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Bettgeschichten
Das sind keine frivolen, sondern sehr friedvolle Gedanken, vom ersten süßen Entschlummern, über die kurzen und längeren Schlafphasen mit einem Küsschen zwischendurch und einem Kurzbesuch beim Kühlschrank bis zum wohligen Erwachen.
Das wäre zumindest der Idealzustand, doch ein Bett kann auch Feindesland sein – dazu muss es nicht unbedingt vermint sein.
Oft sind Geräusche wie im Krieg zu vernehmen. Ein schreckliches Rasseln, als ob ein Pulk schnaufender Panzer gerade das Kissengebirge überwindet, und dann mit grauslichem Gegurgel einen Hochwasser führenden Fluss durchquert. Da kann die ganze Gegend beben.
Und Partisanen gibt es, jeder Couleur! Es können spitze Fußnägel sein, die blutige Spuren auf der anderen Haut hinterlassen, aber es kann auch ein ganzer Arm sein mit daran hängender Männerhand, der aus dem Nichts heranfliegt und der Liebsten aus Versehen das Nasenbein bricht. Es gibt Kolosse, mit Walrossen vergleichbar, die alles unter sich begraben, und es gibt Zappelschläfer, die des Nachts einen Veitstanz nach dem anderen aufführen.
Auch die Unvorsichtigen kennen wir, die nächtens all das ausplaudern, was sie sich tagsüber bemühen zu verschweigen, und es gibt die Mehlsäcke, die unbeweglich, wie nass geworden, die lange Nacht in unveränderter Stellung verharren.
Niemand weiß, warum das alles Männer sind.
Frauen sind nicht nur tagsüber, sondern auch bei Nacht die Klügeren. Sie sind still und stöhnen nur, um schnell wieder in Ruhe gelassen zu werden. Sie sind geschmeidig, nachgiebig wie junges Bambusrohr, haben starke Nerven und sind ausgebuffte Diplomaten – mit und ohne Worte.
Aber sie sind zu lieb. Als ob sie all das nächtliche Ungemach wegdekorieren könnten mit Firlefanz aus dem Versandhandel, mit noch mehr Kissen und Nippes, einem dritten Mobile am Fenster und einer Seidenschleierschwanzfrau im Hochzeitsschleier. Statt dessen sollten sie das Wort „HILFE!“ in großen Lettern an ihre Schlafzimmerfenster kleben – in Spiegelschrift, damit es die Welt wahrnehmen kann.
Warum vergelten sie die demolierte Nase nicht mit einem ausgeschlagenen Schneidezahn, da doch in der Schublade des Nachtschränkchens ein bronzener Nussknacker liegt? Warum erhöhen sie nicht seine Lust am Gefesseltwerden durch eine Verlängerung der Prozedur bis in alle Ewigkeit? Und warum verstopfen sie ihre Gehörgänge statt sein Schnarchmaul?
Aber mein Hauptvorwurf zielt auf das Hauptproblem: Warum setzen sie, jetzt mehr emanzipiert als die Männer, nicht wenigstens eines der Menschenrechte durch, nämlich das Recht auf erholsamen, ungestörten Schlaf?
Sie müssten nur zum nächsten Baumarkt gehen und in einem Schnellkurs den Umgang mit der Kettensäge erlernen.
Damit sollen sie nicht die Gliedmaßen des nächtlichen Plagegeistes abtrennen, und seinen Kopf schon gar nicht, nein - dieses sogenannte Ehebett sollen sie zerlegen, das ja in Wirklichkeit ein echtes Anti-Ehe-Bett ist, ein Modell aus dem Mittelalter, damit Feinslieb immer verfügbar sei. Zerlegen in eine Stückgröße, die man leicht abtransportieren, notfalls in den Müllschlucker werfen kann.
Dann wird der Gatte aufgebügelt und ab geht es zum Bettenkauf! Sie hören nicht mehr auf die trainierten Fachverkäufer mit den Vorstellungen der Großeltern, sondern kaufen zwei Betten, jedes so groß wie das zersägte gemeinsame. Beim Probeliegen sagt Lucia: „Mensch, Harald, da schlafen wir in Zukunft wie damals in diesem Motel in Miami – der reine Luxus!“
Beim Verlassen des Möbelhauses sehen sie in der gläsernen Drehtür Beni und Iris und es dauert ein paar Umdrehungen, bis klar ist, ob man sich drinnen oder draußen treffen möchte. Leicht schwindelig begrüßen sie sich und Iris platzt mit der Sensation des Tages heraus: Sie unterschreibt jetzt mit Beni den Kaufvertrag für das erste gemeinsame Bett!
„Oh!“, sagen Lucia und Harald wie aus einem Munde.