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Copywrite Brüderchen und Schwesterchen

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13.02.2008
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Brüderchen und Schwesterchen

Da war ein Geschwisterpaar und nichts in der Welt vermochte es zu trennen. Karl war ein wackerer Bursche, ein Zimmermannsgeselle mit Haaren so blond und Zähnen so weiß, dass die Mädchen der umliegenden Dörfer die Köpfe zusammensteckten und zu tuscheln begannen, wenn er sein Schwesterchen auf starken Schultern über den Jahrmarktsplatz trug, wenn seine wohlgezielten Schüsse jede Tontaube zerschellen ließen, wenn er rote Seidenblumen gewann und in Maries Zöpfe flocht. Marie war ein fügliches Kind mit schwarzem Haar und flinken, nachtdunklen Augen. Sie war von zarter Statur, so zart, dass sie häufig fieberte und von Nachtmahren geplagt wurde. Karl wachte dann an ihrem Bett, wrang wieder und wieder die Wickel aus und vertrieb die Schatten, die drohten, sie in die Tiefe zu ziehen.

Wenn Karl an den hellsten Tagen des Jahres seinen Kopf durchs Fenster der Stube streckte und „Mariechen, Mariechen“ rief, ließ Marie das Flickzeug fallen, löste in Windeseile den Knoten ihrer Schürze und sprang zu ihm hinaus. Die Mutter schüttelte den Kopf, doch sie lächelte, denn niemand konnte Karl etwas abschlagen. Wenn der Vater am Abend zürnte und auf den Tisch hieb, dass der irdene Krug darauf in die Höhe sprang, lachte Karl nur und sprach, es gebe diese Tage, da sei es eine Sünde zu arbeiten. An diesen Tagen strichen Bruder und Schwester durch mannshohe Sonnenblumenfelder, die flüsterten und wogten, wenn der Wind darüber pfiff. Karl lupfte Marie in die Höhe, damit sie die untersten Äste der mächtigen Eiche fassen konnte, und folgte ihr mit mühelosem Sprung und Zug. Sie klommen weit hinauf in die Krone, um das gesamte Tal zu überblicken, das sich unter ihnen ausbreitete wie ihr Königreich.
Doch immer wieder zog es Karl zu dem murmelnden Bächlein, das weiter im Tal zum Fluss und hinter der Stadt zum reißenden Strom mit Untiefen und brodelnden Schnellen wurde, der fremde Königreiche durchfloss und schließlich ins tosende Meer mündete, dort wo große Schiffe ihre Anker lichteten, wo sie Segel setzten, um Neuland zu entdecken und Welten zu umrunden. Karl lief mit dem Bach um die Wette, sprang hurtig wie eine Gams von Stein zu Stein, fing Fischlarven im Schilf. Doch Marie grauste es vor dem fließenden Wasser. Sie konnte nicht schritthalten mit ihm. Sein Glucksen, sein Strömen, sein Sprudeln waren ihr ungeheuer. Sie zauderte, getraute sich nicht, darin herumzutollen. Eines Tages hatte der Bach Karls Mütze mit sich davongetragen.
Marie liebte vielmehr den Bergsee, der still und spiegelnd umkreist von zerklüfteten Felsen lag, ohne Zulauf und ohne Ablauf, dessen Ufer ihre Füße mit seinem Schlick umkoste, dessen bittere Kälte ihr den Atem raubte, bis sie in lauere Wasser vorstieß. Die Mutter warnte immer, der See sei tückisch, was er einmal verschlungen habe, gebe er nie wieder zurück. Doch Marie scherte sich wenig darum. Hier ruhte ihr Schatz.
Karl hatte viele Monate in der Stadt gearbeitet. Dort bauten sie dem Ratsherrn ein prächtiges Haus, dessen Giebel selbst zur Gartenseite Schnitzereien trug, Pfauen und Reben, und an dessen Decken Karl selbst auf einer Leiter nicht reichen konnte, um die Kassetten mit dunklem Öl zu tränken. Marie wurden die schweigsamen Abendessen und klammen Nächte, die sie allein im Alkoven durchwachte, lang. Häufig lag sie krank. Als Karl endlich zurückkehrte, zog er teure Salben und Tinkturen für die Mutter aus der Kiepe, Tabak für den Vater. Mariechen müsse er wohl vergessen haben, foppte er. Dann zog er die schrundige Hand abermals hervor. Ein winziger Goldring prangte auf dem obersten Glied des kleinen Fingers. Der Schmied hatte das vorgelegte Klümpchen zwischen Daumen und Zeigefinger gerollt, es gewogen und den Kopf geschüttelt. Das sei gerade genug für einen Puppenring. Da lachte Karl. Dann werde es für Mariechen gerade recht sein. Der Vater war außer sich, schalt Karl einen Flauskopf und Toren und hätte ihn wohl noch am selben Abend windelweich geprügelt, wenn nicht die Mutter so inständig für ihn gebeten hätte.
Und ebendieses Kleinod war Marie eines Tages im See vom Finger gerutscht und funkelnd in die grüne Tiefe gesunken. Karl zögerte keinen Augenblick. Er tauchte und tauchte hinab in die Dunkelheit des Sees, der sich über ihm schloss, als sei er nie geteilt worden. Marie trat unterdessen Wasser und bebte bis in die Zähne. Da schoss Karl wieder hinauf, sprühte glitzernde Tropfen. Er schnaufte und prustete. Und auf dem obersten Glied des kleinen Fingers trug er den Puppenring, der seinerseits das Licht gefangen hatte. Als er mit Marie ans Ufer stieg, weinte sie bitterlich. Er legte ihr den Ring in die zitternde Hand und schloss ihre Finger darum. Da warf sie ihn sogleich in den See zurück, holte aus und warf soweit sie nur konnte. Sie fürchtete so sehr, den Ring abermals zu verlieren. Hier im See würde sie ihn immer sicher wissen. Karl küsste ihren nassen Scheitel. Der See war nun ihre Schatztruhe.
So verbrachten die Geschwister die hellsten Tage des Jahres, an denen es eine Sünde gewesen wäre zu arbeiten. Und nichts in der Welt vermochte sie zu trennen.

Doch eines Tages, es war im Mai, rief Karl sein „Mariechen, Mariechen“. Er wollte ihr etwas zeigen. Sie warf sogleich den Lumpen fort, mit dem sie Sand auf die Dielen scheuerte, und sprang geschwind zu ihm hinaus in die Sonne. Sie bettelte, doch er wollte ihr nichts verraten, zog sie schweigend hinauf zum Bach. Dort sprang er behende auf einen umspülten Findling. Ein junger Baum hatte hier, inmitten des Baches Wurzeln geschlagen und war alsbald von einer Ranke, einem Schmarotzer, umschlungen worden. So war das Bäumchen wulstig und verdreht gewachsen. Marie fand es garstig und krumm. Doch Karl zog sein Beil aus dem Gürtel, hieb den Spross nahe der Wurzel ab und befreite ihn aus seiner drangvollen Umarmung. Nun habe sein Stenz ihn gefunden, erklärte er Marie. Nun wolle er endlich auf die Walz gehen. Zuvor solle Marie ihm jedoch ihren Namen in den Stenz schnitzen, damit er sie in den langen Jahren der Trennung immer bei sich tragen könne. Er führte ihre Hand, denn Marie konnte weder schreiben noch schnitzen. Heiße Tränen rannen ihre Wangen hinab. Karl küsste sie fort. Er müsse doch hinaus aus dem Dorf, müsse sein Glück in der Welt versuchen, würde ihr seidene Bänder und französische Borten senden. Sie möge ihm doch bitte wieder gut sein. All das scherte Marie indes wenig. Sie war untröstlich. Da zog er sie weiter hinauf, zum See, um ihre Schatten zu vertreiben. Als sie bloß im Schlick standen, wehte ein Ostwind über sie hinweg, kräuselte die sonst so stillen Wasser wie die Haut der Geschwister. Karl kraulte, plantschte und pfnauste, überschwänglicher als je zuvor. Doch Marie kroch bald ans Ufer zurück, zog die Beine an die Brust und beobachtete den Bruder, der doch niemals von ihr scheiden sollte. Sie sah ihn kraulen, sah ihn springen und stieben. Sah ihn untergehen. Etwas hatte ihn gepackt und zog ihn unerbittlich in die Tiefe. „Mariechen, Mariechen.“ Sie möge ihm doch bitte den Stenz reichen, damit er sich daran herausziehen könne. „Mariechen, Mariechen.“ Doch Marie saß unbewegt, barg schließlich ihr Gesicht in der Schürze. So harrte sie. Es platschte und spritzte, es rief und bettelte. „Mariechen, Mariechen.“ Und Stille legte sich über den See.
Der Stenz bog sich und ächzte. Marie musste all ihre Kraft aufwenden, bis er schließlich fasernd zerbarst. Sie vergrub ihn gewiss einen Klafter tief im Schlamm.

Von nun an besuchte Marie den See allein. Tagaus tagein saß sie zu seinen Ufern und wisperte mit seinen Wassern. Nicht wenige, die raunten, der Abschied des geliebten Bruders habe ihr den Verstand geraubt. So zogen die Tage und Wochen ins Land, bis eines Abends, es war einer der grimmigsten Winter seit Menschengedenken, März bereits, doch Kälte und Düsternis wollten und wollten nicht weichen, drangen in jeden Winkel der Hütten, woben sich um die Dörfler und verzurrten sie zu gekrümmten Menschenbündeln, an diesem Abend rief der Vater Marie zu sich. Hunger und Gram hatten von seinem Gesicht gezehrt, hatten Furchen und Höhlen geprägt wie im Bett eines versiegten Baches. Sie wisse doch um ihre Lage, die schwindenden Kräfte des Vaters, die Last der Pacht. Die Sendung des Sohnes sei noch immer nicht eingetroffen. So habe er sie als Dienstmagd in die Stadt verdingen müssen. Die Base werde sie abholen, sobald der Pass wieder gangbar sei. Marie nickte folgsam.
Nächtens schlich sie aus der Kammer. Kein Kienspan glomm in der Stube. Bloßfüßig trat sie in den Neuschnee hinaus, bloßfüßig stieg sie zum See hinan. Der Mond stand hoch und voll. Marie betrat den See, hob die tauben Füße nicht an, sondern glitt über sein Eis, bis zur Mitte. Dort sank sie auf die Knie, schob und rieb mit beiden Händen den Schnee vom Eis, schmiegte ihre Wange daran und streckte schließlich alle Glieder von sich. Unter ihrem Atem schmolz das Eis, wurde durchsichtig wie ein Flor. Darunter erblickte sie Karl. Er lächelte und seine Zähne blitzten, wie der Ring, den er auf dem obersten Glied des kleinen Fingers trug. Sie würde sich zu ihrem Schatz hinabtauen. Nichts in der Welt vermochte Marie vom See, nichts in der Welt vermochte sie von Karl zu trennen.

 

Vielen Dank fuer Deinen Kommentar. Auch wenn ich da ein bisschen stur bleibe, ich nehm das alles auf und es wirkt in mir.

keine Sorge, ich persönlich finde ein bisschen Sturheit duchaus sympathisch ;)
und wie gesagt, es ist eine gute Geschichte

LG

 

Hallo feirefiz,

schön, die Wiederauferstehung meiner Märchenlesegefühle aus längst vergangener Zeit noch mal erleben und erfühlen zu dürfen. Du hast den Ton der Märchenwelt des 19. Jahrhunderts gut getroffen. Gerne las ich das erste Mal Deinen Text. Richtig wohlig konnte ich mich in Deine Sprache und Figuren einmummeln.
Hätte ich ihn nicht ein zweites und drittes Mal gelesen!
Die Erotik spielt wohl die zentrale Rolle: verbotene Liebe!

dass die Mädchen der umliegenden Dörfer die Köpfe zusammensteckten und zu tuscheln begannen, wenn er sein Schwesterchen auf starken Schultern über den Jahrmarktsplatz trug.
Das Brüderchen dürfte über 16 Jahre alt sein, das Schwesterchen vierzehn? Nicht umsonst tuscheln die Mädchen. Ich hätte da einen ähnlichen Verdacht. Und die Eltern? Die Mutter meint, man könne dem Bengel nichts abschlagen.
Die Mutter schüttelte den Kopf, doch sie lächelte, denn niemand konnte Karl etwas abschlagen. Wenn der Vater am Abend zürnte und auf den Tisch hieb, dass der irdene Krug darauf in die Höhe sprangen, lachte Karl nur und sprach, es gebe diese Tage, da sei es eine Sünde zu arbeiten.
Hier scheint mir ein Sprung zu sein: Das Liebesverhältnis wird geschildert, die Mutter „kommentiert“, der Vater schimpft, aber nicht wegen der verbotenen oder wenigstens übertriebenen Liebe, sondern wegen der geschwänzten Arbeit. Vom Liebesverhältnis geht es zum Arbeitsverhältnis und zur Arbeitsmoral: Konnte der Lehrling einfach schwänzen?
Bergsee und Fluss sind sehr schön erotisch konnotiert, eine gute Idee und Charakteristik.
Wie ist die Zeitenfolge: Wann fließt die Mütze den Fluss hinunter, wann wirft sie das Ringlein hinein, wann „ruhte ihr Schatz“ hier? Sie bekommt den Ring erst nach dieser Beschreibung. Die Bedeutung von Fluss und Bergsee müsste auf gleicher Zeitebene wegen der Vergleichbarkeit sein. Sind Mütze und Ringlein in ihrer Bedeutung für die beiden Geschwister gleich? Worin liegt der Unterschied? Ist das Brüderchen zu wurschtig, das Mädchen zu einfühlsam? Das wurde zu wenig ausgearbeitet.
Dort bauten sie dem Ratsherrn ein prächtiges Haus, dessen Giebel selbst zur Gartenseite Schnitzereien trug, Pfauen und Reben, und an dessen Decken Karl selbst auf einer Leiter nicht reichen konnte, um die Kassetten mit dunklem Öl zu tränken.
Wer machte dann die Arbeit?
Ist das für die Geschichte wichtig? Warum? Muss das der Leser wissen? Warum? Nur wegen der Geschenke?
Dass der Vater, der auch beschenkt worden war, außer sich wegen des Ringleins ist, geht mir nicht in die Seele. Ein Neidhammel?
Marie trat unterdessen Wasser und bebte bis in die Zähne.
Eine Kneippkur? Die Ringrettungsszene ist übrigens gut geschrieben.
Ist der Begriff „Stenz“ doppeldeutig gemeint? Das wäre eine versteckte Möglichkeit, die erotische Dimension, die klar angedeutet, aber zu wenig ausgeführt ist, zu vertiefen.
Er führte ihre Hand, denn Marie konnte weder schreiben noch schnitzen.
Nicht schnitzen zu können, das lass ich mir eingehen. Nicht schreiben können? Die wohnen doch anscheinend in Stadtnähe. Ein liebender Bruder hätte es dem Schwesterlein wirklich beigebracht, wenn sie nicht zur Schule hatte gehen können. Aber der Bruder konnte es wohl? Und dieses fleißige Bienchen hätte es nicht versucht, wenigstens den Namen schreiben zu lernen?
Als sie bloß im Schlick standen, wehte ein Ostwind über sie hinweg.
Bloß = nackt!? Kommt dann die symbolische Beschreibung eines Geschlechtsverkehrs bis zum Untergang? Wälsungenblut!
Die Erotik ist im Text offenkundig, wird aber nicht handlungstragend formuliert, nicht einmal als verbotene Liebe. Wenn an exponierter Stelle Mädchen tuscheln, müsste sich ein sozialer Konflikt entwickeln. Der fehlt völlig.
Der Schluss als Vereinigungsfantasie ist gut gelungen. Kurz und knapp und wirkungsvoll.
Märchen ohne distanzierende, zitierende, ironisierende Einschübe? Ich suchte vergeblich eine zweite Ebene.
Ich bin mir nicht sicher, ob meine Gedanken, die vom Text induziert sind, auch von Dir so gedacht waren. Kurz die Formel: Eros, Thanatos, verbotene Geschwisterliebe, das ist (für mich) das Grundproblem der Geschichte.
Sonst ist es eine rührende Geschichte, die man gerne liest, über – über was? Romantisches Fernweh, romantische Heimatlichkeit? Eine Krankheitsgeschichte? Diese Elemente sind vorhanden. Der Text entscheidet sich nicht wirklich für eins. Mehrere zu behandeln, das würde mehr Seiten verlangen.
Es war für mich ein Vergnügen, diese Geschichte zu lesen. Beim mehrmaligen Lesen behält Reger recht:
Wehe, Sie lesen eindringlicher, Sie ruinieren sich alles, was Sie lesen. […] Hüten Sie sich vor dem Eindringen in Kunstwerke, sagte er, Sie verderben sich alles und jedes …
(Thomas Bernhard: Alte Meister, Frankfurt/Main 1988, S. 68)
Weiter stellt er dar, dass selbst die größten Meister Pfuscher waren, wenn man genauer hinschaut.
Dass ich doch mehrere Stunden mit Deinem Text verbracht habe, zeigt, dass er anregend war.
Vielen Dank
Wilhelm

 

Hi,


Sie war von zarter Statur, so zart, dass sie häufig fieberte und von Nachtmahren geplagt wurde. Karl wachte dann an ihrem Bett, wrang wieder und wieder die Wickel aus und vertrieb die Schatten, die drohten, sie in die Tiefe zu ziehen.*
Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass diese Schreibempfehlung mit den starken Verben und der Suche nach dem besonderen Ausdruck einen Reiz entwickelt, wenn das gemacht wird.
Ich hab den Text gelesen in so einem etwas muffeligem Montags-Zustand und man schreckt dann richtig hoch bei „fieberte, geplagt wurde, wrang (!), vertrieb, drohte“.
Bei anderen Texten fängt am an zu lesen und die ersten Verben ,die man kriegt, sind dann „Laufen, ging, war, war, sollte, müsste, sah, dachte“.

Doch immer wieder zog es Karl zu dem murmelnden Bächlein, das weiter im Tal zum Fluss und hinter der Stadt zum reißenden Strom mit Untiefen und brodelnden Schnellen wurde,
Ich finde der Relativsatz verliert sich durch das „weiter“, da ist kein zusammenhänger Sprachrhytmus drin in dem Relativsatz, wie soll man das betonen, wie soll man das sehen und lesen. „weiter“ - das weiter gehört hier zu „weiter im Tal“, aber da kriegt man so keinen richtigen Marker dafür, sondern man kann das auch als so ein Füllwort „weiter“ lesen; die Sinneinheit ist ja: Das Bächlein wird im Tal zum Fluss. Hinter der Stadt wird es sogar zu einem reißenden Strom mit Untiefen und brodelnden Schnellen. Und mit dieser geistigen Abfolge überforderst du den Relativsatz, das ist wie bei so einer Schachaufgabe, wenn eine Figur gleich 3 Aufgaben erfüllen muss, dann bricht sie zusammen. Das arme „wurde“ hier, wird an 2 Stellen gebraucht und zwischen dem ersten Einsatz und dem, wo es dann steht, liegen 20 Silben. Ich krieg dadurch die logische Abfolge des Satzes nicht hin.

dessen bittere Kälte ihr den Atem raubte, bis sie in lauere Wasser vorstieß.
Das ist schon sexualisiert, denke ich auch. Irgendwas haben Frauen mit kaltem Wasser, das ist auch ein literarisches Mootiv, glaub ich. Dieses Auftauen vom Kalten ins Warme.

Da warf sie ihn sogleich in den See zurück, holte aus und warf soweit sie nur konnte. Sie fürchtete so sehr, den Ring abermals zu verlieren. Hier im See würde sie ihn immer sicher wissen. Karl küsste ihren nassen Scheitel. Der See war nun ihre Schatztruhe.
Das ist sehr schön, das ist auch ein moderner Gedanke. Das ist eine der Gesten, die könnte man auch in so einem Musik-Film finden, in dem eine Romanze beschrieben wird, um die Besonderheit der Frau deutlich zu machen. Das ist ein Ausbrechen aus dieser klassischen Frollein-in-Nötne-Erzähltradition, in der Frauen gar nix machen durften, außer gerettet, angehimmelt und bespaßt zu werden; und hier bricht sie da tatsächlich aus: Vor allem, weil sie ihn ja erst danach tauchen lässt. Und er die Geste auch sofort versteht, warum sie das wieder wegwirft.

Ja, sehr gute Geschichte. Ich haab mich gefragt, ob man den letzten Absatz überhaupt braucht. Als sie da am Ufer sitzt und er um Hilfe ruft, ist die Geschichte – für mich – zu Ende, da hat sie ihren Schluss gefunden. Die Forderung, eine Kurzgeschichte soll ein offenes Ende haben, gehört ja zu den Altlasten aus der Borchert-Zeit, aber ab und an gefällt mir das sehr gut. Ich hab das neulich bei der Geschichte von Möchtegern – die hat sie mir zum Lesen gegegeben und hatte hinten noch was dran, und ich hab ihr geraten, schon vorher rauszugehen. Bei deiner Geschichte hier fände ich das als Idee auch schöner, wenn sie da sitzt, und er ruft, und das letzte Bild wäre es, wenn sie den Stenz, den Ast, zerbricht.

Vielleicht hätte man dann noch dieses letzte Bild haben können, dass sie im Winter noch mal zu ihm geht, und sich auf das Eis legt, aber das mit der Magd in der Stadt und der Vater nochal – das hätte es nun nicht gebraucht, finde ich.

Ansonsten ist das richtig gut, finde ich. Durch die Verwendung der Sprache: Das ist natürlich cshwierig, wir lesen ja heute nicht mehr Grimm im Originalton und das gehört alles zu einer kulturellen Vergangenheit, und jeder hat da seine persönliche Note, wie er glaubt, dass Hänsel und Gretel melodisch fallen. Und wie sich einMärchennkel eigentlich anhören sollte. Und wenn wir das dann noch haben, dann haben wir das in einer Pesudo-Fassung, wir haben das gemogelt, wir kriegen „normales Deutsch“ mit ein paar Inversionen, ein paar Archaismen und möglichst getragen und dann ist das „irgendwie Grimm“. Das ist auch okay. Das macht als Autor ja auch Spaß, ich spiel immer mit der Idee, mal wie die Lutherbibel zu klingen, aber das kann man natürlich auch nicht „richtig wie Luther“ machen, sondern dann so Pseud zu achtzig Prozent. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch.
Deshalb macht der Stil aber trotzdem Freunde, und er holt einen mal aus dem Alltag raus und gibt was Neues. Vielleicht bisschen weniger Adjektive dann, damit diese wunderbaren Verben mehr wirken. So ein Wort wie „Kiepe“ ist dann vielleicht auch genug pro Satz. Bisschen hatte man dann den Eindruck: Jetzt war lang nix mehr, jetzt muss wieder ein Archaismus kommen.

Was die Geschichte in meinen Augen modern macht ist das Mädchen, die Grausamkeit eines Mädchens, ich hab da immer die Szene in Sleepy Hollow im Hinterkopf, wenn der Reiter (mit Kopf da noch) auf der Flucht vor Verfolgern im Wald auf zwei engelsgleiche Mädchen trifft, er führt den Finger zum Mund und macht „Psst“, und eines der Mädchen lässt überlaut knackend den Holzast zerspringen.
So hab ich das Mädchen in der Geschichte auch gesehen, so verwöhnt von ihrem Bruder, so von dieser Liebe verwöhnt, da ist der Schritt zu einer so soziopathischen Handlung gar nicht mehr so weit. Wenn man das überlegt, sind Kinder ja oft nur einen Schritt vom Soziopathen weg.

Gerade weil in der Geschichte nichts übernatürliches vor sich geht, es aber so schön erzählt ist, als ob, hat mir die Geschichte gut gefallen.

Gruß
Quinn

 
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Hallo Wilhelm,

schön, die Wiederauferstehung meiner Märchenlesegefühle aus längst vergangener Zeit noch mal erleben und erfühlen zu dürfen. Du hast den Ton der Märchenwelt des 19. Jahrhunderts gut getroffen. Gerne las ich das erste Mal Deinen Text. Richtig wohlig konnte ich mich in Deine Sprache und Figuren einmummeln.
Schoen erstmal, dass Dich der Stil ueberzeugt hat. Der ist ja etwas umstritten.

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Gedanken, die vom Text induziert sind, auch von Dir so gedacht waren. Kurz die Formel: Eros, Thanatos, verbotene Geschwisterliebe, das ist (für mich) das Grundproblem der Geschichte.
Sonst ist es eine rührende Geschichte, die man gerne liest, über – über was? Romantisches Fernweh, romantische Heimatlichkeit? Eine Krankheitsgeschichte? Diese Elemente sind vorhanden. Der Text entscheidet sich nicht wirklich für eins. Mehrere zu behandeln, das würde mehr Seiten verlangen.
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hat Dir beim mehrfachen Lesen dann aber etwas gefehlt. Die zweite Ebene. Und die haette fuer Dich anscheinend darin gelegen, dass Dich der Text in Deiner Lesart als Inzestgeschichte eindeutiger bestaetigt haette. Das haette er tun koennen, uebrigens auch ohne dadurch wesentlich laenger zu werden, wenn er es denn gewollt haette. Aber eine eindeutige Inzestgeschichte haette ich eher langweilig gefunden, zu plakativ auch. Das heisst nicht, dass ich Deiner Lesart nicht folgen kann. Ich war mir natuerlich bewusst, dass diese sehr enge, auch irgendwie pathologische Geschwisterbindung solche Gedanken provoziert. Aber mir ging es eben gerade darum, die Beziehung nicht im eindeutigen Inzest sondern im sehr weiten Grenzland davor zu verorten. Das fand ich reizvoller. Und nachdem ich auch Deine Geschichte zum deutschen Mann gelesen habe, die ja genauso viel Luecke wie Text ist, wundert es mich ein bisschen, dass Du hier stattdessen was Eindeutigeres, Expliziteres forderst.
Sicherlich ist es so, dass Maries Liebe zu Karl einer romantischen Liebe sehr nahe kommt. Und wahrscheinlich macht so eine Kleinmaedchenliebe auch noch gar keine Unterschiede zwischen Geschwisterliebe und romantischer Liebe, das ist ja so eine Setzung, die sehr erwachsen und in gewissem Sinne auch modern ist (dazu unten). Wenn man Marie fragen wuerde, wuerde sie sicherlich sagen, dass sie Karl spaeter heiraten will. Und der Ring den Karl ihr schenkt, das geht ja auch in die Richtung. Am Anfang wird ja diese implizite Konkurrenz zwischen der Schwester als Empfaengerin der Spielgewinne und den Dorfmaedchen dargestellt - es ist halt nur ne Frage der Zeit, bis Karl sich fuer andere Maedchen, fuer eine andere Art der Liebe interessiert. Und dass ihre Liebe ein bisschen zu ausgepraegt ist, um als gesund zu gelten, das zeigt sich ja im tragischen Verlauf. Ich stelle mir auch durchaus vor, dass es eine sinnliche Liebe ist. Die beiden schlafen in einem Bett, waermen einander, kuscheln bestimmt. Aber das macht es ja nicht automatisch zum Inzest, zur verbotenen Liebe. Also ich meine einfach, da gibt es so ein weites Niemandsland zwischen inniger Geschwisterliebe und tatsaechlichem Geschwistersex. Und mir ging es darum, das eben nur eine Nuance ins Pathologische einer zu engen Bindung zu verschieben, wollte keine reisserische und eindeutige Story daraus machen.
Ich glaube, das ist so der Kollateralschaden des modernen Bewusstseins fuer Inzest, Kindesmissbrauch, Homosexualitaet etc, dass die Grenzen, welche Art von Liebe und welche Art von Koerperlichkeit fuer familiaere und freundschaftliche Beziehungen zulaessig sind, sehr viel strenger gezogen und vor allem misstrauischer beaeugt werden. Also wenn es schon verdaechtig ist, dass zwei Geschwister nackt baden. Das ist doch ganz natuerlich - einen Badeanzug gibt es in dieser Welt nicht und dort wuerde das auch keiner komisch finden. Diese strenge Trennung, diese Angst vor ungebuehrlicher Koerperlichlkeit ist glaub ich was modernes und auch was westliches. In Indien, aber auch schon in Albanien ist mir immer aufgefallen, wie befreundete Maenner haendchenhaltend herumspazieren und sich ueberhaupt viel mehr liebevoll anfassen. Erst seit sie spitzgekriegt haben, dass Westler denken koennten, sie seien deshalb schwul, nimmt das ab. Das ist doch schon auch traurig. In unserer Welt ist Koerperkontakt einfach sehr reglementiert und auch sexualisiert. Eine Mutter darf ihr Baby vielleicht noch auf den nackten Arsch kuessen und daran ein sinnliches Vergnuegen haben. Aber ein Vater? Koerperlichkeit wird halt schnell als Sexualitaet gelesen.

So, und nun zu den Einzelstellen:

Das Brüderchen dürfte über 16 Jahre alt sein, das Schwesterchen vierzehn? Nicht umsonst tuscheln die Mädchen.
Nee, ich hab die mir eher so neun und fuenfzehn vorgestellt. Also ein ueber sechzehnjaehriger mit einer vierzehnjaehrigen auf den Schultern, das waere doch arg seltsam. Und im Text ist die Kausalitaet uebrigens ziemlich eindeutig. Die Maedchen tuscheln, weil Karl so schoen und begehrenswert ist, nicht weil sie eine illegitime Liebe vermuten.

Sind Mütze und Ringlein in ihrer Bedeutung für die beiden Geschwister gleich? Worin liegt der Unterschied? Ist das Brüderchen zu wurschtig, das Mädchen zu einfühlsam? Das wurde zu wenig ausgearbeitet.
Ich denke die Symbolik ist hier ziemlich klar und einfach. Marie sieht wie der Fluss einen Teil von Karl mit sich in die weite Welt forttraegt und hat Angst, dass das prophetisch ist. Ist es ja auch, denn den Stenz findet er am Fluss. Und der See ist halt das Gegenteil, dort kann sie mit dem Ring einen Teil von Karl und schliesslich Karl selbst bei sich behalten. Das Zeitproblem konnte ich auch nicht so recht nachvollziehen. Da wird halt in so einer zeitenthobenen Beschreibung des Immergleichen (dem Alltag vor dem Stenzfund) beschrieben, warum Marie den Bach nicht mag (weil irgendwann mal Karls Muetze reingefallen ist) und den See liebt (weil sie irgendwann mal drauf gekommen ist, dass sie Karlteile darin fuer immer aufbewahren kann). Die Geschichte des Rings ist aus dieser Erklaerung gesehen Rueckblende.

Dass der Vater, der auch beschenkt worden war, außer sich wegen des Ringleins ist, geht mir nicht in die Seele. Ein Neidhammel?
Es ist halt ein bisschen aergerlich wenn der Sohn einen Grossteil seines Saisonlohns in unnuetzen Schmuck investiert, wenn die Familie auf Geld fuer Essen und Pacht angewiesen ist. Deshalb auch "Flauskopf".

Nicht schnitzen zu können, das lass ich mir eingehen. Nicht schreiben können? Die wohnen doch anscheinend in Stadtnähe. Ein liebender Bruder hätte es dem Schwesterlein wirklich beigebracht, wenn sie nicht zur Schule hatte gehen können. Aber der Bruder konnte es wohl? Und dieses fleißige Bienchen hätte es nicht versucht, wenigstens den Namen schreiben zu lernen?
Weiss ich nicht, ob man sich ueber dieses Detail so wundern muss. Sie ist ein Bauernmaedchen in einem Bergdorf. Da ist Analphabetismus jetzt kein riesen Skandal, finde ich.

Ist der Begriff „Stenz“ doppeldeutig gemeint? Das wäre eine versteckte Möglichkeit, die erotische Dimension, die klar angedeutet, aber zu wenig ausgeführt ist, zu vertiefen.
Wie gesagt, ich will die nicht vertiefen, sondern hoechstens schweben lassen. Die Gefahr bei der Suche nach erotischer Symbolik ist natuerlich immer, dass dann schnell alles was hoeher als breit ist zum Phallussymbol wird. Und das fuehrt dann oft vom jeweiligen Text weg. Der Stenz hat in der Geschichte ne ziemlich wichtige Rolle und eine sehr ausgepraegte Symbolik, wenn man die nur durch so ne Sexbrille liest, reduziert man die zu sehr, finde ich.

Sonst ist es eine rührende Geschichte, die man gerne liest, über – über was? Romantisches Fernweh, romantische Heimatlichkeit?
Also auch ohne den eindeutigen Inzestfall denke ich nicht, dass es eine harmlose Geschichte, ein naives Maerchen ist. Zu dem Thema hat ja auch Quinn was gesagt.

Also ich hoffe, ich hab das alles richtig verstanden. Und wie gesagt, ich will diese erotische Lesart gar nicht abschmettern, nur wollte ich die halt ganz fein und schwebend halten, so dass man sie auf keinen Fall als glasklare Inzestgeschichte lesen kann. War aber auf jeden Fall sehr interessant, sich mit Deinem Kommentar auseinanderzusetzen. Vielen Dank.

lg,
fiz

Hey Quinn,

Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass diese Schreibempfehlung mit den starken Verben und der Suche nach dem besonderen Ausdruck einen Reiz entwickelt, wenn das gemacht wird.
Ich hab den Text gelesen in so einem etwas muffeligem Montags-Zustand und man schreckt dann richtig hoch bei „fieberte, geplagt wurde, wrang (!), vertrieb, drohte“.
Bei anderen Texten fängt am an zu lesen und die ersten Verben ,die man kriegt, sind dann „Laufen, ging, war, war, sollte, müsste, sah, dachte“.
Ja, wie gesagt. Die Verben waren mir besonders wichtig. Und ich will da auch bei meinen anderen Geschichten mehr drauf achten. Nur in so einem archaischem Stil hat man da natuerlich noch ganz andere Moeglichkeiten. Hat schon Spass gemacht.

Mit dem Flussatz guck ich nochmal. Die Idee dahinter war, das der Satz halt genauso lang und murmelnd und fliessend wie der Fluss selbst sein sollte.

Das ist schon sexualisiert, denke ich auch. Irgendwas haben Frauen mit kaltem Wasser, das ist auch ein literarisches Mootiv, glaub ich. Dieses Auftauen vom Kalten ins Warme.
Ja, auf jeden Fall sollte man erstmal die kalten Fuesse der Frau auftauen, sonst wird sie sich nicht entspannen koennen. Ich hab wie gesagt auch nichts gegen so eine erotischere Lesart, so lange klar ist, dass das so ein leichter Anklang ist.

Das ist sehr schön, das ist auch ein moderner Gedanke. Das ist eine der Gesten, die könnte man auch in so einem Musik-Film finden, in dem eine Romanze beschrieben wird, um die Besonderheit der Frau deutlich zu machen. Das ist ein Ausbrechen aus dieser klassischen Frollein-in-Nötne-Erzähltradition, in der Frauen gar nix machen durften, außer gerettet, angehimmelt und bespaßt zu werden; und hier bricht sie da tatsächlich aus: Vor allem, weil sie ihn ja erst danach tauchen lässt. Und er die Geste auch sofort versteht, warum sie das wieder wegwirft.
Ja, das stimmt. In einer anderen Antwort habe ich ja Karls absolute Gutheit verteidigt. Der ist tatsaechlich der makellose Maerchenbruder. Marie ist die moderne Figur der Geschichte, weder klassisches Frauchen noch klassisch gut. Und sie hat hier so die Rolle des leicht psychopathischen "creepy child", die man ja gerade in modernen Maerchenverfilmungen wie "sleepy hollow" findet.

Als sie da am Ufer sitzt und er um Hilfe ruft, ist die Geschichte – für mich – zu Ende, da hat sie ihren Schluss gefunden. Die Forderung, eine Kurzgeschichte soll ein offenes Ende haben, gehört ja zu den Altlasten aus der Borchert-Zeit, aber ab und an gefällt mir das sehr gut. Ich hab das neulich bei der Geschichte von Möchtegern – die hat sie mir zum Lesen gegegeben und hatte hinten noch was dran, und ich hab ihr geraten, schon vorher rauszugehen. Bei deiner Geschichte hier fände ich das als Idee auch schöner, wenn sie da sitzt, und er ruft, und das letzte Bild wäre es, wenn sie den Stenz, den Ast, zerbricht.

Vielleicht hätte man dann noch dieses letzte Bild haben können, dass sie im Winter noch mal zu ihm geht, und sich auf das Eis legt, aber das mit der Magd in der Stadt und der Vater nochal – das hätte es nun nicht gebraucht, finde ich.

Ja, damit haette man sicher auch enden koennen. Aber ich fand ja grad dieses Bild mit dem Maedchen auf dem Eis aus der Vorlage so gut. Und ja, die Magd in der Stadt war halt der Weg dahin. Denn nur wenn sie den See verlassen soll, kommt ja die Krise. Sonst waer ja alles paletti und sie muss sich auch nicht in den See hineintauen, kann ihn bis ans Ende ihres Lebens weiter besuchen. Quinn, das ist ein astreiner Konflikt hier! Schon der zweite im Text. Da wird die Figur an eine Grenze gebracht und muss was tun. Wenn ich schonmal Konflikt in einer meiner Geschichten hab, kannst Du mir den doch nicht einfach rauskuerzen wollen! Aber ich seh schon, ein Konflikt wuerds fuer so eine kurze Story auch tun.

Deshalb macht der Stil aber trotzdem Freunde, und er holt einen mal aus dem Alltag raus und gibt was Neues. Vielleicht bisschen weniger Adjektive dann, damit diese wunderbaren Verben mehr wirken. So ein Wort wie „Kiepe“ ist dann vielleicht auch genug pro Satz. Bisschen hatte man dann den Eindruck: Jetzt war lang nix mehr, jetzt muss wieder ein Archaismus kommen.
Ja, es ist ne verdammte Gratwanderung. Aber es einfach total viel Spass gemacht. Dass es bei einigen Lesern hinhaut und bei andern wiederum nicht - ich glaube das wird man nicht abschliessend loesen koennen. Und viele hatten ja auch anfaengliche Irritation, haben sich dann aber doch noch reingefunden. Also dieses Fremdartige ist ja auch mal reizvoll.

Gerade weil in der Geschichte nichts übernatürliches vor sich geht, es aber so schön erzählt ist, als ob, hat mir die Geschichte gut gefallen.
Das freut mich. Wenn man will kann man sich ja auch vorstellen, dass der See da Maries Wunsch ausfuehrt, dass da wirklich "etwas" ist, was Karl hinabzieht. Aber es bleibt halt offen. Und es war mir wichtig, das Dunkle in die Figur selbst zu verlagern, damit es nicht nur son aeusserlicher Horror bleibt, der jedem zustossen koennte.

Vielen Dank auch Dir fuer Deinen Kommentar.

lg,
fiz

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe feirefiz,
dieser graue schneeige Karfreitag ist wie geschaffen, Geschichten zu kommentieren. Und diese hier stand auch schon auf meiner Liste.

Aber mal vorweg, die Geschichte spaltet ja sehr duch die Sprache, die du hier verwendest.
Mir ging es so, dass ich gerade an dem Kunstfertigen deiner Sprache Genuss hatte. Aber ich bin auch schon mal recht gescholten worden bei einer Geschichte, weil ich so verkünstelt geschrieben hätte. Ich denke mir immer, dass die sprachliche Gestaltung auch eine Frage des Geschmacks und des Leseinteresses ist. Es ist dies ein Märchen voller Symbolik, fein geschichtet in den Bilder, bis man auf den traurigen Untergrund gerät, es macht Spaß, die Symbole zu entschlüsseln und sich das Märchen zu erdeuten. Manchmal bin ich erstaunt, wie all die Symbole zueinander passen. Hast du das alles von langer Hand so geplant? Oder ist dir manches auch beim Schreiben reingerutscht. Das find ich nämlich immer eigenartig bei mir selbst, woher manchmal bestimmte Assoziationen kommen. Ich bin da manchmal über mich selbst erstaunt, das ist wie eine Entdeckungsreise, und ein bisschen ähnlich kam mir das hier auch vor. So, wie wenn sich die Bilder und Symbole, einige am Anfang geplant, dann im beste Sinne verselbständgt hätten.
Und in den schönen alten Wörtern kann man baden wie in einer Schaumwanne. Ich mag das sehr. Und da muss ich unbedingt Quinn Recht geben, der auf deine Verben verwies. Ja, das macht echt Spaß, es lupfen und wringen zu sehen. Ich lieb diese fetten lautmalerischen Verben, die so viel Atmosphäre mit sich führen.

Ich hab glaube ich gar keine Anmerkungen, ich schreib dir einfach meine Eindrücke auf, die ich (z.T. noch nicht beim ersten, aber dann) beim zweiten Lesen hatte.

Da war ein Geschwisterpaar und nichts in der Welt vermochte es zu trennen.
Als kleines Mädchen hätte ich Zeter und Mordio geschrien, wenn ein Märchen nicht mit "Es war einmal" begonnen hätte. Heute und hier gefällt mir gerade das "Da" so gut, das mitten in den Satz und in die Geschichte reinplatzt, als hätte jemand von außen etwas beobachtet, etwas Fremdes, Altes und dann plötzlich gesagt: Da war ein Pärchen.

Marie war ein fügliches Kind mit schwarzem Haar und flinken, nachtdunklen Augen. Sie war von zarter Statur, so zart, dass sie häufig fieberte und von Nachtmahren geplagt wurde. Karl wachte dann an ihrem Bett, wrang wieder und wieder die Wickel aus und vertrieb die Schatten, die drohten, sie in die Tiefe zu ziehen.
Ja oh weh, da hab ich gedacht, das wird was geben mit dem Mariechen, es ist die Verkörperung des Spruchs "Stille Wasser sind tief". Und prompt liebt sie später den tiefen, eiskalten See.
So, wie du sie beschreibst, ist es ein schüchternes, ängstliches dunkles und depressives Kind, das von Anfang an gleich in die Tiefe gezogen würde, gäbe es da nicht ihren hellen Bruder mit den weißen Zähnen. Und später wird sie dann wirklich in die Tiefe gezogen, weil die Angst nicht nur ihre Augen, sondern auch ihre Seele verdunkelt hat. Siehst du, schon diese Farbgebungen, es gibt Geschichten von dir, da purzeln Symbole aus deinen Sätzen, da müssen andere lang nach suchen. Ich mag das halt total. Du hast mal eine Geschichte (war auch ein Copydingens) geschrieben von so Füchsen, da hast du auch so schön mit Farb- und anderer Symbolik gespielt, Und wenn ich mich recht erinnere, war es so, dass das dir selbst gar nicht aufgefallen war, wie weit das reichte.

Wenn der Vater am Abend zürnte und auf den Tisch hieb, dass der irdene Krug darauf in die Höhe sprangen,
da ist beim Verbessern ein en zuviel in die Tasten gehüpft.

An diesen Tagen strichen Bruder und Schwester durch mannshohe Sonnenblumenfelder, die flüsterten und wogten, wenn der Wind darüber pfiff. Karl lupfte Marie in die Höhe, damit sie die untersten Äste der mächtigen Eiche fassen konnte, und folgte ihr mit mühelosem Sprung und Zug. Sie klommen weit hinauf in die Krone, um das gesamte Tal zu überblicken, das sich unter ihnen ausbreitete wie ihr Königreich.
Das hat mich total an meine Kindheit erinnert, wenn man klein ist, da ist das Korn immer so hoch, dass man sich darin Gänge wie ein hamster und Burgen baute und wenn man erwachsen ist, fragt man sich, wie man sich jemals darin verstecken konnte. Dieses Vertäumte, Friedliche, Verschworene der beiden Geschwister, das hast du schön eingefangen. Auch das mit dem Königreich, so fühlt man sich ja manchmal als Kind, als ob man was ganz Abenteuerliches erlebt, obwohl nur ein Traktor vorbeifährt. Und als ob man ein fremdes Reich vor sich hätte, das man durch eine Expedition erforschen muss. Und hier Brderchen und Schwesterchen in ihrem Idyll.

Generell hat mir gut gefallen, wie du die beiden Kinder über die Vorliebe zu den unterschiedlichen Gewässern beschreiben hast. Diese eine Stelle hier, die haut natürlich besonders rein:

Sein Glucksen, sein Strömen, sein Sprudeln waren ihr ungeheuer. Sie zauderte, getraute sich nicht, darin herumzutollen. Eines Tages hatte der Bach Karls Mütze mit sich davongetragen.
Normalerweise hätte man geschreiben "nicht geheuer". Gut, dass du das ungewöhnliche "ungeheuer" in dem Zusammenhang verwendet hast. Das lässt einen für einen kurzen Moment stutzen. Und dann merkt man, der Bach ist wirklich ein Ungeheuer für sie, weil er ihr den Karl wegnehmen könnte wie die Mütze, die er mit sich genommen hat.

Marie liebte vielmehr den Bergsee, der still und spiegelnd umkreist von zerklüfteten Felsen lag, ohne Zulauf und ohne Ablauf, dessen Ufer ihre Füße mit seinem Schlick umkoste, dessen bittere Kälte ihr den Atem raubte, bis sie in lauere Wasser vorstieß.
Buhh, da hab ich mich fast gegruselt. Der See ist wie sie selbst. Schön, gefährlich, ohne Veränderung. Zulauf und Ablauf nicht zulassend. Und was er einmal hat, das behält er.
Als er mit Marie ans Ufer stieg, weinte sie bitterlich. Er legte ihr den Ring in die zitternde Hand und schloss ihre Finger darum. Da warf sie ihn sogleich in den See zurück, holte aus und warf soweit sie nur konnte. Sie fürchtete so sehr, den Ring abermals zu verlieren. Hier im See würde sie ihn immer sicher wissen. Karl küsste ihren nassen Scheitel. Der See war nun ihre Schatztruhe.
Puh, natürlich weiß man hier schon, was geschehen wird, und es ist wunderschön.

Dort sprang er behende auf einen umspülten Findling. Ein junger Baum hatte hier, inmitten des Baches Wurzeln geschlagen und war alsbald von einer Ranke, einem Schmarotzer, umschlungen worden. So war das Bäumchen wulstig und verdreht gewachsen. Marie fand es garstig und krumm. Doch Karl zog sein Beil aus dem Gürtel, hieb den Spross nahe der Wurzel ab und befreite ihn aus seiner drangvollen Umarmung.
Auch das ist wieder so symbolisch. Der Karl, der krumm gewachsene, junge Baum befreit sich selbst aus der Umklammerung seiner Schwester, indem er weg will, auf die Walz gehen will, haut sie weg, die Ranke, die ihn aussaugt. Ich weiß, das klingt nicht schön, das Mariechen so als klammernde Ranke, als schmarotzende erstickende Ranke zu sehen, die den Karl verbiegt, bis er sie weghaut. Aber für den Karl ist sie tatsächlich schädlich, weil sie, so dunkel und leer und krank, wie sie sich ohne Karl fühlt, nicht mehr loslassen kann. Und für sie als die Ranke, die den Schutz und die Kraft und den Halt des Bruderbaums braucht, ist das Weggehen wirklich ein "Abhauen" im doppelten Sinn, ein Wegschlagen ihres Lebenssaftes. Das ist traurig und tragisch und symbolisch wie Märchen sind. Und ich tauch da gerne nach.

Etwas hatte ihn gepackt und zog ihn unerbittlich in die Tiefe. „Mariechen, Mariechen.“ Sie möge ihm doch bitte den Stenz reichen, damit er sich daran herausziehen könne. „Mariechen, Mariechen.“ Doch Marie saß unbewegt, barg schließlich ihr Gesicht in der Schürze. So harrte sie. Es platschte und spritzte, es rief und bettelte. „Mariechen, Mariechen.“ Und Stille legte sich über den See.
Das ist so schrecklich, wie sie da wartet, bis er sich zu Tode gezappelt hat. Mensch, da hab ich kein Mitleid mehr mit dem armen Mariechen. Und toll, dass etwas ihn packt und hält, das ist, als ob der See wirklich Maries Wünsche verstehen würde.
Und cool, wie du das gemacht hast, dass du die Personmalpronomen gewechselt hast vom er und ihn zu es. Wie eine Entpersonalisierung, die ein Mensch vielleicht geistig vornimmt, wenn er einen anderen tötet.
Und dass sie dann den Stenz zerbricht und vergräbt und ausgerechnet im Schlick des Sees. Mannohmann.

Dass in der Beziehung der beiden eine erotische Komponente mitschwingt, das stimmt. Ich finde es gut, dass es sie gibt, aber ich finde es auch gut, dass es nur angedeutet ist. Für mich ist es auch das Märchen von einer zerstörerischen Liebe.

Also ... habe ich supergerne gelesen und hab darin geschwelgt.
Ich finde, dass du dafür zurecht empfohlen worden bist.
Viele liebe Grüße von der Novak

 

Hallo Novak,

was fuer eine schoene Interpretation! Vielen Dank dafuer :)

Es ist dies ein Märchen voller Symbolik, fein geschichtet in den Bilder, bis man auf den traurigen Untergrund gerät, es macht Spaß, die Symbole zu entschlüsseln und sich das Märchen zu erdeuten.
Neben der Sprache waren die Symbole das, was mir beim Schreiben am meisten Spass gemacht hat. Also ich mach immer gerne Symbole, aber in moderneren Geschichten hab ich immer das Gefuehl, ich muesste die gut verstecken, dass sie nicht so bedeutungsschwanger und symboltraechtig in der Gegend rumstehen. Beim Maerchen ist das nicht so noetig. Hier habe ich mir auch eine klarere, einfachere Symbolik erlaubt. Das ist fuer mich auch der besondere Reiz dieser Textsorte, die Lizenz zur Einfachheit.

Hast du das alles von langer Hand so geplant? Oder ist dir manches auch beim Schreiben reingerutscht.
Beides. Ich plane viel, beim Ueberarbeiten faellt mir dann einiges mehr auf, was ich deutlicher herausarbeite und die Leser zeigen mir dann, was sonst noch so drinsteckt. Ich freu mich dann immer ueber solche Entdeckungen. M.Glass hat zum Beispiel schon mal ganz schoene Symbole in "Kinderkrankheit" gefunden, die mir nicht so bewusst waren, oder die Farbsymbolik, die Du und Fliege im "Fuks" aufgespuert haben. Ob mein geniales Unterbewusstsein die da reinschmuggelt, weiss ich nicht :D

Als kleines Mädchen hätte ich Zeter und Mordio geschrien, wenn ein Märchen nicht mit "Es war einmal" begonnen hätte. Heute und hier gefällt mir gerade das "Da" so gut, das mitten in den Satz und in die Geschichte reinplatzt, als hätte jemand von außen etwas beobachtet, etwas Fremdes, Altes und dann plötzlich gesagt: Da war ein Pärchen.
Ja, der unmittelbare Einstieg war fuer mich auch Merkmal eines archaischen, moeglicherweise muendlichen Erzaehlens.

Ja oh weh, da hab ich gedacht, das wird was geben mit dem Mariechen, es ist die Verkörperung des Spruchs "Stille Wasser sind tief". Und prompt liebt sie später den tiefen, eiskalten See.
So, wie du sie beschreibst, ist es ein schüchternes, ängstliches dunkles und depressives Kind, das von Anfang an gleich in die Tiefe gezogen würde, gäbe es da nicht ihren hellen Bruder mit den weißen Zähnen. Und später wird sie dann wirklich in die Tiefe gezogen, weil die Angst nicht nur ihre Augen, sondern auch ihre Seele verdunkelt hat.
Doch, also das hab ich schon bewusst so geschrieben. Auch das mit der Farbsymbolik, die ist ja hier mit dem hell-dunkel sehr maerchenhaft und einfach gehalten.

Das hat mich total an meine Kindheit erinnert, wenn man klein ist, da ist das Korn immer so hoch, dass man sich darin Gänge wie ein hamster und Burgen baute und wenn man erwachsen ist, fragt man sich, wie man sich jemals darin verstecken konnte.
Ja, die sind toll, diese geheimen Kornwelten. Ich vermisse die sehr.

Normalerweise hätte man geschreiben "nicht geheuer". Gut, dass du das ungewöhnliche "ungeheuer" in dem Zusammenhang verwendet hast. Das lässt einen für einen kurzen Moment stutzen. Und dann merkt man, der Bach ist wirklich ein Ungeheuer für sie, weil er ihr den Karl wegnehmen könnte wie die Mütze, die er mit sich genommen hat.
Schoen, dass Du es mochtest, ich mochte "ungeheuer" auch sehr. Das ist immer toll, wenn auch Leser sowas schaetzen, was man da so reingetueftelt hat.

Der Karl, der krumm gewachsene, junge Baum befreit sich selbst aus der Umklammerung seiner Schwester, indem er weg will, auf die Walz gehen will, haut sie weg, die Ranke, die ihn aussaugt. Ich weiß, das klingt nicht schön, das Mariechen so als klammernde Ranke, als schmarotzende erstickende Ranke zu sehen, die den Karl verbiegt, bis er sie weghaut. Aber für den Karl ist sie tatsächlich schädlich, weil sie, so dunkel und leer und krank, wie sie sich ohne Karl fühlt, nicht mehr loslassen kann. Und für sie als die Ranke, die den Schutz und die Kraft und den Halt des Bruderbaums braucht, ist das Weggehen wirklich ein "Abhauen" im doppelten Sinn, ein Wegschlagen ihres Lebenssaftes. Das ist traurig und tragisch und symbolisch wie Märchen sind. Und ich tauch da gerne nach.
Das ist hier so ein Beispiel, da hab ich mir zwar selbst auch was zu gedacht. Aber Du treibst die Symbolik noch weiter und es gefaellt mir eigentlich noch besser, was Du daraus machst. Also fuer mich war es auch so eine Befreiung von dem ganzen Leben im Dorf, dass ihn sonst verkrueppelt haette. Aber klar, man kann das Klammern auch auf Marie beziehen. Das finde ich sehr schoen!

Und cool, wie du das gemacht hast, dass du die Personmalpronomen gewechselt hast vom er und ihn zu es. Wie eine Entpersonalisierung, die ein Mensch vielleicht geistig vornimmt, wenn er einen anderen tötet.
Ja, manchmal bin ich ein wahrer Fuks ;) Aber man braucht halt auch die richtigen Leser dazu.

Dass in der Beziehung der beiden eine erotische Komponente mitschwingt, das stimmt. Ich finde es gut, dass es sie gibt, aber ich finde es auch gut, dass es nur angedeutet ist. Für mich ist es auch das Märchen von einer zerstörerischen Liebe.
*unterschreib*

Also noch mal vielen Dank. Einen schoeneren Kommentar als Autor kann man sich kaum wuenschen. Und beim "Zuckerbrot" hast Du mich auch sehr gluecklich gemacht.

lg,
fiz

 

Hallo fiz!

Ich finds richtig gut geschrieben. Wenn man die ausgefallenen Synonyme kennt, aber, so wie ich, sie geografisch und zeitlich nicht zuordnen kann, ist man in diesem Fall im Vorteil. :D
Einzig bei „Stenz“ habe ich gestutzt. Hätte man von mir verlangt, Stenz ins Englische zu übersetzen, hätte ich Dandy gesagt.

dort wo große Schiffe ihre Anker lichteten, wo sie Segel setzten,
Vieles deutet auf Karls Fernweh. Find ich sehr schön.
Während Mariechens Welt am Talrand endet:
Sie klommen weit hinauf in die Krone, um das gesamte Tal zu überblicken, das sich unter ihnen ausbreitete wie ihr Königreich.
Okay, der Satz ist auf beide gemünzt, aber ich lese da Mariechens Ansicht heraus. Denn Karl träumt nicht von (s)einem, sondern von vielen Königreichen:
zum reißenden Strom mit Untiefen und brodelnden Schnellen wurde, der fremde Königreiche durchfloss und schließlich ins tosende Meer mündete, dort wo große Schiffe ihre Anker lichteten,
Der Aufbau gefällt mir. Zuerst alles Friede und Freude, dann tröpfeln da ein paar Andeutungen zu einer Trennung hin rein, dann Mutters Warnung vor dem Bergsee, der nix wieder hergibt. Man merkt schon, dass da irgendwas passieren wird. Also gar nicht langweilig.

Das Ende ist dann zwar märchenhaft überzogen, mit Mord und Selbstmord, aber so komme ich wenigstens auch auf meine Kosten. :D

Gern gelesen!

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix,

wie schoen, dass diese Geschichte noch nicht ganz eingeschlafen ist. Ich glaube ich hatte noch nie zwei aktive Geschichten gleichzeitig.

Einzig bei „Stenz“ habe ich gestutzt. Hätte man von mir verlangt, Stenz ins Englische zu übersetzen, hätte ich Dandy gesagt.
:lol: auch gut

Okay, der Satz ist auf beide gemünzt, aber ich lese da Mariechens Ansicht heraus. Denn Karl träumt nicht von (s)einem, sondern von vielen Königreichen:
Ja, das kann man schon auf sie beziehen. Der ganze Text ist ja so leicht aus ihrer Perspektive geschrieben, Karls Innenleben kann man nur erraten.

Der Aufbau gefällt mir. Zuerst alles Friede und Freude, dann tröpfeln da ein paar Andeutungen zu einer Trennung hin rein, dann Mutters Warnung vor dem Bergsee, der nix wieder hergibt. Man merkt schon, dass da irgendwas passieren wird. Also gar nicht langweilig.
So war es gedacht. Quinn hat mich mal sehr gescholten fuer einen zu harmonischen Texteingang. Jetzt versuche ich immer, den Konflikt da zuminstest schon anzudeuten.

Das Ende ist dann zwar märchenhaft überzogen, mit Mord und Selbstmord, aber so komme ich wenigstens auch auf meine Kosten.
Ja, in so maerchenhaften Settings faellt es mir leichter ein bisschen lauter ins Drama-Horn zu troeten. :D

Vielen Dank fuer Deinen Kommentar.

lg,
fiz

 

Des soltu nu geniezen,

feirefiz,

daz der bruoder nu gespehet …
unds ist ouch rotwelsc darinnen. Daz izt schone schœn,

aber es ist doch alles gesagt!
Gepfiffen – Flusen auf dem feingewebten Teppich!

Wenn der Vater am Abend zürnte und auf den Tisch hieb, dass der irdene Krug darauf in die Höhe sprangen, …
Der Krug … sprangen? Plural? Da wird doch auch der Blinde sehend! Selbst wenn der irdene Krug zerspränge in Scherben und Splitter, die Untat bliebe Singular:
…, dass der irdene Krug darauf in die Höhe sprang[…], …

Bei einer Wortzusammenfügung weiß ich gar nicht mehr, ob es je zusammengeschrieben wurde:
Sie konnte nicht schritthalten.
Besser:
Sie konnte nicht chritt halten.

Einmal scheint mir die Reihenfolge durcheinander geraten zu sein. Sollte ich mich geirrt haben, wäre zumindest ein Komma nachzutragen:

Da warf sie ihn sogleich in den See zurück, holte aus und warf[,] soweit sie nur konnte
.Sie holt doch vorm Wurf erst aus, vielleicht
„Da holte sie aus und warf ihn sogleich in den See zurrück, soweit sie nur konnte.“

Einmal will mir die Klammer ver-wegen erscheinen

Marie wurden die schweigsamen Abendessen und klammen Nächte, die sie allein im Alkoven durchwachte, lang,
ließe sie sich doch durch einfachstes Möbelrücken vermeiden (mir lag zuerst „beheben“ in den Fingern, aber die Klammer ist ja nix falsches, eben nur verwegen).
[Lang wurden] Marie […] die schweigsamen Abendessen und klammen Nächte, die sie allein im Alkoven durchwachte[…].
Aber wie angedeutet: Ist nur’n Vorschlag.

Jetzt kömmt, was mich auch ins Schwimmen bringt:

Eines Tages hatte der Bach Karls Mütze mit sich davongetragen.
Bei dem Satz stocke ich als Nichtgrammatiker –
wegen des Reflexivpronomens: Ein sich selbst tragender Bach? Das wirkt tragisch (wenn Wortspiele erlaubt sind)
Wenn z. B. einer eines andern Mütze von einer Garderobe nehme (Absicht oder nicht ist wurscht), dann heißt es doch einfach:
„Er hat die Mütze [des andern] genommen/davongetragen.“
oder, wenns den rückbezüglich sein soll,
„Er hat die Mütze [des andern] an sich genommen,"
was dann wieder nicht so wurscht ist mit der Absicht oder
"Er hat die Mütze für sich davongetragen."
Ich weißet nich’!, aber denkwürdig isset.

Gern gelesen vom

Friedel,
der heut den Veronika mit dem Lenz gesehen hat ...

 

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