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Charlotte
Sie fliegen nahe am Boden, und wissen von einander kaum mehr, als dass sie das selbe Schicksal eint. Fabian und sie, deren Schönheit ihn betören wird. Nur für einen kurzen Augenblick, da war er verwirrt, legte er sich nicht eben noch in sein Bett in Schlafenstracht, um seinen Körper die wohlverdiente Ruhe zu gönnen? Wie kann er dann hier sein und über diese mediterrane Landschaft gleiten?
Die Hände festgeklammert an einer Eisenstange, der Griff anfangs noch starr vor Verwirrung und Beklemmung, nun wie selbstverständlich stark und unnachgiebig. Unter ihm sind Bäume mit weitauslaufenden Ästen und sanft grün leuchtenden Blättern, auf dass seine Wesenszüge es vermögen, darin einen Trost zu finden.
Denn eigentlich ist er verklemmt und es ist nicht seine Art, mit solch einem Gerät - so bezeichnet er es plump - einem Adler oder Möwe ähnlich, ohne zusätzliche Kraft, über einer verwunschenen Landschaft dahinzutreiben. Die Luft ist sein steter Begleiter; sie ist allgegenwärtig und umströmt ihn. Ihrer Natur nach ist sie in dieser Gegend frisch, sauber und klar.
Man atmet ein und spürt sie in jeder lebenden Pore des Körpers. Fabian schenkt der Flugkonstruktion Vertrauen.
Aus sechs Stangen setzt sich der Flugapparat zusammen - eine waagerecht zu beiden Seiten hin auslaufend, zwei Weitere diese von unten im 45-Grad-Winkel schneidend und nochmals zwei parallel quer außen verlaufend in der Höhe der Oberen und diese in der Mitte treffend. Das obere Gerüst ist mit einem feinen Stoff überspannt, der durchsichtig ist und sich zart anfühlt. Die letzte Stange ist die untere Lenk- und Haltestange für die Piloten.
Höchstens 80 Meter über den Boden befindet er sich, er und sie. Sein schwarzes Haar wedelt im Wind, einen Zopf hätte er sich binden sollen; doch wie hätte er denn dieses Abenteuer jemals erahnen sollen.
In seinem Gesicht zeigen sich rot betünchte Wangen, denen die frische Luft wiedergewonnenes Leben eingehaucht hat. Er ist weder mager noch schwabbelig und durchschnittlich gewachsen, lediglich der Körper bedürfte mehr Aufmerksamkeit, denn vor Muskeln strotz er gelinde gesprochen nicht. Er ist im mittleren Alter und das Haar sein ganzer Stolz. Die abstehenden Ohren verdeckt das feine Haar, gewaschen und gekämmt, glänzt es im herabfallenden Licht, dass die Sonne spendet, an diesem wärmedurchzogenen Tag.
Die blauen Augen, anfangs noch leblos, werden immer mehr zur Neugeburt angespornt, denn so trostlos ist selbst ein Geier in der Luft nicht. Er ist ein Geier, so wie er stets die Leute prellt, schaffte er es zu einem ansehnlichen Vermögen. Doch warum muss er denn allein in seinem Bett schlafen?
Seine Anzüge sind aus den besten Stoffen. So war er es von jeher gewohnt, Tag ein Tag aus. Die von den Eltern wohl finanzierte Ausbildung lief bestens, doch das daraus zu erwartende Vermögen genügte ihm nicht.
Der Leistungsdruck wurde ihm schon früh eingefleucht, doch da er sich schließlich eine Ersatzbefriedigung vom Reichtum erhoffte, bedurfte es immer mehr. Liebe spendete man ihm kaum - der Vater besessen von Arbeit wie er, die Mutter von ihrer Rolle überfordert. Die Frauen, von seinem Wesen abgeschreckt, empfinden ihn als seltsam. Ja selbst das Geld scheint nur selten eine zu verlocken.
Die Katze vom Nachbarn streichelt er ab und an, wenn niemand schaut. Mehr Zuneigung spendet Fabian kaum in seinem Leben. So fing er an zu betrügen, denn Geschäfte wissen sie, gibt es viele und so manchmal verschwindet Geld einfach so, ohne dass eine wirklich adäquate Gegenleistung vollbracht wurde.
Überweisen sie erst und dann überlasse ich sie ihrem Glück, ist Fabians Lebensphilosophie. Was, sie kriegen dieses wertvolle römische Geschirr, nicht zu dem von ihnen erwarteten Preis verkauft; weil ich es ihnen schön geredet habe, diese Antiquität, kaum mehr wert wie Plunder. So muss jemand die Opfer seiner Machenschaften erhört und ihn verbannt haben, in diesen südlichen Landstrich des Erdtrabanten, von ewig wallender Blüte angereichert.
Wie die fruchtbaren Felder von Flüssen durchzogen werden und Bäume die Landschaft bespicken, so fühlt er die Schönheit in dieser und in den folgenden ineinander fließenden Sekunden, ein Reigen fortwährend mit Bedacht fließender Stille, Stille im Moment des Chaos seines gewohnt verspotteten Lebens. Fabian fühlt sich frei, schwerelos und doch ist es nicht vollkommen.
Das Gerät wird nie steigen und auf ewig gleiten, dies ist dessen tief verankete Bestimmung.
Er will mehr, wie immer mehr. Schneller! Nur ein wenig schneller! doch das Gerät kennt nur diesen Takt, hat keinen Motor; sein Antrieb sind schlicht, die es umgebenden Verhältnisse. Er nimmt Witterung auf, dies süßlich Geruch erreicht die spitze dünne Nase. Woher? Woher kommt dies so Vertraute, das Fabian riecht? Es ist sein eigenes Parfüm, das er so teuer erworben hat und was nie fremde Haut berühren wird.
Wieder genießt Fabian das Gleiten, die ihn durchströmende Freude und Freiheit lässt sein Herz zumindest keuchen. Dies hat er doch verdient, doch eigentlich, wenn er es sich überlegt? Kann es sein, dass dies seit Jahren der erste Ansatz von Genuss ist, wahrer und natürlicher sowie reiner Wonne? So empfindet er es; und sie, der er keine Beachtung schenkt, schweigt und schaut ihn an.
Charlotte hat goldenes langes Haar und ein zaghaftes reines Lächeln. Ihr Abendkleid verheißt ebenfalls Reichtum, geboren reich wie er ist sie, doch genügt ihr das. Immer schon hat sich Charlotte, um ihre Mitmenschen gekümmert und geliebt. Ihre Ausbildung in Form eines Hochschulstudiums der generellen Kunst, Literatur im Speziellen und Sprache verlief bemerkenswert. Nicht nach Geld strebend, im Wissen, dass ihre Familie davon genug besäße, begann sie auch noch ein Studium der Architektur, welches sie jedoch nur noch unregelmäßig besucht, da ein schwerer Trauerfall sie in die Fluten der Sorge gestürzt hat und sie droht im Innersten zu überschwemmen.
Charlotte weinte am Bett des Vaters, dann als keine Flüssigkeit des Seelenschmerzes mehr fließen konnte, kniete sie an seinem Bette, starrend in die Leere mit kleinen grünen traurigen Augen. Charlotte aß zuletzt wenig und ging selten außer Haus. Die anderen Studenten waren in aufgebrachter Besorgnis. Nur die Liebe ihres Mannes und der Mutter - die ebenso litt - verhalf ihr allmählich wieder zu mehr Kraft. Sie kam schon lächelnd und ihre Hände klammerten sich nicht vor Furcht und Verwirrung an die Eisenstange.
War sie durcheinander? Nein, dies war ein Traum und der Mann neben ihr löste allergrößte Verwunderung aus. Dies war doch der Mann, der ihrer Familie ein Teil des Vermögens gekostet hatte. Was erscheint er in meinem Traum? Glaubt er wirklich diese Landschaft entspringe seinem Geist? Der Mann erkennt den Traum nicht, man weiß auch nicht welch satanistischer Greise, die beiden in einen Traum gesperrt hat. Fabian fängt Stück für Stück an das Erlebte mehr und mehr zu genießen.
Er denkt kaum noch an sein Vermögen und den Gewinn, ein paar Tränen laufen aus seinem Auge. „Dieser Moment ist zauberhaft wundervoll", ertönt es aus seinem Mund, während er halb vor Kummer und halb aus Freude über sein Leben schnauft, fügt er hinzu, „und ich werde ewig leben in diesem Glück, mich ändern und genießen. Kein Betrug soll mir mehr zur Last fallen. Ich brauche ihn nicht."
Er schaut zufrieden aus und sie fängt an zu erzürnen. In ihrem leicht mageren Gesicht schäumen Wellen der Entrüstung und durchzucken den schlanken Körper. Charlottes weicher Busen fällt in seinen Blick, nicht sie ist es, die er zuerst bemerkt. Er verheddert sich im Ausschnitt wie magnetisiert und seine Gier erwacht erneut.
Die Leidenschaft ihren Busen zu liebkosen und zu küssen, hier! sofort! jetzt! Er erkennt sie nicht.
Charlotte schreit: „Blick auf! Du hast meine Familie betrogen!"
Er, gelassen mit der Abgezocktheit des Betrügers tanzend, sagt: „Doch schau, unser Schicksal eint uns und welche Familie meinen sie?"
Sie erzürnt von noch mehr vor Wut ... raus brüllend wie tausend Löwen, der zarte Körper immer schwächer vor Zorn und Erregung ... die so schöne weiche Haut bleich, bleich und bald aschfahl durch diesen Mann, krank vor Wut brüllt sie: „Meine! Meine! Mein Vater hatte ein schwaches Herz und schon bald verstarb er, verstarb aufgrund der Pein, die sie ihm bereitet."
Fabian ist verlegen und wird von den ersten kleineren Gewissenbissen seit Jahren wegen seiner Betrügereien geplagt, trotz noch stark lodernder Gier fühlt er sich besudelt, besudelt im Sinne des Geschäfts, das gnadenlos ist. Er sagt: „Ich war es nicht, es war der Zorn. Merken sie nicht, wie er sie zerfrisst? Sie armes Ding!"
Charlotte, so langsam heiser vor Wut, schreiend: „Sie haben gleich ein Messer an der Kehle! Ich will dich nicht töten, doch Ängste schnüren. Obwohl, du Arsch, eigentlich, vielleicht vollbringe ich es doch, obwohl man mich lehrte, solch ein blütrünstiges Werken unter allen Umständen zu unterlassen. Ich will mein Vater zurück!"
Er ist irritiert sowie von etwas Angst befallen und vom Pochen seines Herzens getrieben, im Rausch der Freiheit sich befindend und sich den Frauen überlegen fühlend, ist das Unbehagen abgeschwächt, da der Flug die Nerven zu besänftigen vermag. Ebenfalls trägt ihn seine Erhabenheit, so spricht er:
„Sie haben doch kein Messer" mild beunruhigt hervorschluchzend und mit dem Mut der Verzweiflung klarer und kräftiger hinzufügend, „sie sind doch dazu gar nicht fähig, sie und ich sehe es an ihrem Kleid, verwöhnte Göre, die von Papas Erbe gut lebt. Sie und ihre Mutter
oder ist sie entwischen verstorben und alles das ihre? Ich erinnere mich, du Schlampe!"
Sie schimpft voll Wut und ist am Rande der absoluten Tobsucht: „Sie nennen mich eine Schlampe, du feiges Arschloch. Ich werde dir schon noch eine Lehre erteilen!"
Er, der nun immer starrer und ebenfalls von seinen Nerven gezeichnet ist, klammert wieder wie anfangs vor Furcht; doch nun weiß er zumindest wie sich ungefähr ein Adler fühlt; ein Hauch, ein schwaches Empfinden von Freiheit hat ihn gesegnet, gesegnet ein Gefühl zu haben, dass ihm fremd gar märchenhaft erschien. Fabian meint nach etwas zögern, mit der Absicht die Frau zu besänftigen, spricht er leise und schwach - ein zu laut erhobenes Wort und sie vollbringt die Tat, denkt er: "Sie wollen das doch gar nicht, lass uns doch lieber schweben bis in alle Zeit. Kommen sie, wir werden nie erwachen, dieser Traum ist unser letzer und seien sie doch nicht närrisch, dies ist einfach nur ein Traum."
Sie - die anfangs noch glaubte, es handelt sich um einen solchen - erkennt, dass sich das Szenario nicht ändert. Trotz aller Vernunft, dass dies ein Traum sein müsste, von Wut berauscht, so spricht sie von einer unglaublichen Gelassenheit erfasst, da sie an die Gerechtigkeit der Tat glaubt, denn der Schurke hat einen Vatermord zu sühnen: "Dies ist kein Traum, schon Stunden, ich weiß nicht wieso, schweben wir nun. Ich kann mich nicht erinnern, wie wir hier her gekommen sind, und warum wir uns in diesen Gewändern den Vögeln gleich in den Himmel erhoben haben - doch ich glaube, trotz allem Scharfsinn, der Fragen aufwirft, dies ist kein Traum!
Er verspottet sie zynisch mit Sarkasmus gewürzt, ihm ist bange und er hofft sie mit seiner Männlichkeit noch beeindrucken zu können, ein Zittern liegt in seiner Stimme, was ihm nicht gelingt zu verschleiern: „Na klar, wir erwachen einfach so und hängen an diesem Ding!"
Sie bleibt ruhig und sagt mit entschlossener Stimme: „Ja, du Schuft!"
Er ist verängstigt und zittert; das Sprechen fällt ihm aufgrund der Anspannung schwer. So stottert er regelrecht: „Warum bist du auf einmal eigentlich so ruhig?"
Charlotte spricht gelassen: „Weil ich weiß, dies ist kein Traum und mich haben die Dämonen der Rache wegen, anders kann ich mir es nicht erklären, hierher gebracht. Ich denke, ich zerschneide jetzt dieses Seil - an dem du hängst - und da du noch immer glaubst, es sei ein Traum, stirbst du!
Fabian erhebt mit trauriger Stimme das Wort : „Du irrst Charlotte, um dein Vater traure nun!"
Charlotte sagt richtend mit kräftiger Stimme: „Schuft, nun stirb!"
Ohne Zögern und kaum vom Gewissen gepeinigt, greift sie nach dem Messer, dass an einem Gurt an ihrem Bein befestigt ist, es ist einfach da und dies verwundert sie nicht. Sie schneidet den Mann ab, dieser fällt in die Tiefe. Mit einem Lächeln, dass seine Wangen entspannt, schlägt er auf den tief-klaren See und verschwindet zugleich im kühlen Wasser, während ihr Gesicht ein erschauern lässt.
Charlotte erwacht, ihr ist schwindelig. Es war doch ein Traum, Tränen, warme gütige Tränen fließen die Wange herab. Alles währte einen Moment, keine Stunden. So viel Kummer und sie wollte töten, die hübsche Frau mit dem goldenen Haar und den grünen Augen, die die Männer begehren. Sie, die nun weint und ihr Busen, den der Verdruss nicht mehr abschnürrt, weil sie nun weiß, den Tod des Vaters, auch wenn sie ihn rächt, wird ihr Herz noch Jahre betrauern. Sie legt sich zur Seite und schmiegt sich an ihren Mann.