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Begegnung mit der Wahrheit

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25.06.2002
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Begegnung mit der Wahrheit

Es waren die mit Abstand schrecklichsten Minuten meines kurzen Lebens. Es war, als fiel ein entsetztes Meer von stechenden Regentropfen auf mich ein. Es war, als stürbe ich bei vollem Bewusstsein. Es war, als mir die Wahrheit ihr Gesicht zeigte. Ein Gesicht, das mir die Welt von einem zum nächsten Augenblick vermieste; ein Gesicht, das mir seine kühlen Züge zeigte und mich das grausame Gefühl spüren ließ, dass ich an mir selbst ersticke.
Ich stand bei Einbruch der Dämmerung am Grabe meiner Großmutter. Friedhöfe hatten mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht das geringste Gefühl der Unsicherheit hervorlocken können, nein, allzu oft genoss ich es, über das weiche Kiesbett zu schreiten und dem erhabenen Knirschen der Steine beizuwohnen, das vertrauensvoll eine zärtliche Bindung mit der genügsamen Stille einging. Doch nun sollte es anders kommen, sollte dieser sonst so angenehme Ort Zuschauer eines innerlichen Kampfesschauspiel werden. Vielleicht mag dies daran gelegen haben, dass ich zum ersten Mal allein dort war. Ich weiß es nicht. Jedenfalls überkam mich plötzlich und in rasender Geschwindigkeit ein tiefes Gefühl. Es wurde mir klar, wie erbärmlich ich bin, wie klein die Menschen sind. In einigen Jahren werde auch ich hier liegen, dachte ich, jämmerlich, wie ein getötetes Wild am Wegesrand, das seine letzten schweren Atemzüge getan hat. Ihm wurde keine Beachtung geschenkt. Meine Lieben werden mein Grab besuchen, klammern sich vielleicht an die Hoffnung, es gehe mir nun besser als zu Lebzeiten, versuchen, dem Schicksal des Menschen zu entgehen. Ich weine. Bitterlich. Sinke hinab auf Knien. Es regnet. Meine Wangen sind kühl. Die Kieselsteine bohren sich rücksichtslos in meine Knie. Warum leben? Nein, wir leben nicht! Unser ganzes Dasein ist ein einziges Sterben, ein pausenloses Fortschreiten bis zum bitteren Ende, bestimmt von einem höheren Ziel. Wir sind so klein, so eingeschränkt, wie es unsere Worte nicht beschreiben können. Wir streben nach Erfolg in unserem kleinen Kosmos, ohne uns darüber bewusst zu werden, wie sinnlos doch jedes Ziel sein muss, wenn wir hier enden. Zwanzig, vielleicht dreißig Jahre bleiben unsere jämmerlichen Reste der Nachwelt erhalten – dann sind wir auch in den letzten Gedankenfetzen ein Nichts. Traurige Wahrheit.
So muss sich der Tod anfühlen. Es ist, als bahnten sich die Regentropfen einen unaufhaltsamen Weg mitten in mein Herz hinein. Sie ist so grausam, diese Wahrheit, dieses Bewusstsein über die eigene Nichtigkeit. Ich renne. Einfach nur weg. Grässliche Momente. Bis ich mich beruhigte.
Ich liebe Friedhöfe.

 

Praktisch ist alles, was weiterführt.
- da gebe ich dir vollkommen recht, michael. allerdings muß ich schon sagen, daß deine art, eine argumentation zu führen nicht unbedingt weiterführt. aber vielleicht ist es DEIN weg. den respektiere ich. bitte respektiere auch, dass ich nicht bereit bin, diesen weg mit dir zu gehen. beste grüße. ernst

 

Hallo Ernst,

entschuldige wenn du das, was ich gesagt habe, als zu ruppig empfunden hast. Ich habe es bestimmt nicht so gemeint und ich meine hier nie etwas persönlich. Du hattest mich nur (durchaus positiv) provoziert, indem du Philosophisch-Theoretisches dem Praktischen gegenübergestellt hast. Das Thema hier ist ja auch die Wahrheit und ich denke, dass man da am besten weiterkommt, wenn man Irrtümer und Illusionen, die sich in der eigenen Meinung verbergen, herausfindet und das geht halt viel schneller, wenn man akzentuierter schreibt. Im Internet gibt es aber die Gefahr, dass der Ton missverstanden wird, weil er ja nicht mitübertragen wird.

Deine beiden Antworten hatten für mich Unstimmigkeiten enthalten und ich empfinde es als unehrlich, wenn ich das nicht sage. Goethe sagt: "Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist" (Faust II) Aber das will ich nicht. Ich hoffe du verstehst das. Es ist doch ein wichtiges Thema.

Viele Grüße, Dein Michael

 

lieber michael, da schätzt du mich falsch ein. ich schätze gerade bei kg.de die OFFENE und EHRLICHE art der auseinandersetzung. nur das fordert und fördert. etwas persönlich zu nehmen liegt mir absolut fern bei einer sachlichen kritik. was mit nicht gefällt ist die haarspalterei - das ist einfach eine ebene, auf die ich mich nicht gern begebe. nichts für ungut und beste grüße. ernst

 

Ich habe etwas sehr Passendes zu diesem Thema gefunden, was meiner Meinung nach sehr schön auszudrücken vermag, in welchem Verhältnis Liebe und Tod zueinander stehen. Es stammt aus Epiktets "Handbüchlein der Moral", erschienen im Diogenes-Verlag:

Was liebst du eigentlich

Bei allem, was dich erfreut, was dir nützt und deine Liebe besitzt, sage dir stets, was es eigentlich ist.
Beginne bei dem Geringfügigsten. Liebst du ein Glas, so sage dir: Ich liebe ein Glas. Zerbricht es, wirst du dich nicht aufregen. Liebst du dein Kind oder deine Frau, so sage dir: Ich liebe einen Menschen. Stirbt er, so wirst du nicht aus der Fassung geraten.

Nachdenkliche Grüße,
Werther

 

Hallo Werther,

dein Zitat rührt an einem interssanten Geheimnis, das denke ich auch deinem Problem Tod und Liebe näher kommen kann. Nämlich, dass romantische, leidenschaftliche Liebe im eigentliche Sinn immer und nur Selbstliebe ist. Ich liebe mich im anderen. Das sieht man daran, dass es wichtig ist, dass er mich auch liebt, wenn ich ihn liebe und wenn er geht und man das nicht will. Wenn man jemanden liebt, dann will man doch das beste für ihn. Wenn er denkt, das Weggehen ist das Beste - gut! Dann muss man sich vielleicht überlegen, wie man ihm aus der Entfernung helfen kann. Aber ich weiß - soweit bin ich noch nicht und wahrscheinlich auch viele andere Menschen nicht.

Die griechische Sprache hat die verschiedenen Formen der Liebe im übrigen noch klar getrennt:

Eros - die körperliche Liebe
Philia - die seelische, romantische Liebe
Agape - die geistige, dem anderen die Freiheit lassende, platonische Liebe

Darüber wie Liebe und Tod zusammenhängen, entscheidet natürlich ganz besonders, was der Tod ist. Ich hoffe Ernst hält mich hier nicht schon wieder für kleinlich, wenn ich das frage. Der Tod ist ganz sicher ein körperliches Phänomen - d.h. augenscheilich wird es mit dem Eros, der körperlicher Liebe nach dem Tod schwer. Die Frage ist, ob das auch das Ende der seelischen und der geistigen Liebe zwischen Menschen ist.

Viele Grüße,
Dein Michael

 

Hallo Michael!!

Danke für Deine Antwort, aber im Moment kann ich mich nicht ausführlich damit beschäftigt, weil ich tierische Kopfschmerzen habe und ich einfach nur noch schlafen möchte. Doch ich verspreche Dir, dass ich mich mit Deinen Thesen auseinandersetzen werde, sobald es mir besser geht. Das Ganze klingt nämlich äußerst interessant - und dafür schon einmal vorab danke!!

Liebe Grüße,
Werther

 

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