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Bleib stehn

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04.02.2003
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Bleib stehn

Mühsam kämpfte sich Maria an den schwitzenden Leibern in der Konzerthalle vorbei, um wieder an ihren Platz in den hinteren Reihen zu gelangen. Die Musik war laut, die Stimmung gut und ein leichter Schwipps ließ eine wohlige Wärme durch ihren Körper strömen.
Lange hatte sich Maria auf das Konzert gefreut. Knorkator – das war jedes Mal ein besonderer Abend, ein besonderes Konzert. Nur mit Mühe hatte sie ihre Freundin Anna zum Mitkommen überreden können, denn diese fand, mit fast 40 Jahren seien sie für solche Hottentottenmusik schon zu alt. Doch auch sie stand nun headbangend in der Masse und hatte jede Menge Spaß.
Maria gesellte sich wieder zu Anna. Die ersten Töne eines neuen Liedes drangen in sie ein. „Erleuchtung, Verdammnis, am Boden – reglos und schwer…“ Die Musik brachte jeden Muskel, jede Zelle in Maria zum Schwingen. Es war, als würde ihr Körper auf den Tönen schweben.
„Bleib stehn, du kannst nicht entkommen…“ Maria und Anna sangen begeistert mit. Sie schloss die Augen und gab sich ganz der Musik hin.
Mit einemmal stellten sich Maria die Nackenhaare auf. Irgendjemand hatte sie so leicht an den Haaren berührt, wie es bei Konzerten kaum passiert. Sie schüttelte sich kurz und dann drang ein bedrohliches Flüstern dicht an ihr Ohr: „Bleib stehn, du kannst nicht entkommen…“ Maria riss die Augen auf und wirbelte herum – aber da war niemand, der auch nur ansatzweise auffällig gewesen wäre. Alle Männer um sie herum sangen voller Begeisterung mit, den Blick auf die Bühne gerichtet. Vielleicht hatte sie sich das Ganze nur eingebildet. Möglich war es. Sie konnte nicht behaupten, noch völlig nüchtern zu sein.
Doch egal, wie sehr sie sich anstrengte, die vorherige Stimmung ließ sich nicht mehr herbeirufen. Ihr ganzer Körper befand sich in einer Alarmbereitschaft, wie sie es noch nie erlebt hatte. Um sich ein wenig zu entspannen, drängte Maria zur Bar und bestellte sich einen Wein, den sie innerhalb weniger Minuten leerte.
„Gib auf und lass es geschehn…“ Da war es wieder dieses bösartige höhnische Flüstern. Doch als Maria sich umdrehte, war wieder niemand Auffälliges zu sehen.
„Was ist denn los mit dir?“, fragte Anna, die ihr an die Bar gefolgt war.
„Ach, ich weiß auch nicht. Ist egal. Nicht so wichtig. Komm, lass uns das Konzert genießen.“
Irgendwie gelang es Maria dann doch, sich wieder von der Musik einfangen zu lassen. Sie sang mit und genoss den Rest des Konzertes, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl im Hintergrund.
Plappernd und aufgeregt wie Teenies verließen die beiden Frauen am Ende des Konzertes die Halle. „Wenn wir rennen, schaffen wir die Straßenbahn und müssen nicht bis Babelsberg laufen“, sagte Anna. „Ach, ist doch egal, die Luft ist gut und zum Runterkommen ist es doch ganz schön, wenn wir noch ein Stück laufen“, erwiderte Maria.
Sie überquerten die Humboldtbrücke und redeten über den Abend. Ihnen fiel nicht auf, wie wenige Menschen mit ihnen den Weg teilten.
Plötzlich gab es einen Knall und Anna sackte neben Maria zusammen. Hinter Maria stand ein Mann und grinste ihr frech ins Gesicht. „Hast du sie nicht mehr alle?“, schrie Maria ihn an. Da fiel ihr das Messer in seiner Hand auf. Maria stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, dass der Typ summte. Sie kannte das Lied nur zu genau und ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Stolpernd bewegte sich Maria rückwärts und stotterte: „Was soll das hier werden?“
Statt einer Antwort hörte sie „Bleib steh, du kannst nicht entkommen, gib auf und lass es geschehn. Genieß die letzte Sekunde…“ Mit jedem Ton war ihr der Mann näher gekommen.
Scheiße, scheiße, scheiße, ging es Maria durch den Kopf. Wie komme ich hier heil raus? Der hat sie doch nicht alle… Hastig ging sie ihre Möglichkeiten durch. Wegrennen war eine Option. Womöglich war der Typ nicht so fit, wie er dachte. Oder aber sie versuchte ihn zuzuquatschen, irgendwas auszuhandeln. Sie hatte ja schließlich keine Ahnung, was genau er wollte.
„Verdammt, was willst du?“, stotterte sie.“Kohle hab ich kaum noch.“ Doch dieser dämliche Typ gab ihr einfach keine Antwort, sondern grinste sie nur weiter blöd an und summte vor sich hin. Maria bewegte sich Schritt für Schritt rückwärts und er folgte ihr gemächlich. Sie bemerkte den Glanz freudiger Erregung in seinen Augen. Wenn sie nur schnell genug wäre und die Häuserfront erreichen würde, dann könnte sie irgendwo klingeln und ihr würde hoffentlich jemand öffnen. Dann wäre der Spuk vorbei.
Blitzschnell drehte sie sich um und rannte los. Sie hörte ihn hinter sich. Ihr Herz schlug so schnell, dass es sie zu zerreißen schien. „Bleib stehn, du kannst nicht entkommen. Gib auf und lass es geschehn…“ Maria hörte seinen Atem neben sich. Dann riss er an ihrem Arm und warf sie auf den Boden. Sie wollte schreien, doch er steckte ihr ein Tuch in den Mund, so dass sie würgen musste. Tief durchatmen, sagte sie sich. Wenn du ruhig bleibst, hast du vielleicht eine Chance. Wieder dieses genüssliche Summen des Songs. Das Messer blitzte vor ihren Augen beleuchtet durch das Licht der entfernten Straßenlaterne. Er zog sie hoch, legte den Arm um sie und führte Maria in einen kleinen Park. Vorbeifahrende Autos würden sie als Liebespaar wahrnehmen, ging es ihr durch den Kopf. Wieder und wieder ging sie Fluchtmöglichkeiten durch, doch sie spürte, welche Kraft dieser Mann hatte. Sein fester Griff ließ ihr keinen Freiraum. Nicht einmal den Schritt zu verlangsamen vermochte sie. Und immer wieder dieses Lied, dieses Summen. Es fraß sich in ihr Gehirn.
Im Park schubste er Maria wieder auf den Boden. Er hockte sich neben sie. Sein Atem roch säuerlich und nach Bier. Maria spürte das kalte Metall des Messers auf ihrer Wange, fühlte, wie er den Druck verstärkte und den brennenden Schmerz des Schnittes. Mit einer Mischung aus Angst und Ekel blickte sie ihm direkt in die Augen und sah nur Kälte.
„Du kannst jetzt weglaufen. Aber ich werde dich jagen und ich werde dich kriegen. Ich geb dir die Illusion einer Chance. Lauf! Jetzt!“
Maria richtete sich so schnell es ging auf und rannte los. Wieder sang er, diesmal lauter. „Bleib stehn, du kannst nicht entkommen. Gib auf und lass es geschehn. Erleb die letzte Sekunde. Bleib stehn!“ Dann folgte ein höhnisches Lachen.
Als Maria ein Stück gerann war und sich umblickte, konnte sie ihn nicht sehen. Obwohl sich ihre Augen an das Dunkel des Parks gewöhnt hatten, war sie nicht sicher, ob er nicht doch hinter ihr war. In welche Richtung sollte sie weiterrennen? Sie kannte sich in Potsdam doch nicht aus. Plötzlich stand er vor ihr. Er stellte ihr ein Bein, als sie versuchte, an ihm vorbeizurennen.
„… du kannst nicht entkommen… Gib auf… und lass es geschehn…“ Die Worte sprangen in Marias Kopf hin und her. Doch ihr Peiniger sang nicht, er summte nur. Von ihm ging eine dermaßen überwältigende Macht und Bedrohung aus, wie sie es noch nie erlebt hatte. Maria spürte, nein, wusste, dass es vorbei war. Das war es also – ihr Leben. Aus und vorbei. Alle Kraft, sich zu wehren wich aus ihr.
Der Mann drehte sie in aller Ruhe auf den Rücken und setzte sich auf sie. Er lächelte, glücklich, zufrieden, beugte sich dicht an Marias Ohr. Ihr fielen seine blendend weißen, gut gepflegten Zähne auf, ein Perlweißgebiss. Wie kann man in so einem Moment nur an so einen Scheiß denken, schoss es ihr durch den Kopf. Er flüsterte: „Erleb die letzte Sekunde!“, und hielt das Messer an ihren Hals.
Eine innere Ruhe überkam Maria. Die Zeit schien stillzustehen. Langsam schloss Maria ihre Augen, wollte es nur noch hinter sich bringen. Es war vorbei. Kein Ausweg, keine letzte Hoffnung, keine Hintertür, kein Erwachen aus dem Albtraum – einfach nur aus und vorbei. Sie war müde.
„Komm, sei ein braves Mädchen und öffne die Augen. Ich will sehen, wie das Leben aus ihnen entweicht. Lass uns deine letzte Sekunde gemeinsam erleben.“
Trotzig öffnete Maria die Augen und sah ihrem Mörder stolz in die Augen. Der Stolz in ihren Augen, wo er vermutlich Angst erwartet hatte, verwirrte ihn erst und machte ihn dann wütend. Mit einem gewaltigen Hieb durchschnitt er ihre Kehle. Maria spürte den Schmerz nur kurz und merkte, wie die Dunkelheit langsam von ihr Besitz ergriff.

Robert war enttäuscht. Es war diesmal anders gewesen. Zuerst hatte es Spaß gemacht – wie immer. Aber diese blöde kleine Schlampe hatte nicht genug Angst gehabt. Für das nächste Mal musste er sich etwas anderes überlegen und die Frau seiner Wahl genauer aussuchen, vorher besser beobachten.
Egal, es würde ein nächstes Mal geben und das stimmte ihn fröhlich. Schon in der nächsten Woche könnte er in Hannover und Hamburg alles besser machen, besser genießen, wieder seinen Spaß haben, mehr Spaß haben.
Er pfiff vor sich her, stieß das Messer in die Erde, um es so zu reinigen. Als er „Bleib stehn“ das erste Mal in Bad Salzungen gehört hatte, hatte er gewusst, dass das sein Lied war, seine Hymne und die Konzerte, auf denen er das Lied hörte, steigerten den Reiz des Spiels ungemein.
Mit Leichtigkeit setzte er sein Opfer so an einen Baum, dass man sie nicht gleich vom Weg aus sah und man, selbst wenn man sie von Weitem erblickte, nicht gleich auf ein Verbrechen schließen konnte. Dann gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: „Danke!“
Summend schlenderte Robert in Richtung Waschhaus, wo er sein Auto geparkt hatte, und schmiedete voller Vorfreude Pläne für seine Reise nach Hannover und Hamburg in der nächsten Woche.

 

Geneigte Leser,

inspiriert wurde ich zu dieser Geschichte auf dem Knorkator-Konzert in Potsdam bei dem Lied "Bleib stehn".
Seit Jahren habe ich nichts geschrieben, da ich zwar Unmengen an Geschichten im Kopf habe, aber ich es nicht hinbekomme, diese aus dem Kopf aufs Papier zu bringen. Der Wunsch ist da, der Körper bereit, aber der Geist ist schwach.
Darum bin ich den Herren Knorkator sehr dankbar, dass ein erster Schritt zum Schreibneuanfang ihnen und ihrem Liedgut (und der grandiosen Stimmung auf dem Konzert) zu verdanken ist.

Ja, und nun bin ich für Kommentare und Anregungen dankbar.

Bea

 

Tag!

Mal überlegen:

- Korn: Schwerste Herzrythmusstörung, wegen allesdurchdringendem Bass. (Die damit verbundenen Lautstärke war enorm)
- Tool: Schwerster Tinnitus wegen kosmischer Lautstärke.
- Marylin Manson: Blind von Konfettiregen und mässiger Tinnitus, wegen kratzigem Matschklang.

Diese Liste könnte ich noch etwas weiterführen. Also, was ich meine, ist: Ich kann mir nur schwer (und wirklich schwer) vorstellen, dass man jemanden während eines Konzertes summen, flüstern, oder rülpsten hören kann. Nee nee, dass will mir nich in die Birne. Andererseits, klar, Körperkontakt, dann ganz nahe (also wirklich bis nur noch ein Haar dazwischen passt) an das Ohr rangehen... Andererseits: Ist das ein Clubgig, oder Arena, Open Air? Also, für so ein Szenario, wie Du es da im Kopf hast, bietet sich ein Festival geradezu an. Nich Rock am Ring, sondern eher was kleines, matschiges, wo die Zelte noch etwas Abstand zueinander haben. (Der Hauptpunkt ist allerdings Adrenalin, während des Konzertes. Da wird man angerempelt und so, da ist einem doch scheißegal, was um einen herum ist, man stellt doch niemals gleich so eine Verbindung her und verzwiebelt sich an die Bar, um einen Wein zu trinken(???))

Der Rest plätschert dann halt so vor sich hin, wobei mich hier die doch recht "lässigen" Gedanken vom Opfer irritieren. Und am Schluß schmiedet der Killer seine neuen Pläne... Och nö, nich schon wieder. Also, nix gegen Serienmörder, die wird es natürlich immer geben, dass is mir wurscht, aber dieser fetzt nich. Mal so rein garnich.

hadbangend

Headbangend;)

Zu dem Rest des Textes, also seiner Form und so weiter, kann ich leider nichts zündendes sagen, weil ich das nicht so schreiben könnte und wollte und auch nicht würde. Ich müsste quasi alles ändern, daher gehe ich jetzt nicht weiter darauf ein. Ich kann das leider nicht gut. Aber bestimmt findet sich jemand, der Dir da besser helfen kann. Ich persönlich finde es zu holprig geschrieben, zu wenig Dynamik. Das müsste alles viel schneller sein, meiner Meinung nach. Und die wenigen Dialoge klappen meiner Meinung nach auch nich. "... lass uns das Konzert genießen", sagt doch kein Mensch, nur, um mal ein kleines Beispiel zu geben.


Na jut, dass war das wenige von mir dazu.

Gruss,
Satyricon

 

Hallo Satyricon,
danke für deine Rückmeldung. Kein Problem, wenn dir die Geschichte nicht gefällt.
Ein paar Sachen hab ich geändert, um sie konkreter zu machen.
Folgende Dinge möchte ich anmerken:
1. Nicht alle Menschen, die Konzerte (vor allem die von Knorkator) besuchen, verwenden nur die "coole" Sprache der Jugend und sagen nicht, dass sie ein Konzert "genießen wollen".
2. Es gibt Menschen, die auf Konzerten Wein trinken - das werden sicher eher Frauen als Männer sein und sicher nicht viele, aber es gibt sie. Glaub mir.
3. Es gibt sehr wohl Menschen, die "seltsamen" Körperkontakt, als Warnsignal wahrnehmen, auch während eines Konzertes - eben dann, wenn es kein "Gerempel" ist.
4. Es handelt sich beim Ort des Konzertes um eine kleine (real existierende) Konzerthalle.

Also nochmals danke fürs Lesen, auch wenn mein Mörder so gar nicht fetzt. Ich richte es ihm aus. ;)

Gruß
B.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo!

Ja, wahrscheinlich nehmen das Frauen tatsächlich anders auf, dass kann schon sein;)

Gruss,
Satyricon

P.S.: Nochmal Wein und Co.: Kann schon sein, jedenfalls habe ich auf den Konzis, auf denen ich war (mittlerweile gehe ich nur noch sehr selten, wegen dem Tinnitus) nie Wein gesehen. Immer nur Weed and Beer:)! Auch hier mag ich gerne zurückrudern, kommt wohl auch auf die "Szene" an. Ich glaube, ich habe den Fehler gemacht, und das alles zu sehr mit meinen Erfahrungen verglichen, dass passiert mir bei "Konzertgeschichten" häufig;)

 

Hehe, ja, den Eindruck, dass du sehr nach deinen Erfahrungen geurteilt hast, hatte ich auch. Macht ja nüscht. ;)
In der Tat sind es nur sehr wenige Menschen, die auf Konzerten Wein trinken - er wird aber ausgeschenkt. Ich gehöre dazu, weil ich von Bier nur ständig aufs Klo renne...:lol:
Ja, danke noch mal für deine Eindrücke.

Gruß
B.

 

Hallo Bea!

Schön, mal wieder etwas Neues von Dir zu lesen.

Mir gefällt die Idee, eine Zeile Songtext als Leitgedanke für die Handlung herzunehmen. Er wird auch schön konsequent weiter geführt.
Auch der Spannungsbogen ist straff, erfährt sogar noch eine interessante Steigerung an dieser Stelle:

[…] Ich geb dir die Illusion einer Chance. Lauf! Jetzt!“

Da werden die Karten plötzlich neu gemischt. Da frage ich mich, ob ihr was Pfiffiges einfällt, oder ob er sie nochmals in seine Fänge bekommt.

Die weniger gelungenen Dinge im Text sind bereits angesprochen. Zusammenfassend kann ich dazu sagen, dass du dir zwar sehr viel Gedanken über den Aufbau, der ja aus meiner Sicht gelungen ist, gemacht hast, aber dir fast alle Details nicht genug vor Augen geführt hast.
Ein Beispiel:

Maria spürte das kalte Metall des Messers in ihrem Gesicht.

„Gesicht“ Das ist aus Marias Sicht viel zu allgemein. Das müsste konkreter beschrieben werden, um glaubhaft zu wirken und um Marias Panik auf den Leser zu übertragen.

Lieben Gruß

Asterix

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke für deinen Kommentar, Asterix, und auch für die Hinweise. Falls du gelegentlich Lust und Zeit hast, wäre ich dir dankbar, wenn du mir noch ein paar Stellen nennen könntest, an denen du als Leser Konkreteres wünschst.
Für mich ist das Gefühl und die Stimmung natürlich spürbar. Ich habe ja als Autor nicht nur die Situation im Kopf und fühle sie nach, sondern auch das Lied im Ohr. Manchmal ist Schreiben eben ein bisschen so, als würde man mit Scheuklappen auf den Text schauen. ;)
Und ich gebe zu, dass ich immer ein bisschen Angst habe, mit zu vielen Details ins Schwafeln zu geraten und die Stimmung zu versauen. Da muss ich wohl noch etwas an mir arbeiten... und bin für Unterstützung dankbar.

Viele Grüße
Bea

 

Hallo Bea

Seit Jahren habe ich nichts geschrieben

... und dafür ist es nicht so schlecht. Die Stimmung auf dem Konzert hast du gut erwischt, wenngleich ich auf Zitate aus den Songtexten verzichten würde. Jemand, der Knorkator nicht kennt (so wie ich - zumindest ihre Songs nicht), der hat nichts davon.

Den Wein nehme ich dir noch ab, auch dass man während eines solchen Konzerts bei einem ungewöhnlichen Körperkontakt misstrauisch werden kann, aber ich habe eben ein paar Konzertmitschnitte von der Band auf YouTube gesehen - und dass Maria bei dieser Kulisse ein Flüstern hört, ist vollkommen unmöglich. Da hat Satyricon schon Recht, vor allem in einer kleinen Konzerthalle verstehst du deinen Nebenmann nicht mal mehr, wenn er dir direkt ins Ohr brüllt. Vor allem, weil du das Flüstern noch so detailliert beschreibst:

Da war es wieder dieses bösartige höhnische Flüstern.

Ich bezweifle, dass man selbst bei absoluter Stille ein normales Flüstern von einem "bösartigen, höhnischen" Flüstern unterscheiden kann (wie soll das klingen?), aber dann noch auf einem Konzert ... aber du siehst den Punkt, bei solchen Adjektiven musst du aufpassen. Klar, es soll bedrohlich klingen, aber machen sie in Verbindung mit "Flüstern" noch Sinn? Hier brauchst du etwas anderes, und wenn das Hören wegfällt, warum nimmst du nicht das Sehen? Augenkontakt, ein verstelltes Gesicht ... das wirkt einfach realistischer als das Flüstern.

An den Figuren musst du noch ein wenig feilen. Die Spannung aus diesem Text ergibt sich hauptsächlich dadurch, dass sich der Leser fragt: Kann Maria dem Killer entkommen? Hierzu aber musst du Maria dem Leser besser bekannt machen. Zum Zeitpunkt des Überfalls weiss man nicht viel über sie - sie ist offenbar Knorkator-Fan, auch nicht mehr die Jüngste - aber das wars eigentlich schon. Da fällt es schwer, als Leser mit einer solchen Figur mitzufühlen oder zu hoffen, dass sie entkommt - denn man kennt sie ja kaum. Das ist ganz wichtig in solchen Texten, die Figuren vernünftig auszufüllen, sonst liest man das eher unbeteiligt hinunter - Spannung kommt dann nicht so recht auf. Also überlege, wo du hier noch eine Schippe drauflegen kannst. Ideal ist der gemeinsame Rückweg mit ihrer Freundin. Lass die beiden hier doch ein wenig reden, stelle uns beide Personen ausführlicher vor. Da hast du tausende von Möglichkeiten, und oftmals reichen schon Kleinigkeiten. Es muss natürlich schon was "Besonderes" sein, also lass sie nicht vom Mittagessen oder Wetter reden - vielleicht Beziehungen, aktuelle Probleme, Hoffnungen, Ängste? Irgendwas, damit sie lebendiger werden.

Dasselbe gilt für den Täter. Der Aufhänger mit dem Songtext ist nicht schlecht, steht aber doch etwas einsam im Raum. Hier hast du übrigens das Problem, dass er immer wieder dieselben Sätze spricht - zu Beginn geht das noch, aber es nutzt sich schnell ab. Da musst du variieren - einen guten Ansatz hast du ja drin, und den hat Asterix erwähnt, aber da muss mehr kommen.
Er ist ja offenbar darauf aus, dass seine Opfer Angst haben - würde er da nicht eher versuchen, die Frauen zunächst gefangen zu nehmen? Ist die Öffentlichkeit, noch dazu bei Dunkelheit, wirklich geeignet, die Angst des Opfers richtig auszukosten? Das kommt mir zu hektisch vor, auch die Lichtverhältnisse sind schlecht, und gerade die Angst sieht man ja am deutlichsten im Gesicht, in den Augen ... da könntest du nochmal überlegen, gibst du ihm ein anderes Motiv? Oder eine andere Umgebung?

Soviel mal zu meinen Eindrücken. Du merkst es, auch bei mir zündet der Text nicht so recht, aber lass dich nicht entmutigen, vor allem weil du nach ein paar Jahren Abstinenz wirklich ein wenig aus der Übung bist. Aber das kommt wieder, und wenn du an dem Text hier noch ein wenig feilen willst, gib Bescheid wenn du durch bist, dann teile ich dir auch gern nochmal meine Eindrücke mit.

Jetzt noch zu den Textdetails:

Plötzlich gab es einen Knall und Anna sackte neben Maria zusammen.

Das verstehe ich nicht, hat er hier wirklich einen Schuss abgegeben? Warum hat er dann zwei Sätze später auf einmal ein Messer in der Hand?

Die Reaktion von Maria hier finde ich unglaubwürdig: Überlege, deine Freundin würde neben dir niedergeschossen. Du würdest schreien und entweder wegrennen oder schauen, wie es deiner Freundin geht. Aber dieses:

„Was soll das hier werden?“

von Maria passt hier nicht.

Bleib steh, du kannst nicht entkommen, gib auf und lass es geschehn.

stehn

Womöglich war der Typ nicht so fit, wie er dachte.

Woher weiss sie, wie fit sich der Mann selbst hält?

„Verdammt, was willst du?“, stotterte sie.

Wo ist das Stottern?

Sie bemerkte den Glanz freudiger Erregung in seinen Augen.

Ähnlich wie beim bösartigen Flüstern, das sie bei 100 Dezibel oder so wahrnimmt, musst du auch hier aufpassen, ob das so geht: Es ist dunkel, sie ist dabei, sich von ihm zu entfernen - kann sie da wirklich solche Details in seinen Augen sehen? Immer wieder hast du solche Details drin, später auch nochmal die Kälte in den Augen, die geraden Zähne ... wo eigentlich nur Schatten sein sollten.

Als Maria ein Stück gerann war und sich umblickte,

gerannt

Also wie gesagt, wenn du nochmal grundlegende Überarbeitungen an dem Text machst - einfach Bescheid geben.

Viele Grüsse & bis zum nächsten Mal.

 

Danke auch dir, Schwups, für deine konstruktiven Gedanken zum Text. Ich werde sehen, wie ich die Anregungen umsetzen kann. Wie sich zeigt, ist mein Gedanke "weniger ist mehr" bei Kurzgeschichten nicht umsetzbar, wenn sie glaubhaft werden sollen. Mal sehen, ob ich die Kurve noch kriege.

Ich melde mich nach Bearbeitung - danke für das Angebot.

Viele Grüße
Bea

 

Hallo Bea

Im ersten Teil überlegte ich einen Moment das Lesen abzubrechen, da mir keine Neugierde und ebenso wenig Spannung aufkam. Knorkator ist mir nicht bekannt und Hottentottenmusik gibt mir keinen Anreiz. Doch ich blieb dran und nach der Humboldtbrücke wendete es sich schlagartig. Mit mörderischem Instinkt entblätterst du da glaubhaft das Verhalten eines krankhaften Täters, seiner Empfindungen. Ich weiss nun gar nicht mehr, ob ich Gänsehaut davon bekam, aber war gefesselt.

Eine Kleinigkeit noch:

Als Maria ein Stück gerann war und sich umblickte, konnte sie ihn nicht sehen.

gerannt

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Oh, vielen Dank, Anakreon!
Ich plane, die Geschichte noch dahingehend umzuarbeiten, dass die Empfindungen des Opfers deutlicher werden, dass man sie beim Lesen spüren kann. Ob mir das gelingen wird, werden wir sehen.
Den letzten Teil (mit den Gedanken des Täters) werde ich komplett weglassen.

Viele Grüße
Bea

 

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