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Betty und Pablo

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04.04.2008
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Betty und Pablo

Betty und Pablo

Betty ist stets für eine Überraschung gut. Sie erzählt erstaunliche Geschichten und tut erstaunliche Dinge.
Wenn ich dann sage:«Das ist ja wirklich toll! Was du so alles weißt!«, meint Betty:«Ich bin ja auch schon dreieinhalb und ziemlich schlau.«
Das ist wohl wahr.
»Oma«, sagt Betty heute, auf dem Weg zur Tagesmutter, »ich gehe jetzt jeden Tag arbeiten.«
Ach was! Ich muss einen Moment überlegen; bloß nicht in eine Bettyfalle tappen!
Vorsichtig frage ich: »Gehst du denn nicht mehr zur Tagesmutter und zu den anderen Kindern?«
Betty nickt eifrig. »Doch, doch, da arbeite ich ja.«
Prima, dann sind wir zumindest auf dem richtigen Weg. Ich denke blitzschnell nach. Betty weiß, dass Papa und Mama arbeiten müssen, damit sie leckeres Essen und Bilderbücher kaufen und mit Betty ans Meer fahren können. Mama und Papa bekommen Geld für ihre Arbeit, das weiß Betty ebenfalls, doch Geld ist in ihrem Universum noch eine abstrakte Größe. Wenn wir Einkaufen spielen, kostet jeder Artikel fünfzig Euro, ganz gleich, ob es ein Apfel oder ein Pfund Brot ist. Es kann sein, dass ich Mehl in ihrem Laden kaufe und Betty gibt mir obendrein noch fünfzig Euro in Duplosteinwährung. Erklärungen will sie nicht hören, Geld ist einfach nicht wichtig; wie schön...
Ich wage eine nächste Frage.
»Was arbeitest du denn bei deiner Tagesmutter?«
Betty lässt meine Hand los, baut sich vor mir auf und stemmt die Hände in die Hüften. Ich erschrecke ein bisschen.
»Ich arbeite alles, was es gibt, Oma! Die Claudia schafft das ja nicht alleine!« Betty nimmt wieder meine Hand, mit der anderen schiebe ich den Buggy. Was sage oder frage ich jetzt? In der Bettywelt ist alles glasklar und einfach, in der Omawelt ist alles durcheinander und kompliziert. Das kommt häufiger vor. Betty schaut mich mitunter mitleidig an, weil ich so schwer von Begriff bin. Jetzt brauche ich sicheres Terrain.
»Und was machen die anderen Kinder?«
Betty bleibt stehen. »Das sind doch meine Kollegen, Oma, wir arbeiten zusammen bei Claudia.« Sie überlegt einen Moment. »Nur Elisa nicht, die ist fast noch ein Baby.« Pause. »Und weißt du was, Oma? Pablo, der arbeitet am allermeisten.«
Pablo ist Bettys Plüschhase, ein abgewetzter Schlenkertyp mit vorstehenden Zähnen, Schlappohren und einem dümmlichen Grinsen. Er begleitet Betty seit fast dreieinhalb Jahren und ist inzwischen für alles verantwortlich, was Betty so anstellt. Wenn sie zum Beispiel keine Strümpfe anziehen will, sagt sie, dass Pablo es verboten hat. Wenn sie zuviel Gummibärchen gegessen hat, war das ganz sicher eine Anweisung von Pablo. Momentan liegt er faul im Korb unter dem Sitz des Buggys.
»Stopp mal, Oma«, sagt Betty und zieht ihn heraus. Ich begrüße Pablo, ziehe freundlich an einem Schlappohr und denke, dass er dringend in die Waschmaschine muss.
Betty nimmt Pablo in den Würgegriff und sagt mit großer Ernsthaftigkeit: »Wir gehen wieder arbeiten Pablo, okee?«
Rasch hake ich nach.
»Bekommt ihr denn Geld für eure Arbeit, so wie Mama und Papa?«
Sie schaut Pablo an, der schlenkert wild mit dem Kopf. Betty seufzt.
»Nein, nein«, sagt sie und sieht mich leicht genervt an. »Wir kriegen doch Kakao und Mittagessen und Pudding«.
Klingt in meinen Ohren wie 'Kost und Logis frei'.
Ich warte ab, vielleicht geht die Unterhaltung ja weiter. Doch Betty hüpft mit Pablo über den Gehsteig, dann reicht sie mir eine schmuddelige Hasenpfote und sagt:«Pablo will zwischen uns laufen und eine Kabine, Kabeine, Kabauz machen.« Na gut, besser Pablo schwingt zwischen uns herum und Betty bleibt gut gelaunt, als dass ich weitere dumme Fragen stelle.

Inzwischen sind wir bei der Tagesmutter. Die Haustür steht offen und von drinnen höre ich Lachen und Stimmengewirr. Claudia kommt in den Flur. »Hallo, guten Morgen. Betty, komm schnell rein, wir feiern heute Paulas Geburtstag.« Eigentlich wollte ich Claudia noch fragen, was es mit der Kinderarbeit so auf sich hat, doch da stürmt Betty mit Pablo bereits ins Haus. »Tschüss mein Schatz«, rufe ich noch, doch Betty hat wohl unverzüglich mit der Arbeit begonnen.

 

Erklärungen will sie nicht hören, Geld ist einfach nicht wichtig; wie schön[...]...​

»Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von …«,
da hat sich aber der Begriff der „Arbeit“ sehr gewandelt seit einer der ersten schriftlichen Bezeugungen in unserer Sprache,

liebe Jutta,

und ich bin überzeugt, dass Betty (oder wer auch immer im gleichen Alter) sich nicht vom Gesetzgeber das Tagewerk verbieten lässt.

Wäre ja noch schöner!

Aber was ist die Bettyfalle?
...
Ach, jetzt weiß ich …
hat halt bei jedem Dreikäsehoch eine anderes Netz (das heißt so bei einem Schuppenträger wie`t windje).

Betty weiß, dass Papa und Mama arbeiten müssen, damit sie leckeres Essen und Bilderbücher kaufen können. Und damit sie mit Betty ans Meer fahren können.​
Nix falsch, aber es gibt einige Dutzend (ziemlich genau fünf - halt einen Schock) an Synonymen, das simpelste ist ein dass ...

Aber Oma, Komma nich’ vergessen

»Ich arbeite allesKOMMA was es gibt, Oma!​

Wenn sie zu[...]viel Gummibärchen gegessen hat, …​

Betty hat wohl unverzüglich mit der Arbeit begonnen.​
Das nenn ich „Pflichtbewusstsein"!

Gern gelesen von

Het windje

 

Die Bettyfalle, lieber Friedel, besteht in einer bestechenden, nicht nachvollziehbaren Logik einer dreijährigen Alleswisserin, deren momentanes Vorbild Lotta aus der Krachmacherstraße ist.
Vielen Dank für deinen Kommentar und schönen Sonntag!
Tot ziens,
Jutta

 

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