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Bis dass der Tod euch scheidet.
„Heute werde ich es ihr sagen“,
sage ich mir leise, mit einem Lächeln im Gesicht, nachdem ich aus dem Auto ausgestiegen bin und die Hauptstraße entlang gehe, die Straße, die mich zu Lisa führen wird. Lisa. Meine Angebetete. Meine Sonne. Mein Leben. Und heute werde ich ihr sagen, dass ich sie heiraten möchte.
Heute wird der Tag unserer Sommerabende am See, unserer gemeinsamen Spaziergänge, die durch Sommerwärme und Zweisamkeit sich zu etwas Magischem entfalteten, unserer gemeinsamen Nächte der uneingeschränkten Leidenschaft und Liebe, und nicht zuletzt unseres ersten Kusses sein. Denn heute werden all diese Erlebnisse ihre Bestimmung erfüllen und Lisa und mich zu Mann und Frau machen.
Ich steige hölzerne Treppen hinauf. Die Treppen zum Himmel.
Mir fehlt die Luft zum Atmen, bis ich vor der mir so vertrauten blauen Tür stehe.
Ich lockere meinen von meiner Aufregung beherrschten Griff um die Rosen, die ich Lisa mitgebracht habe. Freude macht sich nun in mir breit.
Freude auf Lisas Gesicht, auf ihr Lächeln und den Beginn unseres gemeinsamen Glücks.
Unserer gemeinsamen Ewigkeit.
Ich klingle und meinem Herz scheint der Platz in meiner Brust nicht mehr zu reichen als die Tür beginnt sich zu öffnen, und ich einer Frau in die Augen sehe.
Doch es ist nicht Lisa. Ich frage „ Wo ist Lisa?“
Wie aus heiterem Himmel fängt sie hysterisch an zu schreien, ich solle aufhören und akzeptieren. Ich verstehe sie nicht.
Mit ihrer ganzen Kraft versucht sie mich aus der Tür zu drängen.
Doch ich weiche nicht, worauf sie anfängt mir mit ihren mit Wut geballten Fäusten auf die Brust zu hämmern.
„Wo ist Lisa?“, schreie ich zurück, nachdem ich ihre Schläge unterbrochen habe, indem ich ihre Hände mit den Meinigen umklammerte.
„Weg ist sie, Tom, und du weißt wo sie ist. Du weißt es genau, Tom!“
Flüstert sie weinerlich und kraftlos. Sie beginnt am ganzen Körper zu zittern und sichtlich vor Verzweiflung , fällt sie mir in die Arme.
„Sie wurde uns genommen, Tom, sie ist nicht mehr da, das weißt du, du weißt es genau, Tom. Sie ist tot, Tom.“
Dunkelheit macht sich in meinem Kopf breit und bietet den passenden Hintergrund zu den verdrängten Bildern die sich nun Stück für Stück befreien.
Bilder von Flammen umringt von Angst, Schreien, Blaulicht und Hilflosigkeit.
Es ist als stände ich auf einmal vor Ort. Mitten auf der Autobahn.
Sie versuchen sie zu retten - aus den Flammen. Doch es ist vergeblich.
Erinnerungen an Verzweiflung, Tod und Schmerz verdrängen jene an Liebe und Freude.
Ich wache auf,in die Gewissheit, dass Lisa tot ist. Wie aus dem Koma erwache ich, um zu erkennen, dass ich zurück will.
Zurück zu meiner Liebsten und der Freude, der Glückseligkeit.
Zurück zur Liebe und weg vom Tod.
Doch mir wird klar, dass mir diese Welt diesen Wunsch nicht erfüllen kann.
Diese nicht.