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Caroline Musselwhite

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19.05.2008
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Caroline Musselwhite

Caroline Musselwhite kannte den Tag ihres Todes. Sie wusste, dass er nicht morgen oder übermorgen war, sondern in zwei Wochen, am 26. Juli. Ein Mann hatte es ihr gesagt, man hatte ihr damals ein Schreiben geschickt, auf dem es stand, und jeden Tag wurde sie daran erinnert. Sogar die Uhrzeit war ihr bekannt: 10:45 Uhr. Was zu diesem Fluch führte, war der einfache Umstand, dass sie sowohl ihren fünfjährigen Sohn als auch ihre siebenjährige Tochter mit der Schrotflinte ihres verstorbenen Mannes, Stephen K. Musselwhite, ermordet hatte. Ihre Nachbarin, Juliette Bradstreet, war von den Schüssen aus dem Schlaf gerissen worden, denn obwohl Caroline Musselwhite ihre beiden Kinder nah aneinander auf die Bank vor dem Haus gesetzt hatte, war der erste Schuss nur für den kleinen Jungen, Georgie, tödlich, nicht aber für das kleine Mädchen, Lucy. Caroline Musselwhite hatte die Waffe zuvor nie abgefeuert und so war sie vom gewaltigen Rückschlag und der geringen Streukraft überrascht, und musste für Lucy noch einmal nachladen. Lucy hatte keinen Mund mehr, mit dem sie hätte schreien können, aber dennoch krochen elende Geräusche aus ihr, und das wollte Caroline Musselwhite nicht. Doch gerade weil sie sich beim Stopfen der Patrone ins Fach so sehr beeilte, dauerte es bis zum erlösenden Schuss besonders lange. Nachdem Juliette Bradstreet aus ihrem Bett geschlüpft war, um die Vorhänge an dem Fenster zur Seite zu schieben, durfte sie Caroline Musselwhite dabei zusehen, wie sie im Schein der Hausbeleuchtung vor ihren beiden toten Kindern kniend, die Fleischstückchen und Körpersplitter aufkehrte. Das Blut sickerte ins Holz der Veranda. Statt die Polizei zu benachrichtigen, rief Juliette Bradstreet ihren Mann, Carl Bradstreet, an, der zu dieser späten Stunde in einem Fernlaster durch einen Vorort von Carson City, Nevada, fuhr und hochentzündliches Gut transportierte. Carl Bradstreet versuchte seine Frau zu beruhigen, aber die dachte gar nicht daran, sich beruhigen zu lassen, und so musste er sie wegdrücken, um in einem nächsten Anruf das Policedepartment in Oakland zu verständigen. Juliette Bradstreet entfernte sich vom Fenster und zog sich etwas an, weil sie immer nackt schlief, wenn ihr Mann nicht Zuhause war, und sie bestimmt von der Polizei vernommen werden würde. Sie war jetzt keine Nachbarin mehr, sondern eine Zeugin. Nachdem sie die Sirene der Polizeiwägen hörte und das Blaulicht in ihrem Schlafzimmer tanzte, verließ sie ihr Versteck unter der Decke und rannte den Polizisten entgegen, die mit gezogener Waffe auf Caroline Musselwhite zugingen, die auf der Treppe hockte, die Vorbau mit Garten verband. Hätten in ihrem Gesicht nicht Fetzen ihrer Kinder gehangen und wäre ihr Nachtkleid nicht von Blutspritzern verziert gewesen, hätte man sie mit einer Frau verwechseln können, die sich aus Schlaflosigkeit vors Haus gesetzt hatte, um eine Zigarette zu rauchen oder ein Glas Milch zu trinken. Aber selbst wenn sie so hübsch und unangetastet und harmlos ausgesehen hätte, wie am Morgen, als sie vor dem Spiegel stand und mit einem Lippenstift ihren schmalen Mund nachmalte, sie das dunkelblonde Haar zu einem strengen Mittelscheitel kämmte und sich die knochigen Wangen rosa puderte, und statt der einläufigen Schrotflinte eine Packung Marlborozigaretten neben sich liegen gehabt hätte, wären die beiden Kinder auf der Bank hinter ihr nicht zu übersehen gewesen. Und obwohl sie so offensichtlich tot waren, schienen sie in ihrer geschwisterlichen Haltung fast lebendig. Ohne Widerstand ließ sie sich abführen. Die Kusshand, die Caroline Musselwhite ihrer Nachbarin, Juliette Bradstreet, zuwarf, als sie in den Wagen stieg, verstand damals niemand.

Die Schüsse und die Polizeisirenen hatten auch andere Anwohner auf die Straße gelockt und freilich rätselten sie, welches Warum hier am Abzug gewesen war. Der ranghöchste Polizist, Officer Robert Anderson, stand vor den Kindern und sah in ihnen nicht die tote Lucy und den toten Georgie, sondern einen Beweis, den es zu schützen galt. Vielleicht war es sein abgestumpftes Gemüt, vielleicht die Unfähigkeit, die Blicke der Nachbarn von ihren Körpern fernzuhalten, vielleicht aber auch die bloße Tatsache, dass die Kinder keine Gesichter mehr hatten. Was eine Mutter zu solch einer Tat verführte, war die Frage, die durch alle Köpfe geisterte, die Caroline Musselwhite als fürsorgliche und zartherzige Frau kannten, die Handschuhe und Mützen für die Kinder der Siedlung strickte und einmal im Jahr ein Weinfest in ihrem Garten veranstaltete. Die Frage geisterte auch dem Richter und den Geschworenen durch den Kopf, die darüber zu urteilen hatten, was mit der Frau geschehen sollte, die nun keine Mutter mehr war. Ein Psychologe, Dr. Michael Young, wurde zu Rate gezogen.
„Warum wollen Sie wissen, warum ich es getan habe? Ich habe doch gesagt, dass ich es war.“
„Ich möchte herausfinden, inwiefern Sie schuldfähig sind. Nehmen sie Medikamente, haben Sie an dem Abend Alkohol getrunken, wissen Sie von einer psychischen …?“
„Ich habe es getan und ich weiß, dass ich es getan habe, und ich wusste es, als ich es tat. Reicht Ihnen das?“
„Nein“, sagte Dr. Michael Young, aber es musste ihm reichen, denn Caroline Musselwhite schwieg fortan und sagte die ganze Verhandlung über kein Wort mehr. Einzig ein leises „Dankeschön“, nachdem man sie zum Tode verurteilt hatte.

In der gewöhnlichen Gefängniszelle spürte Caroline Musselwhite, dass sie gefangen war. Den Himmel durfte sie nur eine Stunde am Tag sehen und sie mochte es, in den Himmel zu blicken, und ärgerte sich, wenn Wolken ihn verdeckten. Auch, weil sie in den Wolken Spielzeuge erkannte, die sie Georgie oder Lucy zu Geburtstagen oder an Weihnachten geschenkt oder gebastelt hatte. In der Dusche schauten ihr andere Frauen auf die winzigen Brüste mit den zu großen Warzenvorhöfen und auf die Schamlippen, die Caroline Musselwhite unschön herunter hingen. Die anderen Insassen waren Frauen, die ihren Mann im Schlaf erdrosselt hatten, weil er sie schlug oder vergewaltigte oder schlug und dann vergewaltigte oder schlug, während er sie vergewaltigte. Zwei Freundinnen hatten versucht, ein Bestattungsinstitut auszurauben, weil sie gehört hatten, dass die Särge dort über dreitausend Dollar kosteten und weil sie sich gedacht hatten, dass sich das Geld dort befinden musste, wenn Särge verkauft wurden. Siebenhundert Dollar waren jedoch nur in der Kasse und weil der Besitzer, Larry Bergmann, keinen einzigen davon hergeben wollte, vielleicht auch, weil sie nicht wussten, was sie sonst hätten tun sollen, schossen sie ihn tot und legten ihn in einen der Särge. Eine andere Frau, Melanie Rose, die bei altersbeschränkten Filmen gewiss nach dem Ausweis gefragt worden wäre, weil sie wie ein Mädchen aussah, hatte ihre Zwillingsschwester erstochen, weil sie ihr Spiegelbild war, weil sie mit derselben Stimme sprach und weil sie den gleichen Kussmund auf Männer drückte, die sie nie abbekommen hatte. „Es hat sich wie Selbstmord angefühlt“, sagte sie einmal. Das alles waren Gewalttaten, die niemand gutheißen konnte und für die niemand einen Applaus verdiente, aber allesamt waren sie zumindest in einem Maße nachvollziehbar, das unter Gewalttätern geduldet werden konnte. Was Caroline Musselwhite hingegen ihren Kindern angetan hatte, fand keine Duldung und so hätte man ihr gerne das Gesicht im Schlaf zerkratzt oder ihr Haare ausgerissen. Eine Gruppe Gattenmörderinnen plante sogar, ihr Dinge in den Unterleib zu schieben, ein Stuhlbein vielleicht. Aber am Ende traute sich niemand, Caroline Musselwhite stückchenweise etwas von der Gewalt zurückzugeben, mit der sie ihre Kinder aus der Welt gerissen hatte. In der gewöhnlichen Gefängniszelle fühlte sich Caroline Musselwhite geächtet, aber erst in der Todeszelle bemerkte sie, dass sie sterblich war.

„Wie wirst du mich töten?“, fragte Caroline Musselwhite einen Wärter, der sich ihr als Mr. Howard vorgestellt hatte.
„Ich werde Sie nicht töten“, sagte Mr. Howard.
„Wer tötet mich dann?“
„Das weiß ich nicht. Es wird auf jeden Fall ein Arzt und ein Richter dabei sein.“
„So rechtschaffene Personen werden mich töten? Das ist lieb, aber auch sehr befremdlich.“
„In der Tat!“
„Sag mir: Wie sieht der Himmel heute aus?“
„Bald können Sie mir diese Frage beantworten.“
„Wie meinst du das?“
„Sie wissen genau, wie ich das meine! Sie können mir gerne sagen, wie der Himmel aussieht, wenn Sie dort oben sind, aber flüstern Sie mir nicht ins Ohr, wenn ich schlafe, ich habe Angst vor Geistern. Legen Sie mir einen Zettel ins Fach. Das wäre nett.“

Mr. Howard gehörte zu den freundlichsten Wärtern im Todestrakt. Er guckte nicht durch den Essensschlitz, wenn sie auf der Toilette saß und pinkelte, forderte sie nicht jede Stunde auf, sich auszuziehen, um ihre Gefängniskleidung nach unerlaubten Gegenständen zu durchsuchen, und er hatte sie niemals berührt, nicht einmal am Arm oder der Schulter. Sie fragte ihn, warum es keine Frauen unter den Aufsehern gab und Mr. Howard antwortete: „Hier im Todestrakt sind bis zu fünfzehn Bestien eingesperrt, die eine Frau niemals zähmen könnte. Außerdem ist der Teufel selten weiblich. Sie sind die einzige Frau seit fünf Jahren hier.“

Einen Teufel gab es nicht, aber viele, die so ähnlich waren und im Todestrakt unterschied sich manch ein Wärter gar nicht so sehr von seinem Gefangenen. Caroline Musselwhite wusste nicht, woran das lag. Vielleicht war Grausamkeit ansteckend und die beiden Wärter, James Hunt und Adam Blackwell, die in ihre Kleidung ejakulierten, um es ihr darauf wieder zum Anziehen zu geben, konnten vielleicht gar nichts dafür, dass sie so waren, wie sie waren. Hatte sie sich nicht auch bei ihrem Ehemann, Stephen K. Musselwhite, angesteckt, und waren die Kindergesichter, die ihm teuflisch ähnlich sahen, nicht auch die ganzen Jahre über ansteckend gewesen?

Am 25. Juli kam nachts ein Mann in ihre Zelle und setzte sich zu ihr aufs Bett, das merklich nachgab. Er trug einen schwarzen Anzug und kurz überlegte sie, ob es der Tod war, der sich gerade zu ihr gesetzt hatte. Sie erkannte den Mann nicht wieder, so wie man den Tod nicht wiedererkennen konnte. Man sah ihn nur einmal und wenn man viel Glück hatte, erkannte man ihn. Aber wenn man, wie Caroline Musselwhite, eine Begegnung mit ihm erwartete, konnte man die Augen offen halten und ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit sehen. Er war dicklich und alles an ihm war weich. Sogar der Schweiß gerann zwischen seinem Doppelkinn zu etwas Weichem. Er hatte keine Brille auf, aber kleine Abdrücke links und rechts auf seinen Nasenflügeln ließen vermuten, dass er sie nur abgesetzt hatte. Trotz seines abstoßenden Äußeren fühlte sich Caroline Musselwhite zu ihm hingezogen. Und als sie das fleischige Lächeln sah, wusste sie, dass der Mann kein Wärter war und auch niemand, der sich mit dem Teufel angesteckt hatte.

„Wissen Sie, wer ich bin?“
„Nein, das weiß ich nicht“, log sie.
„Heute bin ich der Direktor des Gefängnisses. Sein Name ist Patrick Krenwinkel.“
„Ich heiße Caroline Musselwhite und morgen wird dieser Name auf meinem Grab stehen, wenn ihr so gütig seid, und mir eines buddelt.“
„Tatsächlich haben die Ihr Grab schon ausgehoben und auf dem Holzkreuzchen, das heute Vormittag hergeschickt wurde, steht Ihr voller Name: Caroline Jane Musselwhite, geb. 7. Dezember, 1952, gest. 26. Juli 1983.“
„Bringt das nicht Unglück, so etwas schon jetzt darauf zu schreiben?“
„Und ob das Unglück bringt, Miss Musselwhite.“
„Warum bist du hier?“
„Ich will Sie küssen und ich will, dass Sie mich zurück küssen. Ich will mit Ihnen schlafen. Ich will, dass Sie sich mir völlig hingeben.“
„Einen Wunsch hätte ich noch.“
„Ja?“
„Können wir das unter freiem Himmel machen?“

Caroline Musselwhite verließ das erste Mal seit drei Wochen die Todeszelle. Es war kein Wärter zu sehen. Patrick Krenwinkel führte sie in den dritten Stock und durch die Fenster hindurch sah sie ins Freie. Der Wind spannte die kalifornische Flagge und der Regen klatschte auf den Innenhof, verwandelte ihn langsam in einen kleinen, künstlichen See.
„Da werden wir kaum rausgehen können“, sagte Patrick Krenwinkel.
„Doch, ich will nach draußen“, sagte Caroline Musselwhite. In Krenwinkels Büro hätten zwanzig Todeszellen gepasst. Aber es war die Zelle des Todes, überall dunkles Holz, auf dem Schreibtisch stand ein Tintenglas, in dem eine Feder steckte, und es sah so aus, als wäre in der Nichtfarbe ein Vogel ertrunken. Es hingen keine Bilder im Raum und neben der Schreibmaschine stand kein Familienfoto. Aus einem Schrank, der halb so groß war, wie ihre Zelle, zog er ein Kleid, das er ihr reichte. Es war das Schlafkleid, das sie in der Nacht getragen hatte, als sie ihren kleinen Georgie und ihre kleine Lucy erschossen hatte. Vom Blut waren nur noch blasse Erinnerungen geblieben. Patrick Krenwinkel drehte sich um und Caroline Musselwhite wechselte ihre Kleidung.

Vom Büro aus konnte man durch eine große Fensterreihe in den Innenhof schauen. Ungestüm prasselte der Regen auf den Asphalt. Patrick Krenwinkel betätigte einen Knopf in einem Kasten, der an der Wand schwebte, was die Scheinwerfer im Hof verglimmen ließ und alles in Dunkelheit tauchte. Er nahm ihre Hand und sie versank fast in seinem Griff. Flüchtig betrachtet, war es Caroline Musselwhite, die ihm die Treppe hinab folgte, aber in Wirklichkeit zog er sie in die Tiefe, auch wenn es sich für sie anfühlte, als würde sie nach oben steigen. Er schloss das Tor zum Innenhof auf. Hand in Hand gingen sie in die Mitte des Hofes. Sanft drückte er sie nach unten, wo sich ihr vom Regen durchnässtes Kleid gänzlich vollsaugte. Kalt und nass war der Boden und sie war froh um das wärmende Fleisch, das sich auf sie legte, ihr Kleid nach oben schob und in sie drang. Wie die Nadel einer Giftspritze an der falschen Stelle und zu einem falschen Zeitpunkt. Sie suchte in ihren Erinnerungen nach einem Gesicht, das liebte, aber sie fand keines. Sie schloss die Augen und lächelte ein bisschen.

Juliette und Carl Bradstreet und ihr kleines Baby waren die einzigen, die am Tag der Bestattung vor dem Holzkreuz standen. Das Baby trug kein von Caroline Musselwhite gestricktes Mützchen und auch keine Handschuhe. Carl verstand nicht, warum sie gekommen waren, aber Juliette sagte ihm: „Sie hat mir doch einen Kuss zugeworfen.“

 
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Hallo Markus!

Ich habe Deine Geschichte schon gleich zu Beginn ausgedruckt, war aber noch nicht zum Lesen gekommen. Nun war es gestern Abend endlich soweit. Bei leckerstem Salat im Bistro, zwischen Arbeit und Arbeit schnappte ich mir den Ausdruck. Ich hatte nur wenig Zeit, die mich zum Arbeitsbeginn drängte, aber ich musste Deine Geschichte zu Ende lesen.
Markus, das ist die erste Geschichte hier, bei der ich unbedingt am Stück (also bis zum Ende ohne Unterbrechung) lesen wollte, weil Du genau den Spannungsbogen erzeugt hast, den ich mir wünsche. Ich bin sehr neidisch, wie Du das hinbekommen hast. Ich lese, bzw. höre überwiegend Spannendes (teils leider auch Brutales - diese Stellen brauche ich nicht unbedingt). "Der Menschenmacher", "Die 13. Stunde", alles von Simon Beckett usw., deshalb mag ich auch Deine Geschichte so sehr.

Sehr gut gelungen, wirklich, das muss (und will) ich anerkennend zugeben. Da hast Du bei mir genau den richtigen Nerv getroffen.

Das Ende habe ich leider auch nicht ganz verstanden. Da war ich ein klein wenig enttäuscht, aber viel eher deshalb, weil ich mir gewünscht hatte, eine etwas detaillierte Auskunft über das Motiv der Frau zu bekommen.
Nachdem ich den Kommentaren entnahm, dass der Gefängnis-Direktor den Tod verkörpert, habe ich das Ende besser verstanden. Dieser Satz ist dabei ganz entscheidend:

Heute bin ich der Direktor des Gefängnisses. Sein Name ist Patrick Krenwinkel.“

Stand der da von Anfang an so? Dann habe ich beim Lesen geschlampt. :susp:

Hatte sie sich nicht auch bei ihrem Ehemann, Stephen K. Musselwhite, angesteckt, und waren die Kindergesichter, die ihm teuflisch ähnlich sahen, nicht auch die ganzen Jahre über ansteckend gewesen?

Ich habe das als Motiv gesehen, dass der Mann der verkörperte Teufel war, weil er sie so schlecht behandelt hat und brutal war. Und weil ihm die Kinder äußerlich und innerlich so sehr glichen, konnte sie den Anblick nicht mehr ertragen. Sie hat sie geliebt, wurde aber psychisch so sehr von ihrem Mann fertig gemacht, dass sie diese Ähnlichkeit zwischen Mann & Kindern nicht verkraftet hat. Deshalb setzte sie so dem ganzen ein Ende!? Oder so… ;)

Außerdem war ich enttäuscht, dass die Geschichte zu Ende war – plötzlich. Ich hätte gern noch weiter gelesen.

Zwei Fragen habe ich noch: Ich bin vielleicht etwas begriffsstutzig, aber das mit der Kusshand will sich mir irgendwie nicht so recht erklären …
Und die zweite Frage: Hat Caroline gecheckt, dass der Mann im Anzug der Tod ist oder warum lässt sie sich auf ihn ein, um frei zu kommen? ... Obwohl sie sich doch vorher für die Todesstrafe bedankte? Denn: wenn sie wirklich glaubt, sie könne sich durch den Beischlaf „frei kaufen“, würde ich wissen wollen, woher der plötzliche Überlebens-Wunsch käme? Und wenn nicht: wie konnte sie sich sicher sein, dass der Tod an ihrem Bett saß & der Sex in den Tod führen würde? Hm, da musste ich grübeln.

Verwirrend war die Szene mit dem Himmel – nicht verwirrend, weil ich es nicht verstand, sondern weil es so paradox ist, dass sie als zweifache Kindermörderin in den Himmel aufsteigen würde.
Aber den Wortwechsel darüber fand ich ganz, ganz toll, nur leider in dem Zusammenhang etwas … ja, paradox. ;) Aber ich meine, Du hast dazu auch schon irgendwo etwas geäußert!?

Ein Paar Rechtschreib-Sachen habe ich noch:

„Warum wollen Sie wissen, warum ich es getan habe? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich es war.“

„Ich möchte herausfinden, inwiefern Sie schuldfähig sind. Nehmen Sie Medikamente, haben Sie an dem Abend Alkohol getrunken, wissen Sie von einer psychischen …?“

„Ich heiße Caroline Musselwhite und morgen wird dieser Name auf meinem Grab stehen, wenn Ihr so gütig seid, und mir eines buddelt.“

„Tatsächlich haben die Ihr Grab schon ausgehoben und auf dem Holzkreuzchen, das heute Vormittag hergeschickt wurde, steht Ihr voller Name: Caroline Jane Musselwhite, geb. 7. Dezember, 1952, gest. 26. Juli 1983.“

„Ich komme, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie darüber entscheiden können, ob Sie in diesem Grab liegen möchten oder nicht.“

„Wenn Sie nicht wollen, dass es stimmt, was auf dem Grabkreuz steht, müssen Sie mir – wie soll ich sagen – ein wenig entgegenkommen.“

„… Ich möchte Sie küssen und ich möchte, dass Sie mich zurück küssen. Dass Sie sich mir ganz hingeben.“

„Du möchtest mich Todgeweihte frei lassen? Für Sex?“

Lieblingsstellen: :)

Hätten in ihrem Gesicht nicht Fetzen ihrer Kinder gehangen und wäre ihr Nachtkleid nicht von Blutspritzern verziert gewesen, hätte man sie mit einer Frau verwechseln können, die sich aus Schlaflosigkeit vors Haus gesetzt hatte, um eine Zigarette zu rauchen oder ein Glas Milch zu trinken.

Und obwohl sie so offensichtlich tot waren, schienen sie in ihrer geschwisterlichen Haltung fast lebendig.

Eine andere Frau, Melanie Rose, die bei altersbeschränkten Filmen gewiss nach dem Ausweis gefragt worden wäre, weil sie wie ein Mädchen aussah, hatte ihre Zwillingsschwester erstochen, weil sie ihr Spiegelbild war, weil sie mit derselben Stimme sprach und weil sie den gleichen Kussmund auf Männer drückte, die sie nie abbekommen hatte.

„Sag mir: Wie sieht der Himmel heute aus?“
„Bald können Sie mir diese Frage beantworten.“
„Wie meinst du das?“
„Sie wissen genau, wie ich das meine! Sie können mir gerne sagen, wie der Himmel aussieht, wenn Sie dort oben sind, aber flüstern Sie mir nicht ins Ohr, wenn ich schlafe, ich habe Angst vor Geistern. Legen Sie mir einen Zettel ins Fach. Das wäre nett.

Kleiner Einwand:

Der ranghöchste Polizist, Officer Robert Anderson, stand vor den Kindern und sah in ihnen nicht die tote Lucy und den toten Georgie, sondern einen Beweis, den es zu schützen galt.
Das scheint mir nicht realitätsgetreu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst der härteste Bulle aller Zeiten bei einem solchen Anblick so cool bleiben könnte.

Sehr, sehr gern gelesen, lieber Markus, von
Meraviglia

 

Hallo markus

Der Titel hob sich geheimnisvoll aus der Liste der neuen Texte hervor, eine Anziehung verbreitend, von der ich wusste, so bald als möglich müsste ich die Geschichte lesen.

Mit den ersten Sätzen meinte ich gefühlsmässig in eine alte Welt einzutauchen, vielleicht jene des 19. Jahrhunderts. Es gab da keinen konkreten Hinweis dafür, nur assoziierte der Einstieg mir hierin ein Stimmungsbild, wie ich es aus Klassikern zu kennen meinte. Dass dem aber nicht so ist, merkte ich bald, da war Carl Bradstreet, der einen Fernlaster fuhr und alsbald auch das Blaulicht der Polizeiwagen. Da es in den USA spielt, wirkte es mir dann aber auch auf die heutige Zeit bezogen realistisch.

Sogar die Uhrzeit war ihr bekannt: 10:45 Uhr.

Hier hätte ich Uhr nach den Ziffern weggelassen, da deren Bedeutung schon bekannt ist.

... und sich die knochigen Wangen rosa puderte ...

Im gleichen Satz war vorab die Rede, sie sei hübsch und unangetastet und harmlos. Mein ästhetisches Empfinden geriet bei dem zitierten Satzteil deshalb ins Trudeln. Vielleicht täusche ich mich und sie ist wirklich knochig. Ansonsten wäre es mir harmonischer, sie mir als Frau mit hochstehenden Wangenknochen vorzustellen, ein klassisches Merkmal von Schönheit und Jugendlichkeit.

In der gemeinen Gefängniszelle spürte Caroline Musselwhite, dass sie gefangen war.

Es ist mir nicht ersichtlich, welchen Stellenwert Du dem Wort gemeinen in diesem Satz einräumst. Wäre da einfache gestanden, hätte ich darüber hinweggelesen. So fiel mir auf, dass es an sich überflüssig ist, der Gefängniszelle keine tiefere Wertigkeit gibt.

Die anderen Insassen waren Frauen,

Wenn es ein Frauengefängnis war, wäre Insassinnen nicht unverfänglicher?

Ich habe die Geschichte gern gelesen. Bis auf die Daten auf dem Holzkreuzchen blieb sie der Klassik verpflichtet, was es mir noch in seinem Reiz vertiefte. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hey Markus,

noch kurz:

Patrick Krenwinkel ist der Teufel, der Tod, das Ende - sie gibt sich ihm hin, weil sie so sterben kann, und es funktioniert nur in meinem Kopf, die Sexszene ist eine Exekution,
Achsooo ... ja das hatte ich echt überhaupt nicht so aufgenommen. Ich dachte da echt kurz dran, ist das der Tod, wird ja auch kurz angerissen:

Er trug einen schwarzen Anzug und kurz überlegte sie, ob es der Tod war, der sich gerade zu ihr gesetzt hatte. Sie erkannte den Mann nicht wieder, so wie man den Tod nicht wiedererkennen konnte. Man sah ihn nur einmal und wenn man viel Glück hatte, erkannte man ihn.
Da dachte ich kurz: okay, das könnte der Tod sein; aber ich habe das beim Lesen dann so empfunden, dass diese Tod-These ausgeschlossen wird; ich dachte mir, die innere Logik der Story heißt: Man sieht den Tod nur einmal, und wenn er kommt, erkennt man ihn auch; aber die Frau erkennt den Mann eben nicht als den Tod. Deswegen dachte ich mir: Okay, war bloß so ein Gedankenspiel, aber er ist nicht der Tod. Ich hoffe du weißt, was ich damit meine; würdest du diese Stelle bisschen klarer umschreiben, könnte das sehr gut funktionieren, denn im Grunde finde ich die Idee, dass die Frau hier den Tod begegnet, gut.

Ihr Mordmotiv versteckt sich nur in der Stelle, die du zitiert hast.
Okay. Ich denke ich habe es jetzt gecheckt, nachdem ich die Story ein zweites Mal gelesen und mich auf die Stelle fokussiert habe. Man muss schon sehr sehr genau lesen und sich konzentrieren, um da alle Informationen erschließen zu können, obwohl ich mich jetzt nicht als flüchtigen Leser oder so bezeichnen würde; ich finde das schon gut, dass du nur einen Rockzipfel zeigen willst, aus dem man sich andere Sachen erschließen kann, aber wie du (leider) selbst siehst, ist das schon sehr versteckt an mancher Stelle ... ein klitzekleines bisschen mehr Rockzipfel würde die Story nicht schlechter machen, bin ich mir sicher!

Grüße

 
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Hallo Meraviglia,

da sind deinem Drucker einige Änderungen entwischt, und es liegt nicht an dir, dass du etwas überlesen hättest, ich habe da schon noch etwas geändert. Es freut mich, dass du meine Zeilen als spannend empfandest, aber sei beruhigt, auf dieser Seite warten dutzende Geschichten auf dich, die sehr spannend sind, viel spannender als diese hier. Ein paar Worte zur Spannung: Krimiautoren, wie Beckett sind Romanautoren spannungstechnisch immer im Vorteil, weil es freilich spannender ist, herauszufinden, wer der Mörder ist oder was die Ursache des Mordes war, während Spannung in der Belletristik wirklich sehr schwer ist, manchmal gar nicht möglich. Ich lese viele Bücher, nicht, weil sie spannend sind, sondern weil ich die Sprache und die Gedanken schön finde, es ist auch immer die Frage, was der Leser vom Text erwartet. "Caroline Musselwhite" habe ich für eine Freundin geschrieben, die "Verwirrungen" und "Eigentlich egal" von mir langweilig und uninteressant fand. Das sind zwei romantische Geschichten, über Liebe und so, und hier habe ich versucht, es spannend zu machen. Es freut mich, dass das bei dir geklappt hat und du lesen musstest.

Sehr gut gelungen, wirklich, das muss (und will) ich anerkennend zugeben. Da hast Du bei mir genau den richtigen Nerv getroffen.
Danke!

Das Ende habe ich leider auch nicht ganz verstanden. Da war ich ein klein wenig enttäuscht, aber viel eher deshalb, weil ich mir gewünscht hatte, eine etwas detaillierte Auskunft über das Motiv der Frau zu bekommen.
Ja, es macht nur Sinn, dass du enttäusch bist, wenn du den Spannungsbogen folgst und am Ende, ja ... nichts kommt. Du warst auch noch im Nachteil, weil du die erste Version gelesen hast. Die noch undeutlichere.

Ich habe das als Motiv gesehen, dass der Mann der verkörperte Teufel war, weil er sie so schlecht behandelt hat und brutal war. Und weil ihm die Kinder äußerlich und innerlich so sehr glichen, konnte sie den Anblick nicht mehr ertragen. Sie hat sie geliebt, wurde aber psychisch so sehr von ihrem Mann fertig gemacht, dass sie diese Ähnlichkeit zwischen Mann & Kindern nicht verkraftet hat. Deshalb setzte sie so dem ganzen ein Ende!? Oder so…
Jeder darf hier lesen, wie ihm beliebt, deine Interpretation finde ich gut und stimmig. Nur bei einer Sache muss ich dir widersprechen bzw. dagegen reden: ich glaube nicht, dass die Kinder innerlich dem Vater glichen. Aber manchmal schließt man vom Äußeren aufs Innere und wenn man jemanden kennt, den man, beispielsweise, total unsympathisch empfindet oder der einen an einen Jungen erinnert, der einen früher in der Schule geschlagen hat, und man begegnet einem Menschen, der ihm ähnelt, projiziert man, denke ich, die Eigenschaften in diese Person.

Außerdem war ich enttäuscht, dass die Geschichte zu Ende war – plötzlich. Ich hätte gern noch weiter gelesen.
Das ist ein sehr großes Lob. Vielleicht kommt die Geschichte um Caroline Musselwhite noch einmal als etwas größeres Format.

Ich bin vielleicht etwas begriffsstutzig, aber das mit der Kusshand will sich mir irgendwie nicht so recht erklären …
Du bist nicht begriffsstuzig. Ich habe zwei Gedanken bei der Kusshand gehabt, aber die möchte ich an der Stelle nicht verraten. Das Ende musste ich auflösen, weil es ja der größte Kritikpunkt war und auch ein Grund, wo ich eure Hilfe brauchte. Die Kusshand ist seltsam, aber hat schon eine Bedeutung.

Hat Caroline gecheckt, dass der Mann im Anzug der Tod ist oder warum lässt sie sich auf ihn ein, um frei zu kommen? ... Obwohl sie sich doch vorher für die Todesstrafe bedankte? Denn: wenn sie wirklich glaubt, sie könne sich durch den Beischlaf „frei kaufen“, würde ich wissen wollen, woher der plötzliche Überlebens-Wunsch käme? Und wenn nicht: wie konnte sie sich sicher sein, dass der Tod an ihrem Bett saß & der Sex in den Tod führen würde? Hm, da musste ich grübeln.
Das ist die große Unstimmigkeit, da hast du recht. Ich kann auch gar nichts weiter tun, als beschämt nicken. Ich überlege mir, wie ich das retten kann.

Verwirrend war die Szene mit dem Himmel – nicht verwirrend, weil ich es nicht verstand, sondern weil es so paradox ist, dass sie als zweifache Kindermörderin in den Himmel aufsteigen würde.
Aber den Wortwechsel darüber fand ich ganz, ganz toll, nur leider in dem Zusammenhang etwas … ja, paradox.
Vielleicht ist Mr. Howard christlich und glaubt daran, dass einem alle Sünden verziehen werden? Dass es keine Hölle gibt? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Für die Rechtschreibfehler bedanke ich mich, wieder dieses dumme "Sie" und ein Vertippser. Ich frage mich immer, warum ich das nicht selbst sehe? Danke fürs Zeigen!

Das scheint mir nicht realitätsgetreu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst der härteste Bulle aller Zeiten bei einem solchen Anblick so cool bleiben könnte.
Dein Einwand mag stimmen, aber ich biete ja drei Möglichkeiten an, warum er in dem Moment seine Gefühle hinter seine Polizeirolle stellt. Manchmal ist es ja so, dass die in der Situation vielleicht die Ruhe bewahren und ruhig bleiben, und sich dann erst später den Kopf zerbrechen. Nicht schlafen können, usw. Hm, weiß nicht, ob da meine Meinung von den vielen amerikanischen Filmen zerstört wurde. Aber manchmal fühlt man auch und zeigt es nicht.

Es überrascht mich, dass es dir trotz diesem gewaltigen Handlungsstrangriss sehr gefallen hat. Vermutlich verstecke ich die inhaltlichen Mängel manchmal hinter meiner Sprache ...

Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar, hat mich gefreut und mir geholfen! Und vielen Dank auch fürs Rauspicken der Lieblingsstellen. Das ist immer toll!

Beste Grüße
markus.

***

Hallo Anakreon,

schön, dass dich der Titel hierher locken konnte und dass du dich zurück gesetzt gefühlt hast, dass war durchaus ein beabsichtigter Effekt.

Hier hätte ich Uhr nach den Ziffern weggelassen, da deren Bedeutung schon bekannt ist.
Muss ich noch einmal nachdenken, ich dachte, dass man das immer so schreibt. Rudimente des Deutschunterrichts.

Im gleichen Satz war vorab die Rede, sie sei hübsch und unangetastet und harmlos. Mein ästhetisches Empfinden geriet bei dem zitierten Satzteil deshalb ins Trudeln. Vielleicht täusche ich mich und sie ist wirklich knochig. Ansonsten wäre es mir harmonischer, sie mir als Frau mit hochstehenden Wangenknochen vorzustellen, ein klassisches Merkmal von Schönheit und Jugendlichkeit.
Da muss ich dir zustimmen. Ich streiche das jetzt, obwohl ich bewusst die Harmonie brechen wollte. Aber der Satz will etwas anderes und es soll da was Harmonisches sitzen.

Es ist mir nicht ersichtlich, welchen Stellenwert Du dem Wort gemeinen in diesem Satz einräumst. Wäre da einfache gestanden, hätte ich darüber hinweggelesen. So fiel mir auf, dass es an sich überflüssig ist, der Gefängniszelle keine tiefere Wertigkeit gibt.
Die gemeine Zecke - die einfache, schlichte Gefängniszelle, ich mochte die Doppeldeutigkeit des Wortes, weil es auch negativ befleckt ist. Habe da auch lange überlegt, mich dann aber so entschieden, aber es macht tatsächlich keinen großen Unterschied.

Wenn es ein Frauengefängnis war, wäre Insassinnen nicht unverfänglicher?
Für alles bekommen Frauen auch keine extra Begrifflichkeit.

Ich habe die Geschichte gern gelesen. Bis auf die Daten auf dem Holzkreuzchen blieb sie der Klassik verpflichtet, was es mir noch in seinem Reiz vertiefte.
Ich danke dir, lieber Anakreon, für deinen Leseeindruck, das Lob, die Zuneigung zum Klassischen in meinen Zeilen, die Zeit, die du für mich geopfert hast und deine Anmerkung. Ihnen allen kann ich eine Berechtigung einräumen, bis auf das "Insassinnen" - nicht alles, was im Duden steht, klingt richtig.

Vielen Dank!

Beste Grüße
markus.

***

Hallo zigga,

danke für die erneute Meldung. Bedeutet mir viel, dass du dich noch einmal mit dem Text auseinander gesetzt hast. Ich kann dir gar nicht viel dazu schreiben, außer das du recht hast. Du hast das Problem sehr schön benannt:

ich finde das schon gut, dass du nur einen Rockzipfel zeigen willst, aus dem man sich andere Sachen erschließen kann, aber wie du (leider) selbst siehst, ist das schon sehr versteckt an mancher Stelle ... ein klitzekleines bisschen mehr Rockzipfel würde die Story nicht schlechter machen, bin ich mir sicher!
Das muss ich wohl machen. Und ich würde dich auch nicht als unaufmerksamen Leser einschätzen. Keinen von hier, ich kenne das ja selbst manchmal, wenn man Texte fast überfliegt, und dann nur die Stellen anschaut, über die man gestolpert ist, dann kann man schon etwas übersehen. Aber deinem Kommentar war es ja anzusehen, dass du dich stark damit auseinander gesetzt hast. Novak hat ja auch stark suchen müssen und es kann nicht der Sinn einer Erzählung sein, dem Leser so viel Geduld und Suchwillen abzuverlangen. Ich finde den Text nun eigentlich ziemlich verhaut, weil ich das Ende ja jedem erklären musste, weil er so nirgends hingeführt hat.

Danke dir für dein erneutes Feedback!

Beste Grüße
markus.

 

Hallo Markus,

ich habe Deinen Text mit Spannung gelesen. Vieles daran ist Dir gut gelungen, finde ich. Aber es gab auch ein paar Sachen, über die ich gestolpert bin.

Waffenhandhabung – Kew hatte die Frage nach der Schrotflinte aufgeworfen. Einläufige Schrotflinten sind keineswegs selten oder ausschließlich ältere Modelle. Beim Militär und der Polizei werden sie häufig eingesetzt, oft in der Variante der berüchtigten Pumpgun mit Pistolengriff. Viele Amerikaner besitzen diese Modelle aus Gründen der "Home Security".

Was mich in Geschichten und Filmen stets etwas verwundert, ist die Sicherheit mit der Personen, die nie zuvor eine Waffe in der Hand gehalten haben, damit hantieren. Als ich zum ersten Mal eine Schrotflinte in die Hand gedrückt bekommen habe, stand ich zunächst ziemlich ratlos da. Ich wusste nicht auf Anhieb, wo und wie ich die Patronen einführen sollte, auch nicht wie die Waffe zu entsichern ist und ich machte mir darüber Gedanken, ob die Waffe mit dem Laden bereits schussbereit war oder ob es noch irgendeinen Spannvorgang gab.

In Deiner Geschichte hat Caroline Musselwhite möglicherweise Erfahrungen mit anderen Waffen oder sie hat ihren Mann beim Umgang mit der Flinte beobachtet. Trotzdem fiel mir die Passage auf.

Realistisch vs. Groteske – Vom Ansatz her ist das ja eine realistische Geschichte. Aber dass der Direktor des Gefängnisses diese Sexnummer abzieht, ist schon ziemlich bizarr. Man darf wohl annehmen, dass eine Mutter, die ihre beiden Kinder mit einer Schrotflinte erschießt, auch in Kalifornien einiges Aufsehen erregt. Eine derart "prominente" Gefangene unter (falschen) Versprechungen zum Sex zu überreden ist schon ziemlich phantasievoll. Ich glaube, damit verlässt Du den Bereich einer realistischen Geschichte. Das geht schon eher in Richtung Tarantino.

Auflösung – Mir scheint, dass zum letzten Schliff der Erzählung ein anders ausbalancierter Schwerpunkt nötig wäre. Ich habe vor kurzem eine spannende Geschichte ("Der Fall Collini") gelesen, in der das zentrale Thema ebenfalls ein grausamer und zunächst völlig undurchsichtiger Mord ist. Der Mörder weigert sich, irgendwelche Angaben zu machen, und alle Beteiligten (Staats- und Rechtsanwälte, Familienmitglieder und Richter) tappen erst mal in Dunklen.

Entsprechend dramatisch wird dann die Auflösung des Rätsels inszeniert, und ich denke, das befriedigt den Leser. In Deiner Geschichte ist es nun aber so, dass die zentrale Frage nicht aufgelöst sondern allenfalls angedeutet wird. Ich finde, dadurch verliert das Ganze an Wucht, auch wenn Du mit dieser Methode möglicherweise die Bedeutungsebenen auffächerst.

Man kann einwenden, dass Du den Schwerpunkt in eine andere Richtung verlagerst, weg vom Rätsel des Warum. Aber irgendwie erscheint mir das wie eine Flucht des Autoren vor genau der Frage, die jedem Leser unter den Nägeln brennt, obwohl man sie nicht beantworten kann. Denn gegen jedes Motiv der Mutter lässt sich ein Aber finden.

Fazit – Eine faszinierende Geschichte, sprachlich auf hohem Niveau erzählt. Mögliche Schwachpunkte sehe ich in der Glaubwürdigkeit einiger Details und dem Ende bzw. der Auflösung des Plots.

Beste Grüße
Achillus

 

Hey Markus!

Ich habe Deine Geschichte erneut gelesen, aber da ich die alte Druckversion nicht zum Vergleich hatte, habe ich jetzt keine argen Veränderungen feststellen können. Ich finde sie genauso gut wie vorher. ;) Einzig der Spannungsbogen war jetzt natürlich nicht mehr so groß, weil ich ja wusste, wie es enden würden.

Aber manchmal schließt man vom Äußeren aufs Innere und wenn man jemanden kennt, den man, beispielsweise, total unsympathisch empfindet oder der einen an einen Jungen erinnert, der einen früher in der Schule geschlagen hat, und man begegnet einem Menschen, der ihm ähnelt, projiziert man, denke ich, die Eigenschaften in diese Person.
Grundsätzlich gebe ich Dir Recht. Da Du aber kein einziges Wort über die Charaktere der Kinder, ihre Eigenschaften, ihr Verhalten verloren hast, wusste ich in dem Moment nicht, ob sie ihrem Vater nur in der Optik oder auch charakterlich glichen, deshalb erwog ich beide Varianten.

Du bist nicht begriffsstutzig. Ich habe zwei Gedanken bei der Kusshand gehabt, aber die möchte ich an der Stelle nicht verraten. Das Ende musste ich auflösen, weil es ja der größte Kritikpunkt war und auch ein Grund, wo ich eure Hilfe brauchte. Die Kusshand ist seltsam, aber hat schon eine Bedeutung.
Ha! Jetzt habe ich auch einen Gedanken!!! :D
Bekomme ich denn Bestätigung, sollte mein Gedanke einen Deiner Gründe treffen? Ist eigentlich ganz simpel und plötzlich so klar, was es bedeuten könnte. Aber ich war ein bisschen blind dafür. Könnte aber natürlich genauso sein, dass ich letztlich doch auf völlig falscher Fährte bin. :hmm:

Vielleicht ist Mr. Howard christlich und glaubt daran, dass einem alle Sünden verziehen werden? Dass es keine Hölle gibt? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Das ist eine plausible Möglichkeit …

Dein Einwand mag stimmen, aber ich biete ja drei Möglichkeiten an, warum er in dem Moment seine Gefühle hinter seine Polizeirolle stellt. Manchmal ist es ja so, dass die in der Situation vielleicht die Ruhe bewahren und ruhig bleiben, und sich dann erst später den Kopf zerbrechen.
Stimmt schon. Bin mir sicher, dass Polizisten am Tatort sehr professionell sein und sich beherrschen können und sehr diszipliniert & routiniert handeln. Ich bin nur drüber gestolpert, dass er in den Kindern nicht (mehr) die Kinder, sondern einen BEWEIS sah. Das Wort „Beweis“ in dem Fall quasi als Synonym für die Kinder mit den Augen des Officers, das war einfach etwas, das ich mir nicht vorstellen konnte, bzw. kann. Auch dann nicht, wenn er sich seinen Schock über den Anblick nicht anmerken ließe.
Ein Gespräch mit dem Tod ist surreal, vielleicht sogar fantastisch, aber das konnte ich mir eher vorstellen als die Kinder als Beweis. ;)

Es überrascht mich, dass es dir trotz diesem gewaltigen Handlungsstrangriss sehr gefallen hat. Vermutlich verstecke ich die inhaltlichen Mängel manchmal hinter meiner Sprache ...
Nein, Markus, nicht nur wegen der Sprache. Auch wenn ich am Ende ZUNÄCHST etwas verwirrt war, so war Dein Handlungsstrang doch so konzipiert, dass die Spannung nicht allein durch die Sprache, sondern viel eher durch die Neugier „Wie geht es weiter? Was passiert als Nächstes? Warum hat sie sie umgebracht? Was geschieht mit ihr?“ aufgebaut wurde, also durch die Handlung.

Lieber Gruß von
Meraviglia

 

Hallo Achillus,

es ist schön zu sehen, wie unterschiedlich hier kommentiert wird, deine Art hat mir gut gefallen, weil du ziemlich genau benennst, was du gut oder schlecht findest und das ausgesprochen nachvollziehbar begründest.

Die Waffenkritik hingegen verstehe ich nicht ganz:

In Deiner Geschichte hat Caroline Musselwhite möglicherweise Erfahrungen mit anderen Waffen oder sie hat ihren Mann beim Umgang mit der Flinte beobachtet. Trotzdem fiel mir die Passage auf.
Du beschreibst doch selbst, dass wenige damit Erfahrung haben, und Caroline ist überrascht vom Rückschlag, sie kennt die Streukraft nicht, und obwohl sie so nah dran steht, verfehlt sie Lucy, und beim Nachladen ist sie auch nicht souverän, es braucht viel Zeit. Klingt nicht nach viel Erfahrung für mich.

Eine derart "prominente" Gefangene unter (falschen) Versprechungen zum Sex zu überreden ist schon ziemlich phantasievoll. Ich glaube, damit verlässt Du den Bereich einer realistischen Geschichte. Das geht schon eher in Richtung Tarantino.
Da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Ich weiß nicht, inwiefern du die Kommentare der anderen gelesen/ überflogen hast, es ist ja so, dass der Text als unstimmig wahrgenommen wird, weil mir das Ende verunglückt ist oder es nicht so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nicht nur der Sex mit dem Direktor ist phantasievoll, auch, dass er den Tod, das Ende verkörpert, verlässt jegliche Realität, aber ich glaube, ich habe schon seit drei Jahren kein Text mehr eingestellt, der die Realität nicht verlassen hätte. Ich weiß jetzt auch nicht, ob du das als negativ empfindest, aber ich kann nachvollziehen, dass die ernste und nüchterne Betrachtung am Ende einfach nicht in solch phantasievollem Abgang enden kann.

Mir scheint, dass zum letzten Schliff der Erzählung ein anders ausbalancierter Schwerpunkt nötig wäre.
Ja, das fürchte ich auch. Beim Schreiben hatte ich zwei Ideen für das Ende, und anstatt mich zu entscheiden, habe ich irgendwie beide gemischt und das ist, so glaube ich, das große Problem an dem Ganzen.

Man kann einwenden, dass Du den Schwerpunkt in eine andere Richtung verlagerst, weg vom Rätsel des Warum. Aber irgendwie erscheint mir das wie eine Flucht des Autoren vor genau der Frage, die jedem Leser unter den Nägeln brennt, obwohl man sie nicht beantworten kann.
Das kann man mir tatsächlich vorwerfen, aber ich bin nicht vor dem Warum geflohen, ich wollte das nicht aussprechen, auch weil ich es als realistisch und durchaus möglich halte, dass manchmal, gar nicht so selten, Dinge geschehen, ohne zu wissen, warum.

Eine faszinierende Geschichte, sprachlich auf hohem Niveau erzählt. Mögliche Schwachpunkte sehe ich in der Glaubwürdigkeit einiger Details und dem Ende bzw. der Auflösung des Plots.
Mit diesem Fazit triffst du dem Ochsen auf die Stirn, dein ABER sehe ich ein, habe ich mir ja schon ziemlich bald nach Einstellen des Textes eingestehen müssen, und über das Lob habe ich mich sehr gefreut.

Vielen Dank für deinen sehr präzisen Kommentar, die Zeit dafür und deine Gedanken darin.

Beste Grüße
markus.

***

Liebe Meraviglia,

es freut mich, dass du dich noch einmal meldest und an dieser Stelle muss ich dir sagen, dass ich deinen Usernamen mag. Ist eine Mischung aus Stützzellen des Nervensystems (Gliazellen) und beginnt wie Arzneimittel, wobei Mera ähnlich wie Mira klingt und dem Ganzen etwas Wundersames verleiht. Ich hoffe, du verstehst das als Kompliment.

Danke, dass du noch einmal auf ein paar Dinge eingegangen bist, ich kann dazu gar nicht viel sagen, aber es hilft mir, deine Meinung zu meiner Antwort zu sehen. Sollte ich auf irgendetwas mehr eingehen oder solltest du etwas in meiner Antwort vermissen, kannst du mir das gerne sagen.

Ha! Jetzt habe ich auch einen Gedanken!!!
Bekomme ich denn Bestätigung, sollte mein Gedanke einen Deiner Gründe treffen? Ist eigentlich ganz simpel und plötzlich so klar, was es bedeuten könnte. Aber ich war ein bisschen blind dafür. Könnte aber natürlich genauso sein, dass ich letztlich doch auf völlig falscher Fährte bin.
Ich kann dir folgendes anbieten: Du kannst mir per PN deinen Tipp schicken, dann werde ich ihn bejahen oder verneinen.

Nein, Markus, nicht nur wegen der Sprache. Auch wenn ich am Ende ZUNÄCHST etwas verwirrt war, so war Dein Handlungsstrang doch so konzipiert, dass die Spannung nicht allein durch die Sprache, sondern viel eher durch die Neugier „Wie geht es weiter? Was passiert als Nächstes? Warum hat sie sie umgebracht? Was geschieht mit ihr?“ aufgebaut wurde, also durch die Handlung.
Das freut mich, wie dein ganzer Kommentar und der Kommentar zuvor. Vielen Dank für deine Zeit und deine Zeilen!

Beste Grüße
markus.

 

Die Waffenkritik hingegen verstehe ich nicht ganz:

Du beschreibst doch selbst, dass wenige damit Erfahrung haben, und Caroline ist überrascht vom Rückschlag, sie kennt die Streukraft nicht, und obwohl sie so nah dran steht, verfehlt sie Lucy, und beim Nachladen ist sie auch nicht souverän, es braucht viel Zeit. Klingt nicht nach viel Erfahrung für mich.


Ja, Markus, das ist ein bisschen missverständlich, stimmt. Die Probleme, die Caroline mit der Waffe hat, entstehen erst nach dem Abfeuern des ersten Schusses. Ich fand es wohl überraschend, dass sie die Waffe überhaupt entsichern, laden, spannen kann. Aber das ist nur Nebensache, hat für den Text sonst keine Bedeutung.

Gruß Achillus

 

Hallo Markus,

die englischen Namen sind etwas befremdlich zu Beginn, damit tat ich mich schwer, muss ich gestehen. Auf mich wirkt der erste Absatz am stärksten in der gesamten Geschichte, es ist eine in sich stimmige Konstruktion. Bester Satz: Hätten in ihrem Gesicht nicht Fetzen ihrer Kinder gehangen und wäre ihr Nachtkleid nicht von Blutspritzern verziert gewesen, hätte man sie mit einer Frau verwechseln können, die sich aus Schlaflosigkeit vors Haus gesetzt hatte, um eine Zigarette zu rauchen oder ein Glas Milch zu trinken. Top! Auf mich wirkt das alles konstruiert, doppelbödig. Für mich liest sich das in etwa wie Thomas de Quincey "Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet", schwarz, bitterböse, gallig, zynisch, aber auch eben elegant.

Die Geschichte lässt dann leider nach, und das ist ärgerlich. Die Unerklärbarkeit, die Unmittelbarkeit dieses Mordes, das ist dem ersten Absatz immanent, sie ist schuldfähig, es ist passiert, da ist nichts Spekulatives vorhanden. Dann wird es immer wirrer, und die Provokationen mit Wichsen und durch den Schlitz gucken, die wirken nicht, die bleiben fahl, eben weil du so einen doppelten Boden aufgebaut hast: Ein Selbstmord in einer der Varianten a la "Harold and Maude" wäre passender, es wäre dem Sujet und der Atmo zuträglicher.

Ich weiß nicht, ob du da eine metaphysische Erklärung hast, für das ganze Anstecken, den Teufel, dann den hässlichen Typen, der ja irgendwie sein Selbst wechseln kann, ich blicke da jedenfalls nicht durch. Es ist der Teufel nehme ich an, und am Ende wäre es "Deathsex", das wäre jedenfalls mal rein freudianisch so anzunehmen. Ich weiß nicht. Mir fehlt da ein Mittelteil, in dem sich etwas entwickelt, mir kommt das zu plötzlich, schwupp, und Ende. Ich würde mir da, vor der finalen Abstraktion, mehr wünschen, mehr von diesem fiesen Humor, mehr von Allem - es sollte edgy sein, wie es die Amis nennen, ein Ritt auf der Rasierklinge.

Ich habe es gerne gelesen, wirklich, für mich funktioniert aber so das Ende nicht, das wirkt gegen den ersten Teil, den Einstieg, viel zu fade, zu unausgegoren.

Gruss, Jimmy

 

„Und ob das Unglück bringt, Miss Musselwhite.“
Vor einigen Jahrzehnten berichteten die Gazetten, dass der Massenmörder Wood hingerichtet wurde, eine Nachricht, die ihren Witz daraus zog, dass Mr. Wood buchstäblichen Galgenhumor bewies. Als er nämlich auf den Elektrischen Stuhl zu sitzen kam, konnte er sich nicht vorm eigentlichen Höhepunkt des Events den Satz ans Publikum verkneifen, man werde nun sehen, wie Holz auf Elektrizität wirke.
Wie nun eine weiße Miesmuschel auf Chemie reagiert, weiß ich so recht nicht, wohl aber, dass ich von der Geschichte hier sehr angetan bin.
In der gemeinen Gefängniszelle fühlte sich Caroline Musselwhite geächtet, aber erst in der Todeszelle bemerkte sie, dass sie sterblich war,
wie wir alle, ob in der Todeszelle, dem Hospiz oder zuhaus im Bett. „Der Dichter schickt den Tod einfach in die Erdbeeren …“ schrieb Gottfried Keller an Theodor Storm und die Worte wollen mir seit einiger Zeit durch Dich erfüllt zu werden,

lieber Markus,

wobei in der weißen Miesmuschel auch in jenem unbekannten höheren Wesen (das aber nicht das des Dr. Murke meint), als welche sich ja auch Direktoren – und wär es nur ein JVA – aus einem beliebigen Krähwinkel (wie der Name des hiesigen mir erscheinen will: Krenwinkel, woraus lautlich gar ein Krähenwinkel würde). Und schön, wie sie in oder von Krähwinkel-Charon an der Hand genommen in die Unterwelt hinabsteigt …

Aber der sich da höflich gibt (aber nicht allein, schon der Wärter spricht die Kindermörderin in der Höflichkeitsform an, was den schönen Kontrast von Duzen und Siezen mündet – die Täterin hat die Distanz verloren, die Amtsperson wahrt Distanz) ist gar nicht der, den er vorgibt zu sein

„Heute bin ich der Direktor des Gefängnisses. Sein Name ist Patrick Krenwinkel.“
Denn auch er beginnt, trotz seines Siezens die erwachsene Frau, Mutter und Mörderin, die Distanz aufzugeben mit der Anrede als Miss/Fräulein (s. o.), täuscht ihr Wahlfreiheit vor
…, ob Sie in diesem Grab liegen möchten oder nicht“ [Wobei die Antwort nur schräg sein kann:]„Daneben will ich nicht liegen. Ich möchte schon in das Grab.“
Und dann ein kleiner Schwindel:
… Ich biete Ihnen die Möglichkeit, älter als dreißig zu werden. …
Rein rechnerisch steht die Frau schon mitten in ihrem 31. Lebensjahr (30 ½ Jahre und mehr als ein Dutzend Tage, man ziehe mal das Geburtsdatum vom Todestag ab, was wahrlich keine höhere Mathematik erfordert). Das schlüpfrige Angebot hängt also wie jeder Tausch eng mit Täuschung zusammen.

Und letztlich kann gar kein Zweifel daran bestehen, was da geschieht:

„Kannst du das überhaupt entscheiden? Und wenn ich frei bin – was passiert, wenn ich allen davon erzähle?“
„Das wird nicht geschehen.“

Einige Schnitzel, wie der Chinese so sagt:

Eine ungewöhnliche Schreibweise des Vornamens

Dr. Micheal Young

Hier nun Verwechselung der Attribute/Adjektive rechtschaffen und rechtschaffend:
So rechtschaffende Personen …
Arzt und Richter schaffen auch in Cal. nicht Recht …

So viel oder wenig für heute!

Gruß

Friedel,
der schon ein bisschen neidisch werden könnte ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jimmy,

es ist ein interessanter Effekt, dass meine Geschichten immer weniger polarisieren, bis auf ein, zwei Ausnahmen überschneidet sich die Kritik jedes einzelnen Kommentators in sehr entscheidenden Punkten. Hier ist es das abflachende Ende, wobei ich es nicht, wie du, als unausgegoren bezeichnen würde, ich finde es sogar sehr durchdacht, es ist nur eben das falsche Ende, vielleicht steht das richtige Ende auch einfach nur falsch da.

Dass dir die Namen befremdlich vorkamen, hm, weiß nicht, was ich dazu sagen soll, es spielt eben woanders und woanders heißen die Menschen anders, das weißt du ja selbst. "Konstruiert" verwendest du hier als Vorwurf und Lob zugleich, wenn du über meine Geschichte schreibst:

schwarz, bitterböse, gallig, zynisch, aber auch eben elegant.

Ein Selbstmord in einer der Varianten a la "Harold and Maude" wäre passender, es wäre dem Sujet und der Atmo zuträglicher.
Im Grunde ist es ja ein Selbstmord. Nur begeht sie ihn nicht selbst. Ich habe da etwas versucht, was meine Fähigkeiten (noch) übersteigt.

den Teufel, dann den hässlichen Typen, der ja irgendwie sein Selbst wechseln kann, ich blicke da jedenfalls nicht durch.
Ja, der Tod, die Giftspritze, das Ende, symbolisiert durch den fetten Direktor Krenwinkel - hab viele Hinweise gestreut, aber doch zu wenig. Und eigentlich ist deine "Deathsex"-Interpretation nicht so weit davon entfernt. Aber ich stimme dir zu, dass etwas vor dieser Abstraktion fehlt, ein Bindeglied. "edgy" ist übrigens ein cooles Wort!

Vielen Dank, Jimmy, für deinen Kommentar, er hat mich gefreut, auch dass du eine Lieblingsstelle herausgepickt und den Text am Ende (also nicht das Ende) gern gelesen hast. Danke für deine Zeit und deine Zeilen!

Beste Grüße
markus.

***

Hallo Friedel,

die Geschichte vom Wood und deine anfänglich, wortverspielte Frage, "Wie nun eine weiße Miesmuschel auf Chemie reagiert[?]", haben mich sehr gefreut und zugleich unterhaltend in deinen Kommentar gezogen, es ist ja kein Geheimnis, dass man (und damit meine ich, glaube ich, mich) deinen Wortspielerein ab und zu nicht hinterherkommt, hier ist es anders. Du sagst es mir dann auch gleich ohne Zensur oder Verzerrung:

Wie nun eine weiße Miesmuschel auf Chemie reagiert, weiß ich so recht nicht, wohl aber, dass ich von der Geschichte hier sehr angetan bin.
Das freut mich freilich!

Und schön, wie sie in oder von Krähwinkel-Charon an der Hand genommen in die Unterwelt hinabsteigt …
Ich mag, wie du den amerikanischen Namen einen deutschen Grundton einräumst, und tatsächlich hab ich die beiden Namen nach ihrem deutschen Klang gewählt, die Krähe war mir nicht deutlich vor Augen, aber die kommt ja erst nach einer kurzen Verzögerung, mit Verspätung. Man darf ihr nicht beim Fliegen zusehen, nur beim Picken, da darf man sie fühlen, schön auch, dass du zu der Minderheit gehörst, die das aus dem Text herauslesen konnte.

Aber der sich da höflich gibt (aber nicht allein, schon der Wärter spricht die Kindermörderin in der Höflichkeitsform an, was den schönen Kontrast von Duzen und Siezen mündet – die Täterin hat die Distanz verloren, die Amtsperson wahrt Distanz) ist gar nicht der, den er vorgibt zu sein
Ein bisschen fürchtete ich diesen leichten Trick anzuwenden, auch, weil das im Englischen gar nicht möglich ist.

Das schlüpfrige Angebot hängt also wie jeder Tausch eng mit Täuschung zusammen.
Sehr schön erkannt!

Dr. Micheal Young
Uhhh, in der Tat ungewöhnlich!

Hier nun Verwechselung der Attribute/Adjektive rechtschaffen und rechtschaffend:
Auch hier stimme ich dir zu!

Ich danke dir für deinen schönen Kommentar, die wertvollen Hinweise, aber merkstu, ich verschleire meine Fehler immer geschickter! Dein "bisschen neidisch sein wollen" schmeichelt mir, aber ich sehe zu Neid gar keinen Grund!

Danke!

Beste Grüße
markus.

 

Ich danke dir für deinen schönen Kommentar, die wertvollen Hinweise, aber merkstu, ich verschleire meine Fehler immer geschickter! Dein "bisschen neidisch sein wollen" schmeichelt mir, aber ich sehe zu Neid gar keinen Grund!
Nix zu danken, weize doch - und allet wenichstens n bissken ironisch.

Sollten übrigens n Club der Ironiker bilden, meint der

Friedel

 

Hallo Markus,
außergewöhnlich gut, Deine Geschichte.
Schön, dass Du den Leser Raum für eigene Gedanken lässt, ihr 'Motiv' nur andeutest.
Die 'Direktorszene' gefällt mir nicht so gut, hier triftet die Story ab, auch das mit der Nicht-Brille habe ich nicht verstanden.
Am Ende hast Du mich wieder.
Sehr gern gelesen!
Damaris :)

 

Hallo Damaris,

danke für deinen Kommentar! Es freut mich, dass dir die Geschichte großteils gefallen hat. Ob du die ganze "Direktorszene" nicht verstehst oder schlicht nicht magst, weiß ich nicht, auf jeden Fall ist das für mich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Die Nicht-Brille kann ich dir so erklären, dass der Tod auch durch schlechte Augen gut sieht.

Beste Grüße
markus.

 

Hallo Markus,
ich mag sie nicht und sie erschließt sich mir nicht.
Der Tod sieht auch durch schlechte Augen gut? Warum und was sieht er? Für "ihn" sind wir alle gleich, ob toll oder mies, jung oder alt, arm oder reich, spielt nichts davon eine Rolle. Wenn schon, dann passt darauf doch eher die Maulwurfsblindheit.
Vielleicht stehe ich ja auf den Schlauch.
LG Damaris

 

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