiges eindringlicher wäre ...

Kleine Flüchtigkeit des ausreißenden Punktes ...

Nächsten Dienstag kommen Papa und ich dich besuchen“.

Linus hat sich laut der Klinikpsychologin schnell und problemlos eingelebt. Er füge sich gut in den Klinkalltag ein und zeige sich in den Therapiesitzungen kooperativ.

Ständig fragt er[,] was er machen soll, damit es mir besser geht.
(hier besser wie oben schon, Konjunktiv "solle" und

Abschließend noch ein bisschen ungewollter Komik

Linus fingert fasziniert an meiner vollen Haarbüste rum.

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rainer Hohn,

Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, möchte immer dem Bauplan folgen können
Ich finde den Begriff „Bauplan folgen“ etwas schwammig. Wenn ich etwas zusammensetze, folge ich einem Bauplan, der dann vielleicht vor mir liegt. Vielleicht ist es das Wort „folgen“, denn er möchte den Bauplan wohl eher erkennen. Den Zusammenhängen kann er folgen.
O.k., ich verstehe was du meinst. Ich habe es geändert:
Linus liebt es zu wissen, wie Sachen funktionieren, hinterfragt alle Konstruktionspunkte.

Ich sehe, dass Linus sie wahrnimmt, deutlich weniger und leiser gegen den Abfallbehälter tritt. Das ist gut. Er lässt sich schon ablenken. Wenn die beiden weg sind, werde ich versuchen, mit ihm zu reden und ihn in den Arm zu nehmen. Der Park ist bei dem schönen Wetter gut besucht. Betont entspannt sitze ich auf der Bank neben Linus, schaue in mein Buch und blättere ab und zu eine Seite um, ohne ein Wort gelesen zu haben, nur um die Blicke der Leute nicht zu sehen.
Der letzte Satz berührt mich. Hier gibt es aber einen kleinen Sprung. Erst ist Linus aufgedreht, dann sitzt er scheinbar eine Weile neben ihr, sie hat ja ein Buch herausgezogen.
Hier musste für die Bank ein Park her, den man vorher besser einbauen könnte:
„Noch 500 Meter vom Park bis zur U-Bahn“ „Ich ziehe Linus zu einer Parkbank ...“
Stimmt, da ist zu spät der Park erwähnt. Ich füge es früher ein.

Unweigerlich frage ich mich, was denn mit seinem häuslichen Umfeld nicht in Ordnung ist
Hier ging es mir nur darum, das es so aussieht, als würde alles vom „Setting“ abhängen. Ihr sollte klar sein, das dies allein nicht reicht. Das Wort „Setting“ gefällt mir auch nicht. Klingt nach Literaturbegriff für mich.
Moserst du etwa an englischen „typischen Begriffen“ rum? ;) Diese Äußerung kommt als Fach-(Literatur-)begriff von der Psychologin.


Lieben Dank für deinen Kommentar und deine Hilfe!
Viele Grüße
wegen


Friedrichard
Hallo Fiedel,

vielen Dank für dein herzliches Willkommen.

Das Verb "funktionieren" kommt eigentlich aus der Sprache der Technik und der Welt des Ingenieurs und meint an sich, dass etwas "intakt" sei im Zusammenspiel technischer Vorgänge. Mit zunehmender Rationalisierung gesellschaftlicher Vorgänge seit der industriellen Revolution wird das Bild der Maschine auf die Gesellschaft übertragen, dass umgangssprachlich "funktionieren" auf angepasstes Verhalten übertragen wird,
Du gibst einen - m. E. gelungenen – Einblick … wie die praktischen Sozialwissenschaften zum Reparaturbetrieb wird, Sozialwissenschaften zum sozialen Ingenieurwesen
Interessanter Weise, treten in Industrieballungsgebieten mit technischem Schwerpunkt und somit einer wahrscheinlich hohen Dichte an Ingenieuren, statistisch häufiger Fälle von (hochfunktionalem) Autismus auf. Eine Ursache für ASS wird in der Vererbung vermutet. Sprich, zu viel „funktionieren“ könnte ein Auslöser einer autistischen Störung sein.


Abschließend noch ein bisschen ungewollter Komik
Linus fingert fasziniert an meiner vollen Haarbüste rum.
Friedel, du willst mir doch nicht erzählen, dass das jetzt ein bestimmtes Bild bei dir erzeugt? Fummeln oder kratzen macht es nicht besser, oder? :hmm: Ich habe es jetzt etwas entschärft (<-gewollte Komik). Fingern bleibt! :D
Linus fingert fasziniert an der übervollen Haarbüste auf der Ablage rum.


Ich danke dir für deine Gedanken zum Thema und deine Korrekturvorschläge zu meiner Geschichte!
Viele Grüße
wegen

 

Me and my monkey:
Abschließend noch ein bisschen ungewollter Komik
Linus fingert fasziniert an meiner vollen Haarbüste rum.
von wegen!
Friedel, du willst mir doch nicht erzählen, dass das jetzt ein bestimmtes Bild bei dir erzeugt? Fummeln oder kratzen macht es nicht besser, oder? Ich habe es jetzt etwas entschärft (<-gewollte Komik). Fingern bleibt!
Linus fingert fasziniert an der übervollen Haarbüste auf der Ablage rum.

Von wegen,

wegen,

ich bin mir sicher, Linus ist genauso wenig (oder doch "viel"?) Fetischist wie ich. Wie wär;s mit dem rollenden r* der Bürste?

Linus fingert fasziniert an der übervollen Haarbü*ste auf der Ablage rum.
Vielleicht lass ich mir einen Stufenschnitt machen, damit nicht auffällt wie dünn mein Haar geworden ist.
„Krass. Aus den Haaren in deiner Bürste könnte man einen ganzen Pullover stricken!“
„Igitt. Wer will denn so was tragen?“

Aber wer weiß denn sowas?

Tschüss

Friedel

 

Friedrichard

Hallo Friedel,
ich liege gerade vor Lachen unterm Tisch, komm kaum zum Tippen an die Tastatur.

Da war MEINE Fantasie wohl auf Ab-wegen! :rolleyes:

O.K., ich ändere es in Bürste.

Lieben Dank und viele Grüße
wegen

 

Na, da hat sich ja der Widerspruch gelohnt.

Vorsichtshalber schon mal ein schönes Wochenende aus'm Pott vom

Friedel

 

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