Was ist neu

Bullshit

Seniors
Beitritt
02.01.2011
Beiträge
967
Zuletzt bearbeitet:

Bullshit

Heer kommt mit diesem Neuen auf den Weihnachtsmarkt gelaufen, zu den Treppenstufen vor Nordsee, auf denen wir sitzen. Er ist erst dreizehn, sagt Heer, und gerade frisch aus dem Heim getürmt; und als ich dem Typen ins Gesicht blicke, habe ich für eine Sekunde das Gefühl, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben: Auf der einen Backe hat er diese lange, breite Narbe, vom Kinn bis zur Wange, und außerdem ist sein rechtes Auge blau und zugeschwollen. Ich frage ihn, was mit seinem Gesicht los is’, und der Junge spuckt mir erst einen dicken Rotzfaden vor die Füße, dann blickt er mir scharf in die Augen und sagt, ihn hätte früher irgend ’ne Erzieherin mal mit dem Gesicht gegen ’ne Heizung gedrückt, ’ne halbe Stunde lang; und dann wird er pissig, der Typ, dann blickt er an mir vorbei und sagt, was ich so neugierig bin, »Neugierige leben kurz«, sagt er.
Ich sitze noch auf meiner Decke, ziehe meine Jacke zu, rauche und spucke auf die Pflastersteine neben mir. »Bin halt ’ne neugierige Seele«, sage ich, »ansonsten nix.«

Fünf Minuten später sind wir auf dem Weg zum CityMarkt, ein paar Bier ziehen, ich zähle die Münzen in meinem Handschuh: Über sechs Euro, Weihnachtszeit ist beste Zeit. Heer hat den neuen Typen mitgeschleppt, und der wirft mir so Blicke zu, als ob er denkt, dass ich ihm gleich das Bier zahlen würde.

Am meisten fickt mich die Kälte. Klingt bescheuert, aber es gibt Leute, die gehen zugrunde, weil sie zu viel Blut sehen, oder weil sie in einem Hausflur aufwachen und ihren Nebenmann grau und tot sehen, mit dem sie noch am Abend zuvor rumgefeixt und Shit geraucht haben. Und ich gehe eben drauf, weil mir literweise der Rotz aus der Nase läuft, und weil ich nächtelang meine Füße und Beine nicht mehr fühle, obwohl ich Hundert Paar Socken und Hosen anhabe. Heer sagt, er spürt sie gar nicht mehr, die Kälte, Heer sagt, er würde sie nach einiger Zeit einfach vergessen; und tatsächlich läuft er schon wieder mit fast nichts als ein, zwei Lagen unter seinem grauen Woll-Parka herum, der Riese, und ich zittere mit vier Schichten T-Shirts und Pullis durch die Fußgängerzone. Heer wollte früher Anwalt werden, hat er mir mal erzählt, und daran muss ich manchmal denken. Ein schlaues Gesicht hat er ja schon, und mit ’nem ordentlichen Aufzug, wer weiß. Ab und zu fischt er sich Zeitungen aus Mülleimern, und dann setzt er sich auf irgendeine Parkbank und blättert sie seelenruhig und hochkonzentriert von vorne bis hinten durch; und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.
Der Neue lacht und feixt mit Heer herum, aber er trägt bloß so eine dünne Trainingsjacke und zittert wie bescheuert, mit den Händen in den Hosentaschen und der Kapuze eng über den Kopf gezogen. Als wir schließlich im Supermarkt ankommen, schlendern wir möglichst lange durch die Gänge, um aufzuwärmen, aber nach fünf Minuten haben wir schon den Filialleiter im Nacken.

Irgendwas an dem Neuen passt mir nicht. Er ist okay und alles, aber da ist was an ihm, was mir Kopfschmerzen macht. Heer und ich geben ihm eins unserer Biere ab, weil er fast losheult, als ich ihm sage, dass wenn er was saufen will, er sich selber Cash ranschaffen soll. Wir stehen ein bisschen vor dem CityMarkt, trinken und blicken den Leuten und Kindern und Taxen hinterher, aber die Flaschen sind kalt und der Kleine fängt wieder so sehr das Frösteln und Zittern an, dass ich Heer anblicke und sage: »Wird Zeit für ’ne Bahn oder?«

Bahnfahren könnten Heer und ich den ganzen Tag, nur die Kontrolleure stehen zwischen uns und der unbegrenzten Heizung. Ich liege halb in meinem Sitz, meine Wangen werden heiß vom plötzlichen Temperaturumschwung, ich blicke aus dem Fenster: Straßen, Autos, LKWs; graue, gelbe, braune Wohnblöcke, schicke Cafés, Handyläden, Ein-Euro-Shops und Bäcker. Der Neue sitzt mir auf dem Vierer gegenüber, und als ich zu ihm rüberblicke, sehe ich, dass er mich anstarrt.
»Wie heißt du«, sage ich.
»Was?«, sagt er.
»Wie du heißen.«
Er überlegt einen Augenblick, dann sage ich: »Kein Grund für Schaum vorm Mund, okay?«
Er nippt an der Flasche, dann blickt er aus dem Fenster und sagt: »Nikolaj.«
»Siehste«, sage ich, »is’ doch schon mal was. Jaden heiß’ ich«, sage ich, und er nickt, ohne mich anzusehen. Heer reibt sich die Hände in den Fäustlingen und blickt den Gang auf und ab: Vor ein paar Wochen wurden wir geschnappt, von den Kontrolleuren, und dann hieß es für jeden von uns: Bullen, Jugendamt, Papierkram, und anschließend ’ne Nacht in einem dieser beschissenen Notwohnheime, von denen man am nächsten Tag erst mal wieder zurück in die Stadt kommen muss. Warm ist es da, ja; aber nüchtern musst du sein, den ganzen Tag, ständig kommen sie mit ihren Piss- und Blastests – und was mir nüchtern in den Kopf steigt, ist so was wie die eisigste Kälte, die ich mir verfickt noch mal vorstellen kann.

Wir steigen an der Dreiundvierzig aus, weil wir unser Glück nicht zu arg rausfordern wollen, und weil wir da eine Telefonzelle kennen, die so hinüber ist, dass man bloß ein paar Mal an der richtigen Stelle ordentlich draufschwatten muss, und schon kann man hintelefonieren, wohin man will. Ist ’n richtiger Mythos, diese Telefonzelle, ein paar der klauenden Rumänenkinder vom Bahnhof hatten uns das vor ’ner Ewigkeit erzählt, als sie ’nen guten Tag hatten, und auch ganz genau, wie und wo man draufschlagen muss, damit das Teil funktioniert. Heer kommt seit über ’nem halben Jahr jede Woche hierher und telefoniert mit dem Jugendamt, weil er wissen will, wie’s jetzt mit seinem Zimmer aussieht, betreutes Einzelwohnen, aber immer wieder halten sie ihn hin und sagen, er soll sich wieder melden. Als Heer in die Zelle biegt und anfängt, auf dem Kasten rumzuhämmern, bleiben Nikolaj und ich in der S-Bahn-Haltestelle sitzen und machen den Wodka und die Ja!-Limo auf. Wir nehmen jeder einen Schluck vom Wodka, dann Limo, und Nikolaj fröstelt wieder, und meine Nase ist bis oben hin zu und die Kälte kriecht auch mir beißend in die Schuhe. Ich blicke die Straße abwärts und erkenne die großen, roten asiatischen Schriftzeichen des Vietnamesen, vor dem ich meine Mutter das letzte Mal gesehen habe. Fast zwei Jahre muss das her sein. Mit zwölf hat sie mich rausgeschmissen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hat: Ich würde aussehen wie mein Vater, jeden Tag mehr, hat sie immer wieder gesagt. Auf eine komische Art nehm ich’s ihr auch gar nicht übel. Er war ein Schwein, mein Vater.
»Was macht der’n da ewig?«, sagt Nikolaj mit den Händen in den Jeanstaschen und nickt zitternd in Richtung Heer.
»Geschäftliches«, sage ich.
»Drogen oder was«, sagt Nikolaj, und ich schüttle den Kopf, nehme noch einen Schluck Wodka und dann Limo hinterher.
»Er’s Anwalt«, sage ich.

Am meisten hasse ich mich selbst. Wenn ich nicht dicht bin, ertrag’ ich dieses Gefühl schon gar nicht mehr, dann brauche ich bloß über eine Brücke oder an ’ner Straße entlang zu gehen, und sehe mich schon überall runter- oder vor den nächstbesten LKW springen. Manchmal tut’s auch gar nicht gut, zu viel zu saufen oder zu rauchen, weil ich dann plötzlich das Heulen anfange und gar nicht mehr aufhören kann, weil’s mich innerlich so hart zerreißt. Heer weiß genau, wovon ich rede, und ’ne ganze Menge anderer tun’s auch.
Meine Mutter hatte sich damals einfach ’ne neue Wohnung gesucht, ohne mir Bescheid zu geben. Ich war in der siebten, und auch schon draußen unterwegs, aber auch noch öfters in der Schule. Irgendwann bin ich dann nach Hause gekommen, und weg war sie, ohne Zettel, ohne nichts, der Schlüssel hat einfach nicht mehr gepasst, und ihr Name stand zwar noch an der Klingel, aber ich hab’s sofort gecheckt, was los ist. Als ob ich’s hatte kommen sehen. Es war Sommer, und ich hab dann mit den anderen draußen gezeltet oder auf Wiesen geschlafen, und bin sogar noch ’n paar Mal in die Schule gegangen – natürlich ohne Bücher oder sowas, einfach der Gewohnheit wegen.
Als ich sie dann das letzte Mal gesehen habe, meine Mutter, vor dem Vietnamesen, war ich schon ein Sommer und ein Winter draußen, Platte machen; und sie ist einfach schreiend vor mir weggerannt, meine Mutter, hat die halben Einkäufe und alles fallen lassen, als sei ich ein scheiß Gespenst oder sowas.

Heer ist ganz bleich, als er aus der Telefonzelle kommt. Er sagt, da sei schon wieder ein neuer Sachbearbeiter, und der meint, er kümmere sich, aber was das heißt, könne ich mir ja denken. Heer setzt sich neben uns auf den Gittersitzplatz, legt den Kopf in seine Hände und sagt keinen Ton. Es tut mir fürchterlich leid, ihn so zu sehen. Manchmal bestellen sie ihn einfach rein, in das Jugendamt, und irgendeine neue, bescheuerte Schnalle fragt ihn dann ’ne halbe Stunde aus, wieso er aus dem Heim abgehauen ist, und ob und wie ihn da jemand angefasst hat, und drei Wochen später sitzt da wieder ein Anderer und fragt den gleichen Scheiß. Ein Zimmer haben sie trotzdem nie. Was soll das?

Schon als wir in die S-Bahn zurück zum Weihnachtsmarkt steigen, merke ich, wie sehr der Neue schwankt. Heer fragt, wie viel er denn drin hat, ich zucke mit den Schultern, und fast hätte ich vergessen, dass er ja erst dreizehn ist.
Kein Platz mehr in der verfickten Bahn. Wir schieben Nikolaj auf einen Zweier ans Fenster, aber selbst im Sitzen taumelt er schon, er ist ganz grau und blickt bloß auf den Boden. Heer setzt sich neben ihn, und es dauert keine zwei Stationen, da fängt der Junge schon das Kotzen an, die gelbe Limo schwappt ihm in Schüben aus dem Mund, es riecht stechend scharf nach Galle und Vodka, und die Leute um uns rum stöhnen, schauen weg und halten sich angeekelt die Hand vor den Mund. Eine aufgetakelte Alte mit angeleinter Katze auf dem Schoß sagt: »Muss das sein! So früh am Tag! Schämen solltet ihr euch!«, und Nikolaj würgt und schwankt im Sitzen, und Heer steht schon neben mir, drückt den Stop-Knopf und wartet nervös auf die nächste Haltestelle.

Wir müssen den Kleinen eine Dreiviertelstunde durch die halbe Stadt schleppen, Heer hat sich links von ihm eingehakt, und ich rechts, er stinkt fürchterlich nach Vodka und Kotze, seine Hose ist voller weißer Brocken und Flüssigkeit. Ab und zu halten wir an, und Nikolaj spuckt und atmet, aber es kommt nichts mehr.
»So können wir nich’ auf den Weihnachtsmarkt«, sagt Heer, und ich nicke und sage: »Aber auch nicht zur Penne«, und ich höre Heer bloß schnaufen und: »Mhm« murmeln.
»Vergisses«, sage ich, »so dicht lassen die ihn nie rein«, sage ich, »die holen die Bullen.«
Ich sehe den Jungen an, und er ist einen halben Kopf kleiner als ich, und er hat die graue Kapuze fest über den Kopf gezogen, und auf seiner dunklen Trainingsjacke liegen frische, einzelne Schneeflocken, und der Schritt seiner Jeans ist dunkel vor Nässe, und einzelne Brocken kleben ihm dort, Reis vielleicht, ich weiß es nicht. Er ist immer noch blass, Nikolaj, grau-blass, bloß die breite Narbe leuchtet rot dort an seiner Backe, als sei sie etwas, das nicht zu ihm gehört, ein Fremdkörper, der erst scharf zu glühen beginnt, wenn alles andere abstirbt. Nein, er stirbt nicht, sage ich mir, und als wir an einer Kreuzung wieder kurz anhalten, Heer links und ich rechts von ihm, blickt mich Nikolaj an und reißt die Augen auf, als würde er gerade aus drei Monaten Schlaf aufwachen – und sein linkes Auge ist noch dunkel und zugeschwollen, aber plötzlich fällt da für eine Sekunde etwas von ihm, und er blickt mich an – und ich sehe für diesen kurzen Moment einem Kind in die Augen, einem ängstlichen, vollgeheulten, verlorenen Kind.

Wir laufen trotzdem zur Penne, obwohl wir wissen, dass das mit diesem Besoffski nichts wird. Nikolaj sagt den ganzen Weg über nichts, bloß einmal will er anhalten und rauchen, und obwohl die Temperaturen immer weiter fallen, zittert er nicht mehr; im Gegenteil: Schweißperlen glänzen ihm im kotzbleichen Gesicht, und ich denke mir noch, wie komisch das ist, dass ein Körper bei so einer Kälte dermaßen schwitzen kann.
Nikolaj ist nicht weniger nüchtern, als wir an der Notschlafstelle ankommen – er kann kaum mehr die Augen offen halten, wir schleppen ihn halb, und ständig jammert er rum und fährt sich mit der Hand durchs schweißnasse Gesicht, dass er pennen will, dass er einfach nur pennen will.
»Du kannst hier draußen nicht pennen«, sage ich, »da bist du schneller verreckt, als du zählen kannst«, sage ich.
Die Notunterkunft ist ein betongraues, einstöckiges Gebäude im Hafen, mit einer großen Sonnenblume an der Außenwand gesprayt, gepflastertem Vorhof und hohem Zaun mit elektrischer Türöffnung. Als Minderjähriger kann man hier im Winter maximal zwölf Nächte übernachten, sie öffnen um 21 Uhr, dann hat man zehn Stunden ein Bett für sich, plus warmes Essen und frischer Kleidung.
Ich blicke zu Heer und sage: »Der kommt nie rein«, ich sage: »Die holen die Bullen, wenn die den so sehen.«
Beim Wort »Bullen« schreckt der Junge auf, blickt mich panisch an und löst sich aus unserem Griff.
»Niemand holt hier die Bullen«, sagt Heer beruhigend, klopft dem Kleinen auf die Schulter und steckt sich eine Kippe an.
»Keine Bullen«, sagt Nikolaj, und zieht sich seine Mütze in die Stirn. Wir klingeln, und als Elke ans Tor kommt, schüttelt sie den Kopf und stemmt sich die Hände in die Hüfte. Sie reicht mir gerade mal bis zur Nase, ist rundlich, und ihre braun-grauen, langen Locken stehen ihr wie Korkenzieher vom Kopf.
»Gott, wie alt bist du denn?«, sagt sie, und blickt erst Nikolaj, dann Heer und mich an.
»Sechzehn«, sagt Heer, und zieht an der Zigarette.
Elke schüttelt den Kopf. »Im Leben nicht«, sagt sie. Sie sagt: »So kommt ihr hier nicht rein, das wisster, oder?« Sie sagt: »Der ist ja stockbesoffen. Was hat der denn alles genommen? Wenn der hier rein kommt, hol ich ihm gleich ’nen Krankenwagen, das sag ich euch, Jungs!«
Nikolaj stellt sich sofort wieder gerade hin, schwankt zwar stark, aber sagt laut und deutlich: »Nje!«, und positioniert seine Mütze wieder richtig auf dem Kopf, die Augen schielend, halb geschlossen. Heer sagt etwas auf Polnisch zu ihm, und ich überlege kurz, spüre die Kälte in meinem Gesicht, meine Hände und Füße beißen. Der Nachthimmel über uns ist tiefschwarz, Wind weht, der Boden glitzert gefroren, meine Nase ist vollkommen dicht, ich kann bloß durch den Mund atmen.
Elke sagt: »Entweder hol’ ich jetzt ’nen Krankenwagen, oder ihr geht und bleibt bei ihm. Aber so kommt ihr nicht rein, ihr kennt doch die Regeln.«
»Und ich könnte nicht rein?«, sage ich, aber kaum habe ich gecheckt, was ich da eben gesagt habe, ist Nikolaj schon weggerannt, die Straße entlang – und ich wundere mich, wie schnell er ist.
»Geht!«, sagt Elke, und fuchtelt mit den Händen herum. »Passt auf den auf, aber so besoffen kommt der hier nicht rein, das wissta doch!«
Wir gehen schon die Straße abwärts, da ruft uns Elke noch hinterher: »Und wenn was is’, kommter hierher, dann ruf ich ’nen Krankenwagen!«
Heer bleibt nach ein paar Metern abrupt stehen und schlägt sich gegen die Stirn. »Hosen!«, sagt er, und sieht mich an. »Und ’ne Jacke braucht er!«

Zum Glück hat Heer an die Hosen gedacht, sonst hätten wir hier neben einem Vollgekotzten pennen müssen. Nikolaj haben wir nach ein paar Minuten schon gefunden, zwei Straßen weiter auf einer Parkbank sitzend, den Kopf in die Hände gelegt, vollkommen tief pennend. Hat ’ne ganze Ecke gedauert, ihn wach zu kriegen, und noch mal bestimmt ’ne Stunde, bis wir bei den Zelten auf der Platte waren. Ist natürlich kein Arsch hier außer uns, bei diesen Temperaturen. Wir schlafen zu dritt im Zelt, neben uns Plastiktüten, Flaschen, Dosen, irgendwo auch ein Kochtopf und eine Glasbong. Draußen weht der Wind, ich höre die Äste und Blätter des kleinen Waldstücks rascheln, in das wir unsere Platte aufgeschlagen haben. Ich zittere die ganze Zeit, und auch Heer fröstelt, und hat sich in drei Decken eingerollt. Ich nehme einen Schluck vom Vodka und überlege, ob es nicht doch besser gewesen wäre, wenn wir irgendwo einen Hausflur oder ein öffentliches Klo gesucht hätten, aber mit dem Kleinen – unmöglich. Ein paar Mal denke ich daran, einfach zurück zum Blumenhaus zu gehen, aber die machen Mitternacht zu, und ich glaube, wir sind schon weit drüber. Nikolaj ist der einzige von uns dreien, der tief und fest durchpennt, er schnarcht fürchterlich. Irgendwann nachts sagt Heer: »Morgen gehn wir zur Oma«, und ich nicke, hauche in meine Hände und sage: »Aber sowas von zur Oma.«

Die Oma ist sowas wie der schönste Ort für mich, ich kann’s gar nicht anders beschreiben. Wir haben sie vorletzten Herbst kennengelernt, an einem Morgen im CityMarkt, als Wadim, Heer, Tetra und ich wie die kaputtesten Gestalten voll auf Speed durch die Gänge gestrahlt sind, bisschen Knabberzeug und was für die Hunde kaufen. Die Oma schob den Einkaufswagen zu uns, und dann hat sie den Kopf geschüttelt und gesagt, Kinder wie wir müssten doch ordentlich essen, nicht immer bloß trinken; und dann hat sie uns den halben Wagen vollgemacht, Brot, Marmelade, sogar Schokolade und Cracker, und später haben wir das alles zur Platte geschleppt, und uns ordentlich den Bauch vollgeschlagen. Davor haben wir aber der Oma die Einkäufe nach Hause getragen, weil, sie kann ja selbst kaum mehr laufen, und wohnt im ersten Stock, ganz ohne Aufzug; und wir haben der Oma die Einkäufe in die Schränke geräumt, und dann hat sie uns Kaffee und heiße Schokolade aufgekocht; und es war komisch, aber als wir gingen, stiegen mir wieder diese tausend schwarzen Bullshit-Bubbels in den Kopf, und ich hab den ganzen Tag und die ganze Nacht durchgeheult, und ich dachte, das war’s jetzt, jetzt sterbe ich – da konnte ich so viel Shit rauchen und Vodka saufen wie ich wollte; und es ist komisch, warum ein so schöner Nachmittag einen dermaßen killen kann, aber manchmal ist das so, manchmal ist es nicht das Hässliche, das Furchtbare, das man sehen muss, sondern der Anblick von etwas so Schönem, der einen vollkommen zerlegt.

Es ist Morgen, halb neun vielleicht, der Himmel strahlend blau, die Kälte eisig und beißend, und kaum sind wir von der Platte durch die ganzen Bäume und Gebüsche gestampft, sind meine Füße schon Eiszapfen, und meine Nase ist so dicht, als hätte ich sie mir mit Watte ausgestopft, mein Hals brennt und in meinem Kopf sticht es. Sogar Heer, der Riese, fröstelt jetzt, und zieht sich den Mantel bis oben hin zu – bloß Nikolaj ist seltsamerweise fit, rennt durch das Unterholz vor uns, lacht und wirft Schneebälle mit zu viel Erde nach uns; wir ducken uns weg, und Heer schreit ihm irgendwelche polnischen Flüche zu, die ich nicht kenne.

Die Oma braucht ewig, um aufzumachen, aber hier im Treppenhaus höre ich durch die Tür hindurch ihre Schritte: das gleichmäßige Schlurfen ihrer Hausschuhe auf dem Linoleum, ihr Schnaufen und Ächzen. Durch das Milchglas sehe ich ihre kleine Gestalt, die lila-blauen Haare zur Dauerwelle, und wie sie sich nach jedem Schritt mit der Hand an der Wand abstützt.
Als sie schließlich die Tür öffnet, lacht sie und sagt: »Ach, ihr Kinder seid es!«
»Ja, wir wollten fragen, ob –«, fange ich an, aber dann winkt die Oma schon nach drinnen, sagt: »Rein, rein! Rein in die gute Stube!«
Sie lacht und ich sehe ihre Knopfaugen hinter den dicken Brillengläsern mit dem goldenen Drahtrahmen. Ihre Beine und ihr Kopf zittern auf diese komische Art, als ob man sie ununterbrochen schütteln würde, und sie trägt diesen grauen Jogginganzug, den sie immer trägt. Schon im Gang höre ich den Fernseher laufen, ein kleiner, aufklappbarer Plastiktisch steht mit dem Sessel keine Armlänge vor dem Bildschirm, darauf ein Teller mit Brot, ein Marmeladenglas und eine Tasse.
»Hab ich mir gerade angeschaut«, sagt die Oma, und läuft schlürfend und keuchend zum Sessel, nimmt die Fernbedienung in die Hand und schaltet das Gerät leiser. »Frühstücksfernsehen«, sagt sie, und sieht uns lächelnd an, »da kommen gleich Musiker, Böhmische Blasmusik, und ihr wisst ja, ich bin eine alte Musikerin!«

Ich darf zuerst baden. Drüben höre ich den Fernseher lauter werden, ich höre den Moderator reden und dann lachen, schließlich Trompeten, Blasmusik. Ich ziehe all meine Klamottenschichten aus, bis ich ganz nackt bin. Ich habe das Wasser ganz heiß eingelassen, und schaue mich noch einen Moment im Spiegel an, bevor ich einsteige: mein Gesicht, meine krumme, breite Nase, meine hervorstehenden, übergroßen Schneidezähne, meine blasse, dünne Brust, die Segelfliegerohren, der blonde Flaumbart, die Pickel. Ich denke nichts in diesem Augenblick, ich sehe bloß mich an, wie ich bin, nackt, und es ist seltsam, aber fast kommt es mir vor, als würde ich einem Fremden in die Augen blicken; als würde ich Nikolaj in die Augen blicken, so wie er mich gestern Abend in dieser einen Sekunde angeblickt hat, als wir ihn zum Sonnenblumenhaus geschleppt haben.
Als die Trompeten richtig einsetzen, lege ich mich ins heiße Wasser, und kurz sehe ich noch die weißen Kacheln im Badezimmer, das verschmierte Waschbecken und den kleinen, runden Spiegel darüber; dann atme ich tief ein, schließe die Augen, und plötzlich ist da bloß noch Wärme um mir, und nichts als Dunkelheit, Lichtflecken, Hitze: Als ob ich schweben würde, als ob sich alles um mich herum auflöst, und gleich wache ich in einem fernen Land, in einem fernen Badezimmer, bei einer fernen Tante und einem fernen Onkel auf – oder in meinem eigenen Badezimmer, in meinen eigenen vier Wänden, und alles würde ich penibel sauber halten, und morgens würde ich auf der Couch unter einer Decken liegen und bis Mittag Frühstücksfernsehen gucken – als ob ich nur lange genug hier bei der Oma unter Wasser die Luft anhalten müsste, und alles wäre möglich.

Warmer Toast, Butter, Eier, alles mögliche hat die Oma aufgetischt, und in der ganzen Wohnung hängt dieser Geruch, der nur in Wohnungen von Omas hängt. Ich sitze auf der Eckbank am Tisch, die Katze mit dem weißen, langen Fell schlängelt sich durch meine Beine, ich höre, wie Heer im Bad das Wasser einlässt, und Nikolaj liegt drüben im Sessel, mit der Rücklehne ganz nach hinten geklappt, und starrt auf den Bildschirm: Blasmusik, Berge und Wiesen. An den Wänden hängen tausende Fotos in Bilderrahmen, auf den Kommoden stehen goldene und silberne Pokale, dazwischen Holzkästchen mit irgendwelchem Grusch drin.
»Musiker waren wir früher alle«, sagt die Oma, und sieht mich lächelnd an, wie ich in einen Toast beiße. Ihr Kopf und ihre Hände zittern, mir fällt der Name der Krankheit nicht ein. »Mein Jüngster, Klaus, hat dann auch in Amerika gespielt, haben eine T-ou-r-n-ee gemacht, den Mississippi rauf, und bis nach Kanada. Alles Blasmusiker«, sagt sie, und lehnt sich im Stuhl zurück. »Alle haben wir Musik gespielt, alles Musiker in der Familie. Louis, mein Ältester, wohnt jetzt in, ähm, Cottbus, und hat dort einen Mu-sik-la-den, oben in Cottbus. Und junge Leute wie ihr, dass ihr so leben müsst«, sagt sie, und dann schüttelt sie den Kopf und fuchtelt entsetzt mit der Hand herum, »das hätt’s früher nicht gegeben, eine Schande ist das. So liebe, nette, junge Menschen«, sagt sie.

Als wir später gehen, bin ich schon ganz affig, weil ich dringend was zu saufen brauche. Heer drückt die Oma lang und innig, und als ich sie umarme, kommt mir plötzlich wieder dieser ganze Bullshit in den Kopf, und ich brauche noch dringender was zu saufen.
»So gute Jungs seid ihr«, sagt sie, mit dem Arm an der Wand abgestützt, und jetzt fährt sie sich plötzlich mit der Hand über die Augen. »Eine Schande ist das!«, sagt sie. »Und ihr passt mir auf euch auf«, sagt sie, und hebt den Finger. »Immer warm und ordentlich bleiben, und wenn was ist, wisst ihr, wo ihr die Oma findet!«, sagt sie. »Und passt auf den Oskar auf, dass der nicht mit rausrennt.« Sie deutet auf die Katze, die sich durch unsere Beine schlängelt.
Als wir unten aus dem Wohnhaus gehen, sagt Heer: »Lass Voddi kaufen und zum Blumenhaus gehen, die machen heute früher auf, wegen Advent oder so«, und wir sind alle einverstanden.

Draußen ist es wieder eisig, und im CityMarkt sprüht sich Heer bei den Toilettenartikeln Deo unter die Achseln und ich habe den Vodka und die Mische in der Hand.
»Wo ist ’n Nikolaj?«, sage ich und blicke den Gang auf und ab, ich kann ihn nirgends sehen.
»Der wollte noch mal zurück«, sagt Heer, und sprüht sich noch einen Schwall auf den Hals.
»Zur Oma?«, sage ich ungläubig. Heer nickt. »Hat irgendwas dort vergessen«, sagt er. Er streift sich die langen, braunblonden Haare aus dem Gesicht und grinst mich an. »Vermisst du ihn jetzt schon oder was?«, sagt er und lacht.

Ich habe fast mein ganzes Geld für Voddi und Mische ausgegeben, und Heer hat sich mal wieder sämtliche Taschen und Parka-Öffnungen mit Süßigkeiten und Kleinscheiß vollgesteckt. Es schneit, die Straße glitzert gefroren und wir stehen vor dem CityMarkt, auf dem Gehsteig. Mein Hals brennt, meine Nase ist dicht, ich nehme einen Schluck Vodka und Limo hinterher und fühle mich gleich besser.
»Wo bleibt der denn?«, sage ich und blicke den Gehsteig auf und ab.
»Keine Ahnung«, sagt Heer, nippt vom Vodka und spuckt auf die Straße. »Der wollte wiederkommen, hat er gesagt.«
Irgendwas stimmt nicht mit mir, und als wir fast zehn Minuten gewartet haben, sage ich: »Wir gehen noch mal zur Oma«, und Heer stöhnt und protestiert, weil es genau in der entgegengesetzten Richtung zum Blumenhaus liegt, aber ich denke bloß an Nikolajs blaues Auge, an diese Narbe in seinem Gesicht, an diese seltsam aggressive Art, und ich hab einfach nur ein verdammtes Scheißgefühl.

Wir laufen die Straße zurück, über die Brücke, und es dauert keine fünf Minuten, als wir Nikolaj plötzlich sehen, an der Ampel zu einer Kreuzung, eine Straße von der Oma entfernt.
»Das isser doch«, sagt Heer, und ich sage: »Komm!«
Als uns der Junge sieht, läuft er plötzlich die Straße entlang, weg von uns; er beginnt schneller zu laufen, dreht sich um und ruft: »Ich komm nich mit!«, und läuft weiter. »Ich komm doch nicht mit in dieses Haus!«, ruft er.
Wir rennen, und jetzt rennt auch Nikolaj, und er hält seine Jacke so komisch, wie ein schwer beladenes Kamel. Wir sind nur etwas über eine Ecke von der Oma entfernt, und als Nikolaj über eine rote Ampel rennen will, fällt ihm das erste Zeug aus der Jacke heraus: ein silberer Pokal.
»Ey!«, schreie ich, und ein paar Türken vor einer Spielo drehen sich nach uns um, schütteln den Kopf und blicken uns hinterher.
Als wir an Nikolaj dran sind, stolpert er und fällt hin, und eine Holzkiste rutscht aus seiner Jacke, die Klappe geht auf, Ringe und Ketten klimpern über den Gehsteig.
»Du Wichser!«, schreie ich, und trete ordentlich auf ihn ein. »Die Oma!«, schreie ich, und Heer schreit auch etwas, auf Polnisch, zieht den Jungen mit seinem Riesenkörper hoch, und ich fische die Ringe und Ketten von der Straße.

»Nein!«, wimmert Nikolaj, »lasst mich!« Der Junge wiegt keine fünfzig Kilo, und wir zerren ihn den Gehsteig entlang, an einer S-Bahnstation vorbei und dann um die Ecke, und schließlich stehen wir wieder vor dem gelben Wohnhaus der Oma. »Du blöder Spasti!«, sage ich, und schlage ihm auf den Hinterkopf. Unten im Treppenhaus ist die Tür auf Kipp, wie immer. Als wir drinnen im Treppenhaus stehen, drückt sich Nikolaj gegen die Wand und hebt die Hände, seine Augen sind rotgeheult, der Rotz läuft ihm aus der Nase und sein Kinn zittert. »Bitte!«, sagt er, »lasst mich!« Mir fällt wieder das blaue, zugeschwollene Auge in seinem Gesicht auf, und plötzlich wundert mich gar nichts mehr. »Du blöder Wichser!«, sage ich, und gebe ihm eine Schelle. Als er wieder versucht, wegzurennen, tritt ihm Heer in die Beine, und der Junge fällt mit einem Schrei auf den Boden.
»Jetzt bist du dran«, sagt Heer, und ich reiße Nikolajs Jacke auf, Heer durchwühlt seine Taschen – wir holen die Schmuckkästchen, Pokale, Ketten und Ringe heraus.
»Bleib bei ihm«, sage ich zu Heer, und deute auf Nikolaj – aber als ich die ersten Treppenstufen hinaufgehe, bleibe ich plötzlich stehen; oben sehe ich die Tür der Oma, wie sie halb geöffnet steht; ich sehe das Milchglas, und ich höre den Fernseher noch laufen: Werbung, Kinder lachen, eine Männerstimme sagt etwas, dann quietschende Reifen, und wieder lachen alle. Ich höre die Katze drinnen wie verrückt miauen. Ich atme tief ein und aus, und plötzlich verschwimmt alles um mich herum.
»Nein«, sagt Heer, und ich spüre seine Hand auf meiner Schulter liegen. »Ich mach das«, sagt er, »bleib hier.«
Ich sehe Heer hochgehen, mit den Pokalen und Kästchen in die Wohnung einbiegen; ich höre das Lachen der Kinder, die Geräusche des Fernsehers. Die Katze steht jetzt oben in der Tür, sieht mich auf den Treppenstufen stehen und miaut. Sie hält die vordere Pfote hoch, und sie ist nicht schneeweiß wie ihr restliches Fell, sondern blutrot. Ich gehe runter zu Nikolaj. Er liegt heulend auf dem Boden, und jetzt zieht er sich hoch und wischt sich über die Nase, greift nach dem Türgriff – da bin ich plötzlich an ihm dran, da trete ich ihm von hinten in die Kniekehlen – und er fällt hin, schreit wieder; und dann trete ich auf ihn ein, auf diesen Wichser, auf diesen kleinen Hurensohn, dann trete ich zu, wieder und wieder, und ich höre ihn stöhnen und schreien.
Ich schreie: »Die Oma!«, und als ich ihm gegen den Kopf trete, wird er plötzlich ganz stumm – und ich hole aus, und ballere ihm mit aller Kraft noch mal die Spitze meines Schuhs in die Fresse – und sein Hinterkopf knallt mit voller Wucht gegen die Wand des Treppenhauses, ich höre es knacken – alles wird still, sein Gesicht ist rot, blutüberströmt, und er bewegt sich nicht mehr; ganz schlaff liegt er da, mit den Augen zuckend in seinen Schädel gedreht, sein Mund steht offen. Heer kommt die Treppe heruntergelaufen, mit Tränen in den Augen, schaut mich an und schüttelt den Kopf. »Geh nicht hoch«, sagt er.

Wir rennen weg, die Straße entlang, vorbei an Bäckern, Dönerbuden, Spielos, hohen Wohnhäusern und Cafés; irgendwann kann ich nicht mehr. Ich halte an, gehe in die Hocke und atme schnell ein und aus, Tränen laufen mir übers Gesicht. An meinem rechten Schuh klebt vorne Blut, es ist eher schwarz als rot. »Stopp«, sage ich zu Heer, »Pause!« Ich heule wieder, ich kann gar nicht aufhören. »Die Oma«, sage ich, und jetzt spüre ich Heer mich von oben umarmen, auch sein ganzer Körper bebt, und er heult ganz furchtbar. »Ja«, sagt er, »ja.«

Wir trinken fast den ganzen Voddi, und dann sitzen wir vor dem hohen Tor des Blumenhauses und warten, dass sie öffnen. Ich fahre mir über die Nase und rauche. Ich friere und in meinem Kopf sticht es wieder brutal, mein Hals brennt bei jedem Zug. Wir sagen kein Wort. Wir heulen nicht.

Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Mir ist kotzschlecht und ich liege in unserem Zimmer im Blumenhaus, Heers Bett gegenüber ist leer, er ist drüben im Gemeinschaftsraum, sie essen Kartoffelbrei mit Gulasch. Ich drehe mich zur Wand und will nicht mehr. Die Oma ist tot. Ich weiß nicht, ob sie tot ist, ich habe Heer einfach nicht gefragt. Ich stelle es mir vor, wie sie blutüberströmt im Gang liegt und sich nicht mehr rührt. Ich will es nicht wissen. Ich bin so besoffen. Ich will nicht mehr. Mir ist kotzschlecht. Hoffentlich sterbe ich bald. Es ist besser, wenn ich sterbe. Ich will irgendwo runter springen, vor einen Laster. Hoffentlich ist der Junge tot! Wie konnte ich ihn mit zur Oma nehmen? Ich hasse mich so sehr, und ich hasse die ganze Welt, und vor allem hasse ich den Jungen! Ich wünschte, ich wäre sofort tot! Ich wünschte, mein Vater hätte mich damals umgebracht, als er ausgetickt ist, und erst meine Mutter kaputtgeschlagen hat, und dann mich, als ich ihn von ihr wegziehen wollte. Sie ist damals mit dem Kopf gegen die Tischkante geknallt, und seitdem hatte sie diese Krampfanfälle, meine Mutter, ist ständig zappelnd auf den Boden gefallen, die Augen haben sich nach oben gedreht und ihr ist der Schaum vor den Mund gestiegen. Ich wünschte, er hätte uns beide umgebracht, nein, ich wünschte, ich hätte ihn umgebracht, damals, ich hätte ihn einfach kaputt geschlagen, von hinten, mit einem Hammer auf den Schädel, bumm, und tot!
»Jaden?« Elke steht in der Tür, von draußen scheint das grelle, weiße Licht des Gangs herein. »Hier sind ein paar Männer von der Polizei, und die haben ein paar Fragen an dich.«
Heer sehe ich hinter Elke und den Polizisten stehen, und mich mit diesem Blick ansehen: Und ich denke daran, wie er auf dieser Parkbank bei den Enten-Seen sitzt, und wie er sich eine der Zeitungen aus dem Mülleimer zieht und sie von oben bis unten seelenruhig durchliest; und ich denke an die Augen des Jungen, wie sie zuckend in den Schädel gedreht sind, sein blutrotes Gesicht, das Zucken der Oma, das Zucken meiner Mutter, wenn ihr der Schaum vor den Mund gestiegen ist und sie krampfend auf den Boden gefallen ist; mir ist so kalt, so kalt; und ich sehe die Polizisten auf mich zukommen, mich etwas fragen; und ihre Stimmen sind weit weg, und ich bin weit weg; und plötzlich schlage und trete ich um mich, dort im Bett, alles rast in mir, alles dreht sich in mir, sie wollen mich packen, aber sie kriegen mich nicht, und ich bin so besoffen, und dort, im Blumenhaus-Bett gegen zwei Polizisten schlagend und tretend, habe ich das seltsame Gefühl zu fallen: Als ob ich plötzlich in ein endlos tiefes schwarzes Loch fallen würde; und Heers Stimme, sein Schreien ist da irgendwo dumpf hinter mir, und ich falle, falle, und trete, trete, und ich wünschte, ich würde endlich aufknallen, ich wünschte, ich wäre endlich tot.

*​

Elke sehe ich erst fast ein dreiviertel Jahr später wieder, es ist schon Sommer. Durch die dicken Glasscheiben der Fenster sehe ich das grelle, orangene Sonnenlicht in den Besucherraum brechen. Sie trägt einen langen Rock und ein weinrotes T-Shirt, ich meinen Adidas-Jogging-Anzug. Sie war bei keinem der Verhandlungstage im Gericht gewesen. Sie sagt, sie hätte gehört, wie alles ausgegangen sei, und dass sie, wenn ich will, jetzt öfter kommen würde. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll – da ist etwas in mir, das sie wegschubsen will, aber gleichzeitig will ich, dass sie mir zuhört, mich in den Arm nimmt. Ich nicke vage mit meinem Kopf. Ich sitze zwar ein, aber bin noch immer nicht nüchtern, Aufgesetzter und Dope kriegt man hier an jeder Ecke, wenn man nur bereit ist, mit etwas zu zahlen: mit sich selbst oder mit Geld, wenn man es hat. Ich denke nicht mehr oft an den Jungen. Ich habe seitdem nie wirklich an ihn gedacht. Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt. Manchmal wache ich nachts schreiend und schwitzend auf, und dann sehe ich sein Gesicht vor mir, das viele Blut auf dem Boden, sein Blick, und ich habe Angst vor dem, was da kommt; aber kaum bin ich fünf Minuten wach, habe ich ihn schon wieder fast vergessen.
Elke und ich reden ein bisschen, aber ich bin kaltschnäuzig und abweisend, ich kenne das von mir. Als sie aufsteht und gehen will, frage ich noch schnell: »Und was ist mit Heer?«, und Elke blickt mich einen langen Moment ernst an, dann sagt sie, sie hätte ihn nicht gesehen, seit Monaten schon; und dass sie mir Bescheid gibt, wenn sie etwas von ihm hören würde. Ich nicke, und dann stehe auch ich auf, nicke ihr zu und gehe zurück zur Schranke. Manchmal habe ich Angst vor all der Zeit, die da noch vor mir liegt; der Psychologe fragte mich neulich, was ich machen wolle, wenn ich wieder raus käme; und ich habe lange nachgedacht, und schließlich gesagt, dass ich es nicht wisse. Aber in Wirklichkeit habe ich an diese kleine Wohnung gedacht, meine Wohnung; und alles würde ich penibel sauber halten, und morgens würde ich auf der Couch unter einer Decke liegen und bis Mittag Frühstücksfernsehen schauen. Und als ich an all das denke, steigt mir schon wieder dieser ganze Bullshit in den Kopf, und ich weiß, dass wenn ich mich jetzt zurück ins Bett lege, ich wieder Tag und Nacht durchheulen könnte; aber ich beiße die Zähne zusammen und schlucke es hinunter, das Gefühl, hinunter zu all den anderen Dingen, die da irgendwo tief in mir liegen und nur in meinen Träumen zu mir aufsteigen.

 

Zigga schrieb:
... manchmal ist es nicht das Hässliche, das Furchtbare, das man sehen muss, sondern der Anblick von etwas so Schönem
Heavy! Das war mein erster Gedanke zu deinem neuen Text, lieber @zigga, und die oben zitierten Zeilen sind nicht nur grausig-schön, sondern ermöglichen mir auch den Zugang zu Jaden, dem Straßenkind, das sich nichts weiter wünscht als die heile Welt in einer blitzsauberen Wohnung, weit weg von allem, was mit seinem Leben zutun hat - aber wenn er es dann hätte, könnte er es nicht ertragen und würde alles daran setzen, wieder im "Bullshit" zu landen. Aus Selbsthass, aus Gewohnheit, aus Unfähigkeit.

Ein tolles Bild hast du hier gezeichnet, ich bin von Anfang an mit Jaden mitgegangen, ohne in eine sensationsgeile RTL-Nachmittagsshow abzudriften.

Man möchte ihm helfen, dem armen Kerl, obwohl er das wohl in letzter Konsequenz gar nicht zulassen würde, und gerade das macht es so traurig, jenseits von Totschlägereien von Menschen und Zeit, Süchten und dem Dahindriften ins Nichts. Einfach nur hart und schrecklich. Da hast du wirklich nichts ausgelassen und dich voll und ganz in die Materie vertieft, in Jadens schwarzes Loch. Kann mir vorstellen, dass das beim Schreiben bestimmt auch nicht ganz leicht ist, sich in solche Charaktere zu vertiefen. Da glaubt man wahrscheinlich auch irgendwann an gar nichts mehr.

Schön fand ich auch, wie du an Elke gezeigt hast, wie wenig man wirklich helfen kann, bzw., dass sie, Elke, auch nichts weiter als ein Rad in der Mühle ist, die gnadenlos weitermalt. Sie kann die drei nicht reinlassrn, hat ihre Vorschriften, die sicher bis zu einem gewissen Punkt auch Sinn machen, aber den Krankenwagen hätte sie ja trotzdem rufen und die anderen beiden reinlassen können. So brüllt sie es den dreien auf den letzten Drücker hinterher, so nach dem Motto: Ich muss meine Hilfe ja anbieten, aber eigentlich ist es mir egal.

Damit schaffst du das Porträt einer Gesellschaft, die diejenigen, die durchs Raster fallen, nur von einem Ort zum anderen schiebt, selbst im Knast taucht sie erst ein dreiviertel Jahr später auf.
Falls das von dir so beabsichtigt war, finde ich es sehr gelungen.

Was mich interessieren würde: Wann soll deine Geschichte eigentlich spielen? Sie scheint mir vor zwanzig Jahren angesiedelt zu sein, wegen der Telefonzelle, und niemand hat Handys, aber die Ein-Euro-Shops gab's schon.

Nee, hat mir echt gut gefallen, zigga, obwohl ich zugeben muss, dass ich eine Weile gebraucht hab, um reinzukommen. Der erste Satz:

Zigga schrieb:
Heer kommt mit diesem Neuen auf den Weihnachtsmarkt gelaufen, zu den Treppenstufen vor Nordsee,auf denen wir sitzen.
klingt sehr sperrig in meinen Ohren.
Da würde ich evtl. zwei Sätze draus machen und im zweiten auch erwähnen, dass Jaden auf einer Decke sitzt, denn die hat mich irritiert. Klar, wenn man den Text kennt, macht das Sinn, er ist halt obdachlos, sitzt auf einer Decke auf den Stufen. Aber ich musste nochmal hochscrollen, weil ich das zunächst nicht zuordnen konnte.

Lachen musste ich bei der

Ja!-Limo
Herrliches Detail!

Langsam bin ich dann zusammen mit Jaden immer tiefer in die Geschichte hineingerutscht und spätestens bei der Oma war ich dann völlig drin, und wusste, dein Jaden ist ein Guter, und die naive kleine Omi auch. Das war so ein herzerwärmender Lichtblick, durch den du Jadens Sehnsucht nach Geborgenheit wunderbar dargestellt hast, aber auch diese Zuflucht wurde ihm genommen. Aber wenn alles gut gegangen wäre, Oma ihn vielleicht sogar bei sich hätte wohnen lassen, dann wäre garantiert irgendwas passiert, was das auch wieder zerstört hätte. Wenn nicht von außen, dann vermutlich durch Jaden selbst.

Ein paar Sachen hab ich aber doch noch:

Da ist erstmal dieses plötzliche Verschwinden von Jadens Mutter. Die war auf einmal weg und da war ein neues Schloss an der Tür. Wie geht denn das so schnell? War Jaden tagelang nicht zu Hause? So ein Umzug ist ja aufwändig, und selbst wenn sie von hier auf jetzt einfach abgehauen wäre, irritiert mich das neue Schloss. So schnell geht das ja nicht, wenn man so überstürzt alles stehen und liegen lässt. Mich hat dieses Detail zumindest stutzig gemacht.

" ... und halten sich angeekelt die Hand vor dem Mund ..." = den

" ... an der Außenwand gesprayt ..."
Hier würde ich sagen: Die Außenwand. "Der" ginge evtl. auch, aber klingt irgendwie verkehrt in meinen Ohren.

"Wir sind nur etwas über einer Ecke von der Oma entfernt." = Eine Ecke.

" ... wie ein schwer beladenes Kamel ..."
Der Vergleich passt für mich nicht.

Und noch eine Kleinigkeit: Heer drückt den Stop-Knopf in der S-Bahn. Nun kenne ich nicht alle S-Bahn-Systeme in Deutschlands Städten, aber die, die ich kenne, haben keinen Stop-Knopf. Den kenne ich nur aus Bussen und Straßenbahnen.

Das war's. Über mehr bin ich erstmal nicht gestolpert.
Toller Text!

Viele Grüße,
Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @zigga,

feines Teil, das da mal wieder von dir kommt. Guter Sound, aber das braucht man ja eigentlich schon nicht mehr zu sagen, das ist eh klar, dass du den drauf hast.
Den Dreizehnjährigen hast du überzeugend gezeichnet, sehr schön zwischen eiskalt und schutzbedürftig aufgehängt.
Z.B. durch solche Einwürfe:
-- "aber plötzlich fällt da für eine Sekunde etwas von ihm, und er blickt mich an – und ich sehe für diesen kurzen Moment einem Kind in die Augen, einem ängstlichen, vollgeheulten, verlorenen Kind."
Und das kommt insgesamt so zurückhaltend, dass ich das gerne, nein: umso lieber so annehme.

Besonders gut finde ich diese Stelle:

-- "und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich."

die du ja selbst auch durch die Überschrift als wesentlich andeutest (und ganz nachvollziehbar).


Behutsame Kritik gibt's trotzdem auch, also keine echte, eher so ein paar Überlegungen, sonst wär's ja langweilig.
Der Erzählstrang: Irgendwann ist mir das sogar doch etwas zu breit ausgewalzt gewesen. Ich habe dir ja zu einer von deinen letzten Geschichten ziemlich entschieden eingeredet, dass mir die zu ausgefranst sei, hier ist das lange nicht in dem Maß so, das bleibt hier auch für mich ganz klar eine Einheit und die Schritte sind alle nachvollziehbar. Trotzdem habe ich den Verdacht, dass die Geschichte durch Reduktion immer noch gewinnen könnte. Es hat allerdings immer Spaß gemacht zu lesen.

Der Mord am Ende: Erst mal auch da: Von der Darstellung her gut gemacht, finde ich, man sieht nichts direkt, das hat eine gute Wirkung. Trotzdem ist dieser Mord als Element der Geschichte natürlich schon ziemlich dick aufgetragen. Ist das dem Dreizehnjährigen wirklich so zuzutrauen? Das ist nicht unbedingt ein Problem, aber womöglich an der Grenze. Darauf ziele ich aber gar nicht so sehr ab, sondern eher darauf, dass so ein Mord aufgrund der Krassheit natürlich auch einen krassen Effekt setzt. Bloß - wenn ich das lese, schwingt so ein Stück weit das Gefühl mit: Aha, jetzt will's der Zigga noch so richtig krachen lassen; und weil ich die Absicht zu spüren meine, ist die Wirkung abgeschwächt. Mehr Gänsehaut wäre eventuell drin, wenn du es auf irgendeine Weise offener gestellten würdest, so im Sinne von: Diesmal hat es noch ein halbwegs erträgliches Ende gefunden, und im Aufatmen merkt man, dass die richtige Bedrohung erst noch aussteht. Wenn du verstehst, was ich meine ...

Naja, halt so zwei Überlegungen.

Besten Gruß
erbeerschorsch

 

Liebe @Chai,

danke dir fürs Lesen und Kommentieren!

Heavy! Das war mein erster Gedanke zu deinem neuen Text, lieber zigga,
Das freut mich! :D

Ein tolles Bild hast du hier gezeichnet, ich bin von Anfang an mit Jaden mitgegangen, ohne in eine sensationsgeile RTL-Nachmittagsshow abzudriften.
Vielen Dank.

Kann mir vorstellen, dass das beim Schreiben bestimmt auch nicht ganz leicht ist, sich in solche Charaktere zu vertiefen. Da glaubt man wahrscheinlich auch irgendwann an gar nichts mehr.
Ja, na ja, schwierig. Ich entscheide mich ja freiwillig dafür und ich schreibe, weil es mir Bock macht. Ich weiß schon, wie du meinst. Aber keine Sorge

Schön fand ich auch, wie du an Elke gezeigt hast, wie wenig man wirklich helfen kann, bzw., dass sie, Elke, auch nichts weiter als ein Rad in der Mühle ist, die gnadenlos weitermalt. Sie kann die drei nicht reinlassrn, hat ihre Vorschriften, die sicher bis zu einem gewissen Punkt auch Sinn machen, aber den Krankenwagen hätte sie ja trotzdem rufen und die anderen beiden reinlassen können. So brüllt sie es den dreien auf den letzten Drücker hinterher, so nach dem Motto: Ich muss meine Hilfe ja anbieten, aber eigentlich ist es mir egal.
Interessant, wie du sie siehst! Ich sah sie beim Schreiben eigentlich eher positiv, ein Lichtblick. Solche Betreuer müssen halt auch klar rote Linien setzen, wie bspw. wenn jemand offensichtlich dicht in eine solche Einrichtung rein will ... aber danke für die Einschätzung

Was mich interessieren würde: Wann soll deine Geschichte eigentlich spielen? Sie scheint mir vor zwanzig Jahren angesiedelt zu sein, wegen der Telefonzelle, und niemand hat Handys, aber die Ein-Euro-Shops gab's schon.
Sie spielt Ende der 00er-Jahre. Man darf nicht vergessen - aber das wirst du besser im Gedächtnis haben als ich :) - dass Handys noch vor zehn Jahren schon eine kostspielige Angelegenheit waren, Telefon im Allgemeinen, vor den ganzen Flatrates. Meistens haben solche Kids schon Zugang zu einem Telefon, aber ich mochte das Bild der kaputten Telefonzelle zu sehr!

Nee, hat mir echt gut gefallen, zigga, obwohl ich zugeben muss, dass ich eine Weile gebraucht hab, um reinzukommen. Der erste Satz:

Zigga schrieb:

Heer kommt mit diesem Neuen auf den Weihnachtsmarkt gelaufen, zu den Treppenstufen vor Nordsee,auf denen wir sitzen.
klingt sehr sperrig in meinen Ohren.
Da würde ich evtl. zwei Sätze draus machen und im zweiten auch erwähnen, dass Jaden auf einer Decke sitzt, denn die hat mich irritiert. Klar, wenn man den Text kennt, macht das Sinn, er ist halt obdachlos, sitzt auf einer Decke auf den Stufen. Aber ich musste nochmal hochscrollen, weil ich das zunächst nicht zuordnen konnte.
Werde ich drüberarbeiten, vielen Dank

Aber wenn alles gut gegangen wäre, Oma ihn vielleicht sogar bei sich hätte wohnen lassen, dann wäre garantiert irgendwas passiert, was das auch wieder zerstört hätte. Wenn nicht von außen, dann vermutlich durch Jaden selbst.
Die Vermutung habe ich auch!

Ein paar Sachen hab ich aber doch noch:

Da ist erstmal dieses plötzliche Verschwinden von Jadens Mutter. Die war auf einmal weg und da war ein neues Schloss an der Tür. Wie geht denn das so schnell? War Jaden tagelang nicht zu Hause? So ein Umzug ist ja aufwändig, und selbst wenn sie von hier auf jetzt einfach abgehauen wäre, irritiert mich das neue Schloss. So schnell geht das ja nicht, wenn man so überstürzt alles stehen und liegen lässt. Mich hat dieses Detail zumindest stutzig gemacht.

Jep, kann ich verstehen, dass das sehr abrupt klingt. Ich hab mal genau von so einem Fall gehört, dass einer eh schon ne richtig miese Beziehung zur Mutter hatte, und die auch gehörig Probleme hatte, und dann war Monatsanfang und als er nach Hause gekommen ist (ich glaube sogar von der Schule), war die Mutter plötzlich umgezogen. Ich denke mal drüber nach, ob ich da noch ein Detail einschiebe, damit es nicht ganz so abrupt wirkt

Und noch eine Kleinigkeit: Heer drückt den Stop-Knopf in der S-Bahn. Nun kenne ich nicht alle S-Bahn-Systeme in Deutschlands Städten, aber die, die ich kenne, haben keinen Stop-Knopf. Den kenne ich nur aus Bussen und Straßenbahnen.
Mist, sind S-Bahnen keine Straßenbahnen? :D Werde es ausbessern, merci! Auch die Schreibfehler.

Chai, dein Kommentar geht natürlich runter wie Öl und desto mehr hat es Bock gemacht, ihn zu lesen und kommentieren! Alles Beste dir


Hi @erdbeerschorsch

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren!

feines Teil, das da mal wieder von dir kommt.
Danke dir

Guter Sound, aber das braucht man ja eigentlich schon nicht mehr zu sagen, das ist eh klar, dass du den drauf hast.
nochmals danke. :)

Behutsame Kritik gibt's trotzdem auch, also keine echte, eher so ein paar Überlegungen, sonst wär's ja langweilig.
Sehr gerne!

Der Erzählstrang: Irgendwann ist mir das sogar doch etwas zu breit ausgewalzt gewesen. Ich habe dir ja zu einer von deinen letzten Geschichten ziemlich entschieden eingeredet, dass mir die zu ausgefranst sei, hier ist das lange nicht in dem Maß so, das bleibt hier auch für mich ganz klar eine Einheit und die Schritte sind alle nachvollziehbar. Trotzdem habe ich den Verdacht, dass die Geschichte durch Reduktion immer noch gewinnen könnte. Es hat allerdings immer Spaß gemacht zu lesen.
Ja, schwierig, wäre halt die Frage, welche Szenen gekürzt werden würden ... richtig Redundantes fällt mir gerade nicht auf. Ich kann mich an deinen Kommentar auch noch sehr gut erinnern, und kann ihn auch wie hier nachvollziehen. Ich warte mal ab, was andere sagen! Aber danke für die Einschätzung.

Der Mord am Ende: Erst mal auch da: Von der Darstellung her gut gemacht, finde ich, man sieht nichts direkt, das hat eine gute Wirkung. Trotzdem ist dieser Mord als Element der Geschichte natürlich schon ziemlich dick aufgetragen. Ist das dem Dreizehnjährigen wirklich so zuzutrauen? Das ist nicht unbedingt ein Problem, aber womöglich an der Grenze. Darauf ziele ich aber gar nicht so sehr ab, sondern eher darauf, dass so ein Mord aufgrund der Krassheit natürlich auch einen krassen Effekt setzt. Bloß - wenn ich das lese, schwingt so ein Stück weit das Gefühl mit: Aha, jetzt will's der Zigga noch so richtig krachen lassen; und weil ich die Absicht zu spüren meine, ist die Wirkung abgeschwächt.
Kann ich total gut nachvollziehen, erdbeerschorsch. Danke für die Anmerkung. Ich bin selbst mittlerweile mehr oder weniger der Ansicht, dass es besser ist, einen mittelmäßig brutalen oder dramatischen "Höhepunkt" zu haben, der sich aber extrem organisch, natürlich und echt anfühlt zu haben, als ein Feuerwerk, bei dem man irgendwie den Autor dahinter lauern fühlt, der Angst hat, seine Geschichte sei zu langweilig. In einer früheren Version schlägt Jaden Nikolaj nicht tot ... ich überlege mal, ob ich dahingehend zurückkehre. Ich denke auch, der Totschlag hier wirkt nicht wirklich aufgesetzt oder an den Haaren herbei gezogen, aber ein wenig Autor, der hier noch mal Power geben will ... verstehe ich, und sehe ich vielleicht jetzt ähnlich. Ich spiele gerade mit dem Gedanken, dass Jade Nikolaj einfach so hart gegen den Kopf tritt, dass der danach geistig behindert ist, und Jaden hat diese Schuld auf sich genommen. Oder ich fahre die Gewalt-Szene etwas herunter. Ich brüte mal drüber, schaue in ein, zwei Wochen, was sich am organischsten anfühlt. Danke dir für die Überlegung!

Beste Grüße und danke für eure sehr schnellen Kommentare!
zigga

 

@zigga
bin schwer begeistert und beeindruckt, sehr stimmige Atmosphäre. Nur einige Kleinigkeiten:
Die Nase ist mir ein wenig zu oft verstopft, ich glaube vier mal insgesamt.
Und bei dem Wort Vietnamesen hat sich zwei mal ein "n" zu viel eingeschlichen.
Der Titel erschließt sich mir überhaupt nicht.
Aber das sind alles absolute Nebensächlichkeiten.
Sehe mir auch sehr gern Deine anderen Texte mal an.
Herzliche Grüße
MarcCaesar

 

Hallo @zigga!
Wow, was für ein Hammer-Text ... so echt, so lebendig, so...alles. Ich hätte noch ewig weiterlesen können.
Vielleicht war mir das mit den Morden zuviel am Schluß. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber irgendwie stellt das dann die ganze andere Scheiße so in den Hintergrund...weiß nicht, ob du verstehen kannst, was ich meine ... ich kann es grad nicht besser erklären. Sorry.

Einzige Stelle über die ich gestoplert bin:

Nikolaj ist nicht weniger nüchtern, als wir an der Notschlafstelle ankommen
Müsste es nicht weniger voll heißen?

Danke für diese Wahnsinns-Geschichte!

Grüße vom Lotterlieschen

 

Hallo @zigga,

eine traurige Geschichte hast du da geschrieben, die mich mitfühlen lässt. Die Kälte kriecht mir an den Beinen hoch und ich mag gar nicht an den nächsten Winter denken und das obwohl ich eine warme Wohnung habe.

Ich finde es am Anfang etwas schwer die Charaktere in meinem Kopf zu formen. Heer ist ein ungewöhnlicher Name – vielleicht ein Spitzname? – Und von dem Erzähler weiß man lange Zeit das Geschlecht nicht. Da entsteht dann eher so ein grauer Fleck anstelle einer Person. Vielleicht könntest du da am Anfang etwas genauer zeichnen.

habe ich für eine Sekunde das Gefühl, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben
Das finde ich irgendwie unpassend. Das Gefühl hat man vielleicht bei einem Allerweltsgesicht, aber an so eine Narbe würde man sich erinnern oder? Und er kennt den Jungen ja tatsächlich nicht. Ich hätte bei diesem Satz erwartet da kommt noch mal was. Ich denke, du kannst das einfach streichen und es fehlt nichts.

Fünf Minuten später sind wir auf dem Weg zum CityMarkt, ein paar Bier ziehen, ich zähle die Münzen in meinem Handschuh: Über sechs Euro, Weihnachtszeit ist beste Zeit.
Du erzählst alles sehr authentisch, ich glaube dir, dass es genauso ist, wenn man auf der Straße lebt.

Heer sagt, er spürt sie gar nicht mehr, die Kälte, Heer sagt, er würde sie nach einiger Zeit einfach vergessen; und tatsächlich läuft er schon wieder mit fast nichts als ein, zwei Lagen unter seinem grauen Woll-Parka herum, der Riese, und ich zittere mit vier Schichten T-Shirts und Pullis durch die Fußgängerzone.
Den Satz finde ich etwas holprig. Bei nichts spüren, denke ich erst an die Füße und Beine, das klärst du dann schnell auf. Der Mittelteil ist auch arg verschachtelt, das kann bestimmt etwas übersichtlicher gestalten.

Plattenanwalt vielleicht
Du erklärst erst sehr viel später, was die Platte ist. Ich dachte an sowas wie Plattenbau und war verwirrt. Entweder würde ich das Wort hier streichen oder schon vorher einbauen, dass das der Ort ist wo sie oft übernachten.

Irgendwas an dem Neuen passt mir nicht. Er ist okay und alles, aber da ist was an ihm, was mir Kopfschmerzen macht.
Ich fände es schön, wenn du hier noch genauer werden könntest. Gibt es irgendeine Verhaltensweise oder was anderes, das diese merkwürdige Gefühl erzeugt?

Heer kommt seit über ’nem halben Jahr jede Woche hier her und telefoniert mit dem Jugendamt, weil er wissen will, wie’s jetzt mit seinem Zimmer aussieht, betreutes Einzelwohnen, aber immer wieder halten sie ihn hin und sagen, er soll sich wieder melden.
Echt bitter. Der Heer scheint einer zu sein, der es wirklich versuchen will. Der will einen Weg rausfinden aus der Scheisse. Einfach wird es ihm nicht gemacht.

machen den Wodka und die Ja!-Limo auf.
Ich versteh ja nicht wieso die nur kaltes Zeug trinken. Warmes Wasser kann man sich doch in vielen Supermärkten an den Kaffeeautomaten ziehen, oder gabs das früher noch nicht ...?

»Er’s Anwalt«, sage ich.
Gefällt mir. :)

Am meisten fickt mich die Kälte.
Am meisten hasse ich mich selbst.
Ist diese Wiederholung Absicht? Mir gefällt der zweite Satz nicht so gut. Das klingt so wehleidig, nach Mitleid heischend, das passt irgendwie nicht.

und bin sogar noch ’n paar Mal in die Schule gegangen – natürlich ohne Bücher oder sowas, einfach der Gewohnheit wegen.
Oh mann, der arme Junge. :(

und sie ist einfach schreiend vor mir weggerannt, meine Mutter, hat die halben Einkäufe und alles fallen lassen, als sei ich ein scheiß Gespenst oder sowas.
Das erscheint mir übertrieben und unglaubwürdig. Warum sollte sie denn schreien?

und fast hätte ich vergessen, dass er ja erst dreizehn ist.
Hmm, wie alt ist Jaden denn? 15?

»Vergisses«, sage ich, »so dicht lassen die ihn nie rein«, sage ich, »die holen die Bullen.«
Einmal weniger „sage ich“ reicht auch.

und einzelne Brocken kleben ihm dort, Reis vielleicht, ich weiß es nicht.
Die weißen Brocken hast du oben schon. Das erscheint mir zu gewollt, schaut mal wie eklig das ist. Einmal würde mir reichen.

»Du kannst hier draußen nicht pennen«, sage ich, »da bist du schneller verreckt, als du zählen kannst«, sage ich.
Jetzt fällt mir auf dass du das mit dem „sage ich, sage ich“ öfters machst. Wohl ein Stilmittel? Gefällt mir nicht so gut.

und es ist komisch, warum ein so schöner Nachmittag einen dermaßen killen kann, aber manchmal ist das so, manchmal ist es nicht das Hässliche, das Furchtbare, das man sehen muss, sondern der Anblick von etwas so Schönem, der einen vollkommen zerlegt.
Das ist echt treffend traurig.

»Ach, ihr Kinder seid es!«
»Ja, wir wollten fragen, ob –«, fange ich an, aber dann winkt die Oma schon nach drinnen, sagt: »Rein, rein! Rein in die gute Stube!«
Oh, die Oma ist voll süß. Ich ahne irgendwie schon, dass das nicht gut ausgehen wird ...
Ist ja schließlich keine Wohlfühlgeschichte.

läuft schlürfend
Schlurfend oder?

Als die Trompeten richtig einsetzen, lege ich mich ins heiße Wasser,
Hier hätte ich den Moment mehr ausgekostet. Wenn ich durchgefroren in eine heiße Wanne steige, dann geht das nicht mal eben so. Das tut richtig weh. Erstmal nur die Füße kurz rein, wieder raus. Dann für ein paar Sekunden, bis es nicht mehr weh tut. Dann langsam immer mehr vom Körper und jede Bewegung des Wasser tut weh, weil es so verdammt heiß ist.

und alles wäre möglich.

Warmer Toast, Butter, Eier, alles mögliche

Zweimal möglich hintereinander lässt sich bestimmt vermeiden.

Als wir unten aus dem Wohnhaus gehen, sagt Heer: »Lass Voddi kaufen und zum Blumenhaus gehen, die machen heute früher auf, wegen Advent oder so«, und wir sind alle einverstanden.
Wie krass das sein muss aus der Wärme und Geborgenheit gehen zu müssen, und wieder auf der kalten Straße zu sein. Kein Wunder, dass da Bullshit Bubbles hochsteigen ...

»Der wollte noch mal zurück«, sagt Heer, und sprüht sich noch einen Schwall auf den Hals.
»Zur Oma?«, sage ich ungläubig. Heer nickt. »Hat irgendwas dort vergessen«, sagt er.
Alarm!! Alarmglocken!! Warum hören Jaden und Heer die nicht?

Irgendwas stimmt nicht mit mir,
Wieso mit mir? Im Sinne von Ich fühle mich nicht wohl?

er hält seine Jacke so komisch, wie ein schwer beladenes Kamel.
Seit wann haben Kamele Jacken? :p Irgendwie schief der Vergleich.

Sie hält die vordere Pfote hoch, und sie ist nicht schneeweiß wie ihr restliches Fell, sondern blutrot.
Das ist mir zu theatralisch.

Ich schreie: »Die Oma!«, und als ich ihm gegen den Kopf trete, wird er plötzlich ganz stumm – und ich hole aus, und ballere ihm mit aller Kraft noch mal die Spitze meines Schuhs in die Fresse – und sein Hinterkopf knallt mit voller Wucht gegen die Wand des Treppenhauses, ich höre es knacken –
Ich finde diesen Mord passend zur Geschichte. Mir kommt es nicht als zu gewollt vor, sondern als konsequent. Was hat Jaden schon zu verlieren? Er hat Heer und die Oma. Und dann kommt ein Fremder und nimmt ihm das. Außerdem ist Jaden immer leicht beduselt von Kälte und Alkohol. Vielleicht reagiert man in so einer Situation so. ich weiß es nicht. Aber für mich passt es.

Ich weiß nicht ob ich diesen letzten Absatz brauche. Er ist so losgelöst von der Geschichte. Jaden ist jetzt im Gefängnis, hat auch noch den Kontakt zu seinem besten freund verloren. Hmm.
Ich frage mich was du damit noch sagen möchtest. Dass Jaden immer noch träumt, von einem besseren Leben, das wahrscheinlich so nie kommen wird?
Also ich brauche diesen letzten Abschnitt nicht. wegen mit kann die Geschichte enden als die Polizisten im Blumenhaus auftauchen.

Insgesamt wirklich sehr beeindruckend, was du da geschrieben hast, diese ganzen Details, die die Geschichte glaubhaft machen.
An manchen Stellen könnte es für mich knackiger sein. Deine Art zu erzählen geht manchmal etwas ins Palavern über. Das passt meistens gut zu den Charakteren die du zeichnest. Soll also keine wirkliche Kritik sein, nur eine Meinungsäußerung. Wenn es nicht so wäre, wäre es eben kein echter Zigga mehr. ;)


Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Starker Text, zigga.

Spielst gekonnt deine Trümpfe aus. Das Milieu, deine Protas wirken authentisch, deine Schreibe erzeugt wieder mal einen Sog, der mich trägt, dazu bringt, die "Kritikerbrille" abzulegen, um mich treiben zu lassen. Guter, treffender, passender Sound.
Diese vermeintlich verlorenen Jugendlichen, diese verloren geglaubten, die sich nur noch von Etappe zu Etappe schleppen, ohne Ziel, derenTräume nichts als Tränen bringen, Träume, die sie gerne vergessen würden, aber auch das gelingt nicht.
Klingt vielleicht blöd, aber für mich ein typischer zigga-Text.

Was die Tötungsdelikte angeht. Ich meine - klar, du lässt das ein Stück weit offen, man erfährt ja nicht genau, ob zwei Morde (Totschlag) stattgefunden haben-, einer hätte ausgereicht. Ich würde, wenn überhaupt, Nikolaj sterben lassen, während die Oma blutend, aber noch atmend in der Wohnung liegt. Das erfährt dein Prota aber erst von Heer, nachdem der Dreizehjährige (tot)geschlagen, (-)getreten wurde.
Nur mal so als Idee.

Ich hab's schon geschrieben, beim ersten Lesen konnte ich mich einfach treiben lassen, bin kaum hängengeblieben, und wenn, dann nur kurz, ich wollte mich einfach nicht ablenken, rausbringen lassen, was ja gut ist.
Jetzt, beim zweiten Lesen, ein paar Kleinigkeiten, zigga:

Heer kommt mit diesem Neuen auf den Weihnachtsmarkt gelaufen, zu den Treppenstufen vor Nordsee, auf denen wir sitzen.
Schräg für mich. Klingt wie: Treppen vor Nordsee auf dem Weihnachtsmarkt. Das eine hat mit dem anderen ja nichts zu tun, oder? Dann die Frage nach "wir". Wen meinst du denn? Ich lese ja nur von Heer, Nikolaj und deinem Prota. Wer sitzt denn noch auf der Treppe?

habe ich für eine Sekunde das Gefühl, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben: Auf der einen Backe hat er diese lange, breite Narbe
Ich hab' mich auch gefragt, wie er diese Narbe vergessen konnte, warum er nur das Gefühl hat, ihn schon mal gesehen zu haben.
Wenn du das ...
ihn hätte früher irgend ’ne Erzieherin mal mit dem Gesicht gegen ’ne Heizung gedrückt,
... strichest, würde mir klar werden, dass er früher noch keine Narbe gehabt hatte. Also vor dem Heimaufenthalt.

Ich sitze noch auf meiner Decke, ziehe meine Jacke zu, rauche und spucke auf die Pflastersteine neben mir.
Wieso noch?

ich zähle die Münzen in meinem Handschuh
Klingt schräg.
In meiner Hand; die Kälte beschreibst du sooft, den Handschuh bräuchte ich nicht.

Heer hat den neuen Typen mitgeschleppt, und der wirft mir so Blicke zu, als ob er denkt, dass ich ihm gleich das Bier zahlen würde.
Redundant, weiß ich ja schon.

die gehen zugrunde, weil sie zuviel Blut sehen, oder weil sie in einem Hausflur aufwachen und ihren Nebenmann grau und tot sehen, mit dem sie noch am Abend zuvor rumgefeixt und Shit geraucht haben.
Vorschlag: die gehen zugrunde, weil sie zuviel Blut sehen, oder weil sie in einem Hausflur aufwachen und merken, dass ihr Nebenmann grau und tot neben ihnen liegt.
Ohne Anhängsel fände ich's stärker.

Und ich gehe eben drauf, weil mir literweise der Rotz aus der Nase läuft, und weil ich nächtelang meine Füße und Beine nicht mehr fühle, obwohl ich Hundert Paar Socken und Hosen anhabe.
Kann raus.

Ab und zu fischt er sich Zeitungen aus Mülleimern, und dann setzt er sich auf irgendeine Parkbank und blättert sie seelenruhig und hochkonzentriert von vorne bis hinten durch; und (genau) das sind (die) Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt (geworden) ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.
Ich weiß schon, Stilmittel und so, kannst ja trotzdem mal darüber nachdenken. Bisschen eindampfen vielleicht. Und Und-Diskussionen gab es ja auch schon mal zu deinen Texten :).
Nicht missverstehen, ich finde den Stil sehr gut, das vermeintlich Ungeschliffene auch, das lässt den Text "wahrer" wirken, stellenweise könntest du mMn trotzdem mal mit dem Schleifpapier drüber, mit 'nem feinkörnigen.


Zigga, mir wird die Zeit knapp, familiäre Verpflichtungen rufen. Ich schaue später noch mal rein.

Vorerst schon mal:


Vielen Dank fürs Hochladen!


hell

 

Hej @zigga ,

ich habe gar keine Lust und auch kein Interesse daran, in deiner Geschichte akribisch nach etwas zu suchen, was sie verbessern, verändern würde. Ich will dir nicht aufzeigen, dass es hier und da Wiederholungen gibt, auf die ich verzichten könnte, Vergleiche, die etwas schief sind. Sie ist in sich so perfekt/unperfekt wie Jaden und Heer und die Oma. Und deshalb würde ich wünsche, sie würde genauso bleiben, wie sie ist. Auf jeden so lebendig. Ich habe sie verschlungen und und mit den Tränen gerungen, ich habe gehofft und gewusst, nichts geht gut aus und dass Jaden am Ende im Gefängnis (?) so was wie Ruhe hat, zumindest von außen, ist schon mehr als gut ausgegangen. Ich habe gehofft, die Oma würde keinen Schaden nehmen und ihre naive Großherzigkeit würde sich lohnen. Aber es konnte nicht sein. Und das macht deine Geschichte so gut.
Ich hatte das Gefühl, nie so dicht an Straßenkinder heranzukommen wie durch dich. Und ich hoffe, du weißt nicht wovon du schreibst, ich hoffe, du kennst keines wirklich so genau, du hast bloß recherchiert und beobachtet. Wie ich es tu. Und es mir auch egal, ob diese Jadens da draußen mit ihren einzigartigen Schicksalen noch eine Weile oder lange oder gar für immer so warmherzig und hoffnungsvoll bleiben oder ob sie durch Drogen wie Alkohol n stuff eher resignieren und abstumpfen. Jaden ist wie er ist und deswegen ein toller Charakter.

Mehr ist nicht zu sagen ... ach, ein freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo @zigga,

Ich sitze noch auf meiner Decke, ziehe meine Jacke zu, rauche und spucke auf die Pflastersteine neben mir. »Bin halt ’ne neugierige Seele«, sage ich, »ansonsten nix.«

Und schon war mir dein Jaden ans Herz gewachsen. Du läßt mich sehr nah an ihn herankommen, sein Frieren, die Gedanken, die er sich macht, sein Versuch zu überleben. Und auch seine Anständigkeit, die ihn dazu bringt, sich mit Heer zusammen um den Jungen zu kümmern.

und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.

Das ist toll geschrieben. Man könnte solche Stellen auch weglassen und den Leser mit dem Bild von dem Heer, der mit der Zeitung auf der Bank sitzt allein lassen, aber man hätte nicht mehr diese Nähe zu deinem Protagonisten.

Besonders eindringlich zeigst du die körperlichen Strapazen eines solchen Lebens. Auch fühlte ich mich an Biographien in Obdachlosenzeitungen erinnert.

Heer hat den neuen Typen mitgeschleppt, und der wirft mir so Blicke zu, als ob er denkt, dass ich ihm gleich das Bier zahlen würde.

Klasse. Überhaupt, wie du die Alkoholsucht da die ganze Zeit mitlaufen lässt, so als Folie, vor der sich diese Leben abspielen und wie sie sich ertragen lassen.

Das mit dem Jungen noch was Böses kommt deutest du früh an und in dem Moment, wo die Oma ins Spiel kommt, wollte ich schon fast nicht mehr weiterlesen, bzw. habe zunächst quergelesen in der Hoffnung, dass es nicht so schlimm wird. Wurde es dann doch. Die Oma war mir fast etwas zu gut, zu naiv.

Heer sehe ich hinter Elke und den Polizisten stehen, und mich mit diesem Blick ansehen: Und ich denke daran, wie er auf dieser Parkbank bei den Enten-Seen sitzt,

Das hatte schon mal jemand angesprochen in einem früheren Text. An dieser Stelle finde ich das Wort diesem/dieser doch etwas inflationär. Wäre vielleicht doch eine Überlegung wert, es mal ohne zu versuchen.

Ein wirklich beeindruckender Text ist dir da gelungen. Wird mir nicht so schnell aus dem Kopf gehen.

Herzliche Grüße von Chutney

 

@MarcCaesar

Vielen Dank fürs Vorbeischauen und Kommentieren!

bin schwer begeistert und beeindruckt, sehr stimmige Atmosphäre.
Ja dankeschön, ich fühle mich geehrt!

Nur einige Kleinigkeiten:
Die Nase ist mir ein wenig zu oft verstopft, ich glaube vier mal insgesamt.
Und bei dem Wort Vietnamesen hat sich zwei mal ein "n" zu viel eingeschlichen.
Der Titel erschließt sich mir überhaupt nicht.
Das mit der Nase hat man mir auch schon anderorts gesagt! :D Danke für die Hinweise, Viet bessere ich gleich aus. Ich schaue mal, wo ich was von den Nasen rausstreichen kann.

Aber das sind alles absolute Nebensächlichkeiten.
Sehe mir auch sehr gern Deine anderen Texte mal an.
Danke dir und freut mich!

Besten Gruß


@Chai

Verdammt! :D Bessere ich aus, merci.


@Lotterlieschen

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren!

Wow, was für ein Hammer-Text ... so echt, so lebendig, so...alles. Ich hätte noch ewig weiterlesen können.
Danke! Freut mich natürlich

Vielleicht war mir das mit den Morden zuviel am Schluß. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber irgendwie stellt das dann die ganze andere Scheiße so in den Hintergrund...weiß nicht, ob du verstehen kannst, was ich meine ... ich kann es grad nicht besser erklären. Sorry.
Kann ich nachvollziehen auf eine Art! Bin gerade auch am Überlegen, was ich mit dem Ende mache, bzw. wie die Prügelei ausgeht. Danke für deine Einschätzung!

Müsste es nicht weniger voll heißen?
Stimmt! Wird ausgebessert

Alles Gute und danke für deine netten Worte!


@Nichtgeburtstagskind

Hallo und danke dir fürs Lesen und Feedback!

eine traurige Geschichte hast du da geschrieben, die mich mitfühlen lässt. Die Kälte kriecht mir an den Beinen hoch und ich mag gar nicht an den nächsten Winter denken und das obwohl ich eine warme Wohnung habe.
Das freut mich.

Ich finde es am Anfang etwas schwer die Charaktere in meinem Kopf zu formen. Heer ist ein ungewöhnlicher Name – vielleicht ein Spitzname? – Und von dem Erzähler weiß man lange Zeit das Geschlecht nicht. Da entsteht dann eher so ein grauer Fleck anstelle einer Person. Vielleicht könntest du da am Anfang etwas genauer zeichnen.
Das mit dem Geschlecht ist interessant, das hat noch niemand vermerkt. Ich denke mal drüber nach. Das mit dem Anfang ging einigen so, dass die ersten Sätze etwas holprig waren, ich werde da drüber arbeit, danke für deine Einschätzung!

Du erzählst alles sehr authentisch, ich glaube dir, dass es genauso ist, wenn man auf der Straße lebt.
Danke!

Ich finde diesen Mord passend zur Geschichte. Mir kommt es nicht als zu gewollt vor, sondern als konsequent. Was hat Jaden schon zu verlieren? Er hat Heer und die Oma. Und dann kommt ein Fremder und nimmt ihm das. Außerdem ist Jaden immer leicht beduselt von Kälte und Alkohol. Vielleicht reagiert man in so einer Situation so. ich weiß es nicht. Aber für mich passt es.
Super, ich bin gerade am Überlegen, ob ich den Totschlag bzw. die Körperverletzung mit Todesfolge am Ende so lasse oder etwas abmildere. Danke für deine Einschätzung! Auch danke für die vielen Detailanmerkungen. Ich hab sie mir genau angesehen und werde in den nächsten Tagen drüberarbeiten, ich hoffe es ist ok für dich, wenn ich hier nicht auf jeden einzelnen antworte! Aber werden auf jeden Fall bearbeitet und solche Anmerkungen sind natürlich immer Gold wert.

Ich weiß nicht ob ich diesen letzten Absatz brauche. Er ist so losgelöst von der Geschichte. Jaden ist jetzt im Gefängnis, hat auch noch den Kontakt zu seinem besten freund verloren. Hmm.
Ich frage mich was du damit noch sagen möchtest. Dass Jaden immer noch träumt, von einem besseren Leben, das wahrscheinlich so nie kommen wird?
Also ich brauche diesen letzten Abschnitt nicht. wegen mit kann die Geschichte enden als die Polizisten im Blumenhaus auftauchen.
Ok! Ich mag Geschichten irgendwie, die an einem bestimmt Punkt nicht enden, sondern einfach weitererzählen, meinetwegen auch mal in die Zukunft springen oder gleich zehn Jahre vor ... nicht unbedingt, aber ich finde das bei Storys oft erfrischend und unvorhergesehen, und außerdem lässt das - meiner Meinung nach - oft auch die eigentliche Handlung noch mal in einem ganz anderen Licht dastehen, wenn man so ein paar Jahre vorskippt. Ich weiß nicht genau, was ich mir dabei gedacht habe. Als ich die letzte Szene geschrieben hatte, war ich einfach interessiert, wie es weitergeht mit Jaden, was aus ihm werden würde; und ich hab mir gedacht, wäre ich ein Leser und die Story wäre jetzt vorbei, irgendwie wäre ich auf eine Art enttäuscht, weil ich einfach zu neugierig wäre, was aus dem Jungen wird. Aber Leser sind vollkommen unterschiedlich. Deine Anmerkung ist mal notiert und ich werde sie mal sacken lassen! :)

Insgesamt wirklich sehr beeindruckend, was du da geschrieben hast, diese ganzen Details, die die Geschichte glaubhaft machen.
An manchen Stellen könnte es für mich knackiger sein. Deine Art zu erzählen geht manchmal etwas ins Palavern über. Das passt meistens gut zu den Charakteren die du zeichnest. Soll also keine wirkliche Kritik sein, nur eine Meinungsäußerung. Wenn es nicht so wäre, wäre es eben kein echter Zigga mehr.
Danke für das Lob. Und: Ja, ein wenig Palavern, es gehört wahrscheinlich zu diesem Prot dazu. Aber ich werde mich zügeln! :D Hier jetzt viel Palavern rausschneiden, ich glaube, ich hätte etwas Bedenken, ob ich da nicht mehr kaputtmache, als ich gewinne. Aber ist vermerkt.

Danke dir, Nichtgeburtstagskind!


@hell

Grüße dich und danke auch dir für Lesen und Feedbacken!

Starker Text, zigga.

Spielst gekonnt deine Trümpfe aus. Das Milieu, deine Protas wirken authentisch, deine Schreibe erzeugt wieder mal einen Sog, der mich trägt, dazu bringt, die "Kritikerbrille" abzulegen, um mich treiben zu lassen. Guter, treffender, passender Sound.
Diese vermeintlich verlorenen Jugendlichen, diese verloren geglaubten, die sich nur noch von Etappe zu Etappe schleppen, ohne Ziel, derenTräume nichts als Tränen bringen, Träume, die sie gerne vergessen würden, aber auch das gelingt nicht.
Klingt vielleicht blöd, aber für mich ein typischer zigga-Text.

Danke dir! Ja, ist schon irgendwie natürlich mein Genre. Ich denke, jeder hat so seine drei, vier Themen, zu denen er sich hingezogen fühlt und die irgendwie immer beim Schreiben auftauchen. Kann mir aber auch gut vorstellen, dass sich das noch mal ändert. Ist ja ein bisschen wie Interessen, denke ich, dass man sich ein paar Jahre für dieses mehr interessiert, ein paar Jahre für etwas anderes. Aber Wiedererkennungswert - da freut sich natürlich jeder Autor drüber. :)

Was die Tötungsdelikte angeht. Ich meine - klar, du lässt das ein Stück weit offen, man erfährt ja nicht genau, ob zwei Morde (Totschlag) stattgefunden haben-, einer hätte ausgereicht. Ich würde, wenn überhaupt, Nikolaj sterben lassen, während die Oma blutend, aber noch atmend in der Wohnung liegt. Das erfährt dein Prota aber erst von Heer, nachdem der Dreizehjährige (tot)geschlagen, (-)getreten wurde.
Nur mal so als Idee.
Ist vermerkt. ich weiß gerade auch noch nicht, ob und was ich ändere und lass die Kritik hier mal ein paar Tage sacken.

Ich hab's schon geschrieben, beim ersten Lesen konnte ich mich einfach treiben lassen, bin kaum hängengeblieben, und wenn, dann nur kurz, ich wollte mich einfach nicht ablenken, rausbringen lassen, was ja gut ist.
Jetzt, beim zweiten Lesen, ein paar Kleinigkeiten, zigga:
Nur her damit! Nee, im Ernst, danke für die Anmerkungen. Ich denke, es ist ok, wenn ich nicht auf jede einzelne antworte, aber ich werde sie alsbald durcharbeiten ... danke dir für deine Mühe!

Nicht missverstehen, ich finde den Stil sehr gut, das vermeintlich Ungeschliffene auch, das lässt den Text "wahrer" wirken, stellenweise könntest du mMn trotzdem mal mit dem Schleifpapier drüber, mit 'nem feinkörnigen.
Ich schaue auf jeden Fall, was sich machen lässt! Ein wenig Schiss habe ich immer, wenn ein Text mal rund ist, dass ich da nicht mehr kaputtmache als verbessere. Aber ich werde mal drangehen.

Danke dir, hell, und wir lesen uns!

Der Rest folgt ...

 

Hi @zigga,
kann mich den Anderen nur anschließen. Sehr dichte Geschichte, in du mich von Anfang an rein gezogen hast. Nur zwei Sachen fand ich etwas unstimmig. Heer wirkt für mich total reif und erwachsen. Hab ihn mir anfangs eher als älteren Typen vorgestellt. Vielleicht kannst du da etwas gegensteuern und z.B. schreiben, dass er als Kind immer Anwalt werden wollte, oder zumindest früher einen Tipp geben, dass er auch noch so jung ist. Später wird das ja deutlich, aber da hatte ich das Bild schon im Kopf. Und Elke ist mir am Schluss nicht ganz klar. Warum kümmert sie sich erst, als Jaden mit allem durch ist oder warum kümmert sie sich überhaupt?
Sonst einfach mega.

 

nur mal kurz @zigga:
Ich finde den Text stark., richtig stark wie die Gefühlslage der Figuren gezeigt wird. Leider habe ich gerade keine Zeit, ihn detailliert zu kommentieren.
Zwei Punkte möchte ich dennoch erwähnen:
Die Länge braucht es nicht, da verliert sich der Text, wiederholt sich auch. Du könntest verdichten und dadurch Wirkung verstärken, mindestens 20% ließe sich kürzen, zum Beispiel die Szene in der Bahn, wozu muss die so ausführlich zu sein?
Noch was: bist du dir sicher, dass das Jugendamt sich sperrt, einem 14-Jährigen eine Unterkunft zu besorgen?
So viel erst Mal
liebe Die-Sonne.kommt-zum-Glück-zurück-Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey zigga,

ich denke: Nelson Algren, Joe Gould und auch ein wenig Blutsbrüder.

Du hast dir hier viel Mühe gegeben, mit den Charakteren und der backstory, mit der Atmo und allem. Das finde ich gut, denn ich kann das lesen, ich lese wie viel Arbeit du in diesen Text gesteckt hast. Du willst damit eine gewisse Authentizität erzeugen, aber das gelingt dir nur teilweise. Warum ist das so, oder warum empfinde ich es so?

Die Ausgangssituation ist irgendwie nicht stimmig. Seine Mutter wirft ihn mit Zwölf (!) raus. Da würde dich das Jugendamt aktiv werden und dich in ein Heim bringen. Und es würde dich bei einem Vergehen wie Schwarzfahren (warum mussten die da zur Polizei? Sie haben doch Ausweise? Nur wenn du keinen Ausweis hast oder diesen nicht vorzeigst, rufen sie die Polizei) auch genau wieder zu diesem Heim bringen.

Dann dein Erzähler. Die Kunst der Rollenprosa ist es, den geistigen Horizont deines Protagonisten nicht zu überschreiten. Du tust das andauernd. Er ist mit Zwölf raus von zu Hause, macht Platte, aber dann denkt er so was:

Ab und zu fischt er sich Zeitungen aus Mülleimern, und dann setzt er sich auf irgendeine Parkbank und blättert sie seelenruhig und hochkonzentriert von vorne bis hinten durch; und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.

Er denkt: hochkonzentriert. Er denkt: dies ist ein Moment, in dem ich. Also er ist absolut selbstreflektiert. Fragt sich, ob es so etwas wie Schicksal gibt, und ob man sich das aussuchen kann.

Dann ist im saukalt, aber sie gehen trotzdem Bier trinken. Hm. Schnaps kann ich verstehen. Zu sagen, ich geh mir Schabau besorgen, weil der wärmt, das verstehe ich. Aber eiskaltes Bier, wo er sich einen Absatz über die Kälte beklagt? Puh.

Wie soll ich das sagen? Ich nehme dem Erzähler den Ton nicht ab. Einmal sagt er verfickt, pissig, Bullen, Kotze, Scheiße, dann redet er wie ein Abiturient: Ich bin eine neugierige Seele.

Die Figuren stehen in einer Versuchsanordnung: Du brauchst den Neuen, um die Sache mit der Oma erzählen zu können, du erhöhst die Fallhöhe, setzt hier auf eine fatalistische Dramaturgie. Man kann das machen, das funktioniert. Es ist nur wie ein Mel Gibson Film, der bewusst die richtigen Stellen drückt beim Publikum. Zuerst führst du die Oma ein, die im Grunde die Verkörperung alles Guten ist, dann die ganzen problembeladenen Jungs, von dem es bei einem dann ausreißt, und es kommt zum Äußersten. Warum? Warum ist nicht der Erzähler derjenige, der die Oma beklaut, ohne das er sie totprügelt? Dass er ihre Gutgläubigkeit und ihr großes Herz einfach ausnutzt, weil ihn die Straße eben genau das gelehrt hat? Wie er da sitzt und sich ihre Geschichten anhört, und ihr dann Pokale oder Essbesteck abzieht, mit einem Lächeln auf den Lippen, und sie das vielleicht sogar weiß, aber nichts sagt, weil sie es in ihrem Herzen versteht? Das wäre tragisch, auf eine leise Art und Weise. Hier hast du den dicken Effekt, die Jungs, die Voddi saufen und irgendwie so halb verschmäht ihre kaputten Lebensgeschichten hernehmen, über die sie aber doch gar nicht reflektieren können, die können das nicht artikulieren, nicht aus sich selbst heraus - wenn man jung ist und aus einem broken home kommt, dann ist man wütend, man ist auf alles wütend, und man kann diese Wut selbst nicht begreifen, dafür braucht man sehr lange, glaube mir, ich habe das hinter mir. Du brauchst einen Mentor, der dich anleitet, der dir Worte und Werte für deine Wut gibt, dir sie verständlich macht, die Werkzeuge um zu Begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Alles zielt auf diese Sache mit der Oma ab, ich habe jede Zeile damit gerechnet, dass so etwas oder etwas Ähnliches passiert. Weil es in sich ja auch logisch ist. Aber ich glaube, da steckt mehr drin, mehr in deinen Figuren, und auch mehr in dir als Autor.

Das klingt vielleicht jetzt kritisch, und das soll es auch, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich die Wahl deiner Themen und Sujets sehr schätze, und das ich dich für einen sehr talentierten Erzähler halte, und deswegen einfach nochmal extra picke, weil ich denke, dass es gut ist, wenn du herausgefordert wirst und dich nicht nur auf dramaturgische Tricks, die du zweifellos beherrschst, verlässt. Ich sehe, wie du dich weiterentwickelst, und das du auch auf diese Entwicklung drängst, und deine Themen werden dich auch nicht mehr verlassen, aber du versuchst es manchmal zu erzwingen, ich kann das nicht beschreiben, du willst dieses Gossen-Epos, das Sittengemälde, das ganze Drama, alles auf einmal. Vielleicht lieber einmal mehr zurücklehnen und sich überlegen, wie man etwas klein, fein, leise hinbekommt, so dass die Falle im Kopf des Leser zuschnappt.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Ronja!

Respekt. Auch ich bin begeistert von der Geschichte, insbesondere der Art und Weise, wie du mit deiner Sprache, Stimmungen erzeugst. Ganz toll.
Super, vielen Dank!

Der erste Satz gefällt mir auch nicht ganz so gut.
Der erste Satz gefiel einigen nicht, ich denke, ich werde da noch mal drüberarbeiten

Bei Jaden habe ich zeitweise gedacht, dass er eine Frau ist.
Es ist die saubere Wohnung nach der er sich sehnt, die kalte Füße, bei denen ich immer an Frauen denke, weil er plötzlich das Heulen anfängt und nicht mehr aufhören kann etc.
Das ist interessant! :D Shit, ich weiß jetzt nicht mehr, ob du die einzige warst, der es an besagter Stelle so ging ... oder ob da noch jemand war. So viele Kommentare! Auf jeden Fall interessant danke für das Feedback und ich werde mal abwarten, was andere dazu sagen ...

Für mich könnte die Geschichte auch früher enden. Die letzten zwei Absätze könnten vllt. gestrichen werden. Zum einen habe ich mich gefragt, wie bzw. weshalb die Polizisten glauben, dass Heer und Jaden Tatverdächtige sein könnten. Es gab ja keine Zeugen. Die Omi ist tot und Nikolaj auch. Heer wird Jaden nicht verpfiffen haben. Oder habe ich etwas nicht kapiert? Gut, es gab noch die Türken von der Spielo, die etwas gesehen haben. Den Mord aber nicht. Der fand im Treppenhaus statt. Da waren sie nicht dabei. Vielleicht versuche ich jetzt auch nur, logische Argumente zu finden, denn eigentlich möchte ich nicht, dass Jaden ins Gefängnis kommt. Hätte mir eher ein offenes Ende gewünscht.
Ja schwierig ... ich persönlich mag offene Enden nicht besonders, einfach, weil ich mich als Leser ein Stück weit verarscht fühle und das für mich sich immer nach dem leichtesten Abgang für den Autor anfühlt. Wenn ich eine Geschichte lese, brauche ich irgendeinen Abschluss, zentrale Dinge müssen geklärt sein; "denk dir den Rest der Geschichte selbst" ärgert mich immer ein bisschen. Aber ist Geschmackssache. Hier hat mich beim Schreiben einfach interessiert, was aus Jaden wird, und fand den kleinen Zeitsprung dann ganz nett, auch um zu sehen, dass es immer weitergeht, dass man selbst nach einem Mord weiterlebt und vielleicht achtzig Jahre alt wird.
Danke für das Feedback, dass dir etwas unklar war, wie sie auf das Kid kommen. Ich finde das gar nicht so unwahrscheinlich. Gerade in Städten, tagsüber, da sind so viele Leute, und wenn es wo ein wenig laut ist oder jemand schreit, schaut immer irgendwer aus dem Fenster ... meine Erfahrung ... und wenn dann so etwas wie ein Raub passiert, ich fand es ganz logisch, dass da irgendwer eine Täterbeschreibung abgeben konnte. Obdachlos wirkende Teenager, eisige Kälte, dass man als Polizei auf die Unterkunft kommt fand ich eigentlich ganz schlüssig. Wieso dann gerade auf Jaden? Schwierig, ich will hier nicht alles ausdeuten, sonst wäre es ja langweilig :D aber wenn es für dich unschlüssig wirkt, ist das ein Fehler am Text, ist angekommen.

Das Leben auf der Straße hast du sehr gut dargestellt und mich daran erinnert, wie gut es mir geht. Danke dafür.
Danke! Auch fürs Lesen und Feedbacken, ich freue mich immer.

Liebe @Kanji,

ich habe gar keine Lust und auch kein Interesse daran, in deiner Geschichte akribisch nach etwas zu suchen, was sie verbessern, verändern würde. Ich will dir nicht aufzeigen, dass es hier und da Wiederholungen gibt, auf die ich verzichten könnte, Vergleiche, die etwas schief sind. Sie ist in sich so perfekt/unperfekt wie Jaden und Heer und die Oma.
Ja, was will ich sagen, so ein reines Lob hört man als Autor natürlich immer gerne, auch wenn ich den Text wahrscheinlich gar nicht so gelungen finde wie du, aber es freut mich natürlich, dass das bei ein paar Menschen da draußen so gut ziehen konnte.

Und deshalb würde ich wünsche, sie würde genauso bleiben, wie sie ist. Auf jeden so lebendig. Ich habe sie verschlungen und und mit den Tränen gerungen, ich habe gehofft und gewusst, nichts geht gut aus und dass Jaden am Ende im Gefängnis (?) so was wie Ruhe hat, zumindest von außen, ist schon mehr als gut ausgegangen. Ich habe gehofft, die Oma würde keinen Schaden nehmen und ihre naive Großherzigkeit würde sich lohnen. Aber es konnte nicht sein. Und das macht deine Geschichte so gut. Ich hatte das Gefühl, nie so dicht an Straßenkinder heranzukommen wie durch dich.
Wahnsinn! Danke dir.

Zu so viel Lob weiß ich immer gar nicht, was ich sagen soll, deswegen belasse ichs mal dabei! Danke dir, Kanji! :)


Hallo @Chutney,

Ich sitze noch auf meiner Decke, ziehe meine Jacke zu, rauche und spucke auf die Pflastersteine neben mir. »Bin halt ’ne neugierige Seele«, sage ich, »ansonsten nix.«
Und schon war mir dein Jaden ans Herz gewachsen. Du läßt mich sehr nah an ihn herankommen, sein Frieren, die Gedanken, die er sich macht, sein Versuch zu überleben. Und auch seine Anständigkeit, die ihn dazu bringt, sich mit Heer zusammen um den Jungen zu kümmern.
Super!

Das ist toll geschrieben. Man könnte solche Stellen auch weglassen und den Leser mit dem Bild von dem Heer, der mit der Zeitung auf der Bank sitzt allein lassen, aber man hätte nicht mehr diese Nähe zu deinem Protagonisten.

Besonders eindringlich zeigst du die körperlichen Strapazen eines solchen Lebens. Auch fühlte ich mich an Biographien in Obdachlosenzeitungen erinnert.

Super, vielen Dank

Klasse. Überhaupt, wie du die Alkoholsucht da die ganze Zeit mitlaufen lässt, so als Folie, vor der sich diese Leben abspielen und wie sie sich ertragen lassen.

Das mit dem Jungen noch was Böses kommt deutest du früh an und in dem Moment, wo die Oma ins Spiel kommt, wollte ich schon fast nicht mehr weiterlesen, bzw. habe zunächst quergelesen in der Hoffnung, dass es nicht so schlimm wird. Wurde es dann doch. Die Oma war mir fast etwas zu gut, zu naiv.

Danke danke. Vielleicht ist die Oma wirklich etwas zu gut, so, dass sie schon fast etwas platt wirkt und klar ist, was passiert. Steht jetzt nicht in deinem Kommentar, aber ist natürlich etwas, was mir auch schon während dem Schreiben durch den Kopf ging. Danke für das Feedback!

Das hatte schon mal jemand angesprochen in einem früheren Text. An dieser Stelle finde ich das Wort diesem/dieser doch etwas inflationär. Wäre vielleicht doch eine Überlegung wert, es mal ohne zu versuchen.
Ich kann mich sehr gut daran erinnern, es war nämlich @Novak! :D Es stimmt. Das ist so eine Macke von mir, die glaube ich gar nicht wirklich gut ist. Wird ausgebessert.

Chutney, auch dir viele Dank für Lesen und Feedback, hat mich sehr gefreut!


@Snowmaid,

dir auch vielen Dank fürs Vorbeischauen und Lesen plus Kommentieren!

kann mich den Anderen nur anschließen. Sehr dichte Geschichte, in du mich von Anfang an rein gezogen hast.
Vielen Dank!

Nur zwei Sachen fand ich etwas unstimmig. Heer wirkt für mich total reif und erwachsen.
Stimmt, ja. Vielleicht ist er ja schon etwas reifer? :) Meine Erfahrung ist, dass die Straße auch sehr junge Kids sehr schnell "reifen" lassen kann, einfach, weil es plötzlich nicht mehr möglich ist, Kind zu sein. Aber ich denke mal über deinen Vorschlag nach, vielen Dank dafür!

Und Elke ist mir am Schluss nicht ganz klar. Warum kümmert sie sich erst, als Jaden mit allem durch ist oder warum kümmert sie sich überhaupt?
Wenn das unklar bzw. undurchsichtig bleibt, ist das ein Fehler im Text. Also ich könnte das jetzt erklären, wie ich mir das als Autor gedacht habe, aber ich finde, ein Text muss immer selbsterklärend sein, ansonsten steckt da ein Fehler im Getriebe. Wäre doch schlimm, wenn sich jeder Autor neben sein Teil stellen und erklären müsste!

Sonst einfach mega.
Danke dir, Snowmaid!

@Isegrims

Merci fürs Vorbeischneien, Lesen, Kommentieren!

Ich finde den Text stark., richtig stark wie die Gefühlslage der Figuren gezeigt wird.
Super

Die Länge braucht es nicht, da verliert sich der Text, wiederholt sich auch. Du könntest verdichten und dadurch Wirkung verstärken, mindestens 20% ließe sich kürzen, zum Beispiel die Szene in der Bahn, wozu muss die so ausführlich zu sein?
Denke ich mal drüber nach, danke. 20% ist halt schon ne Hausnummer! :D Hab bei Storys, die irgendwie rund sind irgendwann immer Befürchtungen, da ordentlich wegzuschneiden, dass sie schlechter werden ... ich denke mal drüber nach. Aber ist dein Leseeindruck, den ich mir notieren werde.

Noch was: bist du dir sicher, dass das Jugendamt sich sperrt, einem 14-Jährigen eine Unterkunft zu besorgen?
Bin ich. Obdachlosigkeit Minderjähriger ist so ein verzwicktes Teil in Deutschland. Viele hauen von zu Hause ab, weil sie es erstmal vorziehen, draußen zu leben anstatt bei den Eltern. Wenn sie dann zurück wollen, in ein betreutes Wohnen, Heim, etc. ist das Problem, dass sich oft kein Amt zuständig fühlt, sie von Amt zu Amt rumgeschoben werden. Psychische Probleme, Süchte kommen hinzu und führen dazu, dass solche Kids den Versuch dann oft hinschmeißen. Es ist ein Problem der Ämter und der Zuständigkeiten in Kombination von einem Bündel an Problemen, die jeder in sich trägt Wird ja auch angesprochen, es gibt Notwohnheime, in die man kurzfristig einziehen könnte, aber da gilt z.B. striktes Alkoholverbot, und die sind allgemein sehr sehr abgefuckt. Aber wenn es dir im Text unrealistisch vorkam, ists ein Fehler im Text, würde ich sagen.


Wird fortgesetzt!

 

Einfach mal, weil's zum Thema passt, zur Geschichte allerdings nur im weitesten Sinne, weshalb ich den Komm hier auch gerne wieder rausnehme, zigga. Gib' einfach Bescheid ...

Folgenden Abschlussbericht des DJI finde ich sehr aufschlussreich. Sei es zur Recherche oder auch, und jetzt bin ich beim Text :), um die Charaktere darin wiederzufinden.

Gruß

hell

 

Hey zigga

Klingt bescheuert, aber es gibt Leute, die gehen zugrunde, weil sie zuviel Blut sehen, oder weil sie in einem Hausflur aufwachen und ihren Nebenmann grau und tot sehen, mit dem sie noch am Abend zuvor rumgefeixt und Shit geraucht haben.
und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.
Mit zwölf hat sie mich rausgeschmissen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hat: Ich würde aussehen wie mein Vater, jeden Tag mehr, hat sie immer wieder gesagt. Auf eine komische Art nehm ich’s ihr auch gar nicht übel.
Ich denke nichts in diesem Augenblick, ich sehe bloß mich an, wie ich bin, nackt, und es ist seltsam, aber fast kommt es mir vor, als würde ich einem Fremden in die Augen blicken

Das ist so eine Strategie: Gedanken und Sätze relativieren (vgl. das Fettmarkierte), wenn man als Autor spürt, dass sie nicht wirklich zum Erzähler passen. Stelle ich mal ganz frech in den Raum. Das geschieht in deinem Text an einigen Stellen, meistens dann, wenn der Erzähler ins Allgemeine und Grundsätzliche geht, wenn er über sich selbst nachdenkt, und dies in einer sprachlichen und emotionalen Reife, zu der er eigentlich nicht in der Lage sein sollte. Durch die Relativierungen erhalten diese Aussagen den Status einer Art Eingebung, einer Ahnung, und werden vom Leser eher gekauft, so die Hoffnung.

Ich liebe deine Geschichten, das weisst du, zigga, und mittlerweile ist das Pathos, das du entwickelst, auf ein Mass reduziert, das mir richtig erscheint, ich finde den Text über weite Strecken stimmig, die Kälte, der Schmerz, die Sehnsucht und es ist auch gut, wie du das ansprichst und aussprichst - bis eben auf die paar wenigen Stellen, wo mir der Erzähler eine Spur zu tiefgründig erscheinen will. Ansonsten ist es wirklich zum neidisch werden, wie du diesen emotionalen drive entwickelst, der die Leser zu packen vermag.

Zur Länge der Geschichte: Mir ist sie zu kurz. In der vorliegenden Form liegt das Schwergewicht des Textes auf der Tötung / den Tötungen, auf dem dramatischen Höhepunkt. Das finde ich schade, denn das gibt dem Text den Anschein, dies sei das eigentlich Erzählenswerte. Für mich ist aber das eigentlich Erzählenswerte das Drumherum: Wie es ist, auf der Strasse zu leben. Wie hier Freundschaften funktionieren oder eben nicht. Abhängigkeiten. Sehnsüchte. Das hast du alles drin. Aber eben in einer relativ gedrängten Form, was auch die Rückblicke auf Mutter und Vater und den Rauswurf betrifft, die auf knappem Raum zeigen sollen, wie es gekommen ist, und dabei ein klein wenig erklärend wirken. Und am deutlichsten beim letzten Abschnitt, der auf mich den Eindruck eines Anhängsels macht. Ich würde den entweder streichen oder massiv ausbauen, wenn dich das - wie du ja sagst - wirklich interessiert. Wäre auch eine gute Herausforderung, darüber zu schreiben, weil du dich da nicht auf Action und Drama stützen kannst, die immer einen guten Boden abgeben für alles andere und einen Text auf keinen Fall langweilig werden lassen. Hier reinzugehen, fände ich sehr reizvoll.

Aber das sind nur so Gedanken zu einem Text, den ich sehr gerne gelesen habe. Du hast es drauf, zigga, und immer mehr und immer noch besser.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

@jimmysalaryman

ich denke: Nelson Algren, Joe Gould und auch ein wenig Blutsbrüder.
hab das mal gecheckt und werde meine Unbelesenheit bald nachholen, denn alle drei Autoren/Romane klngen sehr interessant.

Jimmy, ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar, und ich werde sicher ein paar gute Sachen davon mitnehmen können.

Im Endeffekt stimme ich dir eigentlich in all deinen Kritikpunkten zu. Ich will ein wenig weg von diesen klaren "Höhepunkten", im Endeffekt ist Gewalt ein ähnliches Stilmittel wie Sex, man weiß, dass es irgendwo "wirkt" beim Zuschauer, aber wirkliche Substanz steht erst mal nicht dahinter. Der Text hier ist nicht der neueste, ist schon ein paar Monate alt, und irgendetwas hat immer irgendwie nicht ganz daran gepasst, vom Feeling her, aber ich bin nie draufgekommen, was. Ich habe dir das glaube ich auch unter deiner letzten Story geschrieben, dass ich es gut finde, wie langsam und irgendwo auch ruhig der Höhepunkt daher kommt, ohne große Action und Effekte, und jetzt in deinem Kommentar hab ich glaube ich wiedererkannt, dass mich auch in dieser Story hier dieser Gang auf einen Höhepunkt, der mit all seinen Effekten ein Höhepunkt ist, zusteuert. Ist nicht so, dass ich sie wirklich schlecht finde, aber irgendwie glaube ich, dass das nächste Level ein wenig die Reduzierung dieser Effekte Gewalt ist, mehr ruhig und in die Breite und in den Figuren, also danke dir auf jeden Fall für diesen Input.

Die Ausgangssituation ist irgendwie nicht stimmig. Seine Mutter wirft ihn mit Zwölf (!) raus. Da würde dich das Jugendamt aktiv werden und dich in ein Heim bringen. Und es würde dich bei einem Vergehen wie Schwarzfahren (warum mussten die da zur Polizei? Sie haben doch Ausweise? Nur wenn du keinen Ausweis hast oder diesen nicht vorzeigst, rufen sie die Polizei) auch genau wieder zu diesem Heim bringen.
Ok wenn das unstimmig erscheint, will ich da gar nicht widersprechen, dann liegt es am Text, Story hier in den Kommentaren verteidigen ist immer scheiße. :D Wollte nur kurz anmerken, dass es tatsächlich so passieren kann und passiert, also ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Gibt ziemlich viele obdachlose Minderjährige, weißt du, die theoretisch alle in Heimen etc. unterbracht werden müssten, aber sie sind es aus den verschiedensten Gründen nicht, und für einige, die z.B. in betreutes Wohnen wollen, ist es so gut wie unmöglich, da sich keine Behörde zuständig fühlt, sie in den Notwohnheimen nüchtern sein müssten usw. Ich hab tatsächlich von einem Kerl gehört, dem das genau so passiert ist, seine Mutter ist mit 12 einfach umgezogen, sie hatte einen Dachschaden, klar, aber er ist in diese Obdachlosigkeit halt reingeschlittert, Drogen etc. kommt dazu, und da ist auch kein Staat, der dich nimmt und in Betreuung steckt und da einsperrt. Aber wie gesagt, ist echt nicht meine Absicht, das zu verteidigen, wenn der Text hier unauthentisch wirkt, nehme ich das zur Kenntnis und denke mal drüber nach

Dann dein Erzähler. Die Kunst der Rollenprosa ist es, den geistigen Horizont deines Protagonisten nicht zu überschreiten. Du tust das andauernd. Er ist mit Zwölf raus von zu Hause, macht Platte, aber dann denkt er so was:
Ab und zu fischt er sich Zeitungen aus Mülleimern, und dann setzt er sich auf irgendeine Parkbank und blättert sie seelenruhig und hochkonzentriert von vorne bis hinten durch; und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.
Er denkt: hochkonzentriert. Er denkt: dies ist ein Moment, in dem ich. Also er ist absolut selbstreflektiert. Fragt sich, ob es so etwas wie Schicksal gibt, und ob man sich das aussuchen kann.
Du hast recht, danke für den Hinweis, kam jetzt auch von Peeperkorn und paar anderen. Ich glaube ich muss das Teil ein wenig liegenlassen, um da noch mal mit frischer Sicht drüberarbeit zu können. Ich glaube, so in Rollenprosa drin zu sein, dass man den Horizont der Prots nie überschreitet, ist ziemlich schwierig (nicht als Ausrede gemeint). Ich gelobe Besserung! :D Manchmal traue ich meinen Prots wahrscheinlich mehr zu, als die Wirklichkeit hergibt.

Dann ist im saukalt, aber sie gehen trotzdem Bier trinken. Hm. Schnaps kann ich verstehen. Zu sagen, ich geh mir Schabau besorgen, weil der wärmt, das verstehe ich. Aber eiskaltes Bier, wo er sich einen Absatz über die Kälte beklagt? Puh.
Ich dachte: Schnaps kriegen mit 14 ist schwieriger, als Bier. Aber hast recht, ich denke mal drüber nach

Die Figuren stehen in einer Versuchsanordnung: Du brauchst den Neuen, um die Sache mit der Oma erzählen zu können, du erhöhst die Fallhöhe, setzt hier auf eine fatalistische Dramaturgie. Man kann das machen, das funktioniert. Es ist nur wie ein Mel Gibson Film, der bewusst die richtigen Stellen drückt beim Publikum. Zuerst führst du die Oma ein, die im Grunde die Verkörperung alles Guten ist, dann die ganzen problembeladenen Jungs, von dem es bei einem dann ausreißt, und es kommt zum Äußersten.
Ja, ich stimme dir voll zu. Irgendwo funktioniert das Ganze, aber irgendwo ist die Konstellation auch so gewollt :D Klingt jetzt sehr selbstkritisch, aber das waren auch schon so Gedanken, wieso ich so lange mit der Story gehadert habe. Irgendwo kann man nichts gegen all das sagen, aber irgendwo doch gegen alles.

Warum ist nicht der Erzähler derjenige, der die Oma beklaut, ohne das er sie totprügelt? Dass er ihre Gutgläubigkeit und ihr großes Herz einfach ausnutzt, weil ihn die Straße eben genau das gelehrt hat? Wie er da sitzt und sich ihre Geschichten anhört, und ihr dann Pokale oder Essbesteck abzieht, mit einem Lächeln auf den Lippen, und sie das vielleicht sogar weiß, aber nichts sagt, weil sie es in ihrem Herzen versteht? Das wäre tragisch, auf eine leise Art und Weise.
Finde ich ziemlich fett. Wäre mir das eingefallen, hätte ich es wohl so geschrieben.
Alles zielt auf diese Sache mit der Oma ab, ich habe jede Zeile damit gerechnet, dass so etwas oder etwas Ähnliches passiert. Weil es in sich ja auch logisch ist. Aber ich glaube, da steckt mehr drin, mehr in deinen Figuren, und auch mehr in dir als Autor.
Ich glaube, bei solchen Effekten wie Gewalt schwingt auch immer die Angst des Autoren mit, die Leser zu langweilen, etwas Dramatisches erzählen zu wollen. Braucht man schon Eier, wenn man das bewusst weglässt und sich nur auf die Figuren und ihre leisen Konflikte vertraut. Aber ich hab Bock in diese Richtung zu gehen, aber kann natürlich nix garantieren.

Das klingt vielleicht jetzt kritisch, und das soll es auch, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich die Wahl deiner Themen und Sujets sehr schätze, und das ich dich für einen sehr talentierten Erzähler halte, und deswegen einfach nochmal extra picke, weil ich denke, dass es gut ist, wenn du herausgefordert wirst und dich nicht nur auf dramaturgische Tricks, die du zweifellos beherrschst, verlässt. Ich sehe, wie du dich weiterentwickelst, und das du auch auf diese Entwicklung drängst, und deine Themen werden dich auch nicht mehr verlassen, aber du versuchst es manchmal zu erzwingen, ich kann das nicht beschreiben, du willst dieses Gossen-Epos, das Sittengemälde, das ganze Drama, alles auf einmal. Vielleicht lieber einmal mehr zurücklehnen und sich überlegen, wie man etwas klein, fein, leise hinbekommt, so dass die Falle im Kopf des Leser zuschnappt.
Danke dir für die ermutigenden Worte und das Lob, und immer her mit der extra Kritik, deswegen lade ich ja mein Zeug hier hoch.
Ein Kommentator hat mal eine frühere Story als "Stalinorgel" der Gewalt genannt :D Ich kann mich nur wiederholen, ich kann dir nur zustimmen. Danke dir für deine Zeit und das Feedback, hat mich sehr gefreut, Jimmy!


@hell
Danke dir für den Link, hell, jetzt musst du mir nur noch sagen, was du mir damit sagen willst! :D Also ich hab den Aufsatz mal überflogen, willst du mir damit sagen, ich sollte noch mal recherchieren oder dass du die Figuren eigentlich gut getroffen findest?


@Kinaski

Hi, zigga Deine Story zeigt exemplarisch, dass der eigentliche Gehalt, die Stimmung eines Textes zwischen den Wörtern und Sätzen liegt, sich von selbst ergibt. Das kann einem kein Schreibkurs und kein Germanist beibringen. Entweder hat man das drauf oder nicht. Du hast das ziemlich drauf.
Das ist ein großes Kompliment, und ich möchte mich dafür bedanken!

Ich stimme allerdings mit Isegrims überein, dass man das Ding um 20 Prozent kürzen kann. Ich behaupte: Sogar um 30 Prozent. (Kleinmist-Lektorat haben andere gemacht ... auch wichtig.)
Ja ... ich denke mal drüber nach. Aktuell finde ich keine größeren Abschnitte, wo ich mir denke, hey, die könnte ich getrost einfach mal wegkürzen. Ich glaube, ich muss den Text noch paar Wochen liegen lassen und noch mal drüberschauen, oft sieht man dann mehr und klarer. Aber danke für deine Anmerkung, ist notiert!

Danke fürs Lesen und Kommentieren!

@Peeperkorn

zigga schrieb:
Klingt bescheuert, aber es gibt Leute, die gehen zugrunde, weil sie zuviel Blut sehen, oder weil sie in einem Hausflur aufwachen und ihren Nebenmann grau und tot sehen, mit dem sie noch am Abend zuvor rumgefeixt und Shit geraucht haben.
zigga schrieb:
und das sind Momente, in denen ich mich frage, was eigentlich passiert ist, und wieso Heer in dieser Welt kein Anwalt ist; und ob man sich das eigentlich aussuchen kann, wer man ist, oder ob das nicht schon immer in einem drin ist, und ob Heer nicht auf irgendeine Art doch ein Anwalt ist, eben den Umständen entsprechend, Plattenanwalt vielleicht, aber das ist totaler Bullshit, glaube ich.
zigga schrieb:
Mit zwölf hat sie mich rausgeschmissen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hat: Ich würde aussehen wie mein Vater, jeden Tag mehr, hat sie immer wieder gesagt. Auf eine komische Art nehm ich’s ihr auch gar nicht übel.
zigga schrieb:
Ich denke nichts in diesem Augenblick, ich sehe bloß mich an, wie ich bin, nackt, und es ist seltsam, aber fast kommt es mir vor, als würde ich einem Fremden in die Augen blicken
Das ist so eine Strategie: Gedanken und Sätze relativieren (vgl. das Fettmarkierte), wenn man als Autor spürt, dass sie nicht wirklich zum Erzähler passen. Stelle ich mal ganz frech in den Raum. Das geschieht in deinem Text an einigen Stellen, meistens dann, wenn der Erzähler ins Allgemeine und Grundsätzliche geht, wenn er über sich selbst nachdenkt, und dies in einer sprachlichen und emotionalen Reife, zu der er eigentlich nicht in der Lage sein sollte. Durch die Relativierungen erhalten diese Aussagen den Status einer Art Eingebung, einer Ahnung, und werden vom Leser eher gekauft, so die Hoffnung.
Das ist ein krasser Gedanke! Gut beobachtet. Ich möchte mich nicht rauswinden, aber ehrlich gesagt habe ich über die von dir markierten Teile noch nie wirklich nachgedacht. Ehrlich gesagt glaube ich, dass du recht haben könntest, dass ich das unterbewusst dort eingebaut habe, wo ich mir vielleicht irgendwo klar war, dass das nicht ganz zur Figur passt, aber es als "Eingebung" noch abgekauft werden könnte. Also, wie gesagt, keine Ausrede, aber nicht von mir beabsichtigt. Hut ab! (Vor deinem scharfen Blick)

Ich liebe deine Geschichten, das weisst du, zigga
Ach, danke, Peeperkorn! :D

mittlerweile ist das Pathos, das du entwickelst, auf ein Mass reduziert, das mir richtig erscheint, ich finde den Text über weite Strecken stimmig, die Kälte, der Schmerz, die Sehnsucht und es ist auch gut, wie du das ansprichst und aussprichst - bis eben auf die paar wenigen Stellen, wo mir der Erzähler eine Spur zu tiefgründig erscheinen will. Ansonsten ist es wirklich zum neidisch werden, wie du diesen emotionalen drive entwickelst, der die Leser zu packen vermag.
Ja, ich hab das Gefühl, da auch immer ein wenig mehr Gefühl zu bekommen, was ist zu viel und was geht noch, im Bezug auf Pathos. Und danke dir für das Lob

Zur Länge der Geschichte: Mir ist sie zu kurz. In der vorliegenden Form liegt das Schwergewicht des Textes auf der Tötung / den Tötungen, auf dem dramatischen Höhepunkt. Das finde ich schade, denn das gibt dem Text den Anschein, dies sei das eigentlich Erzählenswerte. Für mich ist aber das eigentlich Erzählenswerte das Drumherum: Wie es ist, auf der Strasse zu leben. Wie hier Freundschaften funktionieren oder eben nicht. Abhängigkeiten. Sehnsüchte. Das hast du alles drin. Aber eben in einer relativ gedrängten Form, was auch die Rückblicke auf Mutter und Vater und den Rauswurf betrifft, die auf knappem Raum zeigen sollen, wie es gekommen ist, und dabei ein klein wenig erklärend wirken. Und am deutlichsten beim letzten Abschnitt, der auf mich den Eindruck eines Anhängsels macht. Ich würde den entweder streichen oder massiv ausbauen, wenn dich das - wie du ja sagst - wirklich interessiert. Wäre auch eine gute Herausforderung, darüber zu schreiben, weil du dich da nicht auf Action und Drama stützen kannst, die immer einen guten Boden abgeben für alles andere und einen Text auf keinen Fall langweilig werden lassen. Hier reinzugehen, fände ich sehr reizvoll.
Etwas Ähnliches hat Jimmy zwei Kommentare vor dir kritisiert, und ich kann euch nur zustimmen. Irgendwo ist der Story-Aufbau, die Gewalt, auch ein wenig bloß ein Effekt, wie Explosionen oder Sex in Filmen. Ist mir jetzt durch die Kommentare noch mal mehr klar geworden. Will mich nicht rausreden, aber die Story ist jetzt auch schon ein paar Monate alt, danach kamen z.B. Greeny und Siebzehn, und auf das mega harte Geballer habe ich da schon "instinktiv" verzichtet, weil ich glaube ich auch schon das Gefühl hatte, den Leser noch mehr packen zu können, wenn ich irgendwann in die Richtung gehe, mal auf die Effekte größtenteils zu verzichten und auf die Figuren zu vertrauen. Oh, obwohl, Sex und eine Tote kamen doch vor, wenn ich mich jetzt kurz zurückerinnere, haha

Aber das sind nur so Gedanken zu einem Text, den ich sehr gerne gelesen habe. Du hast es drauf, zigga, und immer mehr und immer noch besser.
Mensch, Peeperkorn, danke dir für das große Lob. Freut mich wirklich. Und merci für Lesen und Kommentieren!

Best Grüße euch alle
zigga

 

zigga schrieb:
Danke dir für den Link, hell, jetzt musst du mir nur noch sagen, was du mir damit sagen willst! :D Also ich hab den Aufsatz mal überflogen, willst du mir damit sagen, ich sollte noch mal recherchieren oder dass du die Figuren eigentlich gut getroffen findest?
Oh weh, :D.
hell schrieb:
Sei es zur Recherche oder auch, und jetzt bin ich beim Text :), um die Charaktere darin wiederzufinden.
Nein, nein, ich finde die Figuren definitiv gut getroffen!

Jimmys Kommentar (@jimmysalaryman) kann ich schon nachvollziehen, ja, bezüglich der Glaubwürdigkeit sehe ich das allerdings etwas anders.

Jimmy schrieb:
Wie soll ich das sagen? Ich nehme dem Erzähler den Ton nicht ab. Einmal sagt er verfickt, pissig, Bullen, Kotze, Scheiße, dann redet er wie ein Abiturient: Ich bin eine neugierige Seele.
Diese (vermeintliche) Widersprüchlichkeit kaufe ich dem Erzähler einfach ab. Sind für mich Teile des Ganzen, dann ist er halt ein widersprüchlicher Charakter, wenn man so will.
Ich selbst kann übrigens auch ziemlich gut zwischen Umgangs-, Gossensprache und Standardsprache switchen - auch gedanklich bin ich mal Abiturient, mal weniger :D.

Bzgl. Recherche: Ich sitze ja selbst gerade (u.a.) an einer Story rund um einen jugendlichen Straftäter bzw. das Milieu, indem er sich bewegt, in das eine Außenstehende (nicht nur) einen Einblick erhält .... Bei meinen Recherchen dazu bin ich über den zitierten Bericht gestolpert. Ich finde da auch deine Jungs wieder. Ich meine, es gibt halt so klassische Muster, das ist schon spannend. Besonders interessant an dem Bericht (als Autor) finde ich die Mitschriften der Interviews. Die Erfahrungen, auch die Sprache der Jungs, aber auch der Gerichtshelfer, Sozialarbeiter und so. Kannst du dir ja mal anschauen. Und nein, das soll kein Wink mit dem Zaunpfahl sein :D!

Gruß

hell

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom