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Bedürfnisse des Menschen

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01.01.2010
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Bedürfnisse des Menschen

I
Einleitung

In der Nacht vor Heilig Abend träumte ich und ging im Traum durch den Garten Eden. Der göttliche Nebel dampfte noch auf von der Erde und strich schwer und feucht über das Land. Die Äste der eben gewachsenen Obstbäume hingen träge herab und verneigten sich plump vor dem Baum des Lebens in der Mitte des Gartens und dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Es war nasskalt, das Wasser des Stroms, zu wässern den Garten, sprang über den Weg und teilte sich von da in vier Hauptwasser. ‚Das erste heißt Pison, das fließt um das ganze Land Hevila; und daselbst findet man Gold. Und das Gold des Landes ist köstlich; und da findet man Bedellion und den Edelstein Onyx. Das andere Wasser heißt Gihon, das fließt um das ganze Mohrenland. Das dritte Wasser heißt Hiddekel, das fließt vor Assyrien. Das vierte Wasser ist der Euphrat.‘ Mir lag nichts daran, gleichgültig schlich ich bald links bald rechts an Gottes Schöpfung vorbei, nur manchmal wünschte ich mir, das Gras würde weniger stechen und die feuchte Erde, in der ich mich wandte, wäre ein Mutterkuchen, so warm. Der Herr nahm just den Menschen und setzte ihn in den Garten, damit er ihn bewahrte nach seinem Willen und er gebot und sprach zu ihm: „Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen, denn welches Tages du davon isst, wirst du des Todes sterben.“ Darauf machte Gott der Herr vor meinen Augen allerlei Tiere auf dem Felde und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte sie zu dem Menschen, aber eine Gefährtin waren sie ihm nicht und so erschuf der Herr die Frau.

In meinem Traum trat plötzlich Moses hinter dem Baum der Erkenntnis hervor. Er rief ärgerlich und sprach: „Du sollst nicht stehlen“ und verschwand auf demselben Wege wie er erschienen war. Seine Worte jedoch blieben hängen im dicken Nebel und wurden zu Stein, so schwer, so träge. Ich aber sprach zu dem Menschen: „Im Anfang war der Besitz. Ihr werdet mitnichten des Todes sterben sobald ihr vom verbotenen Baume esst; sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was euer ist.“ Und der Mensch schaute an, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er lieblich anzusehen und kein Grund da wäre nicht zu nehmen, was sie bestellte und pflegte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß. Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt und frei waren; eilig flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen.

Erschrocken durch die leisen, aber festen Schritte ihres Herren, der angeregt durch den kühlen Wind des Abends im Garten umherging, versteckten die Menschen sich vor dessen Angesicht unter Dornen-sträuchern. Und der Herr rief zu den Menschen: „Wo seid ihr?“ Und die Menschen sprachen: „Wir hörten deine Stimme im Garten und fürchteten uns; denn wir sind nackt, darum versteckten wir uns.“ Und der Herr fragte: „Wer hat euch gesagt, dass ihr nackt seid? Habt ihr nicht gegessen von dem Baum, davon ich euch gebot, ihr solltet nicht davon essen?“

Erzürnt grollte Gott der Herr und sprach: „Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und den Menschen und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. Und dir: Dir will ich viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein“.

Die Menschen blickten erschrocken drein, verständnis-los glotzten sie vor sich ins Leere; und Gottes Stimme überschlug sich, als er zum dritten Male anhob und sprach: „Du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ Da wies Gott der Herr den Menschen aus dem Garten Eden, dass er das Feld baute, davon er genommen ist.

Gekrümmt von ihrer Schuld krochen die Menschen von uns, verließen zitternd den Garten und für einige Minuten war es still im Paradies, doch Gott der Herr fand seine Stimme wieder, rechtfertigte sich und sprach zu mir: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was seines ist. Nun aber, dass er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!“ lagerte er vor den Garten Eden die Cherubim mit dem bloßen, hauenden Schwert, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens. Seitdem beschützen die Cherubim den Besitz Gottes des Herrn. Und mit glockenheller Stimme schmet-tern sie ihren Lobgesang zu dessen Ehren:

„Das gehört mir,
verkünde ich mit Fug und Recht:
‚Hier darfst du nicht rein;
dies ist nicht dein‘.

Sie schmettern ihren Lobgesang immerzu, und wer soll ihn hören? Der Nachbar, der Häuptling, der König, der Priester, der Staat.

„Mein Land,
mein Haus,
mein Weib,
die Früchte meiner Arbeit,
meine Freiheit“
Zu guter Letzt sitze ich in meinem Traum zur rechten Gottes, reiche ihm meine linke Hand, dem Herbergsvater von Nazareth meine rechte – und gemeinsam trällern wir, zusammen mit dem himmlischen Chor, mit fester Stimme, so tönend, so klar:

„Hier darfst du nicht rein;
Dies ist nicht dein“…

Und die Weisen legen ihre Gaben in einer Scheune nieder.

Wir hörten nie auf zu singen, das Lied klang so reich in seinen Tönen, wir brummen unser Heiligstes für die Menschen, die Asyl suchen, seitdem sterben sie an der Küste des gelobten Landes, wir stimmen an die geweihte Melodie für die Menschen, die Hunger leiden, seitdem schreien die Menschen um Essen, ohne dass jemand sie erhört, wir flöten den Bauern und sie verkaufen ihre Güter unter Preis, wir leiern den Gesang vor dem Arbeiter, und er erlässt dem Besitzer die von ihm geleistete Mehrarbeit und wir pfeifen wie der Wind in kahlen Wipfeln:

„Hier darfst du nicht rein;
Dies ist nicht dein“…

Und der Mensch hört uns immer zu, immerzu.

 

Hallo Are-Elfen,

vielen Dank für dein Feedback.

Was genau meinst du eigentlich mit Versuchung zur Versuchung? Ich muss mal schauen, ob es dazu auch einen Text von dir gibt.

Die Idee zu meiner Kurzgeschichte kam mir, als ich Josef Joffe in der ZEIT las. Er sagte, dass Moses der erste Kapitalist sei, da er das Gebot mitbrachte: "Du sollst nicht stehlen." Da dachte ich weiter und dachte an Gott. In diesem Zusammenhang habe ich die Bibel etwas verändert. So kam ich auf Marx der so über Besutz denken würde, Büchner so und so. Von ihm habe ich auch das immer zu, immerzu, schau mal im Woyzeck nach...

Trotzdem herzlichen dank für deine Kritik. Freue mich sehr über Gleichgesinnte.

Liebe Grüße Nabukadnezar

 

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