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"Bringst du mich heim?"

sim

Seniors
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13.04.2003
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"Bringst du mich heim?"

»Ich möchte heim«, weint Lisa flehentlich und blinzelt mich sehnsüchtig an. »Bringst du mich heim?« Immer die gleiche Frage, jeden Tag.
»Morgen bringe ich dich heim.«
Es ist das Einzige, das sie nie vergisst. Wenn alles andere in den Tiefen ihrer Gedächtnislücken verschollen ist, dieses Versprechen ist es nie.
»Du hast versprochen, mich heim zu bringen.«

Wissen Sie, wie weh das tut, wenn ich mich mit ihr daheim befinde?
Ich habe heute die Butter im Besenschrank gefunden, verziert mit den Fusseln einer alten Socke und den Farbresten schwarzer Schuhcreme.
Ich habe sie gehört heute Nacht, wie sie zitternd und ruhelos mit etwas kämpfte. Ich habe mit mir gekämpft, ob ich aufstehen sollte, um mich beschimpfen zu lassen, ob ich ihr Gesellschaft leisten sollte in ihrer Schlaflosigkeit, ihr zuschauen bei ihren rastlosen Wegen durch die Wohnung. Ich habe mich entschlossen, weiter zu schlafen, Lisa zu ignorieren, uns den Schmerz nicht anzutun, den wir verspüren, wenn sie sich hilflos mit Dingen abmüht, die sie einmal konnte.
Manchmal fehlt mir die Kraft dazu, aufzustehen und ihre Nächte zu begleiten.
Der Arzt reibt sich nachdenklich die buschigen Augenbrauen hinter seiner Brille und räuspert sich, bevor er etwas sagen kann: »Wieso kommen Sie erst jetzt?«

Es ist, als ob jemand in ihrem Gehirn auf die Bremse tritt, nicht dauerhaft, sondern stotternd, damit sie nicht ins Schleudern gerät.

Die ersten Tritte waren leicht, das Bremspedal nur kurz einmal angetippt, für ein Wort, für eine Zahl oder für einen Preis. Kaum spürbar musste sie manche Wege zwei Mal gehen, wenn sie beim Tischdecken eine Gabel zu wenig hatte, oder wenn sie vergessen hatte, dass Georg oder Werner, unsere Söhne, zum Essen kämen. Dann wurde das Pedal wieder losgelassen und sie lachte, machte Witze über ihren Alzheimer und holte das Vergessene nach.

Ab und zu erkundigte sie sich, welchen Tag wir denn hätten, und wenn ich ihr sagte »Sonntag«, dann fragte sie, ob die Post schon gekommen sei.

»Ist das nicht schrecklich, Karl?«, fragte Lisa mich verzweifelt und den Tränen nahe. »Ich konnte mir doch früher alles merken.« Sie suchte ein Wort, eines, das ihr nicht einfallen wollte, so sehr sie auch darüber nachdachte. Je mehr sie überlegte, um so weniger kam sie darauf, was sie sagen wollte. Ihr Gesicht verzog sich und kleine Tränen perlten ihre Wangen runter.
Wenn ich ihr doch bloß hätte helfen können.
Doch ich konnte nur raten, konnte versuchen aus den Wirren ihrer Sätze das Wort zu erahnen, das sie suchte, und musste bei jedem Vorschlag darauf gefasst sein, etwas an den Kopf zu bekommen, aber sie hatte nur Wörter für mich, die ihr noch einfielen, wütend hinausgeschleudert, tränenerstickt, sinn- und atemlos.
»Es fängt mit K an«, schrie sie mich an, »mit K wie Kaffee oder wie Kaufmann!« Wenn sie sich nicht so verzweifelt an diesem Wort festgeklammert hätte, vielleicht hätte sie ein anderes gefunden, kein besseres, aber wenigstens ein anderes, um nicht über die Suche nach dem Begriff zu vergessen, was sie hatte sagen wollen?

Die Wut wurde immer mehr zum Vorboten der Trauer, sie trommelte mit den Fäusten auf meine Brust, hämmerte ihren Zorn in mich ein und fiel dann zusammen, kauerte sich in den Sessel, zog die Beine an und schluchzte wie ein kleines Kind, bereit mich anzufauchen, wenn ich sie in den Arm nehmen wollte.

Wenn Lisa früher einmal weinen musste, dann wollte sie von mir getröstet werden, in meinen Armen ruhen und sich dort stärken. Sie hat nicht oft geweint. Sie war stark genug, fröhlich und humorvoll. Wenn ihr ein Missgeschick passiert war, hatte sie über sich lachen können. So wundervoll über sich lachen, wie über mich. Es war ansteckend, meine Wut verflog und ich konnte frohen Mutes einen zweiten Versuch wagen.

Eines Tages hörte Lisa auf zu lachen.
Sie fragte, ich antwortete, sie schrie: »Warum weißt du immer alles besser?« Dann fing sie an zu weinen: »Und warum bin ich so dumm und werde immer dümmer?«
»Es ist das Alter«, versuchte ich sie zu trösten, »da lässt das Gedächtnis nach. Schau, was ich alles nicht mehr kann!«
Doch sie ließ sich nicht trösten, sie taumelte zwischen Wut und Trauer über sich selbst, kauerte sich in ihren Sessel, um gleich wieder aufzustehen, ohne zu wissen, warum.

Die doppelten Wege häuften sich, wurden zu dreifachen Wegen, wenn Lisa in der Küche nicht mehr wusste, warum sie dort war und was sie dort holen wollte. Sie funkelte mich an, wie sie es nie getan hatte, unzufrieden mit sich, mit mir und mit dem Leben, welches das Alter ihr aufzwingen wollte.

»Es ist das Alter«, erklärte uns der Arzt, den wir aufsuchten. Da kann man nichts machen.« Es war einer der besseren Tage, sie wusste, warum sie ihn besuchte und konnte ihm von ihrer Vergesslichkeit und ihrer Schlaflosigkeit erzählen. Der Doktor bedauerte: »Gegen das Alter gibt es keine Medizin.«
Wir gingen in die Apotheke, kauften eine Flasche Buerlecithin, damit Lisa wenigstens wieder besser schlafen können würde. Dann gingen wir nach Hause und ich las ihr vor, was auf dem Beipackzettel stand.
»Wenn es das Alter ist, warum hast du es dann nicht?«, brüllte Lisa mich an, weinte wie immer dabei und erwartete eine Antwort.
»Vielleicht altert jeder anders?«, versuchte ich es. »Ich kann mich nicht mehr so tief bücken wie früher, nicht so schwer heben, nicht so viel arbeiten.« Sie merkte den Betrug, sie wusste, dass sie den Jahren auch meine Tribute zu zollen hatte.

Die Bremse kann nicht so langsam getreten werden, dass wir nicht ins Schleudern geraten beim Zuschauen am eigenen Zerfall.

Auch wenn sie las, fehlten die Wörter. Sie hatte die Buchstaben verlernt, konnte sie nicht mehr in eine Reihe bringen. Die Buchstaben waren wie sie ins Schleudern geraten.
Sie konnte nicht mehr kochen, sie hielt die Erbsen in der Hand und wollte sie mit der Schale ins Wasser geben. Hielt sie ein Messer und ein Stück Brot in der Hand, wusste sie nicht, wie sie Butter verteilen sollte. Sie konnte den ganzen Tag nichts tun, als vor dem Fernseher sitzen und mir zuschauen, wie ich lernte.
Ich musste lernen, um sie zu versorgen, aber ich quälte sie damit. Jeder Erfolg musste verteidigt werden, gegen ihre eifersüchtige Wut darauf. Jede Hilfestellung wurde von Hass begleitet, wo ich Dankbarkeit erhofft hätte.

»Geh noch mal zum Arzt!«, forderten Georg und Werner mich auf, wenn sie in regelmäßigen Abständen anriefen oder zu Besuch kamen. »So kann es nicht weitergehen.«
Lisa freute sich über die Söhne, freute sich über den Besuch in ihrer langweilig und ärgerlich gewordenen Welt. Aber sie verwechselte ihre Namen, sprach sie falsch an oder fragte sie nach den falschen Berufen. Sie brachte immer mehr durcheinander.
»Geh noch mal zum Arzt! Und lasse dir nicht sagen, es sei das Alter!«

»Wie alt ist ihre Frau?«, fragt der Arzt im Krankenhaus, in das wir überwiesen wurden.
»Achtundsechzig«, gebe ich ihm Auskunft.
Er schweigt und schüttelt bedächtig den Kopf. Es macht mir Sorgen, wie er an seinen Brauen reibt, während er aus einer Schublade ein paar bunte Pappen hervorholt. Dann wendet er sich an Lisa und hebt seinen Kugelschreiber in die Luft: »Was ist das?«
»Ein Stift«, antwortet Lisa und lächelt dabei leicht entrüstet. »Herr Doktor, Sie wollen mich veräppeln.« Sie fuchtelt dabei mit dem Zeigefinger vor seinen Augen. »Das dürfen Sie mit einer alten Frau nicht machen.«
Der Arzt schüttelt nur den Kopf, sanftmütig, als ob er mit ihr flirten würde und meint: »Das würde ich nicht wagen, Frau Greiner.« Er steht auf und holt einen Blumentopf von der Fensterbank, kleine Usambaraveilchen, die Lisa besonders liebt. »Und das?«
Sie schüttelt den Kopf, schaut mich an und bittet mich um Hilfe, doch der Arzt gibt mir schnell ein Zeichen, indem er den Finger auf die Lippen legt. Er stellt den Blumentopf zurück und zeigt auf seine Armbanduhr.
Lisa sieht auf ihre, dann schüttelt sie wieder den Kopf und zuckt mit den Schultern: »Ich bin zu alt für solche Spiele. Ich möchte heim.«
»Sie dürfen bald heim«, verspricht ihr der Arzt, »aber erst müssen wir sie ein paar Tage hier behalten.
»Aber dann darf ich heim?«
Der Doktor nickt ihr freundlich zu, bevor er mich fragt: »Wie lange geht das schon so?«
»Zwei Jahre«, antworte ich ihm. »Es war erst nicht so schlimm, nicht Besorgnis erregend, aber im letzten Jahr ging es rapide bergab.«
Wieder reibt er sich die Brauen und legt die Pappen zurück in die Schublade.
»Es ist das Alter, da hat der Kollege Recht, es ist aber noch mehr.«
Will ich die Diagnose hören? Will ich das Wort hören, das er aussprechen möchte? Wenn er weiter so an seinen Brauen reibt, wird er irgendwann keine mehr haben. Ich unterbreche ihn nickend, bevor er aussprechen kann, was Lisa fehlt. »Was kann man dagegen tun?«
»Es gibt Medikamente«, erklärt er mir, »teure Medikamente. Wir werden Ihre Frau ein paar Tage hier behalten, um die Dosierung einzustellen.«
Ich schweige, Lisa schweigt auch, sie sieht mich nur ängstlich an, als ich mich erhebe.
Der Doktor hat sich auch erhoben, begleitet uns zum Empfang, von wo aus wir in Lisas Krankenzimmer gebracht werden sollen.
Lisa nehme ich an die Hand. Sie folgt mir brav, wie ein kleines Kind, starrt mit weit aufgerissenen Augen in die bedrohlich große Welt und traut sich nicht, mich loszulassen.

Ich schäme mich für die ruhigen Nächte, die ich ohne sie genieße, für die Erleichterung, die es bedeutet, sie fern zu wissen, fern und in der Obhut von Menschen, die für sie sorgen. Wie viel kann Liebe aushalten? Wie viel Änderungen kann ein Mensch ertragen, ohne aufzugeben? Wie viel Schlaf habe ich nachzuholen?
Ich besuche Lisa jeden Tag im Krankenhaus, ich trockne dort ihre Tränen und ich freue mich über ihr Lachen. Es gibt Tage, an denen geht es ihr so gut, dass sie in einer Zeitschrift blättern kann, dass sie auf den Fotos etwas sieht, und dass sie sich über die Blumen freut und über das Obst, das ich ihr mitbringe. Es gibt Tage, an denen kann sie sich den Apfel selbst in kleine Stücke schneiden, oder sie erinnert sich an die Zauberäpfel, die sie den Söhnen mit in den Kindergarten gegeben hat.
Georg und Werner kommen auch zu Besuch. Lisa strahlt dann über das ganze Gesicht, so wie ihre Kinder, wenn sie die Namen richtig zuordnen kann.
Jedes Mal ist es ein Kampf, zu gehen.
»Bring mich heim«, fordert sie mich auf, »bring mich bitte heim!« Doch ich weiß nicht, was dieses Heim für sie bedeutet.
Als ich sie heimbringen darf, sie wieder mit in unsere Wohnung nehmen kann, geht es ihr besser.
»Gehen Sie mit ihr spazieren«, rät mir der Doktor zum Abschied und drückt mir einen Brief für unseren Arzt in die Hand. »Bewegung wird ihr gut tun.«
Ich verspreche ihm, es zu tun.
Wie schön ist es, jede Kleinigkeit zu erleben, die sie selbstständig erledigen kann, wie zermürbend der Tanz zwischen Verzagen und Hoffnung, zwischen guten und schlechten Tagen.
Wie schäme ich mich für die Beleidigungen, mit denen sie den Zivildienstleistenden bedenkt, wenn sie sich über ihre schwindende Zulänglichkeit ärgert, wenn sie mal wieder bewusst erlebt, wie die Bremse in ihrem Gehirn getreten wird.

Wenn er da ist, habe ich die Zeit, zu unserem Arzt zu gehen, kann ihn um ein weiteres Rezept bitten, doch er schüttelt resigniert den Kopf.
»Ich darf es Ihrer Frau nicht mehr verschreiben, Herr Greiner«, erklärt er mir mit ehrlichem Bedauern.
»Es hat doch geholfen«, wende ich ein. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen kann. Natürlich heilt es die Krankheit nicht, aber es milderte die Folgen, sodass wir damit leben konnten.
»Ich weiß.« Der Arzt schafft es immerhin, mir in die Augen zu schauen. »Ich weiß, dass es geholfen hat. Aber schon eine Packung überschreitet das Budget, das ich für einen Patienten im Quartal habe um ein Dreifaches.« Jetzt senkt er doch lieber den Blick, weicht mir doch lieber aus, fummelt nervös an seinem Kragen und reicht mir die Hand. »Ich darf es nicht, tut mir Leid.«

Als der Taxifahrer, der uns zu St. Anna fahren soll, an der Tür klingelt, hat Lisa die Hosen voll. Ich weiß nicht, wie sie es schafft, ihre Schließmuskel immer in solchen Momenten zu öffnen. Ich hatte sie extra noch vorher zur Toilette gebracht, hatte aufgepasst, dass sie alles erledigte. Doch als es läutet, sehe ich den feuchten Fleck in der Hose, sehe, wie sich ein flüssiger brauner Streifen, über ihren rechten Socken zieht, sehe die Angst aus ihrem Darm laufen, mit der sie mich erpresst, sie nicht fortzubringen.
Ich laufe die Treppen runter, bitte den Taxifahrer, den Zähler schon anzuschalten, und ein bisschen zu warten, renne, so schnell ich es in meinem Alter noch kann, ärgerlich und in meinem Entschluss bestärkt wieder in die Wohnung, um sie zu reinigen. Ein paar ihrer Kleidungsstücke sind zum Glück noch nicht in dem großen Koffer. Sie würde ja an den Wochenenden zu mir kommen. Die Pflege, derer sie bedarf, schaffe ich nicht mehr. Ich kann sie nicht aus der Wanne heben, sie nicht den ganzen Tag betreuen, so sehr mir die ambulante Pflege und die Söhne auch helfen. Ich habe die Kraft nicht mehr.
Ich ziehe Lisa aus, wische sie sauber und wechsle ihre Kleidung. Sie sperrt sich, hält die Arme steif. Lieber will sie nackt hier vor mir sitzen, als sich in die große Ungewissheit fahren lassen.

Das Foyer sieht einladend aus, in das ich Lisa hinter mir her zerre. Fest umschließe ich ihre Hand, schaue mich um, ob niemand beobachtet, wie ich ihren Willen breche, die Füße der kleinen zierlichen Person über den blankgewienerten Boden schleife, da sie sich selbst immer stärker gegen jede Fortbewegung sträuben, je näher sie an den haselnussvertäfelten Tresen gezogen werden.
»Konzentriere dich!«, befehle ich mir, als ich mit der Dame am Empfang das Formular ausfülle, doch die Gedanken wandern zu besseren Tagen, zu Tagen, an denen sie mich mit ihrem Lachen verzauberte, anstatt mich mit ihrer Wut auf sich selbst zu beschimpfen.
Sie wird sich ihr Zimmer mit jemandem teilen müssen, wird kein Reich mehr für sich haben, keinen Raum, in den sie sich zurückziehen kann. Dafür gibt man hier Acht auf sie, passt auf, dass sie sich nicht verirrt, und dass es Leitplanken gibt, an denen das Schleudern abgefangen wird.

Die Wohnung ist leer ohne sie. Niemand, der dazwischenredet, wenn die Nachrichten im Fernsehen laufen, keiner, der Fragen stellt, wenn ich mir den Musikantenstadl anschaue. Wem darf ich jetzt das Fleisch klein schneiden, wem in die Wanne helfen oder bei den nächtlichen Wanderungen zusehen? Die ersehnte Ruhe ist Grabesstille. Keine Musik kann sie durchbrechen.

Die Nachmittage sind die einzige Abwechslung. Die tägliche Busfahrt zu St. Anna, bei Lisa im Zimmer sitzen, ihr die Hand halten und ihr etwas erzählen, auch wenn sie nicht versteht, was.
Sie beschwert sich über ihre Mitbewohnerin, ohne den Namen zu wissen. Aber sie vergisst nie, dass sie ihr unsympathisch ist.
Wenn ich dann ihre Stimme mitnehme in meine Einsamkeit, frage ich mich, ob ich es hätte schaffen können. Hätte ich?

Es ist wie eine Strafe, dass sie mich nicht erkennt, wenn ich sie zu mir hole, wenn sie mit uns am Kaffeetisch sitzt, mit Georg, Werner und mir, und uns anschweigt, weil sie nicht weiß, wo sie ist.
»Bringst du mich heim?»
Ich wünschte, ich könnte es, meine Liebe, von ganzem Herzen wünschte ich, dich heim bringen zu können.

 
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Lieber sim,

ich musste mir erst die Tränen abwischen, bevor ich Dir auf diese Geschichte antworten konnte. Schon lange habe ich hier nicht mehr eine so durch und durch gute, gelungene Geschichte gelesen. Ganz, ganz großes Kompliment.

Ich schreibe jetzt diese Zeilen, ohne einen der vielen Kommentare vor mir gelesen zu haben. Vielleicht haben Dir also andere bereits das Gleiche gesagt, aber sei's drum ...

Ein wunderbares Bild für die Krankheit der Frau hast Du mit der Bremse gewählt. Treffender geht es nicht. Genauso ist es wohl.

Du hast die Schwierigkeiten des Ehemannes sehr einfühlsam geschildert. Er kann nur noch verlieren, selbst die Gewissheit, dass Lisa nun versorgt und behütet ist, bedeutet für ihn nicht nur Erleichterung sondern - Grabesstille.

Ich bin versucht zu fragen, ob Du aus nächster Nähe diesen Verfall einer geliebten Person miterleben musstest - ich gebe mir die Antwort einfach selber: Ich glaube ja, denn wie sonst hättest Du dies alles so wahr und echt schreiben können?

Lieber sim, vielen Dank, dass ich diese Geschichte lesen durfte!

Doch nun zurück zum Handwerk, zu dem ich mich jetzt förmlich zwingen muss:

Wie immer sind mir allerdings noch zwei Dinge aufgefallen:

"begleitet uns zum Empfang, von wo aus, (Komma weg) wir in Lisa Krankenzimmer gebracht werden sollen."

"Sie beschwert sich (über?) ihre Mitbewohnerin, ohne den Namen zu wissen. "

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo morti,

danke für deine grandiose Meinung zu meiner Geschichte. :) Zum Neid gibt es keinen Grund. ;)

Liebe Barbara,

auch dir vielen Dank für deine lieben Worte und dein ganz, ganz großes Kompliment.
Ich habe in meinem Leben bisher mit Alzheimer noch nicht zu tun gehabt. Ich habe nur versucht, mich in den Verfall und das Erleben dessen einzufühlen und natürlich recherchiert.

Vielen Dank für deine Beteiligung an der Fehlereliminierung. Ich habe die beiden Stellen sofort ausgebessert.

Lieben Gruß euch Beiden,
ein von so viel Lob sehr gerührter sim

 

Hallo sim

ich muß und will mich meinen Vorrednern anschließen. Einzigartig! Wie du die Stimmungen und das Gefühl beschreibst, denke ich aus dir würde nicht nur ein wunderbarer Schriftsteller, sondern auch sicher ein guter Schauspieler werden.
Da ich selbst eine Großmutter hatte die an Alzheimer litt, kann ich wirklich mitfühlen. Leider war ich in der Zeit noch ein wenig zu jung um die ganze Tragig mitzuerleben.

Danke dass ich deine Geschichte lesen durfte

Morpheus

 

Hallo Sim!

Ganz wundervoll, wie Du den schmerzlichen Prozess des mentalen Wegdriftens in diese Geschichte gepackt hast! Alle Beteiligten haben dabei ihr Päckchen zu tragen und drohen, unter der auferlegten Last zu zerbrechen. Auch die Liebe wird in solchen Fällen auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Eine Frage, die sich mir angesichts des Textes aufdrängt: Wie würde ich als Angehörige reagieren? Wieviel Geduld könnte ich aufbringen, was an Zurückweisung ertragen?
Ich weiß es nicht ...

So aussichtslos, wie der beschriebene Kampf gegen diese Krankheit auch sein mag, so anrührend ist auch eine von möglichen Botschaften, die Du vermittelst: Solange man jemandem fehlt, wird man nicht vergessen.

Noch eine Winzigkeit fürs Edit:
»Ich darf es Iher Frau nicht mehr verschreiben, Herr Greiner,... «
... Ihrer ...

Ansonsten fehlen mir die Worte ... :thumbsup:


LG
Antonia

 

Hallo Morpheus, hallo Antonia,

vielen Dank fürs Lesen und vielen Dank für das Lob in schwesterlicher Eintracht. :)
Schön, dass du auch die Botschaft der Liebe in der Geschcihte mitbekommen hast, diesen kleinen schwachen Lichtstrahl in der Dunkelheit. Ich weiß auch nicht, wie geduldig ich in so einer Situation wäre.

Euch beiden ganz liebe Grüße, sim

 

Hallo sim,

ein sehr guter, reifer Text. Die Beschreibung der Details bringt den Leser mitten ins Geschehen, über allem schwebt das Bedrohliche, die Angst vor der Zukunft.
Einen schmerzlichen Rahmen für Deine Geschichte bildet das `Daheim-Motiv´, trotz offenem Ende schließt es den Text in sich, zeigt auch das zur Hoffnungslosigkeit verdammende Wiederkehren des Leids. Das `Daheim-Sein´ bietet keine Zuflucht, selbst wenn es örtlich erfüllt wird, ein stark wirkendes Bild.

Die Grausamkeit der Situation zeigt sich besonders hier:
Zitat -
Ich schäme mich für die ruhigen Nächte, die ich ohne sie genieße, für die Erleichterung, die es bedeutet, sie fern zu wissen, fern und in der Obhut von Menschen, die für sie sorgen. Wie viel kann Liebe aushalten? Wie viel Änderungen kann ein Mensch ertragen, ohne aufzugeben?

Selbst die organisatorische Erleichterung verursacht noch psychische Schmerzen, obwohl sie doch eigentlich entlasten soll.-


Zitat:
Die Wut wurde immer der Vorbote der Trauer, sie trommelte mit den Fäusten auf meine Brust,

Muß es nicht ´immer öfter´ oder `immer mehr (öfter) zum Vorboten´ heißen?

Weiterhin viel Erfolg,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

auch dir vielen Dank für deine positive Kritik.
Viele Alzheimerpatienten fangen an, sich nach ihren Eltern zu sehnen, manchmal rufen sie auch nach ihnen. Sie fühlen sich in sich und ihrer Holflosigkeit nciht mehr zuhause und sehen sich nach denen, die ihnen alles beibringen konnten, oder ihnen abgenommen haben, was sie nicht mehr konnten. Der Ehepartner und die Kinder sind für diese Rolle nicht vorgesehen, die Sehnsucht geht an ihnen vorbei. Die Frage nach dem "heimbringen" wird so eine Frage nach der Kindheit, aber auch nach dem erlösenden Tod.

Deinen Vorschlag habe ich umgesetzt.

Lieben Gruß, sim

 

Puh, schwieriger Stoff auf wunderbare, fesselnde Art und Weiße verarbeitet.
Wie immer war ich tief gerührt von Deiner Geschichte!!!!

Auch von mir großes, beeindrucktes LOB!!!!!!!!

Wiebke

 

Hallo WibiB,

auch dir vielen Dank für dein Lob (mit so vielen Ausrufezeichen;))

Lieben Gruß, sim

 

Hi sim,

ist die erste KG die ich von dir lese.

Jetzt fühle ich mich richtig geehrt, dass du meine Geschichte gelesen und beurteilt hast.

lg. coleratio

 

Salut Sim!

Weshalb sollte ich nicht doch auch noch meinen Kommentar hinschreiben?
Sei er nur so kurz und im allgemeinen der Chor einer Menge anderer Kommentare - ich habe die Geschichte gelesen und sie befindet sich immer noch im 'aktuellen Bereich' der Gesellschaft-Rubrik. Ausserdem habe ich schon zu zwei anderen Geschichten von dir meine (trotz eher fremder Rubriken positive) Meinung nur PM-isiert. Hier kann ich ja wieder mal in aller Öffentlichkeit bemerken, dass du sowohl das Handwerk des Schreibens beneidenswert sicher beherrschst aber auch nette Plots kreirst.
Ja, auch ich fühle mich immer wieder geehrt, wenn ich von dir einen Kommentar erhalte - und das habe ich ja schon reichlich oft.
'Bringst du mich heim?' konnte mich stark berühren, obwohl ich persönlich keine Beziehungen zu betroffenen habe. Die Bremsen-Metapher ist wirklich verdammt gut.

lg,

Van

 

Hi Coleratio, hi Van,

auch ich fühle mich geehrt, das ihr meine Geschichte gelesen habt. Vielen Dank für euer Lob. :)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
soviel Lob hast du schon bekommen, aber trotzdem kann ich diese Geschichte einfach nicht unkommentiert lassen und es ist mir völlig egal, dass ich jetzt alles wiederhole, was dir schon gesagt worden ist. Ich war wirklich kurz vorm Heulen und ich weiß nicht mehr, wann mir das zuletzt bei einer Geschichte passiert ist. Einerseits bin ich unheimlich neidisch auf so viel Talent, andererseits freue ich mich über diese phantastische Geschichte, die ich hier lesen durfte. Aber wirklich, da rutscht mein Ego in den Keller ;)
Liebe Grüße
coco

 

Hallo coco,

so ist das leider manchmal, wenn man etwas aufschiebt.
Jetzt hätte ich beinah vergessen, mich bei dir für deine liebe Kritik zu bedanken. Ich hoffe, dein Ego ist inzwischen wieder aus dem Keller gekommen. :)

Lieben Gruß, sim

 

hallo sim!

Nichts neues, aber ich wollte Dir schon sagen, dass sie mir sehr gefallen hat, Deine Geschichte. Sie berührt, lässt nicht so einfach wieder los.
Ganz toll geschrieben.

lieber Gruß, Anne

 

Hej sim,

dass ich von Deinen Geschichten beeindruckt bin, ist ja nichts Neues - diese hier erscheint mir noch ausgewogener, noch besser als die anderen, die ich bisher gelesen habe. Jedes Wort sitzt, jede Metapher, jede Beschreibung steht genau an der richtigen Stelle, um eine sehr dichte Atmosphäre zu schaffen, die sehr, sehr realistisch ist.
Meine Großtante hat an Alzheimer gelitten, und obwohl ich es nur aus der Entfernung mitbekommen habe, konnte ich meine eigene Hilflosigkeit in Deinem Protagonisten wiederfinden.

Einen Fehler habe ich noch gefunden (sonst wäre ich ja auch unglücklich ;) ):

Der Doktor hat sich auch erhoben, begleitet uns zum Empfang, von wo aus wir in Lisas Krankenzimmer gebracht werden sollen.

Ich würde mich freuen, diesen Text irgendwann gedruckt zu sehen (und dann will ich ein Autogramm!).

Liebne Gruß

chaosqueen

 

Hallo Maus, hallo Chaosqueen,

vielen Dank auch euch für die Kommentare.
Ich bin ehrlich gesagt bei dieser Geschichte besonders überrascht, dass sie so gut funktioniert. Darüber bin ich mir zwar bei jeder Geschichte im Unklaren, aber bei dieser lag meine Selbsteinschätzung doch sehr daneben. Ich hielst sie für gelungen, allerdings eher so auf einer Stufe, wie Petdays es auch anmerkte, als Thementext.
Umso mehr freue ich mich immer wieder über die Begeisterung, die diese Geschichte hervorruft.

Und irgendwie ist es auch gut, selbst nie so genau die Qualität abschätzen zu können. :)

Vielen Dank noch mal an alle und einen lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
dies ist die erste Geschichte, die ich von Dir lese.
Ich persönlich bin ein Wegkucker, Wegblender und Abblocker, sobald es um unangenehme Themen geht.
Dieses Thema ist unangenehm. Ich konnte nicht wegkucken, wegblenden oder abblocken. Ich habe die Geschichte zu Ende gelesen.
Danke.
Gruß
Murxi

 

Hi lostrecords,

besten Dank für die Hochachtung. Und um die Tränen tut es mir auch gar nicht Leid :)

Hi Murxi,

da muss ich dich ja fast vor allen Geschichten von mir warnen. ;) Aber vielleicht schaffe ich es ja öfter, dich zum Hingucken zu überred ..., äh zu überschreiben ;)
Jedenfalls freut mich dieses "Danke" wirklich sehr.

Lieben Gruß euch beiden, sim

 
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Sim, viel habe ich nicht zu sagen. Eigentlich nur, dass auch diese Geschichte von Dir von der Qualität her ihresgleichen sucht. Toll diese einfachen und doch ausdruckstarken Worte, die aus Deinem Webstuhl kommen. Einfühlsam, leider schon tausendmal gesagt, deswegen sage ich: einfühlsame Einfühlsamkeit. Der Erzähler ist einfühlsam bezüglich der Figuren und erzählt einfühlsam bezüglich des Lesers.

Drei Anmerkungen, die aber nur meinem launigen Prinzip "Besonders gute Geschichten brauchen umsomehr eine Kritik" entspringen.

- Generell ist Deine Geschichte eher flach angelegt, von der Spannungskurve her meine ich. Andererseits frage ich mich, ob das hier ein Manko ist.

- Deine Kind-Vergleiche sind zwar passend, sind aber ein bisschen überflüssig; ich finde nämlich, deine Beschreibung hat implizit, im Ganzen, etwas von Kind-Vergleich.

- Radiosender: An dieser Stelle, in dieser Funktion, ein zu enggefasster Begriff, wie ich finde ⇒ Radio.

Aber diese Kritikpunkte stehen auf dünnem Eis, rühren nur von Stockungen in meinem Lesefluss und mögen bei jedem anderen nicht die Sache sein. Insofern...


FLoH.

 

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