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Bettprobleme
Als Weber einmal früh nach Hause kam, fand er die Wohnung von solcherart Tönen erfüllt, die einem Mann das Blut heiß werden lassen. Ein Wimmern und Keuchen war zu hören, wie es einzig dem tiefen Rachen einer Frau entspringen kann. Weber schloss sacht die Türe hinter sich, streifte die schwarzen Lackschuhe ab und schlich auf Socken in Richtung des gemeinsamen Schlafzimmers. Das Wimmern verstummte, je näher er der Quelle kam, und wurde durch stoßweises Atmen durch die Nase abgelöst.
Weber verzog den Mund: In seinem Magen stiegen Bläschen auf, bis sie hoch oben explodierten und ihm einen Geschmack auf die Zunge legten, als habe er von verdorbener Milch gekostet.
Sein Herz pumperte, dass er meinte, Vogelküken schlüpften in seiner Brust, und noch zwei Armeslängen von der offenen Tür entfernt, presste er sich flach gegen die Tapete und hielt inne.. Denn ihm war klar: In den nächsten Minuten galt es, ein Mann zu sein. Nun käme einer jener Augenblicke auf ihn zu, an die er sich noch lange und oft erinnern würde. In der Vergangenheit war er von jenen Momenten viel zu häufig überrascht worden, sie waren an ihm vorbeigezogen oder hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihm auszuweichen, sondern waren einfach durch ihn hindurchgefahren, dass er sich ihrer nur voll Scham und Wehmut erinnern konnte. Einige Male war er in jenen Momenten betrunken gewesen. Andermal hatten sie ihn in einem emotionalen Ungleichgewicht vorgefunden. Entweder war er zu traurig und niedergeschlagen gewesen, um sich ihnen mit breiter Brust in den Weg zu stellen, oder er war durch den Übermut des Augenblicks unvorsichtig geworden, nicht in der Lage, seine beste Leistung abzurufen. Dieses Mal würde es anders ablaufen. Dieses Mal war Weber vorbereitet.
Jedoch, leise klopfte der Gedanke an sein Bewusstsein: Warum konnte er einzig die Lustgeräusche seiner Freundin vernehmen? War es möglich, dass sie mit einem Liebhaber zugange war, der gänzlich unempfindlich gegen ihre Reize sein sollte? Dem es möglich war, jene Peinlichkeit zu vermeiden, die Weber viel zu häufig und regelmäßig widerfuhr?
Zorn flammte in Weber auf, als sei ein Gasherd entzündet worden.
Weber blieb dicht an die Wand gepresst, zog sich der Tür entgegen, als stünde er auf einem Fenstersims und hätte den Abgrund vor sich. Frühere Momente zogen an ihm vorbei und zeigten ihm die grässlichen Fratzen seiner Unzulänglichkeit, bis er schließlich am Türrahmen war und erneut das Schnauben seiner Freundin vernahm.
Endlich überwand sich Weber, fand die Kraft über seine Schulter zu linsen, ins Schlafzimmer hinein.
Dort in einem Himmelbett lag seine Freundin auf dem Bauch. Sie war nackt, die Arme hatte sie weit von sich gestreckt, die Hände in das Bettlaken gekrallt, und zwischen ihren Schenkeln hielt sie ein weißes Kopfkissen. Die Beine waren angewinkelt, die Sohlen zeigten zur Decke. Und dann raschelte das Kissen, die Beine bewegten sich, sie drückten das Kissen, sie quetschten, sie bewegten es!
Die Kante des Kissens, so folgerte Weber, musste gegen die Vagina seiner Freundin drücken. Oder gegen die Klitoris. Oder gegen irgendetwas anderes da unten, von dessen Existenz Weber nichts wusste. Und mit welcher Energie die Beine seiner Freundin das Kissen da nach oben und wieder nach unten führten. Mit welcher Regelmäßigkeit es sich hob und senkte, senkte und hob – und wie laut seine Freundin dabei wurde.
Weber malte sich aus, so müssten Perlen entstehen. Poliert und poliert und wieder poliert.
Und noch mehr passierte: Weber sah nun, dass die Hände seiner Freundin sich ins Laken verkrallten, bis die Fingerknöchel weiß zu werden drohten, und sie drückte ihren Rücken durch, dass die Brüste in die Matratze getrieben wurden.
In Webers Kopf spielte sich eine Diskussion ab: Nach dem Grund dieses Unsinns würde er da fragen. Ob sie vielleicht meine, das sei alles ganz okay, immerhin fasse sie sich ja nicht selbst an! Es sei ja keine Selbstbefriedigung, kein Verrat an ihm und ihrer Beziehung. Gar nichts passiere da, oder was, was wollte sie ihm sagen? Keine Finger? Das bin ja gar nicht ich? Meine Beine, wer hätte das gedacht? Das böse Kissen, was kann ich denn dafür?
Wieder wurde seine Freundin leiser, das Kissen ruhte – Kante auf Kante!, wie Weber dachte. Erneut schnaubte sie durch ihre Nase, so wie ein Hund hechelt, weil er nicht schwitzen kann. Ihr Po schaute nun, da die Beine das Kissen nicht mehr verkrampft hielten, entspannt nach oben, so wie Sahne auf einem Eisbecher thronte. Die Hände ruhten auf dem Laken, doch schon erhob sie sich wieder, nur kurz hatte sie inne gehalten, eine letzte Pause in einem perfiden Stück, dessen Noten Weber nicht kannte.
Er meinte es kommen zu sehen, die Muskeln in ihren Beinen spannten sich erneut, die Hände machten sich bereit zuzugreifen, und schon wieder rieb das Kissen an der Perle seiner Freundin. Härter und stärker noch als zuvor, so schien es, denn das brünstige Schreien und Stöhnen schwoll an, immer heftiger ging es da zu, geschoben und getreten wurde da, dass er jeden Wirbel im Rückgrat zu sehen meinte, das Becken flog auf und ab, und – Weber konnte es nicht anders sagen – seine Freundin fickte das Kissen.
Weber räusperte sich, doch seine Freundin war so laut und weg, dass es war, als tröpfle er zwei Tränen in den Ozean. Er stampfte mit dem Fuß auf wie ein trotziges Kind. Socke auf Schlafzimmerboden. Kein Moment für die Ewigkeit. Seine Freundin nahm ihn nicht wahr. Da fasste Weber allen Mut zusammen, trat mit zwei schnellen Schritten ans Bett und riss ihr mit der rechten Hand das Kissen zwischen den Beinen heraus, bohrte seine Hände tief in die verräterischen Daunen und warf es in hohem Bogen durch die Luft, bis es sanft gegen die Wand segelte und nach unten plumpste. Und wie es da lag, und er die Schenkel seiner Freundin an seiner Hand und an seinem Arm spürte, ihr Drängen und Schieben, da meinte er, an der Seite des Kissens, die nach unten gezeigt hatte, etwas feucht glitzern zu sehen.
Weber war nun in der glänzenden Lage, alleine dadurch am Liebesspiel seiner Freundin teilhaben zu können, dass er die Stellung seiner Hand veränderte und entweder mit der flachen Hand nach unten drückte oder eine beliebige Anzahl von Fingern streckte.
Gewissenhaft beobachtete er, welche Stellung seiner Hand welche Reaktion auszulösen vermochte, ob das stete Stöhnen und Keuchen, von dem er schon seit einiger Zeit wusste, dass es sich dabei um die Begleiterscheinungen eines koitalen Endspurts handeln musste, sich irgendwie beschleunigen ließe. Wenn er vielleicht mit dem Knöchel des Zeigefingers nach unten stieße oder ob es besser wäre, hier, im Schraubstock ihrer Beine eingespannt, einen anderen Bohrkopf zu verwenden? Doch was er auch versuchte und probierte, es änderte sich nichts. Ja, nichts vermochte er auszurichten. Zwar spürte er die Schenkel an seinem Unterarm und an den Fingerspitzen mochte er auch von Zeit zu Zeit eine Art Widerstand ertasten und die Finger krallten weiter so fest ins Laken, dass er meinte, die Haut müsse jeden Moment von den Knochen platzen, doch nichts deutete darauf hin, dass seine Freundin, und damit er, ihrem gemeinsamen Ziel in irgendeiner Form näher rückten.
Seine Schulter schmerzte seit einiger Zeit und er fragte sich, wie in Gottes Namen seine Freundin das nur durchstand, und viel mehr fragte er sich, wie überhaupt irgendein Mann auf der ganzen Welt so etwas durchstehen sollte. Und noch immer keine Veränderung ihres Zustandes.
Kein Schweißtropfen irgendwo zu erkennen. Und das Gestöhne und Gewimmer – nicht länger durch das satte Schnauben einer Pause unterbrochen – hörte sich asthmatisch an und gurgelnd.
„Schatz, du kannst auch aufhören“, hörte sich Weber sagen. „Es ist okay, ich bin dir nicht böse, du hast ja nicht die Hände genommen.“
Keine Reaktion seiner Freundin. Weber versuchte seinen Arm aus der Umklammerung der Schenkel zu ziehen, sein Schlüsselbein brannte, die Beine verkrampften sich um ihn, wieder und wieder wurden seine Finger nach unten getrieben, bis er die Gelegenheit nutzte, als die Beine nach oben fuhren, sich mit einer raschen Drehung der Hüfte den Arm frei zu kämpfen und auch die Hand, die Weber nun vor seine Augen führte und an deren Fingerkuppen er, während seine Freundin weiter auf- und abjuckelte, weiße Daunenfedern bemerkte.
„Hör auf“, rief er. Doch seine Freundin immer noch, wie eine einmal aufgezogene Maschine, auf dem Laken, jeden Wirbel ihres Rückgrats konnte er sehen, auf und ab, röchelte und stöhnte, Blut rann aus ihrem Mundwinkel auf das Laken, Daunenfedern an Webers Händen.
Weber rüttelte an den Schultern seiner Freundin, nichts, weiter: Auf und ab, er legte sich mit seinem Oberkörper auf ihre Beine, doch sie trommelten weiter gegen ihn, gegen seinen Brustkorb, ein Fingerknöchel an ihrer linken Hand hatte die Haut durchdrungen, der blanke Knochen, als hätte ihn ein Insekt abgenagt, ragte ins Freie. Sie trat ihn gegen die Lunge, von unten gegen den Brustkorb, die Sehnen an ihren Beinen wie Stahlseile gespannt.
Während Weber noch auf ihren Beinen hockte und hin- und hergeschleudert wurde, als stünde er auf einer Hüpfburg, und während er darüber nachdachte, wie zum Teufel er das hier alles erklären sollte, vor anderen und auch vor sich, wie er in diesem Moment später einmal dastehen würde, sah er das Kissen in der Ecke liegen und wieder sah er die kleinen Daunenfedern an seinen Fingern, die sich gierig an ihn schmiegten, seine Finger wärmten, ihn fast mit einer Decke überzogen – ein erneuter Tritt gegen ihn, das Knie erwischte ihn von unten, Weber stützte sich auf seine Ellenbogen, zog sich im Bett nach vorne – kein Hecheln mehr, kein Stöhnen, ein lautes, rotes Gurgeln drang allein aus ihrer Kehle – und Weber erreichte das Kissen, das dort in der Ecke lag, streckte seine von Daunen überzogenen Finger nach ihm aus, ergriff es an einer Ecke – es schmiegte sich an ihn, ganz weich - und schob es unter sich an seinem Bauch vorbei, zwischen die Beine seiner Freundin.
Eine Weile blieb Weber noch so liegen, bis es still im Zimmer geworden war.