Blutige Rosen
Blutige Rosen
von Dirk Hanne
1. Kapitel
Nach einem Fußmarsch von ungefähr zehn Minuten hatte Daniel sein Ziel endlich erreicht.
Er betrat das Blumengeschäft und musterte das Ladeninnere mit einem flüchtigen Blick. Außer ihm, einem älteren Herrn und einer Kassiererin war niemand da. Feuchschwüle Luft strömte Daniel entgegen und er hatte das Gefühl, als würde er sich in einem afrikanischen Urwald befinden.
Zielstrebig ging er auf die Blumenverkäuferin zu.
Lächelnd blickte sie zu ihm hoch und schaute ihm tief in die Augen.
,, Was kann ich für Sie tun?’’, fragte sie ihn.
,, Ich hätte gerne einen schönen großen Strauß rote Rosen für meine Frau. Wir heiraten morgen und ich würde ihr heute schon gerne eine kleine Freude bereiten.’’
,, Das freut mich aber für sie. Warten sie einen Moment, ich mach ihnen einen schönen Strauß fertig’’, antwortete sie und verschwand in einem Hinterzimmer des Geschäfts.
Nach ca zwei Minuten kam sie wieder und überreichte ihm einen riesigen, in Papier eingepackten, Rosenstrauß.
,, Ich habe ihnen noch gratis eine schwarze Rose miteingepackt. Ist ein Geschenk des Hauses.’’
Daniel bedankte sich, bezahlte und verließ das Geschäft. Draußen angekommen sprach ihn ein fremder Mann in einem schwarzen Mantel an.
Sein Gesicht blieb in der Dunkelheit des Schattens verborgen.
,, Ich habe euch beobachtet, junger Mann. Wenn ich euch einen gescheiten Rat geben darf: Verbrennt den Blumenstrauß auf der Stelle. Auf ihm lastet ein uralter grauenhafter Fluch.’’
,, Verschwinden sie, alter Mann! Was fällt ihnen ein, fremde Leute auf der Straße zu belästigen und sie mit solch einer Scheiße vollzulabern? Machen sie,
dass sie verschwinden!’’
Seine gute Laune verschwand schlagartig. Genervt und mit einem angespannten Gesichtsausdruck machten Daniel sich auf den Heimweg.
2. Kapitel
Am nächsten Tag war es dann endlich soweit. Daniel und Christine heirateten und der alte Mann, der Daniel gestern nach seinem Einkauf angesprochen hatte, war längst vergessen.
Es war einer oder sogar der schönste Tag ihres Lebens. Christine hatte sich zuvor sehr über das Geschenk gefreut und stellte die Blumen sammt einer Vase auf ihren Nachttisch. Nach der ganzen Aufregung und Anstrengung, beschloss sie, sich noch ein paar Stunden auszuruhen und einen Mittagschlaf zu machen. Die beiden wollten abends noch etwas leckeres zusammen essen gehen.
Während Christine schlief, spielte Daniel mit seinem Sohn Matt.
Plötzlich erklang ein entsetzlicher Schrei aus dem Schlafzimmer. Was war passiert?
Sofort rannte Daniel in Richtung des Schlafzimmers. Er zog die Türklinke runter, doch die Tür war abgeschlossen.
,, Schatz, alles in Ordnung bei dir? Mach bitte die Tür auf, hörst du? Schatz? Schatz?!?’’
Keine Antwort.
Blitzartig rannte der junge Ehemann in das Wohnzimmer zurück und holte den Ersatzschlüssel. Tränen tropften von seinen Wangen, denn tief in seinem Inneren wusste er, dass es bereits zu spät war.
Geschockt lief Daniel zurück zum Schlafzimmer. Der Schlüssel rutschte zwischen seinen verschwitzten Fingern hin und her.
Schnell schob er den Schlüssel in das Schlüsselloch.
Klack!
Er drehte den Schlüssel nach rechts und mit einem schnellen Ruck flog die Tür auf. Daniel stürmte in das Zimmer und blieb vor dem Bett stehen.
Auf dem Laken unter seiner Frau breitete sich eine rote Blutlache aus.
3. Kapitel
Tot. Sie war einfach tot, sagten ihm die Ärzte. Wahrscheinlich durch einen spitzen und scharfen Gegenstand getötet worden. Durch ein Messer oder so etwas in der Art.
Doch es gab keine spitzen Gegenstände der Art in dem Schlafzimmer. Wer oder was hatte seine Frau also umgebracht?
Wieso musste das ausgerechnet Daniel passieren? Es war eine so schöne Zeit, die nun durch so etwas bestialisches und grausames zerstört wurde. Das konnte doch nicht war sein. Daniel wünschte sich, dass das Ganze ein Traum war, aus dem er sofort aufwachen würde, doch das war es leider nicht.
Mit einem Glas Wein saß der junge Witwer auf dem Sofa in dem Wohnzimmer. Der Wein war rot. Rot, wie die Farbe des Blutes seiner Frau.
Das Begräbnis war vor drei Stunden zu Ende gegangen. Immer noch von diesem Ereignis geschockt, saß er da. Regungslos. Still.
Er konnte es immer noch nicht fassen. Wieso ausgerechnet seine Frau? Es gab unzählige Menschen auf der Welt. Also wieso gerade sie? Hätte es nicht lieber ihn an ihrer Stelle erwischen können?
Er musste an ein altes Sprichwort von früher denken. In jeder Sekunde stirbt ein Mensch und alle zwei Sekunden wird ein neuer geboren.
Langsam erhob er sich von der Couch und ging zu seinem Sohn Matt hinunter.
Der Sohn war erst 3 Jahre drei Jahre alt und hatte schon seine Mutter verloren. Wie sollte er ihm den Tot seiner Mutter später, wenn er größer geworden ist, jemals erklären?
Daniel deckte den Jungen zu, stellte die Vase mit den Rosen neben sein Bett und schaltete das Licht aus. Wenn schon seine Frau von den Rosen, die sehr teuer waren, nichts gehabt hatte, dann sollte er es wenigstens haben.
Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Daniel ja noch nicht die geringste Ahnung, dass dies die letzte Nacht für seinen Sohn sein würde.
4. Kapitel
Nach dem Tod seines Sohnes, der auf genau die gleiche Weise umgebracht wurde, wie seine Frau, schien für Daniel die gesamte Welt auseinanderzubrechen.
Das konnte doch nicht wahr sein. Erst seine Frau, was eigentlich schon schlimm genug war und dann auch noch seinen Sohn.
Doch wer auch immer das getan hat, denjenigen werde ich persönlich bestrafen, dachte sich Daniel. Es muss einen Zusammenhang zwischen den
Morden geben.
Und genau in diesem Moment fiel ihm der unheimliche Mann vor dem Blumenladen und dessen Worte wieder ein: ,, Ich habe euch beobachtet, junger Mann.
Wenn ich euch einen gescheiten Rat geben darf: Verbrennt den Blumenstrauß auf der Stelle. Auf ihm lastet ein uralter grauenhafter Fluch.’’
Es muss also etwas mit den Rosen zu tun haben. Ich werde mich heute abend auf die Lauer legen und gucken, ob etwas merkwürdiges passiert.
Flüche, hah, so ein Quatsch. Als ob es so etwas wirklich geben würde. Lächerlich. Wir werden ja sehen, wer hier wen diesmal absticht.
Mit einem zufriedenen Grinsen, welches schon fast verrückt, aber auch verbittert aussah, stellte er die Vase neben sein Bett, legte eine Axt unter die Decke und
tat so, als ob er schlafen würde.
Keine Ahnung, wie lange er da schon so in seinem Bett lag, auf jeden Fall kam es ihm wie eine halbe Ewigkeit vor.
Er hielt das, was er da tat, für total hirnrissig, bescheuert und albern.
Plötzlich, als er fast wirklich eingeschlafen wäre, passierte etwas. Ein Lichtstrahl schoss aus der schwarzen Rose hervor und ein Arm mit einem Messer in der Hand entwich der Pflanze.
Daniel lag da, ohne ein Wort zu sagen. Es war so still in diesem Augenblick, dass man dies schon fast als eine Totenstille bezeichnen könnte.
Das Herz schlug heftig in seiner Brust. Seine Finger verkrampften sich und mit einer langsamen Bewegung holte er die Axt unter seiner Decke hervor.
Dieses Ereignis, was gerade neben ihm statt fand, war so schrecklich mit anzusehen, dass einem das Blut in den Adern gefror.
Er merkte, dass es nun an der Zeit war, zu handeln, sonst wäre er das nächste Opfer gewesen.
Mit der Axt schlug er den Arm, der ihn zuvor mit dem Messer kurz geschreift hatte, ab.
Durch diesen Adrenalinschub bemerkte Daniel garnicht, dass sein Blut von seinem rechten Arm auf den Boden tropfte. Er begutachtete nur den abgetrennten
Arm, der links in der Ecke des Schlafzimmers lag.
Das Licht war verschwunden und der junge Witwer war glücklich, diesen schweren Akt der Qualen überstanden zu haben.
Doch dies war noch nicht das Ende. Er beschloss, zu dem Blumengeschäft zurückzugehen….
5. Kapitel
Der junge Mann sprang wie von der Tarantel gestochen auf, riss die Wohnungstür auf und rannte zu dem Blumengeschäft.
Er guckte sich überall um, ob der Mann irgendwo war, doch er konnte ihn nicht auffinden.
Dies war vielleicht seine letzte Chance. Daniel wurde immer nervöser. Er stand direkt vor dem Blumenladen. Natürlich, ich Idiot. Wieso habe ich dort nicht
gleich als erstes nachgesehen?
Aus lauter Panik hatte er das Geschäft übersehen.
Er stürzte blitzartig in das Geschäft hinein und blieb erschrocken im Eingang stehen. Seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen und er starrte die Verkäuferin mit einem ängstlichen aber auch zornigen Blick an. Sein ganzer Hass schien sich nur auf diese eine Person zu konzentrieren. Grenzenloser Hass.
Er dachte, seine Augen würden ihm einen Streich spielen.
Das konnte doch nicht wahr sein, was er da sah. Ein schlimmer Alptraum oder ein verdammt grausamer Zufall?
Vor ihm stand die Kassiererin, die nur noch einen Arm hatte….