Was ist neu
Beitritt
15.10.2015
Beiträge
938
Zuletzt bearbeitet:

Burnout

"Tja, mein Lieber, die Beschwerden, die Sie mir da schildern, deuten auf einen klassischen Burnout hin. Ich bin natürlich kein Spezialist, da werde ich Sie weiterverweisen müssen. Aber die Sache erscheint mir doch ziemlich eindeutig."

"Meinen Sie wirklich, Herr Doktor? Ich meine - es stimmt schon, ich stand ziemlich unter Strom in letzter Zeit. Und es fällt mir auch manchmal schwer abzuschalten. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich überlastet bin."

"Wenn Sie wüssten, wie viele das sagen - das höre ich geradezu in Endlosschleife. Heutzutage sind im Betrieb alle auf Höchstleistung geeicht. Immer mehr Anweisungen in immer kürzerer Zeit ausführen, und das natürlich im Multitasking. Ich sage Ihnen, da steckt ein Fehler im System, gerade in der IT-Branche wie bei Ihnen. Wie viele E-Mails bekommen Sie zum Beispiel jeden Tag?"

"Ja, viele, aber darauf kommt es doch eigentlich gar nicht an. Ich bin schließlich ein Digital Native, Kommunikation ist bei mir Programm. In meinem Job muss ich nun mal viele Informationen parallel verarbeiten und zwischen unterschiedlichen Kanälen vermitteln. Dass man da auch mal temporär an die Kapazitätsgrenze stößt, ist doch normal."

"Aber gesund ist es nicht, so viel steht fest. Der Tagesablauf völlig fragmentiert, keinerlei Leerlauf mehr - so ist es doch, oder?"

"Naja, mein Tag ist schon eng getaktet. Was ich alleine alles canceln musste, um heute zu Ihnen zu kommen ..."

"Sehen Sie? Und wenn Sie jetzt mal zurückdenken: Hatten Sie vielleicht früher schon irgendwelche Ausfallerscheinungen?"

"Ach, manchmal fehlt einem halt ein bisschen die Energie. Dann braucht man eben mal etwas länger, bis man morgens auf Betriebstemperatur kommt."

"Soso. Und weiter?"

"Nun, wenn Sie so fragen ... gelegentlich habe ich so ein Rauschen in den Ohren ..."

"Aha. Weiter ...?"

"... und neuerdings habe ich manchmal solche Aussetzer ... also, ich komme mir schon albern vor, es zu erwähnen, aber neulich in einer Webkonferenz hatte ich eine dermaßen lange Leitung - da habe ich mich allen Ernstes gefragt, ob ich überhaupt noch den Turing-Test bestehen würde."

"Das finde ich kein bisschen albern, sondern ziemlich bedenklich. Wie sieht es denn bei Ihnen mit Kontakten außerhalb der Arbeit aus? Sie wissen schon - mal ein bisschen Überspannung abbauen?"

"Naja, da herrscht bei mir ziemliche Funkstille, ich bin in solchen Dingen wohl einfach verklemmt. Bei uns in der Buchhaltung gibt es jemanden - ein ziemlich heißes Gerät, wenn ich das mal so sagen darf. Wir waren einmal zusammen aus. Aber anscheinend waren wir nicht kompatibel, der Funke ist nicht wirklich übergesprungen. Jedenfalls habe ich hinterher die Verbindung wieder abreißen lassen."

"Sie müssen aber unbedingt mal wieder Ihren Akku aufladen, bevor Ihnen eine Sicherung durchbrennt. Haben Sie denn schon mal eine Eingabe an Ihr Management gerichtet? Um eine Reduzierung Ihrer Arbeitslast gebeten?"

"Das kann ich nicht bringen. Ich habe doch in meiner gesamten Karriere immer maximale Power gezeigt. Meine Performance ist der Benchmark für die ganze Firma, sagt der Chef immer. Der zieht mir glatt den Stecker, wenn ich ihm mit sowas komme, das weiß ich jetzt schon."

"So etwas geht nie ohne Widerstände. Die lassen sich immer irgendwie überwinden, aber das müssen Sie natürlich auch wollen. Haben Sie sich schon mal gefragt, ob Sie es vielleicht auch genießen, diese zentrale Schnittstellenfunktion zu haben? Für alle der Treiber zu sein und sich gleichzeitig ständig selbst zu optimieren? Vielleicht sollten Sie Ihre Verfügbarkeit einfach mal etwas einschränken, um Ihre Reserven zu schonen."

"Diesen Impuls hatte ich auch schon manchmal. Aber ich muss doch twentyfour-seven für Feedback erreichbar sein ..."

"Und da zweifeln Sie noch, dass Sie wirklich in Gefahr sind auszubrennen? Sie befinden sich doch jetzt schon in einem absoluten Information Overload. Der führt Sie direkt in die digitale Demenz. Danach kommt irgendwann der totale Blackout - und ich soll hinterher den Schaden reparieren."

"Also gut, Herr Doktor, ich sehe es ja ein. Aber welche Optionen habe ich denn?"

"Nun, wie schon gesagt, das braucht einen Spezialisten. Ich möchte Sie gerne an einen Kollegen weiterleiten - hier ist seine Adresse. Er ist wirklich gut, glauben Sie mir. Der wird Sie schon wiederherstellen, bald sind Sie wieder wie neu."

"Herzlichen Dank. Ich weiß nicht, was ich ohne Ihren Support machen würde."

"Keine Ursache. Aber denken Sie daran: Sie müssen auch einiges an Ihrer Arbeitsumgebung weiterentwickeln."

"Das werde ich, Herr Doktor. Auf Wiedersehen."

"Alles Gute."

Der Arzt begleitete seinen Patienten an die Tür, dann rollte er zurück ins Sprechzimmer. "Schon der Dritte diese Woche", sagte er kopfschüttelnd zu seiner Assistentin, die gerade vierhändig einen Krankenbericht tippte. "Die moderne Arbeitswelt ist aber auch wirklich inhuman. Wenn ich bedenke, dass man das früher sogar Menschen zugemutet hat ..."

 

Hallo Holg

Mir hat deine Geschichte gefallen. Am Schluss musste ich schmunzeln.

Natürlich fielen mir zwischendurch die vielen IT-Ausdrücke auf, die ich mir aber schnell als eine Manier der Figur erklären konnte. Dass die Figur ein Roboter oder so eine ähnliche Maschine ist, bemerkte ich erst am Schluss. Fehler sind mir keine aufgefallen. Es fiel mir auch sonst nichts auf, das ich konstruktiv benörgeln könnte.

Gruss teoma

 

Hallo Isegrims,

vielen Dank für Deine ausführliche Kritik.

im Grunde wirfst du Fragen auf, die spannend sind... der sich selbst optimierende Roboter, der Menschen ersetzt, komplexe Arbeit erledigt, die Menschen weder in der Präzision, noch in der Schnelligkeit erledigen können... und dann an menschlichen "Schwächen" scheitert. Eine Menschmaschine, die nicht (mehr) funktioniert.

Du hast recht, das sind in der Tat spannende Fragen, aus denen man mit Sicherheit eine tolle Geschichte (oder mehrere) machen kann. Nur leider nicht diese Geschichte ...

Mir scheint, Du bist in dieselbe Falle getappt wie einige andere vor Dir, indem Du hier eine tiefgehende Science-Fiction-Story erwartest, die genau solche Themen auslotet. Was ich geschrieben habe, ist aber nur eine kleine Satire, die überhaupt keine SF sein will, sondern vielmehr eine Aussage über das heutige Arbeitsleben machen soll, indem sie es andeutungsweise mit einem SF-Szenario vergleicht.

"In die Falle getappt" soll dabei keineswegs heißen, dass Du (und die anderen Betroffenen) selber daran schuld wärst. Vielmehr liegt es natürlich bei mir, deutlich zu machen, wo ich mit der Geschichte hinwill. Ich bin aber ehrlich gesagt ratlos, wie ich das deutlicher machen kann, ohne eine komplett andere Geschichte zu erzählen. Ich habe ja schon ein Satire-Tag und kein SF-Tag gesetzt, außerdem habe ich bei der Überarbeitung die SF-Bezüge, die zuvor im vorderen Teil enthalten waren, entfernt. Was kann ich noch tun? Für Anregungen wäre ich wirklich dankbar. Ansonsten bliebe mir nur die Schlussfolgerung, dass dieser Text einfach nicht für jeden funktioniert.

Nur leider benennst du das nicht und schwelgst stattdessen in einer scheinbar satirisch-lustigen Attitüde, die mich als Leser eher gelangweilt zurücklässt.

Nun, Satire soll es ja wie gesagt sein. Lustig? Ist nicht unbedingt das Ziel. Dass der Dialog mit dem ganzen Tech-Denglisch-Kauderwelsch einen eher leicht gequält das Gesicht verziehen lässt, ist ja genau der Effekt, den diese Sprechweise (zumindest auf mich) auch im wahren Leben hat. Und bei der Auflösung kann man schmunzeln, muss man aber nicht. Wichtiger ist mir, dass man kurz innehält und überlegt, was das aussagt.

So weit meine Intention. Inwieweit ich sie erreiche - nun ja ...

ziemlich abgedroschen, wäre aber evtl lustig, wenn du es irgendwie verfremdest, einen besonderen Sprachstil verwendetst, sodass der Leser bemerkt, dass es sich um einen Roboter handelt...

Nun, wie schon an anderer Stelle angemerkt, ist es gerade nicht meine Absicht, dass man das merkt. Entsprechendes gilt auch für die meisten Deiner anderen Anmerkungen (Roboteralltag usw.).

cooler Ausdruck, aber ich glaube besser mit Bindestrich

Ich glaube eher nicht, aber mit englischen Ausdrücken im Deutschen ist das ja immer so eine Sache.

Also noch mal danke für Deine wohlmeinenden Hinweise. Vielleicht mache ich ja tatsächlich mal eine Geschichte, die die Arbeitswelt eines Roboters näher beleuchtet. Ein spannendes, aber schwieriges Feld ...

Grüße vom Holg ...

 

Hallo teoma,

schön, dass es Dir gefallen hat. Offenbar ist die Geschichte bei Dir so angekommen, wie es beabsichtigt war. Wenn ich es jetzt noch hinbekäme, dass das bei mehr Leuten funktioniert ... :hmm:

Grüße vom Holg ...

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom