Hallo @MRG ,
sonst warte ich nicht mit einem Komm, bis der Verfasser seine Intention verrät, aber ich wollte hier vermeiden, fünf DIN A 4 Seiten Anmerkungen anzusammeln, nur um festzustellen, dass du was ganz anderes wollest.
Wie andere Kommentierende hab ich nämlich nicht klar bekommen, wann und wo die Geschichte spielen soll (und damit auch nicht, um wen und was es eigentlich geht), weil du - sorry - so derart viele unpassende Begriffe und Konzepte drin hast, dass eine Zuordnung unmöglich wird. Das ist - noch mal sorry - leider nicht mit ein paar oder zwei Dutzend ausgestauschten Worten behoben, das liegt daran, dass hier zu offensichtlich kein Hintergrundwissen vorliegt. Gut, der Text ist nicht mit 'Historik' getaggt.
Ich las die Geschichte vorm ersten Komm und war sicher, bei dem Prota handelte es sich um sowas wie den "QAnon-Schmanen" aus dem Sturm aufs Weiße Haus, also jemand (von mir aus ein Asatru-Anhänger), der den Bezug zur Realität verloren hat und in diesem Wahnbild gefangen jemanden tötet. Das Setting, die Sprache, die gesamte Denkweise ist 21. Jahrhundert, und da wirst du so schnell nix dran geändert bekommen, weil der regional-kulturelle Hintergrund, auf den du dich zu beziehen scheinst, ganz extrem komplex ist.
Hatte die Idee beim Skyrim spielen und hatte die Geschichte für mich dort verortete.
Ja, genau das merkt man auch.
Ich möchte nicht das Fass 'Historik = gut, Computergames = schlecht' aufmachen. Ich spiele zwar keine, bewundere aber Weltenbau, Grafik und Soundtracks bei
Skyrim. Der fantastische schwarze Eisdrache (Elder Scrolls?) war ein paar Jahre sogar mein Wallpaper. Also, absolut allergrößten Respekt vor der wunderbaren Concept Art und diesen Spielen.
Was dir das - bei aller Kunstfertigkeit - nicht vermittelt, ist Historie.
Dein Text wäre ohne etwas wesentlich zu verändern, sehr leicht zu retten: Du gehst genau nach deiner Inspiration, verlegst das in die heutige Realität und lässt deinen Prota in diesem Zusammenhang die Bodenhaftung verlieren. Vllt. gar nicht (das wär sicher ein blödes, schon oft erzähltes, Klischee) im Kontext von Computerspielen, sondern Esoterik / der Suche nach einer eigenen Spiritualität. Am Plot und der Figur müsstest du nix ändern, und wenn du nur zart einwirfst, dass da kein Palast und keine Drachen sind, hättest du sogar ein tolles, komplexes Persönlichkeitsbild, innovativen Konflikt und volle Tragik.
Mit Nordmänner-Setting klingt der Text unfreiwillig komisch, davon rate ich echt ab.
Wissen über Rituale und magische Runen aus Jahrtausenden flossen dann durch Skjor.
Wenn das zur Wikingerzeit (sehr großzügig 550-1200 n. u. Z.) spielen soll, warum sind die Runen dann Jahrtausende alt? Die wurden doch zu der Zeit erst verwendet. Dann sind die nicht alt, sondern noch frisch und innovativ. Da bist du leider voll in die Zeitenfalle getappt, mit deiner Sicht von heute.
Magische Runen, naja. Ich will hier keine Abhandlung schreiben, aber so einfach ist das nicht. Dies ist das Bild aus der heutigen Esoterik, das - schlag mich - so ungefähr seit 1920 oder max. 1900 existiert. Ob und wieweit Runen mit Schamanismus bzw. einem magischen Weltbild zusammenhängen, ist nach der Christianisierung leider nicht mehr zu rekonstruieren. Das gelingt schon mehr schlecht als recht mit den Bildkonzepten, die zusätzlich zu dem Lautwert existierten und den Worten, Sätzen und Zeilen zusätzliche, inhaltsrelevante Bedeutungen verleihen. (Ich hab in der Anglistik auch mal nebenbei bissl Altenglisch gelernt, und das geht nicht ohne Runen.)
Ob Runen zur "Weissagung" oder zu Ritualen dienten, ist aber keineswegs belegt und wird heute eher angezweifelt. Das so 1:1 zu esoterischen Ideen als Fakt darzustellen halt ich für massiv unelegant.
Daraus formte sich ein großer, nordisch aussehender Mann. In seinen dunkelblonden Bart waren Ketten eingeflochten, auf denen Symbole eingraviert waren.
"Nordisch aussehend" ... also naja. Glatte schwarze Haare wie die Sami, blond wie die Schweden, braun und vllt. gelockt wie manche Norweger oder Isländer oder rötlich wie die Dänen manchmal? Die Karelier im Osten Finnlands haben schwarze Haare und dunkelblaue Augen.
Hier oben ist alles im Angebot.
Dazu gehört jedenfalls kein langer Bart und schon gar nicht Bartzöpfe mit Schmuck drin. Es mag sein, dass die amerikanischen
Vikings auf dem "History Channel" gesendet wurden, aber das führt leider zu falschen Schlüssen, daran ist so gut wie rein gar nix - und schon erst recht nicht die Mode - historisch. Das ist also Quark, und vor dem Hintergrund finde ich zumindest so eine Geschichte dann schnell ärgerlich und faul.
Ein fliegender Drache und darunter zwei gekreuzte Stahläxte.
Die Drachen der Nordmänner hatten keine Flügel.
Okay, Stahlklingen bei Schwertern existierten (im Ausnahmefall bei hochrangigen Personen, soviel ich weiß), waren die Äxte auch daraus, oder nur aus Eisen?
Das sind eben alles so Death Metal / Game-Bilder, die in den Kontexten ja auch völlig okay sind (mag ich auch, auch diese ganzen Frazetta-Cover und so). Aber bitte nicht, wenn du einen Wikingerzeit-Weltenbau vorhast.
Sein körperloser Blick fiel auf den Elchkopf.
Da geht noch was ...
Zudem: wie soll ich mir das vorstellen? Doch nicht ausgestopft, oder?
Soweit ich weiß, haben die ihre Schiffe / Häuser auch nicht mit den Schädeln von Huftieren geschmückt. Entweder Raubtiere oder Menschen (Vorsicht mit Letzterem: nicht überall und ggfs. eine Trashfalle).
Blind vor Wut war es ihm, als hätte sich ein Blutrausch seiner bemächtigt. Seine Augen suchten die Umgebung nach dem Täter ab.
Merkst du selbst ...
Eingefasst in das Wappen seiner Familie,
Wappen?
Entstanden durch die Kreuzzüge. Das dürfte genau das Gegenteil zu deinem kulturellen Hintergrund sein, egal, wo du den verortest.
Die Stadtwache führte ihn in die Kaserne
Das antike Rom?
Rede ansetzte, zerbrach das Fenster.
Glasfenster bei den Nordmännern?!
Es gab tolle bunte Glasperlen als Schmuck, nix derart Großflächiges.
Dort wurde er von dem Vogt erwartet.
-> Epochencheck.
Alter Schwede, das ist aber ein wilder Mix, schlimmer als in
GoT. Vogt gabs im Hohen Mittelalter und v.a. in der Frühen Neuzeit. Hat nix mit der Wikingerzeit zu tun.
Anders als intuitiv gedacht, ist das Passiv im Deutschen nicht in allen Situationen grammatikalisch korrekt. Ist der Täter (hier der Vogt) bekannt und will der Sprecher dessen Identität nicht verschleiern / vorenthalten, darf es nicht verwendet werden. Korrekt wäre nur: Der Vogt erwartete ihn dort. Oder: Der Vogt wartete bereits auf ihn.
Sei gesegnet, mein Vater.
Jau, das ist aber voll christlich. Nichts an deinem Setting verweist aber sonst darauf (obwohl die Christianisierung entsprechender Regionen genau in die Wikingerzeit fiel und zu derem Untergang beitrug).
Der Schmerz machte Skjor blind
Lieber mit einem passenden, starken Verb sagen:
Der Schmerz blendete Skjor.
Der Schmerz machte Skjor blind und fühlte sich an, als folterte ihn jemand, indem er seine Fingernägel herauszog.
Das finde ich sehr ungünstig, weil du den Schmerz einmal über die Augen-Analogie und einmal über die Fingernägel/Hand-Analogie laufen lässt. Bis ich mit dem Satz fertig bin, hab ich nicht mehr den akuten Eindruck von Schmerz.
Die Schreie drangen tief aus seinem Inneren hervor.
Bissl unpräzise und imA ziemlich trashig. Die Stimmbänder sind in der Kehle, die Luft kommt aus den Lungen - dem würde ich versuchen, irgendwie Rechnung zu tragen, denn die Aussage da ist letztlich falsch.
Er stand auf, griff sich den Eisendolch
Hier ist das Metall korrekt. Wenn du das aber in deiner Welt sagen willst, lass das Eisen weg. Sonst frage ich mich, aus was sonst (du erwähnst keinen aus einem magischen Gestein, Drachenknochen oder sowas, also kann es nur Eisen sein). Dinge, die uns selbstverständlich sind, benennen wir ja nicht so explizit.
Blind vor Wut war es ihm, als hätte sich ein Blutrausch seiner bemächtigt.
Wenn man blind vor Wut ist, hat man selten so dezidierte Introspektive. Auch wenn es nicht 1.Person ist, rate ich zu stärker ellipitischer, assoziativer Form.
Spielst du auf die Berserker an? Die haben nix mit so einem Ahnenkult zu tun und die Frage, ob das nur im Kampf so eingeleitet wurde oder - durch Drogensucht, nicht "Meditation" - auch zu Hause stattfand, wird grad von Historikern diskutiert. (Sorry, ich werd vllt. nerdig, weil ich grad eine KG und einen langen Sachtext zu genau diesen Themen schrieb, und dieser Abschnitt der Historie ein Steckenpferd ist, auch wenn ich keine Archäologin und damit keinswegs Spezialist bin).
Häh?
Das ist Biedermeier-Bürgertum.
Hat ihn bei seinen Ahnen gestört
Sehr flapsig.
Lass am besten mal Suchprogramm drüberlaufen, du hast einen ziemlichen
Ahnen-Overkill. Auch stark im Intro, das mir eh doppelt gemoppelt vorkommt. (Erste zwei Absätze, da wird eigentlich alles nur wiederholt.) Das Konzept ist ja einfach und schnell zu erfassen und müsste nicht so häufig spezifiziert werden.
„Hat ihn bei seinen Ahnen gestört … hat die Beherrschung verloren … wusste, dass er eines Tages den Verstand verliert … erinnert euch an Tjark … seht, da ist der Eisendolch … hat für seine Ahnen getötet …“ [Zeilenwechsel, da Sprecherwechsel] Skjor sagte: „Ich war es nicht! Ich schwöre es bei meinen Ahnen!“
Verstand verlieren: Gibt es erst seit 1610 und kommt v.a. aus der Zeit der ersten Psychiater (der sog. "Alienists" im UK um 1800).
Beherrschung verloren: Das hat auch so einen bürgerlichen Sound. Überhaupt die ganzen Dialoge sind zu extrem postmodern mit ein paar Romantikeinsprengeln. Die aber sorgen eher für einen Victorian Gothic Touch als für die korrekte Zeit.
schickte ein letztes Stoßgebet in den Himmel und fügte sich seinem Schicksal.
Das geht so nur im Christentum, s.o..
„Ja, ja. Das sagen sie alle. Sperrt ihn ein. Da bleibt uns keine Wahl. Das Motiv ist da.“
Super moderne Haltung, Stil, Formulierungen. Sorry, MRG, da findest du glaube ich nicht überzeugend raus. Ich würde das Setting in eine Zeit verlegen, in der du dich mit deinem Stil zu Hause fühlst.
Zelle? In welcher Zeit wolltest du das denn haben?
Ich hab auch generell ein Problem, das Ganze zu verorten: Anfangs geht es um ein 'nicht gestört werden dürfen', aber der Prota befindet sich wohl im eigenen Haus, oder? Nicht in einem Tempel, wo ja vermutlich auch niemand gestört werden würde.
Das suggeriert, es gäbe dort Privaträume, so wie man heute Kinderzimmer, Arbeitszimmer und Schlafzimmer hat. Zumindest in der Wikingerzeit und teils in den nordischen Ländern bis in die 1940er (!) gab es aber nur einen großen Raum. Anders wäre das nicht zu heizen gewesen. Abgetrennt durch Wände war höchstens der Anbau mit Vieh, die im Winter vllt. nicht immer draußen sein konnten und da auch für mehr Wärme sorgten. Dass jemand in seinem privaten Zimmer kniet, um irgendein Ritual zu begehen, ist kein Konzept deines Settings. Die Idee einer "Privatsphäre", der "Zeit für sich selbst" dürfte erst mit der Aufklärung, vermutlich (ich bin jetzt langsam zu faul, das selbst zu checken, sorry) erst mit der Romantik und dem Bürgertum aufgekommen sein.
Er brauchte seine Ahnen, brauchte dringend ihren Rat, um mit dieser Situation fertig zu werden.
Das ist der Grund, aus dem ich
Vikings schlichtweg unerträglich finde: dort wird auch so ein Marketingleiterebenen-/Psychotalk verwendet. Das kann man da nicht sagen, weil die Selbstananlyse anders gelaufen sein muss. Auch, wenn wir die nicht kennen, kennen wir die zwischen 1200 und heute in der Prosa, und das wird einfach vorher anders ausgedrückt.
Und warum hören ihn die Ahnen in seinem Haus, nicht aber in der "Zelle"? (Klar, das Problem hast du in allen Religionen, aber hier fällt es eben auch auf.)
Ein Junge in Lumpen gekleidet, die einen schäbigen Eindruck machten.
Machen Lumpen meistens.
zwölf Jahre oder Zwölfjähriger
„Dunkle Mutter erhöre mich“, murmelte der Junge unablässig, während er in seiner Hand ein Holzkreuz hielt. Das war es, was Skjor geweckt hatte. „Sie kommt nicht. Du macht es falsch", sagte Skjor.
„Was weißt du schon von der dunklen Mutter?“
„Kenne mich mit Ritualen aus. Machst es falsch.“
„Aber ich hab das Kreuz.“
„Das Feuer fehlt. Und Blut. So wird das nichts.“
Spricht etwas dagegen, deinen Göttern (Fantasie)Namen zu geben? Das klingt immer so extrem archaisch, höhlenmenschig, wenn es solche super-vagen Umschreibungen sind. Wenn du das so lassen willst: als Eigenname vllt. eher beides groß:
Dunkle Mutter.
Was für ein Kreuz? Das christliche? Sind die irgendwie Proto-Satanisten?
Ist das eine fiktive Göttin, oder hast du jemanden im Blick dafür?
Diesen spirituellen Hintergrund finde ich leider sehr schwach ausgearbeitet, dabei scheint der ja eine plottragende Rolle zu spielen. Das wäre toll, wenn es da klarere Bilder, Figurenkonzepte gäbe, dann könnte ich zumindest auch besser mitgehen.
„Mein Vater. Hat kleinere Aufträge für die Dunkle Hand erledigt. Jetzt ist er tot. Will ihn rächen.“
'Kleine Aufträge erledigt' klingt auch so modern, nach einem Vertreter oder Mafiakiller. Hat die
Dunkle Hand etwas mit der
Dunklen Göttin zu tun? Falls nicht, ggfs. variieren.
Vor allem aber: Wieso redet der so gebrochen? Ich hab keinen Hinweis gefunden, dass er Ausländer / Nichtmuttersprachler dort ist. Hab ich was überlesen? Oder soll der Eindruck so Tarzan-mässig sein? Ugh ugh ... all diese Barbaren, die sich natürlich nicht artikulieren bzw. in vollständigen Sätzen sprechen können?
„Brauchen dein Blut. Da führt kein Weg dran vorbei. Muss auf das brennende Kreuz tropfen.“
Dito.
Wieder konzentrierte sich Skjor auf die Flammen. Das Kreuz brannte. Es folgte ein leises Stöhnen, als das Blut auf das Kreuz floss.
Wer stöhnt? Skjor oder eine paranormale Entität?
Finde ich schwierig, zu erfassen, weil mir die paranormalen / religiösen Konzepte an sich zu unklar sind.
Am besten fände ich es nach wie vor, wenn der Prota in der Jetztzeit lebte; dann nämlich ergäbe es auch einen Sinn, dass die Spiritualität so konfus klingt, das wäre sie dann nämlich genau auch, weil aus verschiedenen Epochen rekonstruiert.
Ich hoffe, das klingt nicht zu negativ, ich meine, mit einem Dreh liesse sich hier eine tolle Story draus machen. Nur eben nicht in einem unrecherchierten Skyrim-Wikingerhistorien-Bastard, sondern heute. Dann hast du ein wunderbares Psychogramm, echte Tragik, einen schönen innovativen Plot und eine passende Sprache.
Ansonsten sähe ich nicht nur ein komplettes Umschreiben, sondern v.a. ein halbes Jahr intensive Recherche - und zwar nicht nur außerhalb von Games und Serien, sondern überhaupt außerhalb von YouTube und Wikipedia. Und dann müsste alles in einem epochen-neutraleren Stil geschrieben werden. Ich hab den Eindruck, das könne nicht zu schaffen sein, eben weil diese Epoche extrem komplex ist.
Reingeclickt hier hatte ich übrigens überhaupt nur, weil mich interessierte, ob es beim Titel um ein symbolisches Kreuz oder den Rücken geht. Irgendwie ist da was schräg bei, ich krieg den Finger nicht draufgelegt, aber vllt. einen weiteren Artikel einfügen (obwohl das auch komisch klingt: "Das Blut auf dem Kreuz", hm.). So artikellos am Anfang finde ich das irgendwie seltsam. Ähnlich seltsam wie das Zweitsprachendeutsch der einen Figur - aber nun auch auf Autorenebene.
Ganz liebe Grüße, ich wäre sehr gespannt, sollte sich dieser Geschichte noch entwickeln,
Katla