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Ballade vom Taler, der wandern muss

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12.04.2007
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Ballade vom Taler, der wandern muss

Ballade vom Taler, der wandern muss

oder, alternativ,

vom Bankbesitzer im Stadtpark

für Fräulein Gloria Meissner

„Guten Morgen, Herr Adam!

Schön, dass Sie Zeit für uns gefunden haben.

Ihre Frau konnte nicht mitkommen?

Ah, ja, ich verstehe.

Schade -

aber ja, ich weiß, das ist ein großes Problem in sozialen Berufen,
kennen wir ähnlich, immer erreichbar, müssen Sie wissen,
quasi immer im Dienst für den Mandanten, Klienten und Kunden.

Vielleicht können Sie sie einmal darauf hinweisen, dass wir günstige Angebote haben, um ihre Rentenlücke zu schließen …

Sie sind da ja noch glücklich zu nennen als Jahrgang 50!

Ach - ich bin unaufmerksam!
Kann ich Ihnen etwas anbieten?
Ein Wasser, eine Limonade, Kaffee oder Tee?

Wasser?

Schön,
der Quell allen Lebens ...

Aber auch die Bank steht schon lange nicht mehr auf dem beschaulichen Markt,
ist alles abstrakter und so viel schneller geworden durch das Netz.
Die Maschine rechnet halt viel schneller als der Mensch.
Und sie verrechnet sich nicht.
Selbst die Börse ist nicht mehr der beschauliche Markt,
der Ihnen täglich für fünf Minuten vor der Tagesschau aus Frankfurt vorgegaukelt wird.

Der Markt ist halt gewachsen und wächst und wächst,
ständig verbunden mit der ganzen Welt,
also mit New York und London Stock Exchange –
um nur zwei der bedeutendsten zu nennen –
wobei Frankfurt die Fusion mit London anstrebt.

Man muss halt wachsen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Die Konkurrenz ist groß und sie wächst.

Da nicht mitzuwachsen, wäre das Ende ...
Sie verstehen – je größer, je sicherer …

Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben?

Ja, ich erinnere mich.

Sie wissen, dass ich mich gerne in der Flüchtlingshilfe engagiert hätte …
Aber der Beruf …

Sie wissen, immer im Dienst für den Mandanten, Klienten und Kunden.
Sie kennen das ja von Ihrer Frau und der Caritas.

Sie sind immer noch dabei?
...
Nein, nein, das meine ich nicht.
Ob Sie immer noch bei der Flüchtlingshilfe mitmachen.

Das ist schön, dass sich der eine oder die andere immer noch engagiert.
Und es ist ja auch ein Erfolg,
wenn nur noch wenige in Lagern hausen müssen und die meisten inzwischen eine kleine Wohnung haben.

Ja, es ist ein Jammer, dass viele die Not anderer ausnutzen und
Wohnungen so auf billige Weise renoviert bekommen oder überhöhte Mieten verlangen.

Abscheulich, wenn ein Stadtverordneter sein Hotel auf die Weise in eine Goldgrube verwandelt.

Aber wer zöge nicht eine sichere Einnahme dem Risiko des Leerstandes vor?

Aber ist es nicht allemal besser, in der eigenen kleinen Wohnung –
und sei‘s ein einzelnes Zimmer -
zu leben, statt sich in einem engen Lager auf die Nerven zu gehen?
Selbst im kleinsten eigenen Zimmer ist die Residenzpflicht erträglicher, als wenn man aufeinander hockt in der Baracke. Mit Menschen zusammen zu sein, die man nicht kennt und vielleicht gar nicht versteht.
Sozusagen, fremd unter Fremden zu sein.

Da fällt mir Loriot ein, erlauben Sie mir das kleine Bonmot von Zitat:
Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.
Das trifft es doch genau.
Loriot ist eben unübertrefflich.
Einfach genial!

Oh – ich sehe, dass ich mich verplaudere, um darüber den eigentlichen Grund unserer Zusammenkunft zu vergessen.
Der nächste Gesprächspartner wartet schon ...

Sehen Sie, es tut uns sehr leid und,
das müssen Sie mir glauben,
es tut mir im Herzen weh …

Denn ich weiß, wir hatten Ihnen versprochen, den Kredit zu sechs Prozent zu gewähren.

Aber leider, leider –
der Markt gibt‘s nicht mehr her.

Die Nullzinspolitik der EZB –
Sie verstehen -
auch wir müssen in zinsloser Zeit an uns denken.

Was nützten wir Ihnen,
wenn wir nicht mehr wären?

Es fällt mir schwer, aber wir hätten es nicht erwartet,
mir fällt es schwer, es auszusprechen, aber -
wir sind gezwungen, zwölf Prozent zu nehmen.

Es tut mir leid,
aber bedenken Sie, was ist das schon,
ein Prozent im Monat,
das können Sie verkraften.

Wir haben es schon für Sie durchgerechnet. Sie können es vertragen:
Das feste Gehalt Ihrer Frau und Ihre Rente.

Und glauben Sie mir, ich bin mir sicher, dass Sie hierher gekommen sind,
um gleich als Hausbesitzer hinauszugehen
und das wollen wir
und
das sollen Sie auch.

Da werden wir Sie nicht enttäuschen!

Ist es nicht so?
Sie wollen doch endlich Herr im eigenen Hause sein.

Wissen Sie:
Ich mache Ihnen einen Vorschlag, weil alles mit einem großen Aufwand und Papierkrieg verbunden ist:
Unterschreiben Sie einfach hier …

… und wir kümmern uns um den Papierkram und
verschieben die Sache mit dem Kredit auf später.

Abgemacht!

So was sollten wir doch noch hinkriegen!

 

@Carlo Zwei lobt
Der Text bietet einiges auf sprachlicher, stilistischer und inhaltlicher Ebene. Ein Leckerbissen, um es wie der Gourmet zu sagen.
und das geht runter wie Maibock, obwohl ich bisher meinte, Geschmack gehöre zur Kochkunst,

lieber Carlo,

und was glaubstu, was ich mich freu, dass Du den Weg in meine gute Stube gefunden hast,

liebe @JoanaMaria,

und dann gleich mit persönlicher Erfahrung.
Aber wer möchte schon bei den Mullahs seine Patte festlegen?

Die hoffentlich letzten Flusen sind beseitigt. Geschockt bin ich vor allem für den Beweis von Flüchtigkeit oder der Unfähigkeit, nicht mehr bis drei zählen zu können – natürlich muss es „müssen" statt "... nur noch wenige in Lagern hausen müsssen und …" heißen. Und klar, mit der Konkurrenz zu wachsen, heißt „mitwachsen“, das auch als Infinitiv zusammenzuschreiben ist!

Und klar, reichte ein „etwa“, wäre aber so unbestimmt wie ein „irgendwo“ und somit nirgendwo im Ungefähr.
Bankangestellte wissen i. d. R., wie die wahren Kräfteverhältnisse sind. Wenn ich es richtig sehe, tummeln sich zwischen NY und London jede Menge Ostasiaten. In den Bankvolumen belegen eindeutig Chinesen erste Plätze, dass das Gerücht, sie könnten Amerika aufkaufen, etwas untröstliches hat. Der/die Kundenberater/in will dem Kunden gleichzeitig aufzeigen, dass es mehr als nur große angloamerikanische Institute gibt und da eignen sich die Fusionsgerüchte und das Bonmot „Fremd sei der Fremde nur in der Fremde“ muss als Zitat gekennzeichnet bleiben, denn nicht Loriot, sondern der anarchischere Karl Valentin isr die eigentliche Quelle.

@JoanaMaria klingt erregt:
na komm, so viel Bescheidenheit...
12 %, was für Schweine!!!
Gemach,

liebe Maria,
es ist Fiktion, vielleciht sogar bösartige Satire und der durchschnittliche Angestellte pfeift halt das Lied seines/seiner Herr(e)n.

Dank euch beiden und bis bald!

Friedel

 

Finde diesen „einseitigen Dialog“, der ja ähnlich wie bei einem Telefongespräch funktioniert, bei dem der Leser nur hört, was einer von beiden sagt, richtig gut umgesetzt.
was mich natürlich freut,

lieber balon,

und wenn nicht der Sarkasmus darinnen wäre, könnte der Kundenberater/-betreuerer aus einem Loriot-Film stammen, so ist es eher etwas fürs Kabarett. Aber solche Schleimer - bitte nach Berührung Hände waschen nicht vergessen - gibt es ja tatsächlich und man erkennt sie in der Regel an ihrer Sprache, oft untermauert durch eine eher angelernte Gestik.

Wäre er doch lieber mit seiner Eva im Paradies geblieben, der Adam.
Das erfüllte sich die Prophezeiung und beide wären Bankbesitzer im Stadtpark.

Also ich habe die Geschichte gern gelesen, hat mich gut amüsiert.
So soll es auch sein!

Dank Dir für den Besuch und bis bald

Friedel

 

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