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Bis zu den Sternen
Mit geschlossenen Augen genoss Martin die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf seinem Gesicht. Er nippte von seinem Bier und ging in Gedanken alles durch. Heute musste es glatt laufen. Er ballte die Faust unter dem Tisch. Nie hatte es gereicht. Aber dieses Mal würde es. Es musste einfach!
Sein Handy vibrierte. Beim Blick auf das Display verdrehte er die Augen und seufzte.
„Peter. Was is?“
„Hallo Martin. Du, ich wollte dich nur daran erinnern, was für uns auf dem Spiel steht. Versau es bitte nicht!“
Martin schnaubte. „Hab ich´s schon jemals versaut?“
„Ich meine ja nur. Denk an deinen Tobi. Es soll doch was aus ihm werden.“
„Ach, komm mir nicht damit. Ich denk an nix anderes.“
„Oder tut es dir auf einmal leid? Du wirst doch jetzt keine Gewissensbisse kriegen, oder?“
Martin stierte in sein Glas, beobachtete, wie der Schaum sich auflöste.
„Komm schon. Es ist unsere letzte Chance, Martin. Wenn es heute Abend gut läuft und wir ihn endlich haben, können wir es ganz weit bringen. Dann steht unserer Zukunft nichts mehr im Weg. Martin! Überleg doch mal. Wir brauchen das Ding!“
„Jaja, schon gut. Hab´s verstanden. Pass auf, dass dir nich gleich einer abgeht!“ Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich eine junge Frau näherte. „Sie ist da. Ich mach jetzt Schluss. Bis später, Partner.“ Martin drückte ihn weg.
Mit verschränkten Armen lehnte er sich zurück und beobachtete sie. Gut gebaut war sie jedenfalls, so Anfang Zwanzig, schätzte er. Typ amerikanische Countrysängerin. Es fehlte nur noch die Gitarre. Die passenden Cowboystiefel trug sie bereits.
In einigem Abstand blieb sie stehen. Trat von einem auf den anderen Fuß und krallte ihre Hände ineinander. Er konnte ihre Nervosität beinahe riechen.
„Hallo, ich komme wegen der Anzeige. Bin ich hier richtig?“, piepste sie.
Er setzte ein gewinnendes Lächeln auf, straffte die Schultern und stand auf. Mit vorgestreckter Hand ging er auf sie zu.
„Du bist also Jenny und willst ein Star werden, ja?“, dröhnte er.
Sie strahlte ihn mit braunen Rehaugen an und strich sich eine Strähne hinter das Ohr.
„Ja, genau. Ich hoffe, dass ich gut genug bin.“
„Na, das werden wir dann schon sehen. Komm gleich mit zu meinem Laden. Die warten schon auf uns. Ach, und übrigens: Nenn mich einfach Martin!“
Er warf einen Geldschein auf den Tisch, legte ihr einen Arm um die Taille und schob sie sanft mit sich.
Martin drückte ihr den Knebel in den Mund und rieb sich die Schläfen. Ihr Gejammer bereitete ihm Kopfschmerzen. Diese hohe Stimme! Furchtbar!
Jenny wimmerte, ihr Blick glitt hilfesuchend durch den gekachelten Raum.
„Kannste dir sparen, Mädel! Das haben schon ganz andere probiert“, knurrte er.
Sie wollte ihn bloß in die Irre führen, ihn weichkochen mit dem ganzen sentimentalen Scheiß, damit er sie gehen ließe. Wollte ihm Details aus ihrem Leben aufdrängen. Von ihren Eltern und wie sie lebte und so einen Blödsinn. Damit er Mitleid bekäme. Das kannte er schon und es hatte bisher noch keiner etwas gebracht.
„Glaub ja nicht, dass mir das Spaß macht. Aber ich muss es leider tun.“
Der Gestank nach Exkrementen stieg ihm in die Nase. Er verzog das Gesicht und nahm ein Kaugummi aus seiner Tasche. Der Zimtgeschmack breitete sich auf seiner Zunge aus und überdeckte die Beleidigung seiner Geschmacksknospen.
„Weißte, was euer Problem ist?“ Er blickte einen Moment lang in ihre aufgerissenen braunen Augen, in denen sich die Neonröhren spiegelten.
„Ihr Weiber begreift es einfach nicht“, fuhr er kauend fort. „Du nicht und die anderen auch nicht. Warum könnt ihr denn nicht verstehen, wie wichtig diese Sache für mich ist?“
Mit einigen kräftigen Fußtritten pumpte er die Metallliege auf eine angenehme Arbeitshöhe, schließlich musste er seinen Rücken schonen. Einen Moment lang dachte er an Tobi, was er von ihm halten würde, wenn er das hier mitbekäme. Martin schüttelte den Kopf und schob den Gedanken beiseite. Er durfte sich nicht ablenken lassen! Dann griff er nach einer Schere, wog sie in seiner Hand, bevor er ihr die Bluse aufschnitt. Sie zappelte und versuchte sich aufzubäumen. Es half nichts, zu sehr waren ihre Bewegungen durch die Lederriemen um ihren Körper eingeschränkt.
„Dabei hast du es doch selbst so gewollt. Hat dich doch niemand gezwungen, auf meine Anzeige zu antworten.“
Er zuckte mit den Schultern, bevor er sich der Hose widmete. „Du wolltest doch ein Sternchen werden. Jetzt wirst du eins. Hoffentlich.“
Die Fetzen der Bluse schmiss er in eine Ecke. Die verschmutzte Hose gleich hinterher. Er würde sie später entsorgen. Gemeinsam mit den anderen Habseligkeiten, die sie bei sich trug.
Nachdem er die restliche Kleidung und den Schmuck entfernt hatte, trat er einen Schritt zurück. Er neigte den Kopf und kratze sich über die Bartstoppeln, während er sie begutachtete.
Ganz still lag sie da und blickte zur Decke. Scheinbar hatte sie endlich eingesehen, dass es keinen Sinn hatte, sich zu wehren. Eine Träne lief seitlich ihren Kopf hinunter bis zu dem See, der sich in den Ohren gebildet hatte.
Die Brust hob und senkte sich unter ihrer hektischen Atmung. Hin und wieder wimmerte sie.
Martin nahm eine Bauchfalte zwischen Daumen und Zeigefinger.
Perfekt. Weder zu fett, noch zu mager.
Zufrieden nickte er. „Hab doch gleich gewusst, dass du was ganz Besonderes bist.“
Mit ihrer Hilfe konnte er zu wahrer Größe aufsteigen.
„Bis zu den Sternen“, flüsterte er mit einem seligen Lächeln.
Sie stank etwas nach Schweiß, aber das störte ihn nicht. Martin holte sich den Hochdruckreiniger von der anderen Seite des Raumes und streifte sich die Gummischürze über.
„So, Mädel. Gleich biste wieder schön sauber.“
Als er das Wasser anstellte und den harten Strahl auf sie richtete, zappelte sie wieder und plärrte unerträglich. Doch der Knebel dämpfte ihre Schreie.
Martin warf einen Blick zu der zentimeterdicken Brandschutztür und zuckte mit den Schultern. Niemand würde sie hier unten hören.
Dann konzentrierte er sich auf den Körper, der mittlerweile einen dunklen Rotton angenommen hatte. Am schwierigsten fand er den Bereich zwischen den Beinen. Die meisten wehrten sich da immer am stärksten. Doch gerade dort waren sie oft sehr stark verschmutzt. Schnaufend drückte er mit der freien Hand die Knie auseinander, um mit der anderen den Strahl auf die Genitalien zu richten.
Schließlich stellte er das Wasser ab und tupfte sich mit einem Geschirrtuch über die Stirn.
Geschafft.
Zitternd lag sie vor ihm, der knallrote Körper war mit Gänsehaut übersät und zuckte unter unkontrollierten Schluchzern.
Martin spuckte den Kaugummi auf den Kleiderhaufen und zog einen Instrumentenwagen zu sich heran. Er besah sich sein Werkzeug: Messer, Knochensägen und Geflügelscheren in verschiedenen Größen lagen dort für ihn bereit. Fein säuberlich der Einsatzart nach sortiert, glänzten sie im Neonlicht. Er nahm ein unterarmlanges Messer und betrachtete es liebevoll.
Jenny fiepte in schrillen Tönen durch den Knebel hindurch. Sie starrte auf das Messer, die Augen weit aufgerissen und zerrte an den Armriemen.
Martin seufzte und legte das Messer beiseite. „Tut mir leid, Mädl. Ich würd dir ja gern was geben. Was gegen die Schmerzen, mein ich. Aber dann is die Qualität halt nich mehr so gut. Und dass wolln wir ja schließlich nich, oder?“
Er strich ihr eine Strähne hinter das Ohr. Dann zog er den Knebel fester, bis die Lippen nur noch zwei weiße Striche waren und griff erneut nach dem Werkzeug.
Er zögerte. Wollte er das wirklich tun? Kopfschüttelnd verwarf Martin die Zweifel. Er musste.
Noch bevor er den ersten Schnitt machen konnte, klingelte das Wandtelefon neben der Tür. Aufstöhnend warf er das Messer auf den Wagen zurück und stapfte zu dem Apparat.
„Was?“, bellt er in den Hörer.
Hinter sich konnte er sie wimmern hören.
Eine Hand auf den Hörer gelegt, drehte er sich halb zu ihr um. „Hör auf damit!“, zischte er.
„Chef?“, kam es zaghaft von der anderen Seite der Leitung. Sein Oberkellner. Typisch. Dabei wussten seine Leute doch, dass sie ihn hier unten in Ruhe lassen sollten.
„Micha! Was is denn nu schon wieder?“ Er trommelte mit den Fingerspitzen gegen die Wand.
„Sorry, Chef. Echt, ich wollte ja gar nicht stören. Aber da is so ein Typ. Das is bestimmt der Kritiker. Und die Reimers sind auch da. Die haben schon nach dem Spezialgericht von heute gefragt.“
Martin sah zu der Frau auf der Liege. Sein Blick glitt über die wohlgeformten Rundungen. „Is in Arbeit.“
„Ach und Chef? Dieses Mal kriegen wir den Stern. Bestimmt!“
Ohne eine Antwort zu geben, hängte er den Hörer ein und wandte sich seinen Werkzeugen zu.
„Bis zu den Sternen“, wisperte er.