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Blaue Guramis

Monster-WG
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10.09.2014
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Blaue Guramis

Grundgütige Augen hat er, als wolle er mir etwas nachsehen. Und Tränensäcke. Die gewölbten Brillengläser verstärken den milden, verständnisvollen Ausdruck seiner Augen. Nur will ich keine Beichte ablegen, ich brauche Fischfutter.
Der Laden floriert, jetzt kommt er auf mich zu:
„Oh, es tut mir leid, dass Sie warten mussten – aber nun bin ich ja für Sie da. Wie kann ich helfen?“
Auf fünfzig, sechzig Jahre schätze ich ihn. Er hat lichtes Haar und ein fliehendes Kinn. Das fällt in zahlreichen Falten bis zum ersten Hemdknopf, unter dem sanft die Wölbung seines stattlichen Bauches beginnt.
Auf Anhieb gefällt er mir, genau so stelle ich mir eine Vertrauensperson vor. Er ist so groß wie ich. Das ist, als ob wir im gleichen Verein wären.
Kleine Leute mag ich nicht.
Mit deren Stimme fängt es schon an. Damit sie nicht übersehen werden, erhöhen sie die Lautstärke. Sie quengeln und sind rechthaberisch. Als ob sie es uns, den Großen, zeigen wollten.
Wir sind da ganz anders, eher gemütlich, großzügig. Leben und leben lassen.
„Ehm“, räuspert sich der sympathische Herr und nestelt an seiner Strickjacke, „vielleicht wollen Sie sich erst einmal gründlich umschauen?“
Gott noch, bin ich unkonzentriert. „Ach“, sage ich, „war mit meinen Gedanken grad ganz woanders, Entschuldigung. Nein, nein, ich brauch nur bisschen Fischfutter für meinen Neffen“.
Mit ernstem Gesicht schaut mich der Verkäufer an: „Wirklich?“
Wie ich meinen Patzer bemerke, gefällt mir der Humor dieses Mannes.
„Aber natürlich nicht“, erwidere ich, und um auf gleichem Level zu bleiben: „Ich glaube nicht, dass er davon nascht.“ Mir fällt ein, dass Heiko Veganer ist – und getrocknete Wasserflöhe sind ja auch Tiere. So sage ich nur: „Nein, für seine Fische, meinte ich.“
Er verzieht keine Miene und bleibt beim Thema: „Und was hat er für Fische?“
„Was für Fische? Nun, Blaue Guramis hat er – nur Blaue Guramis. Das ist vielleicht ungewöhnlich, aber er hat’s mit Style und Design und so’m Zeugs. Alles Bunte ist ihm ein Greuel. Non Colour, sagt er immer, das wär’ das einzig Geschmackvolle.“
Der Verkäufer tippt sich mehrmals an die Nasenspitze: „Oder eben nur eine Farbe. Er hat ja Blaue Guramis, wie Sie sagen.“ Er betont das ‚Blaue’.
„Ja, freilich. Etwas Blau und sonst nichts – alles reduziert und sparsam“, bestätige ich und füge noch hinzu: „Ein mattes Weiß oder helles Grau vielleicht noch, aber auf keinen Fall bunt – stylisch eben.“ Ich weiß das von Heiko.
„Ei, da sind wir ja schnell auf den Punkt gekommen“, sagt der füllige Herr und will wissen, wie viel ich benötige.
„Na, so für ein paar Tage. Er ist gerade in Irland, da ist er ganz verrückt drauf. War schon paar Mal da, hat mir einen schönen Whiskey mitgebracht. Ganz mild ist der. Fabelhaft. Man muss aufpassen, dass man nicht zu viel davon trinkt, den Alkohol merkt man gar nicht. Also hinterher schon. Aber in der Hauptsache geht es ihm um die Musik.“
Mein Verkäufer blickt nervös zu den wartenden Kunden, doch das will ich ihm noch erklären: „Da ist jetzt ein Festival, in ... in ... ah, jetzt, wo ich ihn bräucht’, fällt mir doch der Name nicht ein. Kune ..., Conne – ich komm einfach nicht drauf. Coonemarra, glaub’ ich, bin mir jedoch nicht sicher. Die haben aber auch Namen dort, meine Herren!“
„Irische Namen halt“, meint der Verkäufer, etwas kurz angebunden, wie mir scheint.
Ja, logisch. Doch um Namen geht es nicht so sehr – um die Musik geht es. Und Heiko ist bei dieser Musik hin und weg. Ich mag sie auch. Sie ist wunderschön, trifft Herz und Seele, macht die Augen nass, schreit nach Betäubung. Moll – schräge Töne, die beinahe wehtun, fast wie danebengegriffen, und dann die kraftvolle Vereinigung, von der sie alle träumen, zu der sie tanzen wie verrückt und der sie dann doch mit ihrem verdammten Stolz im Wege stehen.
„Jedenfalls muss ich auf seine Fische aufpassen“, sage ich.
„Ich denke, die werden schon keinen Blödsinn anstellen.“
„Ach nein, ich will sagen, dass ich sie füttern muss.“
„Und darf ich fragen, um wie viele Blaue Guramis es sich handelt?“
Hier trifft er mich unvorbereitet. „Gute Frage! Lassen Sie mich einmal nachdenken.“
Das Ladenglöckchen schellt zum wiederholten Male, mein Verkäufer tritt unruhig von einem Fuß auf den anderen.
Ich muss mich beeilen: „ Tja, wie viele könnten es wohl sein? Sagen wir, es sind zwölf. Ja, ein Dutzend – das kommt wohl so ungefähr hin.“
„Zwölf. Gut.“ Jetzt macht er auf Tempo. „Ein Päckchen reicht für fünf Fische und eine Woche. Wie viele Päckchen möchten sie?“
„Wie viele?“, wiederhole ich und gerate ins Schwimmen. „Ach, bedienen Sie nur erst die anderen Kunden, ich muss mir das mal fix ausrechnen. Es sind voraussichtlich acht oder neun Tage, bis er wieder zurück ist, und es sind wohl eher zehn als zwölf Blaue Guramis.“ Schließlich muss ich das Futter aus meiner Tasche bezahlen.
Als der letzte Kunde gegangen ist, wende ich mich wieder an den freundlichen Herrn. Der hat mein Vertrauen. „Ach, seien Sie so gut und helfen Sie mir mal. Mit meinen Guramis komm’ ich nicht so richtig klar. Es sind zehn, ungefähr, so haargenau kann ich das natürlich nicht sagen, und sie bekommen einmal täglich ihr Futter. So zur Mittagszeit.“
Mir ist das fast peinlich, deshalb mache ich noch einen kleinen Scherz: „Wasser haben sie ja genug.“
Der Freundliche schaut mich über den Brillenrand an und sagt: „ Hab ich das richtig verstanden: für acht oder neun Tage?“
„Acht, möglicherweise auch neun Tage, ja, so hat er gesagt, glaube ich. Der ist ja jetzt in Irland, wegen der Musik.“
„Ja, ja, ich weiß. Sie sagten es schon. Für die Fische brauchen Sie drei Päckchen, bitte sehr. Macht fünf Euro vierzig.“
Ich glaube, das habe ich passend. Mit Hilfe des netten Herrn zähle ich die Münzen. Vier achtzig. Verdammt. Und jetzt? Wir überlegen beide – dann sagt er:
„Ich kann auch größeres Geld wechseln. Kein Problem.“ Und zeitgleich sage ich:
„Ach, ich hab ja glücklicherweise die Karte dabei. Die akzeptieren Sie doch, oder?“
„Ja, ja – gewiss, gewiss“, eifert der Verkäufer, weil wieder neue Kunden im Laden warten.
Ich reiche sie ihm: „Bitte sehr, hier ist sie.“
Er schiebt sie durch ein Kästchen und bittet mich, den Code einzugeben.
Den Code? Ach du lieber Gott. So schnell fällt der mir nicht ein. Ich hab den irgendwo aufgeschrieben. Acht sieben und zweimal die ... oder sieben acht und dann zweimal die ...? Ich verspüre ein Brennen oben im Kopf, an der Schädeldecke.
So blamiert habe ich mich selten. Ich werde mit einem Schein bezahlen.
Mein Bargeld trage ich an verschiedenen Stellen am Körper, damit Räubern im Falle eines Überfalls nicht das gesamte Geld in die Hände fällt.
Ich finde einen Zehner und bitte ihn, mir die Karte zurückzugeben.


Jetzt geht’s ans Fische füttern. Zuvor muss ich noch mal nach Hause. Ich habe vergessen, Heikos Schlüssel mitzunehmen.
Gespannt schließe ich seine zartblau lackierte Tür auf. Hui! Aufgeräumt hat er. Das ist neu. Seit ihn Monika – so hieß ... nein Veronika, egal, verlassen hat, ist er an Aufräumen nicht sehr interessiert. Aber aha – er wusste ja, dass ich komme.
Übrigens, die Vera oder Moni, wie auch immer, die war das Bild von einer Frau. Bunt angezogen wie ein Hippymädchen, bezaubernd und schön. Die hätte mir auch gefallen. Komisch, den Heiko hat sie nur ein einziges Mal besucht und weg war sie.
Vielleicht ein Autounfall, oder was beim Sport?
Ich kenne mich in seiner Wohnung aus und gehe, vorbei an der Bonsai-Galerie, rüber zum Wohnzimmer. In der Mitte das Prachtstück von einem Aquarium. Kristallklar. Scheiben und Wasser – alles piccobello. Leichtes Surren vernehme ich. Ja, die Technik. Alles vom Feinsten. So etwas hätte mir damals auch gefallen, aber nun ja, das waren andere Zeiten.
Ich hatte nur Guppys. Die kosteten beinahe nichts und vermehrten sich rapide. Allerdings war das Saubermachen nicht mein Ding. Aller Naslang grüne Scheiben, Algenschlieren, Schleim mit Bläschen, ziemlich unappetitlich. Der Kies musste gewaschen werden, na ja, eben alles unangenehme Sachen.
Ach, schon wieder ertappe ich mich, wie meine Gedanken abschweifen. Füttern wollte ich, hab doch das Päckchen schon in der Hand. Fehlt nur noch, dass ich vergesslich werde.

Wunderbar gleiten sie dahin, diese merkwürdigen blauen Fische. Oder scheint es nur so?
Ja, ich bilde mir das ein. Beim zweiten Hinsehen bemerke ich, dass sie sich fast nicht bewegen, quasi auf der Stelle stehen. Doch wie sie schauen!
Das irritiert mich gewaltig. Ich meine, sie kennen mich ja fast gar nicht – warum dann also dieser blasierte Gesichtsausdruck? Wäre ich sensibler, würde ich den als Beleidigung empfinden, doch sie wissen wohl nicht, dass ich es bin, der ihnen von jetzt an die Mahlzeiten reichen wird.
Ich schaue noch mal hin. Nein, ‚blasiert’ trifft es nicht, ihre Blicke sind verächtlich.

Ops, jetzt sehe ich Heikos Zettel:
‚Welcome, Onkel Walter, bitte sei so gut und gieb Ihnen einmal am Tag ein Drittel Päkchen. Das reicht schon. Mehr braucht nicht. Für dich ist Bier im Kühlschrank.
Vielen Dank für deine Hilfe und prosit. Am 28 ten bin ich wieder da.
Viele liebe grüße Heiko.’
Hat er mit seinem Computer ausgedruckt. In hundert Jahren wird er’s noch nicht begreifen, dass mein Vorname mit ‚th’ geschrieben wird. Aber unsereiner macht ja auch Fehler.
Jedenfalls kann er sich auf mich verlassen, nur am letzten Tag habe ich einen Auftritt im Kinderkrankenhaus – bin so eine Art ehrenamtlicher Clown – da kann ich erst gegen Abend meiner Pflicht nachkommen.
Und ach, verflixt – wenn ich das gewusst hätte, dass er hier schon die Futterpäckchen parat hat, dann hätte ich, na ja .... Oder hat er mir das gesagt?
Aber zurück zu diesen scheelen Blicken. Na, da haben die sich aber was angewöhnt! Wenn mich ein Mensch so anschauen würde, dann bekäme er von mir eine reingehauen. Direkt, frontal, gnadenlos.
Ja, das sieht man mir nicht an. Aber in gewissen Situationen – ich meine: So guckt man nicht.
Ich habe das Gefühl, sie schauen durch mich hindurch, zu Tode gelangweilt, auf etwas Besseres wartend als auf mein Rieselfutter.
Doch da muss ich durch. Ich hole mir ein Bier und fläze mich in einen dieser Drehsessel im Astronauten-Look – Blickrichtung Aquarium. Die Blauen stehen und glotzen. Wir sind Bewohner unterschiedlicher Welten.

Am nächsten Tag das Gleiche. Ein Hund würde mit dem Schwanz wedeln, aber nein – hier werde ich angeschaut, als ob ich störte. Vielleicht muss ich mich noch entschuldigen, dass ich mich um ihre Fressalien kümmere. Wenn die weiterhin ihre Hochnäsigkeit pflegen, schütte ich ihnen Salzsäure ins Luxusbad. Oder Essigessenz. Arrogante Bande.

Ich überlege, warum sich mein Neffe ausgerechnet für diese Fischsorte entschieden hat. Es gäbe doch sicherlich freundlichere, lebhaftere Fische als diese blassblauen Mumien. Es muss an ihrer Farbe liegen. Vom ‚Gesamtkonzept’ spricht er immer.
Dann müsste er, so spinne ich meinen Gedanken weiter, nur introvertierte, farblose Frauen hofieren – aber da ist er erstaunlich locker.
Im Frühjahr begegneten mir Heiko und seine neue Freundin Sonja. Er war mächtig stolz auf sie – und das mit Recht. Auch ich war fasziniert. Eine prächtige junge Frau mit dichtem braunen Haar und einer wunderbaren Haut, in einem Seidenkleid mit Blutlilien, Jadeblättern und schwarzen Taranteln. Fast peinlich, wie sich mein Puls beschleunigte.
Ich mochte gar nicht hören, dass er sie zum Tofu-Sukiyaki bei sich zu Hause eingeladen hat. Der blanke Neid stieg in mir hoch.
Doch schon am nächsten Tag sah alles ganz anders aus. Heiko rief mich verstört an und erzählte, dass Sonja das japanische Essen verschmähte und lieber eine Pizza wollte. Sie hatten sich gestritten, er war beleidigt und wohl auch etwas besoffen; jedenfalls fiel die Liebesnacht ins Wasser, weil Sonja im Wohnzimmer auf der Couch schlafen wollte. Und als er morgens zu sich kam, war sie nicht mehr da.
„C’est la vie!“, hätte ich sagen und zum Trost einige meiner verunglückten Liebesabenteuer zum Besten geben können. Aber seinem Elend wäre das kein Balsam gewesen.

Er hat ein sehr schönes Wohnzimmer. Altbau, hohe Decke, doch es wirkt wie ein Eispalast. Es fehlen die Farben. Zartes Grau herrscht vor, mattes Blau dazwischen, in dezenten Abstufungen.
Leider ist sein Bier nicht doll. Kommt aus Malaysia, in silberblauen Dosen. Trinken kann man’s, aber ohne Genuss. Allein diese Blechbüchsen stoßen mich ab. Und der Verschluss erst! Es hat ordentlich gespritzt beim Versuch, dessen Geheimnis zu lüften.
Ein leckeres Bier hätte ich mit einem Husch weggeputzt, aber dieses Gesöff dauert. Doch ich will es nicht wegschütten. Der menschliche Körper benötigt Flüssigkeit, außerdem kommt es von weither.
Die ausdruckslosen Augen der Guramis erschüttern mich. Diese Tiere leben, und sie leben nicht. Was ist ihre Aufgabe in der Welt? Wozu sind sie da? Wozu bin ich da?
Das Bier wird noch bitterer. Was für eine Frage: Wozu bin ich da? Das spielt doch gar keine Rolle! Hab ja nur gearbeitet, mein ganzes Leben nur gearbeitet. Und jetzt fragen die mich, wozu ich da bin. Tja, wahrscheinlich zum Gurami-Füttern. Doch ein Hauch von Alkohol stimmt mich versöhnlich.
Versonnen blicke ich auf die Fische. Schon, schon, ich weiß, die haben – wie jede andere Kreatur auch – ihr Programm. Nein, diesmal frage ich nicht: Wie ich?
Bei mir ist das anders, denn ich bin es, der das Programm bestimmt – nur ich allein. Die aber sind im Käfig, hinter Glas.
Ich gehe auf die andere Seite des Aquariums. Keine Ahnung, was ich da erwarte, nur einfach so. Ungemein spaßig, es ist das gleiche Bild, nur dass der kleine Felsen jetzt links steht. Sie mussten sich nicht bewegen, sondern haben mich jetzt mit dem anderen Auge im Visier.
Sie scheinen mehr zu wissen als ich, sie haben etwas Überlegenes, was ich nicht habe.
Keine Ahnung, wie alt solche Lebewesen werden, und erst recht nicht, wie die ein Jahr empfinden. Mal zehn, mal hundert, mal tausend – oder wie einen einzigen Tag, an dem es in steter Abfolge blitzschnell hell und dunkel wird?
Sie mustern mich.
Auch in den nächsten Tagen stehen die Blauen mit ausdruckslosen Augen und unbeweglich in ihrem Milieu. Unsere Blicke treffen sich immer wieder, beinahe magnetisch. Und dabei – das ist ganz sicher – haben wir uns nichts, absolut nichts zu sagen.
Oder doch? Sie geben mir Rätsel auf. Sind sie vielleicht auf der Welt, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen? Wie ein Spiegel, der nicht sagt, wie schön jemand ist, sondern fragt, wer er ist.
Ich hatte schon den Schlüssel im Schloss, dann hab ich ihn wieder abgezogen und bin zurück in Heikos Wohnzimmer.
Senil bin ich noch nicht, bemerke schon, dass ich immer länger vorm Aquarium verweile – und sinniere. Ich gerate in einen träumerischen Zustand, muss lächeln: Sie bringen meine Gedanken in Schwung. Sie, die Stummen, die mir nicht den Kopf heiß reden, die Passiven, die philosophische Gelassenheit und Ruhe pflegen. Ich gewinne Respekt vor diesen klugen Wesen.
Fische sind ja ein paar Millionen Jahre länger auf der Welt als der Mensch. Könnte es sein, dass ihr kalter Blick das Resultat aller komplizierten Überlegungen ist, die wir noch vor uns haben? Dass auch wir verstummen, weil in den Zeiten, in denen wir miteinander redeten, zu viel Blut geflossen ist?

Freitag, mein letzter Tag als Gurami-Sitter. Es ist fast Abend, als ich das Fest verlasse. Die übergroßen roten Schuhe und die Perücke habe ich abgelegt, doch mein Clownkostüm behalte ich an, der Mantel wird es verdecken. Und tatsächlich nimmt niemand Notiz von mir, als ich zu Heikos Wohnung eile. Ich hänge den Mantel in den Flur und kümmere mich, wie ich mir das vorgenommen habe, auch heute um die Guramis. Die paar Stunden Verspätung müssen sie leider in Kauf nehmen.
Nach dem Füttern knipse ich die Aquariumbeleuchtung aus, jetzt strahlt nur noch die Stehlampe. Dann rücke ich näher heran an meine stummen Blauen, erkenne mein Spiegelbild.
Der kleinste durchpflügt meine Stirn so langsam, wie der Mond aufgeht. Ein anderer stupst meine Lippen, einer Liebkosung gleich, ein dritter nähert sich meinem Ohr mit einer vertraulichen Botschaft. Alle schauen mich an, wie wachgeworden – ich bin der neue Mittelpunkt ihrer Welt. Fürwahr ein magischer Moment.
Ich fühle mich wunderbar entspannt. Morgen ist Heiko zurück. So nehme ich die letzte Dose Malaysia-Bier an mich und stibitze eine Winzigkeit von seinem Irish Wiskey. Dann gehe ich wieder zur Couch und gebe mich der Betrachtung meiner neuen Freunde hin.
Bald überkommt mich eine wunderbare Schläfrigkeit und ich lasse mich treiben. An Tausenderlei denke ich, an eine Reise an die Loire mit ihren Schlössern, an Heikos silberblauen Flitzer, an meine Hammerzehen, an Roswitha.
Beim Einnicken merke ich, wie mir das Glas entgleiten will. Im selben Moment ein Schnappen und Platschen, ich will mich aufrichten, doch da sind die Blauen schon über mir. Sie haben Zähne wie Piranhas. Rasender Schmerz durchfährt mich – an Händen und Beinen, überall sind sie, am Bauch, im Gesicht. Es wütet wie Phosphor, brennt wie Napalm auf blankem Fleisch. Reißen, Zerren und Beißen, ich werde aufgeschnitten, aufgerissen – wie tausend Skalpelle dringen ihre Zähne in mich.

 
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Den erwähnten Film gibt es nicht; die Idee ist meinem kranken Hirn entsprungen. Oder sollte ich mich etwa irren?
(Ich sag’s nur wegen der Urheberrechte:D).Viel Spaß!
José

 
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Hi Jose,

am Anfang dachte ich, dein Protagonist hat ADHS.

Ab hier dachte ich dann, dein Protagonist ist eine alte Oma.

Ich glaube, das habe ich passend. Mit Hilfe des netten Herrn zähle ich die Münzen, es sind viele Centstücke dabei. Vierachtundachtzig. Verdammt. Und jetzt? Wir überlegen beide – dann sagt er:

Am Ende war es dann Onkel Walther, das hat mich aber nicht entäuscht. Auch wenn ich noch nicht so richtig hinter das Ende gestiegen bin (Realität oder Traum, also fällt er tatsächlich irgendwo hinein, vielleicht in das Aquarium, steht aber vermutlich zu weit weg.?), hat mich dein kleiner Ausflug in die verschobene Welt Walthers erfreut.

Besonders gelungen fande ich dabei die Einstiegsszene, die ist knackig, gut beschrieben und sehr plastisch. Am Ende zweifel ich noch etwas. Als sehr gelungen empfand ich folgendene Stellen:

Und der Verschluss erst! Es hat ordentlich gespritzt beim Versuch, sein Geheimnis zu lüften.

Das kommt richtig pffifig und authentisch daher, super.

Am nächsten Tag das Gleiche. Ein Hund würde mit dem Schwanz wedeln, aber nein – hier werde ich angeschaut, als ob ich störte. Vielleicht muss ich mich noch entschuldigen, dass ich mich um ihre Fressalien kümmere. Wenn die weiterhin ihre Hochnäsigkeit pflegen, schütte ich ihnen Salzsäure ins Luxusbad. Oder Essigessenz. Arrogante Bande.

Sie, die Stummen, die mir nicht den Kopf heiß reden, die Passiven, die philosophische Gelassenheit und Ruhe pflegen. Ich gewinne Respekt vor diesen klugen Wesen.
Fische sind ja ein paar Millionen Jahre länger auf der Welt als der Mensch. Könnte es sein, dass ihr kalter Blick das Resultat aller komplizierten Überlegungen ist, die wir noch vor uns haben? Dass auch wir verstummen, weil in den Zeiten, in denen wir miteinander redeten, zu viel Blut geflossen ist?

Die Entwicklung des Protagonisten in den obrigen beiden Zitaten find ich auch klasse. Das hat mir gefallen.

Viel mehr kan nich nicht beitragen, Fehler hab ich sowieso nicht erkannt. Ich weiß nicht so richtig, was die Geschichte eigentlich genau ausdrücken will, aber gerne gelesen habe ich sie dennoch. Unterhaltsam und anregend ist sie allemal. Und wie gesagt, vorallem den Einstieg fand ich sehr stark.

Seltsam passt auf jeden Fall :D

Beste Grüße,

Sonne

 

Hallo josefelipe,

an zwei Stellen ist eine "falsche" Zeilenschaltung, aber ist ja nicht schlimm.

Ohne die letzten drei Absätze habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen.

Blaue Guramis sind ja recht große Fische und die Männchen vertragen sich nicht. Also könnten da neun Weibchen und ein Männchen im Aquarium schwimmen? Das muss auf jeden Fall ein Riesending sein. Naja, das sind so Gedanken von mir.

Sie geben mir Rätsel auf. Sind sie vielleicht auf der Welt, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen?
Diese hin und her schleichenden Gedanken fand ich sehr schön. Ja, ein Aquarium mit ruhigen Bewohnern kann ein gutes Medium für eine meditative Atempause sein. Aber als ich mich gerade zum Mitträumen eingerichtet habe, kommen diese Piranjas - also wirklich, das fand ich gar nicht nett! Eigentlich wollte ich ja ins Bett gehen. Naja, morgen ist bei uns Feiertag.

Liebe Grüße

Jobär

 
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Hola schwarze sonne,

Du bist wirklich der netteste Mensch, den man sich vorstellen kann.
Findest das Ende scheiße, sagst aber:

Am Ende zweifel ich noch etwas.
Vielleicht solltest Du im diplomatischen Dienst eine Karriere ansteuern?
Aber ernsthaft: Ich prüfe meine Texte auf Herz und Nieren, bevor ich sie einstelle. Beim Übertragen guck’ ich noch mal in die Vorschau – scheint alles okay. Dann betrachte ich den eingestellten Text und meist sehe ich erst dann, was ich vorher übersehen habe. Genauso dieses Mal: Das Ende war verwirrend, die Trennung zwischen Film und Wirklichkeit nicht klar genug.
Hab’s – wie ich hoffe – verbessert, nur fürchte ich, dass Du vor meinem Eingriff die Geschichte gelesen hast und somit Opfer meiner Schlampigkeit geworden bist. Ich gelobe Besserung.
Ich weiß nicht so richtig, was die Geschichte eigentlich genau ausdrücken will, ...
... mit anderen Worten: So richtig toll ist sie nicht. Diese Kröte muss ich schlucken. Vielleicht hätte ich die Geschichte für mich behalten können, als Privatspaß sozusagen – aber ich fand die Idee ganz lustig, wie ein wohlversorgter alter Trottel das Denken entdeckt und damit die Welt und das Leben; und dann kommt das Kasperl mit der Klatsche bzw. die Blauen mit den rasiermesserscharfen Beißerchen:D.

Seltsam passt auf jeden Fall
Hier, mein Lieber, herrscht bei uns Einmütigkeit. Da bin ich ganz Deiner Meinung. Ich würde sogar noch eines draufsetzen: ‚Seltsam’ passt für’s ganze Leben:).
(Ich hoffe, Du lädst mich ein zu Deiner Inthronisierung als chilenischer Ehrenbürger).

José

 

Jaja Jose,

Vielleicht solltest Du im diplomatischen Dienst eine Karriere ansteuern?

Das mache ich doch längst. Gerade sammele ich viele diplomatische Erfahrungen im Dialog mit Müttern und Vätern. Danach wird es nur noch leichter. Mein Ziel ist nicht chlienischer Ehrenbürger (ich würde es aber mitnehmen) , sondern der Familienminister. Natürlich erst nach dem Literaturnobelpreis. Ich halte dich auf dem laufenden!


Ich weiß nicht so richtig, was die Geschichte eigentlich genau ausdrücken will, ...
... mit anderen Worten: So richtig toll ist sie nicht. Diese Kröte muss ich schlucken. Vielleicht hätte ich die Geschichte für mich behalten können, als Privatspaß sozusagen – aber ich fand die Idee ganz lustig, wie ein wohlversorgter alter Trottel das Denken entdeckt und damit die Welt und das Leben; und dann kommt das Kasperl mit der Klatsche bzw. die Blauen mit den rasiermesserscharfen Beißerchen.

Nö! Das stimmt so nicht. Das heißt, mir wird die Geschichte nicht im Gedächtnis bleiben, weil ich nicht wirklich etwas daraus mitnehmen kann. Gefallen hat sie mir dennoch, weil ich sie witzig finde. Nicht jede Geschichte muss den Leser nachhaltig prägen, oder? Auch Geschichten für zwischen-durch sind Erzählenswert/Lesenswert.

Ich dachte das Ende hat eine Aussage, weil die Geschichte so aufgebaut ist, als würde sie darauf zu steuern und irgendein Höhepunkt dann zum Schluß kommen. Aber den hab ich einfach nicht verstanden, weshalb ich begann zu zweifeln. Von mir aus hätte er einfach einschlafen können, sich nochmal zum Fischladen begeben können und das Futter zurückgeben wollen oder sowas, das hätte für mich besser gepasst. Ich dachte aber auch die ganze Zeit, dass du ein gewisses Thema (Senilität, Demenz oder was auch immer) ansprechen wirst ... mit der Erwartung war ich dann auch beim Lesen.

Seis drum, wie gesagt, ich habs gerne gelesen.

Hasta Luego,

Sonne

 

Hola José,

habe deine kleine Geschichte (wie alle anderen davor) mit großem Vergnügen gelesen und bevor ich mich anderen Dingen zuwende, möchte ich dir meine Eindrücke beim Lesen schildern.

Gerade als ich beginne, Onkel Walther in mein Herz zu schließen, da lässt der Menschenkenner diesen gucken:

Kleine Leute mag ich nicht.
Mit deren Stimme fängt es schon an. Damit sie nicht übersehen werden, erhöhen sie die Lautstärke. Sie quengeln und sind rechthaberisch. Als ob sie es uns, den Großen, zeigen wollten.
Na toll! Will er es sich mit allen kleinwüchsigen Lesern verderben? Ich brauche übrigens auch eine Fußbank, um die oberen Fächer des Küchenschrankes zu erreichen.

Aber das Verkaufsgespräch versöhnt mich wieder, das ist präzise beobachtet und genial beschrieben. Unkonzentrierter Kunde in Gesprächslaune trifft auf geforderten Fachverkäufer.
Dass mich solche Szenen voll ins Geschehen ziehen und meine eigene Zeit hinter der Ladentheke zum Leben erwecken, kannst du dir sicher vorstellen.

Mein Verkäufer blickt nervös zu den wartenden Kunden, doch das will ich ihm noch erklären: „Da ist jetzt ein Festival, in ... in ... ah, jetzt, wo ich ihn bräucht’, fällt mir doch der Name nicht ein. Coona ..., Conne – ich komm einfach nicht drauf. Coonemarra, glaub’ ich, bin mir jedoch nicht sicher. Die haben aber auch Namen dort, meine Herren!“
„Irische Namen halt“, meint der Verkäufer, etwas kurz angebunden, wie mir scheint.
Ja, und wenn dieser Verkäufer nicht rechtzeitig den Riegel vorgeschoben hätte, dann würde er jetzt Walthers gesamte Familie, deren Krankengeschichte und die sexuellen Präferenzen kennen.
Ja, so ist sie, die verehrte Kundschaft, immer dem Trugschluss verfallen, das Verkaufspersonal interessiert sich für alles und jeden.
Hast du super umgesetzt!

Die Vielschichtigkeit Walthers macht ihn so greifbar und lebensecht (wie alle deine Figuren).
Walther, den Zerstreuten nehme ich dir genau so ab, wie Walther, den Innenarchitekten, der die stilistischen Aspekte von Heikos Wohnung und dessen Drang nach Farbharmonie hinterfragt.

Heikos Bier ist nicht toll. Kommt aus Malaysia, in silberblauen Dosen.
Auch da bin ich begeistert, wie du die Farbverliebtheit auf die Spitze treibst.

Und dann lerne ich Walther, den Nachdenklichen und Philosophen kennen:

Sie scheinen mehr zu wissen als ich, sie haben etwas Überlegenes, was ich nicht habe.
Sie geben mir Rätsel auf. Sind sie vielleicht auf der Welt, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen? Wie ein Spiegel, der nicht sagt, wie schön jemand ist, sondern fragt, wer er ist.
Ich gewinne Respekt vor diesen klugen Wesen.
Fische sind ja ein paar Millionen Jahre länger auf der Welt als der Mensch. Könnte es sein, dass ihr kalter Blick das Resultat aller komplizierten Überlegungen ist, die wir noch vor uns haben? Dass auch wir verstummen, weil in den Zeiten, in denen wir miteinander redeten, zu viel Blut geflossen ist?
Bis hierher eine wundervolle, beschwingte, humorvolle und auch nachdenklich machende Geschichte, die den Protagonisten mit all seinen Vorzügen, Eigenheiten und Nöten malt.

Aber halt der Schluss, der ist irgendwie so unbefriedigend. Wir beide hatten die Diskussion vor längerer Zeit schon mal, da hast du den Italiener zu Weihnachten auch auf dem Sofa einschlafen lassen. Ich denke, der Leser erwartet hier eine andere Auflösung, die ich dir leider auch nicht bieten kann. Meine eigenen laschen, unausgegorenen Schlussvarianten sind legendär :D.
Vielleicht kannst du über die Idee von schwarze sonne nachdenken. Wenn Walther das Futter in die Tierhandlung zurückbringen würde, weil er es nicht benötigt hat, bekommt er die Chance, dem Verkäufer den Rest seiner Geschichte doch noch aufs Auge zu drücken, oder so.


Das war’s von meiner Seite. Danke für die herrliche Geschichte.

Liebe Grüße,
peregrina

 
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Lieber josefelipe,


zum Glück hat mir peregrina ein großes Stück Arbeit abgenommen, sowohl, was das Gute als auch was das Kritikwürdige angeht, damit du nicht denkst, von mir kämen nur Flötentöne.

Ich fange mal mit dem letzteren an. Komm mir ja nicht mit der Ausflucht an, du meintest mit den "Kleinen" nur männliche Wesen. Ich denke, wenn ich einmal peregrina treffe, dann nehmen wir uns an der Hand und steigen leichtfüßig jede, aber jede Anhöhe hinauf und können dann sehr schön von oben herab auf die "Großen" schauen.
Außerdem sinkt mit dem Lebensalter sowie so die weibliche Stimmlage vom Sopran in den Alt, möglicherweise sogar in den Ur-Alt. Dunkle Stimmen aus dem Off!

Der Schluss. Der ist mir zu abwegig. Ich meine das wörtlich. Viel näher liegt doch folgende Erfahrung deines Prots: Durch das versunkene Betrachten der schwimmenden Philosophen, ebenso uralte Wesen wie Holgs Berg-Aliens, vergisst das Blut zu zirkulieren und/oder Nerven werden eingeklemmt. Das kann sich im Halbschlaf durchaus anfühlen wie Nadelstiche, Säureangriffe oder eben gemeine Bisse, wenn man der Apothekenumschau glauben darf.

Du kannst es nicht lassen. Deinem armen Neffen dichtest du jetzt noch eine veganinspirierte Wohnungseinrichtung an, warum sonst hättest du sonst diese seine Vorliebe beim Essen erwähnt? Allerdings hatte er ja dann kein so gutes Händchen bei der Fischwahl. Oder glaubt er er womöglich an paradiesische Zustände, wo der Löwe neben dem Reh ...

Bei der Bewertung des Erfreulichen in deinem Text schließe ich mich vollinhaltlich peregrina an. Ich mag nun mal gewitzte Formulierungen, auch wenn nicht jeder Schuss ein Treffer ist. Eines kann man dir bestimmt nicht vorwerfen, einen Mangel an Selbstironie. Das ist wirklich eine Kunst, die du sehr gut beherrschst.

Wie immer sehr gern und mit Vergnügen gelesen.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
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Hola jobär,

ist immer wieder schön, von Dir zu hören bzw. zu lesen (Scharet alte weise Männer um mich!).
Erstmal das Handwerkliche:

an zwei Stellen ist eine "falsche" Zeilenschaltung, aber ist ja nicht schlimm.
Ist behoben.
Blaue Guramis sind ja recht große Fische und die Männchen vertragen sich nicht. Also könnten da neun Weibchen und ein Männchen im Aquarium schwimmen?
Eine sehr spezifische Frage. Da müssten Walther oder Heiko mal nachschauen. Hoffentlich erkennen die den Unterschied.
Bislang hielt ich Guramis für friedfertig, zumal es die Unterart „Küssende Guramis“ gibt:).
Ich hatte als Junge Guramis. Zehn Zentimeter waren die lang, mit drei blauen Punkten – eventuell Zwerg-Guramis?

Diese hin und her schleichenden Gedanken fand ich sehr schön. Ja, ein Aquarium mit ruhigen Bewohnern kann ein gutes Medium für eine meditative Atempause sein.
Ja, ich hatte richtig Spaß beim Herumspinnen, nur musste (meiner Meinung nach) auch das sein:
... kommen diese Piranjas - also wirklich, das fand ich gar nicht nett!
Sorry, doch ohne diesen kleinen, süßen Schock wäre doch die Geschichte dahingeplätschert und Du wärest tatsächlich eingeschlafen. Das wollte ich nun auch nicht.

Jedenfalls danke ich Dir für Deinen Kommentar, und wenn Du sagst:

Ohne die letzten drei Absätze habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen.
... dann ist das das Gleiche wie die Kommentatoren nach Dir meinen.
Jetzt komm’ ich schwer ans Grübeln. Möglicherweise muss ich da noch mal ran.

Jobär, Dank und alles Gute!

José

 

Du bist nicht zu klein,
nein, die andern sind zu groß.
Du bist nicht zu klein,
sondern die andern sind zu groß.
Sie sind verlor'ne Riesen,
so einsam wie bizarr,
aber du bist nicht zu klein ...
du bist wunderbar!

(Farin Urlaub - Wunderbar)


Hallo José,

da kann ich doch endlich auch mal nach Friedel-Art einen Kommentar mit einem Songzitat beginnen, auch wenn es ein ganz fieses Lied ist, das Farin Urlaub da gedichtet hat. (Die anderen beiden Strophen handeln von dicken und von langsamen Leuten; da ist ja schon an so ziemlich alle gedacht. Ich verrate nicht, in welcher Kategorie ich mich finde.) Kann es sein, dass du da jemandem auf die Füße getreten bist? (Und womöglich zum zweiten Mal hintereinander, falls der "Vegan-Wahn" im Maskenball doch von dir sein sollte?)

Aber egal - ich fand deine neue Geschichte wieder mal recht angenehm zu lesen. Ich muss allerdings zugeben, dass so ein Mensch wie dein Ich-Erzähler mich im wirklichen Leben in den Wahnsinn treiben könnte. Hier kann ich ihn auch nur ertragen, weil ich weiß, dass es notwendiger Teil der Geschichte ist, ihn so schwafelig und zerstreut zu machen. Die Ungeduld des Zoohändlers kann ich jedenfalls gut verstehen.

Wie Onkel Walther dann beginnt, die Fische zu "lesen", muss mir ja fast schon gefallen, immerhin habe ich ein ähnliches Stilmittel selbst schon mit großer Freude angewandt. Du nimmst damit allerdings eine deutlich andere Richtung. Dein Prot fühlt sich verächtlich angeschaut (wohl nicht nur wegen des vermeintlich minderwertigen Futters) und in gespenstischer Weise beobachtet. Existentielle Gedanken werden in ihm angeregt. Da deutet sich tatsächlich eine Art von Grusel an. (Hast du die Tags geändert? Ich könnte schwören, dass da zuerst "Horror" stand.) Das bereitet mir Vergnügen.

Allerdings blendest du für meinen Geschmack etwas zu früh ab, es bleibt bei der Andeutung eines grausamen und/oder unnatürlichen Geschehens. Aber es ist zu einladend, diese Andeutung als Traumbild abzutun, nachdem Walther im Sessel eingenickt ist. Allenfalls noch, dass er vielleicht im Aufwachen zu heftig nach dem wegrutschenden Glas gegriffen hat und ihm die Scherben schmerzhaft in die Hand schneiden. Jedenfalls bleibt bei mir nicht ernsthaft der Verdacht zurück, dass ihn die Fische angenagt hätten. Und das ist ein bisschen schade.

So weit meine Eindrücke. Etwas kurz diesmal, meine Gedanken werden momentan von Dingen außerhalb des Forums mit Beschlag belegt. (So eine Frechheit aber auch ...)

Grüße vom Holg ...

 

Das Problem beim Annagen: Schau dir mal im Internet blaue Guramis und Piranhas an - die sind völlig unterschiedlich. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass die Gurams plötzlich Menschenfleischfresser werden. Andererseits wären Piranhas in einem Becken aus einem anderen Grund interessant: Ein erwachsener Piranha hat einen vorstehenden Unterkiefer mit zahlreichen spitzen Zähnen und er hat Glubschaugen - da würde doch Walther auf ganz andere Gedanken kommen!

 

Hallo José

Ich finde, dir ist hier ein ziemlich launiger und kurzweiliger Text gelungen. Hat mich jedenfalls immer wieder zum Schmunzeln gebracht, was ich nicht von vielen Texten sagen kann, die unter "Horror" gelistet sind (meist schaffen das noch nicht mal die "Humor"-Texte).

Hin und wieder hatte ich die Befürchtung, die Geschichte entgleitet dir ins Belanglose - beispielsweise in der Szene zu Beginn, wenn es um die Bezahlung geht. Ich frage mich hier schon, was deine Absicht als Autor war, das so ausführlich darzustellen - auf der anderen Seite finde ich das kurzweilig und gut geschrieben, und das kann ja auch schon Absicht genug sein. Ich hab jedenfalls den Eindruck, du hattest Spaß beim Schreiben, und wenn das bei einem Text durchschimmert, ist das immer ein gutes Zeichen.

Auch wie die Fische den Onkel Walther immer mehr in ihren Bann ziehen, hast du gut eingefangen, auch in der Kürze passt das für mich. Klingt ziemlich gekonnt, muss ich sagen. Vielleicht hast du ja den neuesten Roman von Stephen King gelesen, da geht es auch um Fische, die eine Art hypnotische Wirkung auf die Betrachter haben ;)

Ja, was mir hier fehlt, ist ein verbindendes (abrundendes) Element. Vielleicht steckt es auch im Text und ich habe es jetzt beim ersten Lesen nicht erkannt. Was auffällt, sind die Wiederholungen der sterilen, farblosen Einrichtung und die Freundinnen, die Heiko verlassen haben. Könnte es sein, dass auch hier die Fische irgendwie ihre "Finger" im Spiel haben, und sich den Walther vielleicht deshalb schnappen, weil er sie in einem bunten Hemd füttern kommt (oder die Fische ihn sonst als Eindringling in Heikos Leben betrachten)? Ich weiß es nicht ... aber ja, irgendwas fehlt noch.

Jetzt komm’ ich schwer ans Grübeln. Möglicherweise muss ich da noch mal ran.

Sehe ich auch so. "Seltsam" nur um des Seltsamen Willen finde ich zu wenig.

Grüße,
Schwups

 

Hola peregrina,

wie immer an dieser Stelle: Herzlichen Dank für die bzw. den Post. Ich werde heute betont förmlich bleiben, denn ich habe den unschönen Eindruck, dass man mir das Wort im Munde umdrehen, besser gesagt hineinlegen will.
Denn noch nie in der Geschichte der Literaturkritik ist ein Autor verantwortlich gemacht worden für die wie auch immer gearteten Sprüche seiner Figuren >> Die reden eben so!
Aus sicherer Entfernung stelle ich mir vor, was Walther und der Verkäufer sagen würden, wenn kleine Leute Witze über die Langen machten. Vermutlich nichts – ein Schulterzucken würde ihnen als Antwort genügen. So sind wir, Verzeihung, so sind die nun mal.

Wenn hingegen Walther sagt:

Kleine Leute mag ich nicht.
Mit deren Stimme fängt es schon an. Damit sie nicht übersehen werden, erhöhen sie die Lautstärke. Sie quengeln und sind rechthaberisch. Als ob sie es uns, den Großen, zeigen wollten.
... dann dürfte der das gar nicht aus Sicht der Kleinen. Sie fühlen sich sofort auf den Schlips getreten – und sie drohen auch gleich:
Na toll! Will er es sich mit allen kleinwüchsigen Lesern verderben?
Diese Frage ist doch schon die reine Einschüchterung! Ich hoffe nicht, dass es in diesem Ton weiter geht! Und wenn durch den etwas kleineren Wuchs Probleme entstehen wie z. B.:
Ich brauche übrigens auch eine Fußbank, um die oberen Fächer des Küchenschrankes zu erreichen.
... dann fragen wir, also die Großen, höflich, warum man sich keine Möbel anschafft, die den eigenen Körpermaßen gerecht wären. Es gibt auch niedrigere Arbeitsflächen, kleinere Stühle, kleinere Tische usw. Ich beziehe ja auch keine Wohnung, durch deren Türen ich nur mit eingezogenem Kopf gehen könnte.
Unkonzentrierter Kunde in Gesprächslaune trifft auf geforderten Fachverkäufer.
Das haste richtig schön und treffend geschrieben.
Ja, und wenn dieser Verkäufer nicht rechtzeitig den Riegel vorgeschoben hätte, dann würde er jetzt Walthers gesamte Familie, deren Krankengeschichte und die sexuellen Präferenzen kennen.
Das allerdings wäre zu befürchten.
Heikos Bier ist nicht toll. Kommt aus Malaysia, in silberblauen Dosen.
Auch da bin ich begeistert, wie du die Farbverliebtheit auf die Spitze treibst.
Hier gibt es eine kleine Ungenauigkeit: Es handelt sich um die Verliebtheit in Non Colour:D.

Aber halt der Schluss, der ist irgendwie so unbefriedigend.
Ja, Himmiherrgottnochamal! Das sagen alle – wie eine Verschwörung. Was soll ich denn machen?
Aber dann gewann ich die Fassung wieder und hab’s ein wenig umgeschrieben. Ich will unbedingt, dass der Walther aufgefressen wird – und durch eine Anregung von The Incredible Holg habe ich mich erkühnt, auch noch den ‚Horror-tag’ zu setzen!
Vielleicht hab ich’s jetzt ganz vergeigt.

Wir beide hatten die Diskussion vor längerer Zeit schon mal, da hast du den Italiener zu Weihnachten auch auf dem Sofa einschlafen lassen.
Ich wiederhole mich nur ungern – damit das schon mal klar ist:cool:. Aber ein Gedächtnis hast Du wie ein Elefant! Respekt.

Vielleicht kannst du über die Idee von @schwarze sonne nachdenken. Wenn Walther das Futter in die Tierhandlung zurückbringen würde, weil er es nicht benötigt hat, bekommt er die Chance, dem Verkäufer den Rest seiner Geschichte doch noch aufs Auge zu drücken, oder so.
Müsste ich nicht befürchten, dass mich der Leser erschlägt? Du bist weit weg, sonst würde ich mich hinter Dir verstecken (ich kann mich ganz klein machen). Aber allen Ernstes: Dann wird es garantiert zu viel mit der Laberei.

Liebe peregrina, hab Dank für die ausführliche Besprechung meines Textes. Die lobenden Zeilen habe ich mehrmals gelesen – welche Wohltat!

Sei gegrüßt und trage Kastanien in den Taschen! Nicht, dass sie Dich vor dem Davonfliegen im Herbststurm bewahren, sondern weil sie Glück bringen.

José

p. p.:
Ich überlege, ob ich diesen Ton auch in Zukunft beibehalten soll. Etwas Distanz zum Leser ist gar nicht so schlecht.
Aber vielleicht wird sie dann doch zu groß?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Schwups,

nur mal ganz schnell zwischendurch – ausführlich bedanke ich mich später:

... die Freundinnen, die Heiko verlassen haben. Könnte es sein, dass auch hier die Fische irgendwie ihre "Finger" im Spiel haben, und sich den Walther vielleicht deshalb schnappen, weil er sie in einem bunten Hemd füttern kommt (oder die Fische ihn sonst als Eindringling in Heikos Leben betrachten)?

Das scheint mir die zündende Idee zu sein! Denn Heikos Freundinnen verschwinden spur- und spurenlos und tauchen nirgendwo mehr auf (Ich vermute, er hat die Knochen in den Müllschlucker geworfen).
Ich versuche, etwas daraus zu machen. Vorerst vielen Dank für den Anstoss!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Wieselmaus,

auch dieses Mal besten Dank für die Beschäftigung mit meinem Text. Die Unzufriedenheit mit dem Schluss hat sicherlich ihre Berechtigung – schließlich sagen das alle. Ich hatte ihn der Klarheit wegen etwas geändert, aber Schwups hatte dann die bahnbrechende Idee (#14).
Da geh’ ich noch mal ran, indem ich die verschwundenen ‚Ehemaligen’ Heikos in Zusammenhang mit der Gefräßigkeit der Blauen Guramis bringe. Hoffentlich gelingt’s.

Weiter im Text:

... damit du nicht denkst, von mir kämen nur Flötentöne.

Dreh mich ruhig einmal durch den Fleischwolf. Nach so vielen netten Worten Deinerseits muss ich das aushalten.

Komm mir ja nicht mit der Ausflucht an, du meintest mit den "Kleinen" nur männliche Wesen.
Aber nein, das wäre ja sexistisch. Ich hatte eher an die Frauen gedacht;) – vielleicht von Deinem Beispiel inspiriert:

... wenn ich einmal peregrina treffe, dann nehmen wir uns an der Hand und steigen leichtfüßig jede, aber jede Anhöhe hinauf und können dann sehr schön von oben herab auf die "Großen" schauen.

Oh, tut mir leid – auch da werden wir Großen vor Euch oben sein, weil wir die längeren Beine haben, und wohlwollend, wie das unserer Art entspricht, auf Euch hinunterschauen;). Na, jetzt hör’ ich aber auf mit Stänkern.

Außerdem sinkt mit dem Lebensalter sowie so die weibliche Stimmlage vom Sopran in den Alt, möglicherweise sogar in den Ur-Alt.

Meinst Du eventuell, dass aus Gurren und lieblichem Gezwitscher Gekeife wird?

Der Schluss. Der ist mir zu abwegig. Ich meine das wörtlich.
Kapiert. Änderung versprochen.
Damit umgehe ich auch das Risiko, falls die Apothekenrundschau einmal doch nicht recht haben sollte:
Das kann sich im Halbschlaf durchaus anfühlen wie Nadelstiche, Säureangriffe oder eben gemeine Bisse, wenn man der Apothekenumschau glauben darf.
Ich probier’ mal etwas mehr Horror (Hätte nicht gedacht, dass es einmal so weit mit mir kommen würde:D)

Ich mag nun mal gewitzte Formulierungen, auch wenn nicht jeder Schuss ein Treffer ist.
Ich glaube auch, dass ich beim Witzeln etwas übertrieben habe – und dabei hab ich schon jede Menge gestrichen.

Eines kann man dir bestimmt nicht vorwerfen, einen Mangel an Selbstironie.
Das ist eine Eigenschaft, die man sich erst leisten kann, wenn es die Lebensumstände gut mit einem meinen. (Ich hab noch mehr gute Eigenschaften:D)

wieselmaus, ich fische noch schnell meine Lieblingsstelle aus Deinem Kommentar ...

Wie immer sehr gern und mit Vergnügen gelesen.
... und bedanke mich sehr.

Gute Wünsche und schöne Grüße!

José

 

Hallo

Also im Nachhinein gefällt mir deine Geschichte ziemlich gut. Während des Lesens habe ich immer darauf gewartet, dass irgendetwas 'horrormäßiges' passiert.
Anfangs, im Fischfutterfachgeschäft, wo der zerstreute Charakter des Protagonisten gezeigt wird, dachte ich, dass dieser sich super für eine Horrorgeschichte eignen wird. Diese Zerstreutheit, aus der kann man diesbezüglich einiges machen.
Leider kam in dieser Hinsicht nichts.
Als du darüber schreibst, wie sauber die Wohnung plötzlich ist, obwohl Heiko unordentlich ist, dachte ich, dass da irgendetwas nicht stimmt. Leider auch nichts.

Das Ende ... nun gut. Ich mag das Ende eigentlich, obwohl es mMn nicht zum Rest der Geschichte passt, aber das ist Geschmackssache.
Jetzt, wo ich über die Geschichte nachdenke, hat sie mir schon sehr gut gefallen, aber das Genre 'Horror' fand ich äußerst irreführend. Habe ständig gewartet (und gehofft), aber nie ist irgendwas passiert. Ich persönlich würde das Stichwort Horror rausnehmen, da es ziemlich irreführend ist.

Ansonsten hat mir die Geschichte wirklich sehr gut gefallen. Diese Veränderung, die im Protagonisten vorgeht, obwohl er "nur" Fischen dabei zuschaut, wie sie eben Fische sind, gefällt mir. Hat etwas subtiles, das durchaus funktioniert. Der Ton, den du allgemein getroffen hast, gefällt mir auch und die Fehlerlosigkeit und die Stimmigkeit deiner Sprache hat das Lesen natürlich zu einem Genuss gemacht.

lg, zash

 

Hola Holg,

danke für das hübsche Lied! Hab mir mal den gesamten Text rausgesucht. Ja, gefällt mir sehr.

... auch wenn es ein ganz fieses Lied ist, das Farin Urlaub da gedichtet hat.
Findest Du? Auf mich wirkt das, wie von einem Menschenfreund geschrieben.
... Ich verrate nicht, in welcher Kategorie ich mich finde.)
Aber das weiß ich doch! Du könntest auch Mister Idealmaß heißen und siehst blendend aus.
Der Clooney schaut doch aus wie ein Busfahrer!
Kann es sein, dass du da jemandem auf die Füße getreten bist?
Ja, das kann. Aber das verwächst sich.
... , falls der "Vegan-Wahn" im Maskenball doch von dir sein sollte?
Was bist Du doch für ein doppelbödiger Mensch! Man sollte sich vor Dir in Acht nehmen.

... dass so ein Mensch wie dein Ich-Erzähler mich im wirklichen Leben in den Wahnsinn treiben könnte.
Das kann nicht anders sein, mich hat er auch geschafft. Der war noch viel unsortierter, doch das wollte ich dem Leser nicht zumuten und habe kräftig gestrichen. Ich finde, jetzt ist es gerade so an der Grenze des Erträglichen.
Wie Onkel Walther dann beginnt, die Fische zu "lesen", ...
Kicherkicher, das klingt toll!

(Hast du die Tags geändert? Ich könnte schwören, dass da zuerst "Horror" stand.)
Jein – das ist Telepathie. Versucht war ich, habe aber erst nach Deinem Komm den Mut dazu gehabt. Vielleicht etwas vorwitzig.

Allerdings blendest du für meinen Geschmack etwas zu früh ab, es bleibt bei der Andeutung eines grausamen und/oder unnatürlichen Geschehens.
So, der Holg also auch! Somit sind alle Kommentatoren der gleichen Meinung und ich muss spuren – zumal mich Schwups auch in diese Richtung angestoßen hat.
Schon vor dem Ende müsste ich einen Verdacht aufkommen lassen (das ist zumindest der Vorsatz), dass die Piranhas, Pardon, Blauen Guramis auch anderes mögen als Trockenfutter:).
Bin leider etwas unsicher, denn das muss gut gemacht sein. Wenn ich’s nicht packe, muss es so bleiben wie es ist. Ich weiß nicht, ob Du das leicht veränderte Ende gelesen hast. Das soll eventuelle Unklarheiten beseitigen.

... meine Gedanken werden momentan von Dingen außerhalb des Forums mit Beschlag belegt. (So eine Frechheit aber auch ...)
Vielleicht hat sich das bald erledigt, wenn den WK-Mods ein attraktives Gehalt gezahlt wird:shy:. Ihr müsst nur Eure ungefähren Vorstellungen formulieren.

Unglaublicher, wenn ich aus meiner Rentner-Ecke heraus zuschaue, wie Du rotierst und alles prima hinkriegst, dann wünsche ich Dir weiterhin eine robuste Natur.

José

PS: Eine Entschuldigung vorab an josefelipe, dass du hier in bösen Verdacht geraten bist, und das auch noch mehrfach. War keine Absicht.
Alles gut, kein Problem. Ich liebe es, wenn man über mich spricht – nicht nur im Guten, auch jeder böse Verdacht ist mir recht.

 
Zuletzt bearbeitet:

Tja was soll ich sagen zu deiner Geschichte?

DAS ENDE PASST NICHT. :D


Okay, ich nehme es zurück. Trotzdem, das musste sein. Du bist so frech, da brauchst du glaub ich manchmal einfach einen drüber. Ist ja nur ein zartes Nasenstüberl und mit den Unarten deiner Guramis nicht zu vergleichen.

Ich hab deine Geschichte sehr genossen und mich komischerweise bei dem Gespräch Langer gegen Dicken überhaupt nicht gelangweilt. Von mir aus hätte das ruhig noch ein bisschen weitergehen können. Kann aber auch einfach sein, dass ich was übrig habe für solch verpeilte Helden wie Onkel Walther.

Zwei Tipps habe ich aber doch.
Ich mag das sehr, wenn so ein Held, der eigentlich ein ganz Lieber ist, mal ein bisschen was Fieses zeigt, wie hier Walthers Ausfälle gegen alles Kleine. Ich find das prinzipiell gut.
Nur was machst du daraus? Das hat schon ein ziemliches Gewicht, dass der da mal kurz rumtiradet. Und dann taucht es nie wieder auf. Und das, wo doch die Guramis so wunderhübsch passen, weil sie wohl eher größer sind als Aquariumsfisch. Ich würde das irgendwie und irgendwann wieder aufnehmen. Und das würde dann ja auch passen, einen weiteren persönlichen Bezug zu diesen blauen Paddlern herzustellen.
Gleiches gilt übrigens für die Musikstelle. Du hast das so schön beschrieben, wie diese irischen Melodien sich in sein Herz brennen. Und das greifst du dann auch später nie mehr auf. Da passt für mich was in der Charakterisierung nicht. Bisher ist Walther eher verpeilt gezeichnet. Und später auch noch, auch wenn er sich da von dem hypnotischen Rumgeschwirre der Fische einlullen lässt. In der Musikpassage ist er ein leidenschaftlicher Mensch. Und wo ist die Leidenschaft dann hin? Das sind als Andeutungen zu viele und momentan wirken sie noch wie lose Fäden, die einer vergessen hat zu stopfen.

Die Wahl des Monsters ansonsten finde ich toll. Und ich fand auch toll, dass es nicht Piranhas sind, da hätte eh jeder gleich gewusst, dass Heiko den Onkel Walther skelettiert auffinden wird. Bei den Guramis weiß man nicht, was das überhaupt für ein Fisch ist und googelt erst mal rum. Hab ich jedenfalls gemacht und bin auf solch wunderbare Dinge gestoßen wie Küssender Gurami und Knurrender Gurami. Der Küssende Gurami sieht übrigens aus wie ein rosa Fischschweinchen mit einem Rüssel. Und relativ groß sind die alle. Also mach was aus deiner Idee mit dem Kleinenhass und der Großenliebe.


Und die zweite Sache ist nur ein Detail, aber es hat mich echt gestört. Vielleicht, weil es am Anfang ist.

Grundgütige Augen hat er, als wolle er mir etwas nachsehen. Und Tränensäcke. Die gewölbten Brillengläser verstärken den milden, verständnisvollen Ausdruck seiner Augen.
Erster Satz: top. Zweiter Satz: milden Ausdruck seiner Augen. Okay, Jose will die Besonderheit des Verkäufers und Walthers Bindung zu ihm betonen. Geht durch. verständnisvollen Ausdruck. Mannnnn, Jose, ich habs gemerkt, Herrschaftszeiten, zweimal reicht doch, denkst du, wir sind blind, taub und unsere Gehirnwürstchen zu Salat verarbeitet? Also ich würd verständnisvoll streichen. Ist doch auch nichts anderes als grundgütig.
Auch wenn ich mich aufreg. Es ist natürlich nur eine Kleinigkeit.


Ansonsten kommt der Schluss zwar echt wie Peterchen aus der Kiste, und mit Horror getaggt wartet man sowieso direkt drauf, dass die Guramis sich über den Walther hermachen. Aber ich weiß ja selbst, wie schwer es manchmal ist, eine Wendung und eine Lösung in den Horror zu bringen, die beides haben: Unvorhersehbarkeit und immanente Logik, Und am besten noch Abseitigkeit mit Sinn.
Aber wenn du es schaffst und Lust dazu hast, mich würde das interessieren, wie die Geschichte wird mit Schwupsens Ideen. Ich glaube, er war das mit der Idee, dass die Freundinnen immer verschwinden. Und noch jemand hatte die Idee, dass Walther ja den Blauen Guramis mit seinem fiesgemusterten Hawaiihemd ein Dorn im Auge sein könnte. Also was weiß ich, ich fänds einfach spannend, was du daraus machst. Nicht weil du musst, weil Geschichte sonst bläh, sondern weil ich furchtbar neugierig bin.
Aber auch wenn nicht, die Güte deiner Geschichte, so, wie sie jetzt ist, besteht weniger in einer in sich stimmigen ausgefeilte Horrorgeschichtenlogik, sondern es ist ein Amüsierstück mit lustigem Geplauder und einem abartigen Ende. Naja, ich gebs zu, ich mag das halt. Sehr sogar.

Eine meiner Lieblingsstellen:

Der kleinste durchpflügt meine Stirn so langsam, wie der Mond aufgeht. Ein anderer stupst meine Lippen, einer Liebkosung gleich, ein dritter nähert sich meinem Ohr mit einer vertraulichen Botschaft. Alle schauen mich an, wie wachgeworden – ich bin der neue Mittelpunkt ihrer Welt. Fürwahr ein magischer Moment.

Viele Grüße an dich aus dem ergrauten Frankfurt

 

Hola@jobär,

danke, dass Du noch einmal nachgehakt hast.
Ich bin da etwas in der Zwickmühle. Ohnehin werde ich etwas verändern müssen, allerdings ist dieser Vorsatz abhängig von meinen Fähigkeiten. Schlimmstenfalls tue ich der Geschichte keinen Gefallen, wenn ich es nicht hinkriege.
Ich verspreche aber, dass ich’s versuchen werde.

Lass es Dir gut gehen!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola@Schwups,

danke schön für Deinen Kommentar.

Ich hab jedenfalls den Eindruck, du hattest Spaß beim Schreiben, und wenn das bei einem Text durchschimmert, ist das immer ein gutes Zeichen.
Stimmt. Ich beginne mit konzentriertem Gesicht und einer Idee. Während des Schreibens verändert sich das und ich beginne zu fabulieren, weiche vom Thema ab und der Spaß beginnt. Das Problem ist, dass ich im Nachhinein jede Menge ändern, nachbessern und streichen muss. Aber Du bist mit dem Text einigermaßen klargekommen und das freut mich, denn Du sagst:
auf der anderen Seite finde ich das kurzweilig und gut geschrieben

Nach der ganzen Korrigiererei erreiche ich dann doch noch den Leser und es stellt sich so dar:
... das kann ja auch schon Absicht genug sein.
Wieder mal Glück gehabt.

Vielleicht hast du ja den neuesten Roman von Stephen King gelesen, da geht es auch um Fische, die eine Art hypnotische Wirkung auf die Betrachter haben
Nein, hab ich nicht. Vielleicht müsste ich mich ärgern, wenn ich erkenne, dass er meine Idee geklaut hat. Fehlt nur noch, dass es auch diesen Piranha-Film gibt:D.

Was auffällt, sind die Wiederholungen der sterilen, farblosen Einrichtung und die Freundinnen, die Heiko verlassen haben. Könnte es sein, dass auch hier die Fische irgendwie ihre "Finger" im Spiel haben, und sich den Walther vielleicht deshalb schnappen, weil er sie in einem bunten Hemd füttern kommt (oder die Fische ihn sonst als Eindringling in Heikos Leben betrachten)?

Super Anregung! Weil:
Ich weiß es nicht ... aber ja, irgendwas fehlt noch.
Selten waren sich die Kommentatoren so einig. Auf jeden Fall werde ich versuchen, noch Butter bei die Fische zu tun. Allerdings schwebt wie ein böses Wölkchen das Wort ‚verschlimmbessern’ über mir.

Schwups, besten Dank für den (nötigen) Anstoß
und ein schöner Gruß!

José

 

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