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Brüder

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18.04.2002
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Brüder

Ungeduldig zerrte die Frau ihr Kind weiter. „Was macht denn der Mann da?“, fragte das Kind noch einmal. Ehe die Frau den Mann durch die leicht beschlagene Visierscheibe ihres Helms betrachten konnte, waren beide Menschen schon fortgerissen von dem strudelnden Fluss hetzender Passanten, immer weiter, immer
schneller ...
Auf die andere Straßenseite hatte der Mann gewollt, durch eine Lücke im Lavastrom des Verkehrs, welcher ständig durch die Straßen drängte, wollte er sich schlängeln, hastig dem Häuserfrontufer zueilen. Aber die ersehnte Unterbrechung des Verkehrs blieb aus. Der Mann schaute auf seine Uhr, wartete fünfzehn Minuten, eine Stunde, zwei Stunden, vier Stunden. Er lächelte und wartete, wartete und lächelte. Anliegende Geschäftsleute, ebenso die Passanten, hatten sich an den seltsamen Anblick des Wartenden schon gewöhnt, man verabredete sich beim wartenden Mann, wohnte oder arbeitete in der Nähe, vielleicht auch schräg gegenüber vom wartenden Mann.
Der wartende Mann wartete.
Um ihn herum hasteten Menschen, pulsierendes Leben. Sie strömten zu ihm hin, immer näher kommend, dann auseinander treibend, immer weiter, weiter ...
Er dachte lächelnd: „wären sie nicht nur Wartende, sondern auch Suchende wie ich, seit Menschengedenken…“
Der sich um den Mann drehende Menschenkreisel rotierte immer schneller, drehte Spiralen, die sich schäumend aufzubäumen schienen. Deshalb glaubten die Anderen, der Mann würde lächeln, weil er meinte, das Zentrum dieser riesigen, zuckend- vibrierenden Menschenspirale zu sein. Über diesen naiven Gedanken, den er erriet, musste der Wartende nur noch mehr lächeln, er wartete, denn „was haben sie als Alternative zu bieten?“
2,718 Millionen Lichtjahre entfernt lächelte ER, ein anderer Wartender, und freute sich über seinen neuen Bruder...


[ 15.07.2002, 21:54: Beitrag editiert von: Woltochinon ]

 

Äußerst interessantes Thema, jedoch fehlt mir ein gewisser Kontext.
Dieser Mann wartet; er wartet und sucht da er keine Alternative geboten bekommt, die ihm plausibel und sinnvoll erscheint. Er protestiert auf seine individuelle Art und Weise gegen das ihm gebotene Leben, gegen die Hektik und die Uneinsichtigkeit der strömenden Menschenmassen.
Soweit ganz verständlich - bis zum letzten Satz.
In einer entfernten Galaxie gibt es noch einen Wartenden, vielleicht sein alter ego oder eine parallele Existenz.
Komischerweise weiss dieser Wartende allerdings, dass er einen Bruder gefunden hat und er freut sich über ihn. Warum weiss er, dass seine Suche erfolgreich war? Wieso kann er sich über Ihn freuen? Haben Sie durch ihr gleiches Verhalten eine kommunikative, gemeinsame Ebene gefunden?
Und weiss der erste Wartende auch, dass er seinen "Bruder" gefunden hat?

 

Hallo prosac,

vielen Dank für die Anmerkungen. Die Geschichte hat schon zwei Ebenen, eine Vordergründige und eine Umfassende. Bin leider in Eile, ausführlicher werde ich in den nächsten Tagen noch einiges ergänzen.
Bitte etwas Geduld,

tschüß ... Woltochinon

 

Hallo, Woltochinon!

Eine sehr schöne, bildreiche Geschichte, die trotz ihrer Kürze sehr viel beinhaltet.

In der Ruhe liegt die Kraft. Und die Weisheit. Und das Erkennen. Denn, nur wer sich selbst Ruhe auferlegt, erkennt. Der Wartende sucht die Lücke in der Hektik, um etwas schnell zu erreichen. Dieser Weg stellt sich als unbegehbar heraus. Er wartet ab. Auf die anderen Menschen wirkt er befremdend, sie nehmen ihn zur Kenntnis, ohne ihn zu verstehen. Sie glauben sogar, er würde lächeln, weil sich Alles nur um ihn dreht.
Er jedoch tauscht passives Abwarten gegen aktives Suchen.
Der entfernte "Bruder" hat den Prozess bereits abgeschlossen und freut sich über den "Bruder im Geiste".

Etwas irritiert hat mich die Stelle mit der leicht beschlagenen Visierscheibe. Durch sie bleibt sein Gesicht unsichtbar. Später jedoch sehen ihn die Menschen lächeln. Warum sieht man nun sein Gesicht?

Ciao
Antonia

 

Hallo Antonia,

Dir entgeht wirklich nichts! Die Frau hat den Helm auf, doch genau betrachtet ist dies nicht ganz eindeutig. Ich werde eine Änderung vornehmen.
Wie Du schreibst, geht es nicht nur um das Warten, sondern -viel wesentlicher- um das Suchen. Hier ändert sich auch die Geschichte (vom Vordergründigen zum Umfassenden) denn er sucht seltsamerweise „seit Menschengedenken“.
Es würde mich schon interessieren, was Du dazu meinst.

Tschüß ... Siegbert

 

Hallo, Siegbert!

Mir entgeht nichts? Von wegen! Meistens genau die Tatsachen, auf die es ankommt. Egal.
Zur KG: es gibt verschiedene Interpretations-Möglichkeiten. Hier "?", nur meine favorisierte.

Zitat: ...man verabredete sich beim wartenden Mann, man wohnte und arbeitete in der Nähe, oder schräg gegenüber vom wartenden Mann.

? "Er" ist inmitten der Menschen. ?

Zitat: Sie strömten zu ihm hin, ..., dann auseinander schweifend,...

? In früheren Zeiten hatten sich die Menschen "Ihm" genähert (seine Nähe gesucht), dann jedoch entfernten sie sich immer weiter von ihm. ?

Zitat: wären sie nicht nur Wartende, sondern auch...

? Würden die Menschen nicht nur auf Erleuchtung warten ,sondern aktiv daran arbeiten, kämen sie "Ihm" näher. Außerdem liegt es in der Natur des Menschen, nach Wahrheit, u.s.w., zu suchen. ?

Zitat: ...und die Anderen glaubten, der Mann würde lächeln,...

? "Er" sieht sich nicht als zufriedenen Egomanen, sondern toleriert auch andere Bekenntnisse. ?

Zitat: ...was haben sie als Alternative zu bieten?

? Nichts. Früher, oder später werden die Menschen "erkennen". ?

Zitat: Und 2,716 Millionen...

? A) Es gibt auch woanders Leben
B) und dort auch einen "Er"

Ciao
Antonia

 

Hallo Woltochinon,

nachdem Du all meine Geschichten gelesen und sehr hilfreich kommentiert hast, habe ich mich nun an eins Deiner Werke gewagt: "Brüder", eine Story, die sehr schön und metaphorisch geschrieben ist (Dein Stil gefällt mir wirklich gut), zu der mir persönlich allerdings der Zugang fehlt. Irgendwie gelingt es mir nicht den Hintergrund dieser Geschichte zu begreifen, zu fassen.

Der wartende Mann, die verkörperte Kritik an einer Gesellschaft, in der sich jedes Individuum auf seinen eigenen kleinen Kosmos beschränkt, ohne über den Tellerrand des eigenen eingeschränkten Interesses zu schauen. Mitziehen anstatt entziehen, gefallen anstatt auffallen, Lavastrom anstatt Vulkanausbruch - sehr gut dargestellt!! Der Kritiker bleibt allein, niemand sonst wartet an seiner Seite. Die Menschen ziehen an ihm vorbei, treffen sich an ihm, er ist ein Teil der Gesellschaft, nimmt aber keineswegs an ihr teil. Die außerweltliche Identifikation am Schluss ist der einzige Sinn seines Lebens, ein Verbündeter irgendwo, unerreichbar und doch so nah. Etwas irritierend, aber interessant!

Doch eines ist und bleibt meiner Meinung nach unlogisch (siehe auch Antonia): zunächst sprichst Du von der Frau, deren Visierscheibe leicht beschlagen ist. Es bleibt offen, ob sie nur deshalb den wartenden Mann nicht sieht, oder ob da etwas Anderes hintersteckt: bemerkenswert ist, dass ein Kind offen nach dem seltsamen Wartenden fragt. Es bleibt die einzige Person, die den Mann als Mensch wahrnimmt, die verstehen möchte, welche Absichten er hegt. Währenddessen laufen alle Erwachsenen, die aus Gewohnheit dem Sog der Gesellschaft mit Scheuklappen (oder beschlagener Visierscheibe) blindlinks folgen, an ihm vorbei und registrieren ihn höchstens als Inventar. Möchtest Du das damit ausdrücken?? Wenn ja, würde ich die Stelle mit der Visierscheibe (ist der Helm eine Metapher für die Konkurrenz der Individualisten?) noch einmal überarbeiten, den Hintergrund anders hervorheben. Sonst bleibt die Bedeutung dem Leser wohl zu fern.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen...
Trotzdem sehr schöne Geschichte,
liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Antonia,

puh -- jetzt muß ich mich aber anstrengen!
Also „ER“ kommt erst beim zweiten Wartenden vor. Der Wartende ist ein ganz normaler Mensch, durch seine besondere Lebenseinstellung (er verfolgt auch sein ursprüngliches Ziel, die Straßenüberquerung nicht mehr, andere Dinge sind ihm wichtiger) ist er aber doch anders. Dies führt zu den Beziehungsschwierigkeiten mit den Mitmenschen (und umgekehrt).
Würden die Menschen auch Suchende sein, kämen sie- wie Du so schön schreibst- „ihm“ und natürlich auch dem näher, was er sucht.
Die Anderen setzen sich schon mit dem Wartenden auseinander, überlegen, warum er lächelt (Zufriedenheit, obwohl er sein Ziel nicht erreichte) und können es sich nur als Selbstgefälligkeit erklären. Instinktiv haben sie auch das Bewußtsein, mit dem Mann Teil der Menschenspirale zu sein (d.h. trotz der Unterschiede zur selben Menschheit zu gehören, die sich unkontrolliert „zuckend“ entwickelt ).
„...was haben sie als Alternative zu bieten?“
`Nichts´. Besser kann man es nicht sagen! Die ganze Hektik, der unfruchtbare Aktionismus ist Ablenkung von wichtigeren Dingen.
2,716 Millionen Lichtjahre. Genau: Es gibt auch Leben außerhalb der Erde, in diesem Fall als Gott („ER“) bezeichnet, oder als personifizierte metaphysische, idealistische Idee. Dieser freut sich über seinen `Bruder im Geiste´ .
Übrigens: Die Wahl der Zahl 2,7... ist wieder so eine Spielerei von mir, es ist der Anfang der (transzendenten) Zahl e, deren Potenz e hoch x der Beschreibung von Wachstumsfunktionen dient...
Vielen Dank für Deine guten Anmerkungen,

tschüß... Siegbert

 

Hallo Werther,

ich denke für einen KG- Schreiber wie Dich ist es kein Wagnis, meine Stories zu begutachten. Ich bin auch über jede seriöse Anmerkung froh, weil man dann die eigenen Stories nicht so einseitig betrachtet.
Vielen Dank für das Lob über Stil und Metaphorik.
Die Schwierigkeiten der Gesellschaft mit dem Mann wollte ich schon darstellen, aber es geht auch um mehr, weil der Mann auch Symbol für die Menschheit und ihr Suchen an sich ist.
Das Kind ist gewissermaßen- wie bei `Des Kaisers neue Kleider´ - der unbefangene, (welt-)offene, wissbegierige, Mensch. Die Visierscheibe ist nur leicht beschlagen, die Frau kann den Mann schon erkennen, sie könnte die Scheibe aber auch putzen!
Der Helm mit Visier ist ein Symbol für Schutzbedürftigkeit. Warum braucht man den Schutz, obwohl er den Blickkontakt erschwert? In welcher Gesellschaft benötigt man solch einen Schutz? Beschlägt das Visier wegen dem gehetzten Atem der Frau?
Außerdem sollte die Szene etwas surrealistisch wirken (um die Symbolik besser hervorzuheben) – normalerweise läuft man nicht mit einem Helm umher.

Ich hoffe, dies ist alles schlüssig,

tschüß... Siegbert

 

Ja, gut, kann ich nachvollziehen...

Könnte man die Beschlagenheit des Visiers aber nicht auch als Ansammlung der gesellschaftlichen Normen und Werte ansehen, die es der Frau schier verbieten, den Mann unbeeindruckt aus den Augen eines Kindes zu sehen?!

Nach wie vor finde ich, dass Du die Kommunikations- und Beziehungsschwierigkeiten zwischen dem wartenden Mann und der restlichen Gesellschaft sehr gut darstellst. Meiner Meinung nach dient der Mann bzw. seine Aktion -ja, dieses Warten nenne ich aktiv- als Spiegel für die Menschheit, deren gedankenloses Mitströmen im Prinzip auch nur ein lächzendes Warten auf ein Ende darstellt.

Liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Werther,

vielen Dank für Deine e- mail-
es ist ein interessanter Gedanke, daß das Warten des Mannes eine Aktivität ist.
Das beschlagene Visier kann man sicher so sehen, wie Du es beschreibst. Diese Idee paßt auch gut zu meinen Intensionen. Eigentlich hatte ich diese Art der Interpretation gar nicht beabsichtigt, doch dies ist ja gerade das Schöne an den Kommentaren, man bekommt Perspektiven aufgezeigt, die man selbst nicht bemerkt hat.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo prosac,

wie versprochen, einige Gedanken zu „Brüder“ (entschuldige bitte die Verspätung).
Ich versuche, eine Alltagshandlung in einen umfassenderen Kontext zu stellen: Das Überqueren der Straße mißlingt (aufgrund von Menschen gemachter Hindernisse), die Kommunikation mit den Mitmenschen auch, sie nehmen den Mann nur als wartendes Objekt wahr.
Doch er ist „Suchender“, seit „Menschengedenken“, ihm geht es um mehr, als die täglichen Dinge (sich verabreden usw.). Der Mann ist in diesem Moment Symbol für die Menschheit, die schon immer nach dem Sinn in all` dem menschlichen Treiben gesucht hat. Ihm ist es gar nicht wichtig, Mittelpunkt zu sein, denn seine Sinnsuche (z.B. Suche nach Gott) ist wichtiger als alle Sinn- Alternativen, die seine Mitmenschen zu bieten haben.
Der zweite Wartende ist „Er“, also Gott der (selbst kein Suchender) das Verlangen des wartenden Mannes nach Sinnerkenntnis begrüßt. Der `erste Wartende´ weiß also nichts von seinem Bruder.
Vordergründig geht es schon um den Kontrast Warten – (sinnloses) Hetzen und mangelnde Kommunikation zwischen den Menschen.
Vielen Dank für die von Dir aufgeworfenen Fragen. Das gleiche Verhalten der beiden `Brüder´ soll die Geistesverwandschaft darstellen, die gleichen Werte. Somit sind sich die Beiden, trotz Entfernung, näher, als der Wartende und die Mitmenschen. Die Freude des Wartenden über den Wartend- Suchenden ist eigentlich irrational, der Wartende Mann ist so weit weg, eigentlich wäre es egal, ob er existiert. Ich spiele hier auf wahre Freude bzw. Liebe an und verurteile Gleichgültigkeit (womit wir wieder auf der Ausgangsebene, dem alltäglichen Leben wären

Tschüß... Siegbert

 

Hallo Sighard,

vielen Dank für Dein Lob, es hat mich sehr gefreut einmal etwas von Dir zu hören.
Die Assoziation zum Sufismus ist sehr interessant, in meiner Geschichte findet der Tanz allerdings (apokalyptisch) außerhalb des Suchenden statt. Der `Blick über sich hinaus´ , ist der Schlüssel zur Erkenntnis, keine Meditations- oder Trancetechnik.
Es ist natürlich diskussionswürdig, ob man der Bruder von Gott sein kann. Doch Brüder können auch unterschiedliche Stufen der Verwirklichung einer Erkenntnis einnehmen. Ich wollte eigentlich nur vermitteln, daß das Anstreben einer Verbindung mit Gott schon eine besondere Beziehung zu ihm darstellt.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

vom Ton gefällt mir deine Kurzgeschichte sehr gut. Auch die Spannung wird gut gehalten. Sehr (schön) mysteriös.

Aber lass mich ein wenig stupfen (wenn inhaltliche Kritik erlaubt ist):

Ich denke, dass das Mysteriöse mit einem tieferen Inhalt lockt, diesen aber nicht liefert.

Es geht ja in einer philosophischen Kurzgeschichte nicht darum zu erraten, was sich der Autor mit dem oder jenem subjektiv gedacht hat - da müsste man ihn zudem besser kennen. Für mich sind allgemein menschliche Aussagen interessant: hier zur menschlichen, persönlichen Entwicklung.

Es ist sehr eindeutig eine Entwicklung des Protagonisten von der Masse weg, eine elitäre Entwicklung - zumindest in seiner Vorstellung. Er denkt, er wäre weiter als die anderen Menschen, weil er bestimmte Abhängigkeiten nicht mehr hat und drückt das mit einem Lächeln aus. Das ist aber in unserer Zeit immer ein Irrtum, weil keine elitäre Entwicklung von der Menschheit weg geschehen kann (wenn auch ein verbreiteter Irrtum). In der Menschheit sind immer mehr alle Menschen auf alle anderen angewiesen (man denke an den Umweltschutz oder die Weltwirtschaft) und da kann er sich in einer persönlichen Entwicklung nicht abwenden von der wogenen und kreisenden Masse und weiterkommen - im Gegenteil er fällt zurück. Er gehört zu ihr, egal, was er tut. Und dann stimmt deine Geschichte nicht.

Das Verhältnis zu einem Bruder Gott ist hingegen ganz sicher machbar. Schon Goethe spricht ja "vom kleinen Gott der Welt" als dem Menschen.

Viele GRüße, Dein Michael

 
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Hallo Michael,

Deine Anmerkung hat mich überrascht - es war natürlich nicht meine Intension, elitäres Verhalten zu propagieren. Eine umfassende elitäre Abgrenzung ist unsozial und verhindert Problemlösungen. Auf Teilgebieten, so denke ich, ist eine Abgrenzung durchaus möglich (wenn auch nicht immer wünschenswert). Dieser Mensch in der Erzählung steht ja sogar im Zentrum des Geschehens, doch trotzdem unterscheidet er sich durch die Ernsthaftigkeit seiner Suche von den Anderen. (Ein gewisser Pluralismus wird dadurch ausgedrückt).
Eigentlich wenden sich die Anderen von dem Wartenden ab (obwohl sie sich bei ihm verabreden).
„... wären sie ... auch Suchende wie ich, seit Menschengedenken“ d.h. die Anderen haben sich durch ihren Aktionismus von der eigentlichen Aufgabe des Menschen (der Menschheit) , der Suche nach Erkenntnis und Gottnähe, von dem Wartenden abgesetzt.
Ich danke Dir jedenfalls für die Anmerkung, ich finde immer interessant, wenn Leser Aspekte wahrnehmen, mit denen man nicht gerechnet hat.

Tschüß... Siegbert

 

Hallo Michael,

habe gerade festgestellt, daß meine Antwort nicht angekommen ist. Also noch einmal:

Ich denke eine umfassende elitäre Abgrenzung ist unsozial. Auf Teilgebieten denke ich, ist eine Abgrenzung durchaus sinnvoll möglich.
Dieser Mensch in der Geschichte steht ja sogar im Zentrum des Geschehens, doch trotzdem unterscheidet er sich durch die Ernsthaftigkeit seiner Suche von den anderen Menschen. Es besteht halt ein gewisser Pluralismus im Denken und Verhalten.
Eigentlich wenden sich die Anderen von dem Wartenden ab. Er hofft, sie wären wie er selbst: „... wären sie nicht nur Wartende, sondern auch Suchende, wie ich, seit Menschengedenken.“ Die Anderen haben sich durch ihren Aktionismus von der eigentlichen Aufgabe des Menschen , der Suche nach Erkenntnis, von dem Wartenden abgesetzt.
Es ist natürlich nicht meine Intension, elitäres Verhalten zu propagieren.

Vielen Dank für Deine Anregung,

tschüß... Siegbert

 

Hallo Siegbert,

die Suche nach Erkenntnis ist der eine, unvollständige Schritt der Entwicklung. Der zweite muss folgen: die Erkenntnis ins Leben zu bringen. Erkenntnis, die nicht durch die Prüfung des Lebens gegangen ist, ist noch keine Entwicklung.

Dein suchend Wartender lebt - so wie du ihn beschreibst - alleine, ohne substantielle Verbindung zu den anderen Menschen. Das ist ein bedeutsamer Entwicklungsschritt. Das Tiefste ins sich lernt man in der größten Einsamkeit kennen. Aber diese Menge ist gerade das, wo er dann erleben kann, ob seine Vorstellungen, die er sich über sich und die Welt macht, Wirklichkeit besitzen. Da kann ihm kein Bruder helfen, der zwei Millionen Lichtjahre entfernt ist. Der kann seine Vorstellungen nicht prüfen.

Goethe hat hierzu etwas (meines Erachtens) Gutes:

Du bist dir nur des einen Triebs bewusst;
O lerne nie den andern kennen!
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der anderen trennen;
Die eine hält in derber Liebeslust
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.

Dein Wartender ist in meinen Augen ein Mann, der sich gewaltsam vom Dust erhebt und seinen hohen Ahnen entgegenstrebt. Die zweite Seele, die jeder Mensch in sich hat, kann ich bei ihm nicht finden und so entschwebt er dorthin.

Aber bitte nimm das als Meinung.

Viele Grüße, Dein Michael

 

Hallo Woltochinon,

ich mag die Idee mit der e-Funktion, denn sie steigt schneller an als alle Exponentialfunktionen, und damit steht ER über - oder weit weg vom - dem Rest.

Merkwürdig finde ich, dass Du Gott als "Wartenden" bezeichnest. Kennt Gott etwa Zeit? Ist Gottes Schöpfung unvollendet? Mir ist nicht klar, warum Gott überhaupt in Deiner Geschichte Erwähnung findet, handelt sie doch von einem Außenseiter, der sich vom Durchschnitt abgegrenzt hat.

Viele Grüße

 

Hallo Michael,

Deine Meinung fand ich sehr hilfreich, um über das Problem der persönlichen Erkenntnis und dem Verhältnis zur Gemeinschaft nachzudenken. Danke!
Ich dachte, der Wartende hat schon vergeblich versucht, seine Brüder auch in seiner Umgebung zu finden. Gut- das muß ich wohl deutlicher schreiben.

Tschüß... Siegbert

(PS. Leider hat die Editier- Funktion meine überzähligen Antworten nicht gelöscht)


Hallo Silent One,

zumindest der biblische Gott kennt Zeit, er teilte die Woche in sieben Tage ein.
Wiederum biblisch gesehen ist die Schöpfung vollendet gewesen ( ... und siehe, es war sehr gut. 1. Mose 31).
Gott erwähne ich als Ziel des Menschen Wahrheit zu finden, den Tod zu überwinden. Wie schon erwähnt, ist der Wartende zum Außenseiter gemacht worden, weil die Mehrheit nicht auch die genannten Ziele hat, sondern nur auf sich selbst bezogen lebt. dies tut der Wartende dann auch, ich habe das natürlich als Extremfall geschildert, um es deutlich zu machen.

Tschüß... Woltochinon

 

Hei wolto, ein Rätsel ein weiteres?

Zweimlal gelesen und folgendes verstanden:

Unsere Welt ist der eine Bruder, ... es gibt aber mehrere Brüder.

Werden wir die anderen Welten irgendwann kennenlernen?

Hab aber nicht ganz verstanden, ob wir von Materie angezogen werden.

Gekonnte Allegorie

Liebe grüsse Stefan

 

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