Was ist neu

Blick vom Balkon

Monster-WG
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10.09.2014
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Anmerkungen zum Text

‚Trafikant’ ist der Inhaber einer Trafik. Steht so auch bei Google:hmm:.

Blick vom Balkon

Das ist ein Supergefühl, hier in der ersten Etage. Alles barrierefrei, die hohen Fenster lassen Licht in die Räume.
Im Erdgeschoss fand ich es bedrückend. Wuchtige Pfeiler und Gewölbe pressten mich in mein Gefährt, ich nahm alles aus der Froschperspektive wahr.

Ja, ich bin kleiner geworden. Alle sehen auf mich herab. Stehen sie neben mir, muss ich den Kopf zurücklehnen, um sie anschauen zu können. Das schmerzt, doch ich will ihren Blick erwidern – allerdings mit dem merkwürdigen Gefühl eines Bittstellers auf Knien.

Hier oben fühle ich mich frei. Bin mit den Bäumen auf Augenhöhe, und was noch schöner ist: Wenn ich auf den Balkon rolle, bin ich es, der auf die anderen hinabschaut.
Fremde Menschen im steten Wechsel. Wegen der Tabletten dämmere ich oft weg, dann stelle ich mir vor, wie sie alle zu mir emporschauen und mich bemitleiden. Das berührt mich, ich winke ihnen zu, werde wach dabei, ich winke tatsächlich! und sehe, dass einige zurückwinken. Ich bekomme feuchte Augen.
Das erlebe ich zum ersten Mal. Nein, ich will ihre Freundlichkeit nicht als Mitgefühl auslegen, sie wissen ja nicht, wie es um mich steht – und ich schäme mich auch ein bisschen.
Weil ich nicht zu denjenigen gehörte, die zurückwinken. Ist nicht meine Art, warum sollte ich? Der junge Mann auf dem Balkon ist mir unbekannt, würde ich denken, und als neuer Kunde kommt er wohl nicht in Frage.
Ich will das elterliche Geschäft erhalten. Eine Traditionsfirma mit einigen Filialen – in ihrer Glanzzeit.
Jetzt, in der vierten Generation, glänzt nichts mehr. Alles hat sich verändert, nur die Firma nicht. Meine Eltern haben resigniert, mein Bruder trampt durch die Welt – also muss ich die Firma retten, es zumindest versuchen. Deswegen hatte ich Monica einen Heiratsantrag gemacht.

Ich kenne sie von der Tanzstunde – ja, ich hab tatsächlich tanzen gelernt! 'Und wozu?', fragt ein Teufel in mir, aber ich hau ihm aufs Maul. Jedenfalls kann sie mit Menschen und Zahlen gut umgehen. Auch mit mir: Lächelt, sagt und findet immer das Passende, gestattet Zärtlichkeiten und sitzt im nächsten Moment wieder an den Bilanzen.

So sinniere ich vor mich hin. Ich heirate eine Frau, die rechnen kann, und rette das Geschäft meiner Eltern. Geschäftssinn statt Liebe – ein Wahnsinn. Aber was rede ich? Fairerweise sollte ich vorschlagen, unsere geplante Ehe zu annullieren; ich kann nicht erwarten, dass sie mit einem behinderten Ehemann den Rest ihres Lebens verbringt. Und ehrlich gesagt, mein Herz würde nicht zerbrechen – es wäre nur schade um die Firma.
Oder sollte ich eiskalt kalkulieren: Ich habe eine Krankenschwester, sie wird Chefin?

Gleichzeitig kommen Schwester Helena und meine Verlobte ins Zimmer: „Herr Moritz, Sie haben Besuch!“ und „Hey, Liebling! Alles gut?“
„Schon, schon“, sage ich. „Du siehst ja, ich habe, was ich brauche.“ Nur das sage ich.
Sie erzählt von neuen Lieferanten, Stundungen, Personalproblemen. Was Monica vorschlägt, hat sie schon entschieden. Wir unterhalten uns über Geschäftliches, wie sonst - vor dem Unfall - beim Mittagessen. Oder beim Abendessen.


Bin wieder auf dem Balkon. Mit der Zeit erkenne ich im Gewusel unter mir eine Ordnung, ein System. Denen, die täglich ein- oder mehrmals auftauchen, beginne ich Namen zu geben. Das ist gut gegen schwarze Gedanken.
Manches Mal muss ich den Namen ändern. Das passiert immer, wenn ich mich länger mit jemandem beschäftige, mir Gedanken mache über seine Familie, Beruf, und Leidenschaften – wenn ich ihm welche zutraue. Bin erstaunt, wie treffend ein Name sein kann, als ob er einen Menschen beschriebe, beinahe ein Portrait.
Bin schon dabei, Querverbindungen zu erdenken, ein ganzes Netzwerk, wie ein Romancier, der seine Figuren miteinander verknüpft.
Schicksale denke ich mir aus, entdecke dabei meine Neigung zum Tragischen – oder hat das mit meiner Situation zu tun?

Die versuche ich immer wieder auszublenden, sie scheint mir oft abstrakt, als ob es jemand anderem zugestoßen wäre. Doch das gelingt nur für kurze Zeit.
Vierundzwanzig Stunden am Tag hab ich geschrien: „Warum ich?“, immer wieder „Warum gerade ich?“ Keine Antwort. Und der liebe Gott? Weit weg, sehr weit weg.
Mein Unglück zwingt mich zu einem anderen Leben. Nicht zu glauben, mit welcher Wucht das geschieht, wie brutal das geht!
Ich verzichte darauf, durch die Stadt zu rollen. Es wäre mir egal, wie man mich anschaute, doch habe ich ein diffuses Gefühl, nicht dazuzugehören, eher als Hindernis empfunden zu werden.

Nach dem Essen kommt Martin, der Psychologe; jede Woche einmal, fünfundvierzig Minuten.
Wir sind recht unterschiedlich, doch wer uns zuhören würde, hielte uns für Freunde. Er hat eine besondere Art, mit mir zu sprechen. Oder auch mit den anderen, vielleicht nur während der Dienstzeit, das kann ich nicht beurteilen.
Meistens versuche ich mir vorzustellen, wie er ohne diesen wirklich attraktiven Vollbart aussehen würde. Nein, nicht langweilig, das meine ich nicht. Er würde auch rasiert bei den Frauen gut ankommen. Sie könnten ihn mit seinem Nasenring ans Bett fesseln. Aber das fiel mir nur wegen seiner Kettentattoos ein. Komisches Gefühl, dass ich von ihm gar nichts weiß, er von mir jedoch so einiges.
Jedenfalls finde ich gut, dass er mit Ideen kommt, die mir später helfen könnten. Aber manchmal spinnt er, heute zum Beispiel: Bringt mir Bilder mit von den Paralympics und versucht, mir Hoffnung zu machen, dass das Leben weitergehe, beinahe ohne Abstriche. Ich weiß, dass er jeden Freitag ins ‚Ben Galy’ geht, die heißeste Disco aller Zeiten. Und mir empfiehlt er die Paralympics! Okay, ich war gut in meiner Disziplin, aber ich lasse mich nicht vorführen. Früher hatten sie die Dame ohne Unterleib auf den Jahrmärkten, jetzt geilen sie sich an Krüppeln auf. Einer ohne Beine ist mal auf Stahlfedern gerannt, hat das aber psychisch nicht verkraftet.
Genau hier fällt mir Jochen ein, Trafikant aus Linz. Einen Buckel hat der, ist so alt wie ich, macht sich aber nicht klein und unscheinbar, sondern lässt dieses Ding tätowieren und zeigt’s überall im Freibad herum. In der Umkleide weint er. Vielleicht, weil die Mädchen schreiend davongerannt sind.

Der Unfall hat mich verändert.
Was kümmerten mich andere Leute? Nichts, gar nichts. Als Fußgänger eine stupide Masse, als Autofahrer Idioten. Zu blöde, in der Spur zu bleiben. Und weil sie überholen müssen, auf Teufel komm raus, versauen sie anderen das Leben. Wegen ein paar Sekunden. Es kann doch nicht sein, dass irgendjemand mich zum Krüppel macht – es ist doch kein Krieg! Aber wartet! Ich werde mit einem Panzer durch den Verkehr walzen und alle kräftig aufmischen, diese ... Oh merde, das ist alles so sinnlos.

Ich machte Pläne, wie ich dieses Schwein vernichte, hatte mir vieles ausgedacht, was ihm sehr weh tun würde – auch wenn das keinen Deut an meiner Lage verbesserte. Mir egal, dann gibt’s eben noch mehr Elend auf der Welt; und er wüsste, wie das ist, statt Beine Räder zu haben, eine halbe Stunde zum Ankleiden, dieser Wahnsinn im Bad, wenn sich ganz einfache Sachen nur noch sehr umständlich erledigen lassen. Und wenn Pläne explodieren in der Wolke aus Lacksplittern, Metallteilen und Rauch. Das Feuer kommt näher, tödliche Hitze. Die Sirenen gellen und kreischen, steigern die Panik, heulen immer weiter und nützen nichts, gar nichts. Sind nur Alibi für die Ohnmächtigen in den orangefarbenen Overalls. Es ist passiert.
Das grelle Blau und Rot lassen sie weiter zucken, als ob sie alles rückgängig machen könnten.
Sie sollten dieses hektische Licht ausschalten. Es ist passiert.


Windstill. Milde Luft umlagert mich, zart und einfühlsam, Wechselspiel Sommer - Herbst. Wie schön das ist, das Fallen der Blätter – ein feiner Stummfilm in Farbe. Wehmut kommt auf, der Winter lauert. Fahles Weiß bricht durchs Geäst. Jetzt zu sterben wäre mir gerade recht, in diesen hohen, stillen Räumen. Eine wundervolle Injektion, ein Pavillon am See, mit Schwänen. Oder mit Flamingos. Deren Rosa empfinde ich noch trauriger als Weiß. Ich hätte Flügel, würde die Beine nicht vermissen.


„Stückchen Rührkuchen, Herr Moritz? Und Kaffee?“, fragt Schwester Helena.
„Ach nee, besten Dank. Werd’ ja immer fetter, nur `n schwarzen Kaffee, bitte.“
„Dann bist du Jens, Jens Moritz?“
Timbre! Ja, Timbre hinter mir. Was für eine Stimme! Ich reiße den Kopf herum und schrei vor Schmerz.
„Langsam, mein Lieber.“ Ich nehme ihre ausgestreckte Hand und sie sagt: „Thea, deine neue Therapeutin. Wir werden uns jetzt öfter sehen. Die Prothesen sind fertig und wir können die ersten Übungen machen. 15 Uhr würde ich vorschlagen, ich hol dich ab.“ Was, wie? Ich verstehe nichts. Sie steht vor mir und ich gucke und gucke. Wo gibt’s denn Kupferhaar? Wie einen Hahnenkamm hat sie’s zusammengesteckt, tolles Gesicht, tolle Augen. Mir bleibt der Mund offen.
„Äh, ja. Klar. 15 Uhr, geht in Ordnung.“ In Zeiten ohne Rollstuhl hätte ich gesagt ‚Ich muss mich erst mal setzen!’ Es macht gewaltig ‚bling!’.
Thea schießt wie eine Flipperkugel in mein Inneres, ohne Orientierung, berührt viele empfindliche Stellen: Resignation, Verrücktwerden, Hoffen – ich ziehe mit ihr ins ‚Ben Galy’ und wir tanzen wie die Weltmeister.

 

Dieser Text hat so etwas tristes-sarkastisches, aber gleichzeitig etwas frustrierendes. Vielleicht weil es kein wirkliches Ende hat? Ich weiß es nicht. Mir gefällt auch die Art in der du schreibst- also wie du den Gedankengang deiner Person porträtierst. Die Bilder, mit denen du- oder er die Dinge beschreibt. Dabei gibt es wie es kein Ende gibt, kein wirklichen Handlungsstrang. Aber die muss es ja nicht immer geben? Auf jeden Fall passt es sehr zu dem Text. Es fühlt sich an wie ein Traum, es liest sich wie ein Traum: Manchmal werden Dinge schärfer, aber sie bleiben generell verschwommen.

 

Hola @Achillus,

Du schreibst, Du hast mal eine finstere Erfahrung mit diesen Dingen gemacht. Bei Dir war es heilbar, aber der Schock sitzt lange in den Knochen. Beinahe unvorstellbar, wenn es einen ‚unheilbar’ erwischt, wie man damit umgehen würde. Wir sind jeden Tag in Lebensgefahr, Gegenverkehr ist gefährlicher als ein Löwenrudel, aber wir vertrauen unserem guten Stern oder wem auch immer, dass es auch heute gut gehen wird.

... zum anderen wollen wir wissen, wie die Figur damit umgeht, ob sie das Drama bewältigt.
Genau. Wenn ich darüber schreibe, muss ich mich in die Situation versenken – mir hat das nicht gut getan. Je länger ich mich damit beschäftigte, desto beschissener fühlte ich mich. Sind wir alle Teilnehmer einer großen Lotterie?

Wann kommt der Punkt, an dem sich die Figur völlig frei von Selbstmitleid betrachten kann?

Ich weiß nicht, ob es diesen Punkt gibt. Vielleicht für starke Naturen?

Nein – hier bin ich mir ganz sicher: ‚völlig frei ...’ ist völlig ausgeschlossen. Nach außen hin, als bewundernswürdige Fassade, würde ich das wohl auch schaffen. Findet ja nur stundenweise, außerhalb des eigenen Kämmerleins, statt. Aber die täglichen Qualen durch einen beherzten Entschluss zu beenden, scheint mir denkbar.

Weil ich Deinen Komm beim Lesen beantworte, komme ich zum nächsten Satz von Dir:

Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass solche Momente überhaupt möglich sind, ...
Da sind wir uns natürlich einig.

... aber es gibt genug Menschen und damit Beispiele, die beweisen, dass es so ist.
Oh – das hätte ich jetzt nicht gedacht. Oder ist es doch nur Fassade, und tief drinnen sieht’s ganz fürchterlich aus?

Ich rede ab und zu mit Freunden über so eine Situation und manch einer sagt dann, dass er sich die Kugel geben würde.
Schneller gesagt als getan, wenn aber die Krochn schon im Hause ist, dann könnt’s tatsächlich passieren. Das siehst Du ja auch so:

Und bei Waffenbesitzern ist das nicht einfach nur so dahingesagt.
Würde ich auch sehr ernst nehmen. Viele lassen ja von ihrem Vorhaben ab, weil sie sich erst so ein Ding besorgen müssten – und in dieser Zeit meist ihren Vorsatz aufgeben, aber da, wo dieses Ding schon in der Schublade liegt ... ... Ich überlasse Dir das Schlusswort:

Ich finde, das ist ein gewaltiger Konflikt. Wahrscheinlich einer, denn man schreibend nur umreißen, aber eben nicht lösen kann.

Da bin ich ganz Deiner Meinung.
Vielen Dank, lieber Achillus, fürs Lob & den kleinen Gedankenaustausch.

Schönen Gruß!
José

 

Hola @Greenwich,

wie froh ich bin, dass Du überhaupt noch mit mir sprichst – und dann auch noch in solch einem netten Ton!
Allerdings ist das doch ein schrilles Ansinnen (auf einen Rentner bezogen):

Du Zeit und Muse hast, ...
Also weißte – ich habe keine Ahnung, wie ich das zeitlich schaffen soll ... aber ich versuch’s:
... hier würde mir eine grammatikalische Erklärung sehr helfen.

Genau hier fällt mir Jochen ein, Trafikant aus Linz. Einen Buckel hat der, ist so alt wie ich, macht sich aber nicht klein und unscheinbar, sondern lässt dieses Ding tätowieren und zeigt’s überall im Freibad herum. In der Umkleide weint er. Vielleicht, weil die Mädchen schreiend davongerannt sind.
Warum ist es so richtig?

Kann mir nur wünschen, dass es so (auch?) richtig ist / wäre. Aber hieb- und stichfest ist das nicht.

Greenwich schrieb:
Ich hätte dann angenommen, das die Erinnerung ins Präteritum gehört, ...
Da hast Du sicherlich recht. Ich muss Dir leider eine ernstzunehmende Erklärung schuldig bleiben, da habe ich null Kompetenz.

Ansonsten, liebe Greenwich, freut es mich, dass Du mit dem Text gut zurechtgekommen bist. Ganz gleich, wie viel Schreiberfahrung ein Autor hat – ein jedes Mal gerät er aufs Neue in diese Turbulenzen aller möglichen Gefühle, vergleichbar mit dem immer wiederkehrenden Lampenfieber eines Künstlers. Beide hoffen, beim Publikum gut anzukommen, beide haben eine Scheißangst, durchzufallen.

Wie auch immer – wir lassen uns auf dieses Spiel ein, meine Oma hätte gesagt: ‚Dümmer wirst du nicht davon.’ Bisschen Spannung muss sein, sonst könnten wir Halma spielen.

Ich denke, wir machen alles richtig.
Ob das stimmt, wird sich noch herausstellen:).

José

Hola@Raindog, danke für die Klarstellung:

Raindog schrieb:
Ich meinte, der Satz würde mir ohne Gott besser gefallen, einfach: Mir fehlt so viel. Das würde ich persönlich stärker finden, ...

Ich habe ‚Gott’ rausgenommen, fand das aber im Übergang zu ungelenk (Wackelpudding). Schließlich hab ich’s mit ‚Oje’ ausgetauscht, denn mit Gott hat er ja schon gehadert. Gefällt mir allerdings auch nur zu 75 %:hmm:.

Ein erster 1. Novembergruß!
José

 

Hallo @josefelipe,

nun fragt man mal die schlauen Leute, die mit viel Zeit ...:rotfl:
Alles gut, ich dachte nur, Du könntest mich erleuchten. Und keine Sorge, ich hab bei Deiner Kritik zwar ordentlich schlucken müssen, aber davon war sie ja nicht unberechtigter. Aber so schnell gebe ich nicht auf, ihr werdet Euch noch ab und an durch eine "Betriebsanleitung in Amtsdeutsch" quälen müssen, man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben, es macht nämlich richtig viel Spaß hier zu sein!
Viel Spaß weiterhin
witch

 

Hola @josefelipe,
hat mir gefallen deine neue Geschichte. Hab die Kommentare nicht gelesen, hoffe also, ich wiederhole mich nicht allzu oft.
Erstmal finde ich, dass du einen guten Einblick in das Innenleben deines Protas gegeben hast. Ich hab dir das alles abgenommen, und dass er vorher ein arroganter Arsch war - gut, das ist ein wenig abgegriffen, funktioniert aber immer wieder, und so auch hier.

josefelipe schrieb:
Der junge Mann auf dem Balkon ist mir unbekannt, und als neuer Kunde kommt er wohl nicht in Frage.
:peitsch:

josefelipe schrieb:
Deswegen hatte ich Monica einen Heiratsantrag gemacht.
War ja klar.

josefelipe schrieb:
Lächelt, sagt und findet immer das Passende, gestattet Zärtlichkeiten und sitzt im nächsten Moment wieder an den Bilanzen.
Klingt, als wäre sie seine Sekretärin. Herrlich fies. Und sagt mir alles über den Typen. :D

josefelipe schrieb:
Oder sollte ich eiskalt kalkulieren
:lol:

Lediglich:

josefelipe schrieb:
Komisch, von ihm weiß ich gar nichts, er von mir jedoch schon einiges
scheint mir nicht recht zu passen. Das klingt so naiv, als wüsste er nicht, dass der Psychologe nicht wirklich sein Freund ist. Besser fände ich:
Komisches Gefühl, dass ich von ihm gar nichts weiß, er von mir jedoch so einiges.
Das klingt stimmiger und nachvollziehbarer in meinen Ohren.

Besonders gefallen hat mir der Absatz mit den Flamingos. Der ist wunderschön. Insgesamt also sehr gelungen :thumbsup:.
Was mir ein wenig gefehlt hat war die Info, wie lange der Unfall her ist. Erst dachte ich, alles scheint noch sehr frisch zu sein, denn:

josefelipe schrieb:
Wegen der Tabletten dämmere ich oft weg.

Aber dann wechseln die Jahreszeiten, und dein Prota scheint immer noch im Krankenhaus zu sein und jahrein jahraus im Halbschlaf den Passanten zuzuwinken. Stelle mir das gerade aus Sicht der Passanten vor und sehe mal wieder herrlich schwarzen Jose-Humor durchschimmern.
Joa, is rund.

Viele Grüße von Chai

 

Hola @Kasera,

Dieser Text hat so etwas tristes-sarkastisches, aber gleichzeitig etwas frustrierendes.
Wenn Du das so empfindest, dann ist das so. Ich bin mir nicht sicher, ob Du das gut, mittel oder schlecht findest – ein Text wirkt auf jeden Leser ein bisschen anders.

Vielleicht weil es kein wirkliches Ende hat?
Gut möglich. Ich habe von der Freiheit Gebrauch gemacht, das Ende offen zu lassen – wie im wahren Leben:). Unser Prot ist noch jung, alles ist denkbar.

Mir gefällt auch die Art in der du schreibst- also wie du den Gedankengang deiner Person porträtierst.

Ja, das ist einer meiner wenigen ernsthaften Texte; ich versuchte mir vorzustellen, wie ich als Betroffener mit dieser Situation umgehen würde – da kann man viel falsch machen.

Die Bilder, mit denen du- oder er die Dinge beschreibt. Dabei gibt es ... ... kein wirklichen Handlungsstrang.
Stimmt. Es findet viel im Kopf statt; in seiner bedauernswerten Lage ist er zur Passivität verdonnert. Aber er wird wieder am Leben teilnehmen: ‚... die Prothesen sind fertig’, sagt Thea.

Es fühlt sich an wie ein Traum, es liest sich wie ein Traum: Manchmal werden Dinge schärfer, aber sie bleiben generell verschwommen.
Gut gesagt, Kasera. Sicherlich würde er seine Realität gern in die Traumwelt verbannen, sich wünschen, dass all das nur ein böser Traum sei. Für Deinen Kommentar danke ich Dir und bin gespannt, was Du Deinen Lesern bieten wirst – aber vorerst: Willkommen!

José

 

Hola @Chai,

ich würde Deine Zuschrift noch mehr schätzen, wenn ich die exotischen Briefmarken ablösen könnte, aber auch ohne die hat mich Dein Post sehr gefreut. Vielen Dank!

Hatte mir diesmal ein ernsthafteres Thema vorgenommen – und da finde ich es toll, dass Du damit klargekommen bist.

josefelipe schrieb:
Lächelt, sagt und findet immer das Passende, gestattet Zärtlichkeiten und sitzt im nächsten Moment wieder an den Bilanzen.

Chai schrieb:
Klingt, als wäre sie seine Sekretärin. Herrlich fies. Und sagt mir alles über den Typen.

Ich wollte auch andeuten, dass Monica Zärtlichkeiten über sich ergehen lässt, doch sich eher zu Zahlen und Geschäft hingezogen fühlt.

Komisches Gefühl, dass ich von ihm gar nichts weiß, er von mir jedoch so einiges.
Das klingt stimmiger und nachvollziehbarer in meinen Ohren.

Aber ja! Hab’s genau so übernommen. Danke.

Was mir ein wenig gefehlt hat war die Info, wie lange der Unfall her ist.

Oha – da dachte ich, dass es deutlich genug wäre, wenn ihm Thea sagt, dass die Prothesen fertig seien.
Aus unerklärlichen Gründen wollte ich das Wort 'Reha' nicht haben.

Chai schrieb:
Aber dann wechseln die Jahreszeiten,...

Windstill. Milde Luft umlagert mich, zart und einfühlsam, Wechselspiel Sommer - Herbst.
Ei, bei Wechselspiel dachte ich, der Sommer geht dahin, der Herbst ist da ... aber auf ein Jahr bezogen.

Chai schrieb:
und dein Prota scheint immer noch im Krankenhaus zu sein und jahrein jahraus im Halbschlaf den Passanten zuzuwinken.
Um Himmelsgotteswillen! Er ist doch noch so jung!
Nein, nein, er beginnt ja mit der Kupferhaarigen mit den Übungen, und lass uns ihm wünschen, dass er irgendwann Rollstuhl mit Krücken tauschen kann – was ja immer noch traurig genug wäre.

Aber froh bin ich, dass Du mir geschrieben hast!
Viele Grüße nach Goa. Ist es wahr, dass dort weiße Elefanten als Taxis eingesetzt werden?
Mega Öko!

Lass es Dir wohlergehen!

José

 

Hola Jose,

josefelipe schrieb:
Ist es wahr, dass dort weiße Elefanten als Taxis eingesetzt werden?
Kommt auf die seelische Verfassung an.

Liebe briefmarkenlose Grüße!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @josefelipe
im Zuge der Arbeit am Jahrbuch bin ich auf diese Geschichte gestossen. Glücklicherweise! Denn sie entfaltet genau den Jose-Sound, den ich mag, diese Balance aus Wehmut, Wut, Ironie, menschenfreundlichem Zynismus, einem Lächeln auf dem Gesicht, das jedem Schicksalsschlag gewachsen ist. Trotz des Beschriebenen lese ich den Text mit Wärme im Bauch. Was der leichtgängigen Sprache, dem schnörkellosen Stil geschuldet ist.
Statt einer seelenbewehrten Kritik wünschte ich mir bestenfalls, dass der Protagonist seinen Blick von Balkon noch etwas weiter schweifen ließe, damit Himmel und Hölle seiner Gedanken bis zum Horizont gleiten.
Ich hoffe du genießt einen südlichen Sonnenabend
viele Grüße
Isegrims

 

Hola @Isegrims,

Dein Kommentar hat mich umgehauen! Täglich zwei davon, und ich müsste nicht mehr an anrüchigen Ecken schnüffeln, in dunklen Parks das suchen, was mir Deine überaus freundlichen Worte geben. Ja, es stimmt: Du machst mich erröten!

Aber, jetzt ganz im Ernst: Da hab ich mich schon gefreut, dass Du meinem Text grünes Licht gibst. Denn bei allem Blödsinn – man muss schon kräftig feilen, damit eine lesbare Einheit entsteht.

Ich bin ja von Deinem ‚Alaska’ total begeistert, und das eben auch im Wissen, was es braucht, bis so ein formidabler Text veröffentlicht werden kann.

Hast mir eine große Freude gemacht, lieber Isegrims. Vielen Dank und schöne Grüße!
José

 

Hallo @josefelipe

vielen Dank für deinen Hinweis auf diese Geschichte, wobei ich eher Text sagen würde, eine Handlung im klassischen Sinne gibt es nicht. Für mich ist das eher ein stream of consciousness, der Erzähler läßt die Gedanken einfach laufen, sie berühren assoziativ mal diesen, mal jenen Aspekt und sehr geschickt baust du hier Informationen ein, die dem Leser nach und nach ein Gesamtbild vermitteln und ihn neugierig machen. Auch die Sprache trifft den richtigen Ton, nicht zu literarisch bemüht, aber eben auch nicht zu banal.

Windstill. Milde Luft umlagert mich, zart und einfühlsam, Wechselspiel Sommer - Herbst. Wie schön das ist, das Fallen der Blätter – ein feiner Stummfilm in Farbe. Wehmut kommt auf, der Winter lauert. Fahles Weiß bricht durchs Geäst. Jetzt zu sterben wäre mir gerade recht, in diesen hohen, stillen Räumen. Eine wundervolle Injektion, ein Pavillon am See, mit Schwänen. Oder mit Flamingos. Deren Rosa empfinde ich noch trauriger als Weiß. Ich hätte Flügel, würde die Beine nicht vermissen.

In diesem Abschnitt z.B. gelingt dir das sehr gut. Es ist literarisch, gleichzeitig kann man sich vorstellen, dass der Ich-Erzähler das wirklich so denkt/ sagt, es wirkt weder konstruiert, noch aufgesetzt und die Melancholie überträgt sich auf den Leser. Schön.

Bei der Beschreibung der beruflichen Situation bin ich mir nicht sicher, ob ich mehr oder weniger davon gut fände. Ich könnte mir eigentlich sehr gut eine klassische Geschichte vorstellen, in der der Ich-Erzähler eben trotz Behinderung die Firma erfolgreich leitet, gegen alle Widerstände, aber das wäre eher ein Thema für ein Buch oder eine Serie auf Netflix. In dem hier präsentierten Umfang passt es gut, weil der Leser Dinge ja nur erahnen und nicht wissen soll. So bekommt der Charakter mehr Tiefe, denke ich.

Insgesamt ein gelungener Text.

LG,

HL

 

Hola @HerrLehrer,

HL: schrieb:
vielen Dank für deinen Hinweis auf diese Geschichte, wobei ich eher Text sagen würde, eine Handlung im klassischen Sinne gibt es nicht.

Ja, hier muss ich einknicken.
Natürlich freue ich mich, dass Du mich wissen lässt, was Du von diesem Text hältst – ich hatte nicht mit einem Kommentar gerechnet.

HL: schrieb:
Auch die Sprache trifft den richtigen Ton, nicht zu literarisch bemüht, aber eben auch nicht zu banal.

Das sehe ich bei Deinem Text genauso. Dieses ‚Normale’, doch nicht ohne Anspruch, fände ich auch bei längeren Strecken angenehm.

Ich könnte mir eigentlich sehr gut eine klassische Geschichte vorstellen, in der der Ich-Erzähler eben trotz Behinderung die Firma erfolgreich leitet, gegen alle Widerstände, ...

Aber ja! Kenne sogar ein Beispiel persönlich, doch das braucht Raum. Das sagst Du ja auch:

aber das wäre eher ein Thema für ein Buch

Lieber HL, vielen Dank für den unerwarteten Komm. Für die harte Nuss der Erotik-Blinden-Geschichte wünsche ich Dir kräftige Kiefer, gehe aber davon aus, dass Du die genauso meisterst wie ‚Die Wiederauferstehung’.
Wenn ich noch etwas zu diesem Titel sagen darf: Ich habe Zweifel, ob das der richtige ist. Es klingt nach Stammtischwitz. Fünfte Runde Kölsch, einer erzählt von seinem Dilemma, doch die Dame hat den Bogen raus – Wiederauferstehung, und alles grölt. Schlimmstenfalls hat die schwache Resonanz damit zu tun; man erwartet, zumal mit dem Erotik-tag, keinen so guten Text mit Tiefgang wie Du ihn eingestellt hast.

Ich wünsche Dir schöne Weihnachtstage!
José

 

Hallo @josefelipe

irgend etwas hat mich wohl im Oktober des vorigen Jahres so stark beschäftigt, dass diese Geschichte an mir vorbeiglitt.
Nun wurde sie zum Glück wieder in meinen Aufmerksamkeitsbereich gespült. So kann ich Dir, wenn auch keine hilfreichen Tipps, so doch Worte des Wohlwollens übermitteln.
Du stellst das Denken und Fühlen des Protagonisten in seiner Zerrissenheit sehr glaubwürdig dar. Das gelingt Dir vor allem durch den ungekünstelten Sprachstil. Und dann: Der Aufbau erscheint leicht chaotisch, aber nur insoweit, dass er das innere Chaos des Protas widerspiegelt, was auf einen perfiden Plan des Autors hindeutet. ;)
So eine Geschichte mit dem Wort "Hoffen" enden zu lassen, ohne dass die Kitsch-Polizei Alarm schlägt, ist mir ein besonderes Lob wert.
Ein feiner Text.

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

Hola @Kellerkind,

die kleine Verspätung trübt meine Freude über Deinen Kommentar überhaupt nicht.

So kann ich Dir, wenn auch keine hilfreichen Tipps, so doch Worte des Wohlwollens übermitteln.
Die sind natürlich immer willkommen.

Du stellst das Denken und Fühlen des Protagonisten in seiner Zerrissenheit sehr glaubwürdig dar. Das gelingt Dir vor allem durch den ungekünstelten Sprachstil.

Vielen Dank. Vielleicht gibt’s sogar eine Formel: Je dramatischer die Situation, desto sachlicher die Sprache.

Der Aufbau erscheint leicht chaotisch, aber nur insoweit, dass er das innere Chaos des Protas widerspiegelt, was auf einen perfiden Plan des Autors hindeutet.

Du bezichtigst mich der Perfidie? He, he. Eigentlich müsste man das dem Leben anhängen – was dem alles einfallen kann!! Streckenweise wirklich perfide.

So eine Geschichte mit dem Wort "Hoffen" enden zu lassen, ohne dass die Kitsch-Polizei Alarm schlägt, ist mir ein besonderes Lob wert.

Besten Dank nochmals.

Ein feiner Text.

Liebe/s/r Kellerkind, mich freut sehr, dass Dir die Geschichte zugesagt hat; werd’ mir auch in Zukunft Mühe geben. Für die letzten Tage des Jahres wünsche ich Dir eine schöne Zeit – und dann starten wir mit Vollgas ins neue.

José

 

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