„Everybody is a book of blood; wherever we're opened, we're red.“ (Clive Barker: Books of Blood) Homophone sind doch was Schönes!
Hallo @Shey ,
ich mag Splatter. Ich würde auch gern mal guten Splatter lesen, das findet sich aber leider sehr selten. Auch hier nicht, und ich versuche mal, dir zu sagen, woran das liegen kann.
Ein Begleiter mit Ideen und Möglichkeiten, die keine Menschenhand, [kein Komma] in einer solchen Präzision,[kein Komma] ausführen kann.
Die Wärme der Eingeweide umhüllt Jonathans Hände, [kein Komma] wie eine Decke [Komma] und die kalt gewordenen Finger erhalten allmählich ihr Feingefühl wieder, als er beginnt [Komma] in der Bauchhöhle des Mannes zu graben.
Satz: 1. Wenn du ohne Hervorhebung nicht leben kannst, bieten sich Bindestriche an, wo du die Kommata hast.
Satz 2: Mag sein, dass Kommata zwischen zwei abgeschlossenen Hauptsätzen inzw. optional sind, aber die würde ich zur Strukturierung immer setzen.
Musst du in dem kurzen Satz unbedingt zwei Mal das Subjekt wechseln? Wärme -> Finger -> er … das wäre schöner entfusselt, so klingt es arg unkonzentriert geschrieben (Leseeindruck, keine Unterstellung!).
Fast zärtlich streicht er über die glatte Oberfläche
Fast, aber doch nicht ganz? Warum soll 'zärtlich' hier nicht passen, und warum verwendet der Erzähler hier kein konkretes, passendes Wort? ‚Fast zärtlich‘ hat eine Nullaussage. Überhaupt frage ich mich, warum das alles so vorsichtig passiert. Seine Leinwand ist ihm wichtig, schon klar. Aber malen Ölmaler ‚vorsichtig‘? Ein Körper ist ganz schön zäh. Ich will dich nicht zu bösen Sachen verleiten, aber im Netz findest du (legal) Videos, in denen du sehen kannst, dass mit zart & vorsichtig beim Leute-auseinandernehmen nix zu erreichen ist. Vor allem, wenn er da mit Taschenmessern hantiert. Dennis Nilsen hat z.B. 12 Stunden gebraucht, sein eines Opfer mit einem Set Profi-Küchenmessern zu zerlegen. Selbst mit einer Machete hast du Mühe. Das wäre hier eine gute Gelegenheit, etwas Farbe (no pun intended!) reinzubringen: Wie kann dein Täter die Realität (harte Arbeit) mit seinen Gefühlen dazu (behutsam, vorsichtig, fast zärtlich) in Übereinstimmung bringen?
Dann rammte er ihm das Messer in den Bauch und schlitzte ihn auf wie einen Fisch.
Wann stirbt die Leinwand eigentlich? Ich finde, das sollte erzählt – oder zumindest erwähnt – werden. Warum ist der erste Schnitt so brutal, wenn später alles sanft und vorsichtig sein soll? Der Typ hat doch nett eingewilligt, da erschließt sich mir diese ganze Vorgehensweise nicht (er hätte ihm ja sanft die Kehle durchschneiden können, bevor er an die Organe geht). Er macht da doch Sachen im Bauch mit kaputt, die er später hübsch drapieren will. Was ist das für eine Psycho-Logik, wenn er nur zärtlich zu einer Leiche sein kann? Zu dem Thema
Tötung auf Verlangen ist der Fall Meiwes ganz interessant.
Die Geschichte krankt für mich an mehreren Punkten:
Du bist nicht im Kopf deines Prots. Das mag daran liegen, dass du nicht / nicht genug recherchiert hast; dass du recherchiert hast, aber verschiedene Psychopatholgien / Fälle mischt, sodass das Ergebnis unrealistisch und unnachvollziehbar wird; dass es einfach unglaublich schwierig ist, für uns Normalos wie ein serienmordender Psychopath zu denken & fühlen, und du noch zu sehr mit den Grundlagen des Schreibens (Grammatik, Syntax) beschäftigt bist, um hier sehr komplexen Inhalt in eine adäquate Form zu bringen.
Der Geschichte fehlt ein Konflikt. (Ein Mord ist nicht automatisch auch ein literarischer Konflikt.)
Die Form: Der Text ist zu kurz und zu klischeehaft für den Inhalt: was du erzählen willst, geht mit diesen Mitteln einfach nicht auf so kurzer Strecke, da sollte etwas entwickelt werden und/oder die Sprache sollte in der Kürze ebenso prägnant und individuell-perfekt sein, wie das Kunstwerk, über das du schreibst. Viele postmoderne Horrorgeschichten scheitern an der Form – es scheint, als ob die Anhäufung von Grausamkeiten einen Autor davon enthebt, eine nachvollziehbare Situation in ästhetischer Sprache zu erzählen. Je mehr Splatter, desto grottiger der Stil/ der Wortschatz/ die Grammatik – zeig uns, dass es anders geht! Hier ist auch kein individueller Gedanke drin, auch da würde ich raten, nachzulegen.
Der Protagonist wirkt nicht psychologisch stimmig, die Tat wirkt arbiträr und total konstruiert (ähnlich wie Psychopathen oft in mainstream Hollywoodfilmen dargestellt werden, Hauptsache skurril, komme, was wolle) und darüber – negativ – absurd. Dass er noch die Psychologin mitschleppt, die meint, es wäre sinnvoll, ihn in einer solchen Situation „krank“ zu nennen, macht es zusätzlich unmöglich, deinen Text ernst zu nehmen.
Ramona, die auf der Bank sitzt, Ellbogen auf die Knie gestützt.
Na, die ist ja lässig ...
Kommaregeln üben (so viele sind das nicht, wenn du da zwei Nachmittage für investierst, hast du die Hauptregeln im Kopf). Mal überlegen, ob du mit so vielen Einschüben schreiben willst. Es gibt im Text stilistisch fast nur: Sätze mit Einschüben (in denen auch mal das Subjekt grundlos wechselt) und Sätze, die ähnlich klingen, aber wo die ‚Einschübe‘ mit Punkten abgetrennt sind. Also weniger elliptisch geschrieben, als kommavermeidend.
Trau dir doch zu, mit einer gut recherchierten Grundlage, eine längere Geschichte mit komplexerem Satzbau zu verfassen. Dann kannst du auch Blood & Gore als Thema nehmen, ohne das Horrorklischee negativ zu bedienen.
Die Brutalitäten hier lesen sich wie eine Gebrauchsanweisung. Das ist ebenfalls ein Problem, das sich im Splatter wie auch in Pornos zu oft findet. X macht dasunddas, Y schreit, X macht nun soundso, Y zerrt an den Fesseln etc. Guck mal:
Verwenden der Akkuhalterung:
Entnehmen Sie die aufladbaren NiMH-Akkus aus dem Funkgerät. Setzen Sie die Akkuhalterung in die Ladestation ein. Setzen Sie den NiMH-Akku in die Ladestation ein. Überprüfen Sie, ob die Ladekontakte richtig ausgerichtet sind. Die LED-Anzeige leuchtet dauerhaft auf, solange sich das Funkgerät in der Ladestation befindet.
Und (um ein paar Sätze gekürzt):
Behutsam entfernt Jonathan Leber und Nieren. Sie bilden später die Köpfe der Blumen. Fast zärtlich streicht er über die glatte Oberfläche des Fleisches, bevor er es vorsichtig in den Schoß des Mannes legt. Die helle Jeans färbt sich dunkel, als das Blut der Organe, mit dem Regen vermischt, in dem Stoff versickern.
Stück für Stück zieht er den Dickdarm aus dem Bauch und drapiert ihn herzförmig auf der Brust seiner Leinwand.
Den Dünndarm schneidet er in unregelmäßig lange Stücke und legt sie, in Schlangenlinien, rechts und links neben das Herz, dann widmet er sich wieder der Leber und den Nieren. Behutsam, wie du [eine] Mutter ihr Baby, legt er erst die eine Niere, dann die Zweite [klein] und anschließend die Leber an je ein Ende der Dünndarmstängel.
Wie die Samen in einer Sonnenblume schmückt er die drei Organe mit den Leberflecken von den Armen des Mannes. Mit einem kleinen Taschenmesser hat er sie aus der Haut geschnitten.
Macht es den Horror aus, jede Bewegung nachzuprotokollieren, oder ist es spannender/gruseliger, wenn sich der Leser das anhand von prägnanten Schlaglichtern selbst im Kopf zusammensetzt? Der Unterschied zwischen dem Akkueinsetz-Text und deinem Sezieren liegt v.a. darin, dass du mehr Adjektive verwendest, und das allein reicht nicht aus.
Dieses Genre ist extrem schwierig zu schreiben und sehr anspruchsvoll – gerade in Texten mit viel Gewalt/Grausamkeit. Das geht nicht so mal kurz nebenbei vermittelt, und ich fände es klasse, wenn du mehr Vorarbeit investieren würdest (damit meine ich nicht nur Recherche, sondern auch eine intellektuelle Eigenleistung, die über die reine Beschreibung von Tätigkeiten hinausgeht). Auch wenn das hier vielleicht harsch klingt, möchte ich aber wirklich deinen Ehrgeiz wecken. Also, mach da 5-10 Seiten draus, und entwickle die Geschichte und den Prot ein bissl. Dann kannst du das alles später noch runterkürzen. Hier mit einem Fragment zu starten, und daraus ein schlüssiges Psychogramm zu zeichnen, halte ich für unsinnig; da wird dir dann immer noch das Gerüst fehlen.
Für eine kleine Schreibübung finde ich das Thema ungeeignet.
Ach ja, das fiel mir noch ein, ist kein Splatter/Horror, aber finde ich sehr schön - das ist auch grausam, ohne Grausamkeit im Detail zu beschreiben. Wenn du Gore als Kunst zum Thema machst, wäre es klasse, wenn die Form dem Inhalt entspricht, sowas wie hier z.B:
"Meine Zeit wurde in Bildern gemessen. Unablässig wuchsen mir Pinsel aus den Fingern, ob ich sie abschnitt oder nicht. Ich schnitt Haut aus meinem Rücken und spannte sie auf einen Holzrahmen. Manchmal legte ich das Ohr an eine Leinwand und hörte ein Herz klopfen. Manchmal vernichtete ich ein Werk, weil es mich nachts wachhielt, sinnlos tickend wie ein Metronom."
(Peter Verhelst: Der Farbenfänger)
Liebe Grüße,
Katla