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Ballade vom Taler, der wandern muss

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12.04.2007
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Ballade vom Taler, der wandern muss

Ballade vom Taler, der wandern muss

oder, alternativ,

vom Bankbesitzer im Stadtpark

für Fräulein Gloria Meissner

„Guten Morgen, Herr Adam!

Schön, dass Sie Zeit für uns gefunden haben.

Ihre Frau konnte nicht mitkommen?

Ah, ja, ich verstehe.

Schade -

aber ja, ich weiß, das ist ein großes Problem in sozialen Berufen,
kennen wir ähnlich, immer erreichbar, müssen Sie wissen,
quasi immer im Dienst für den Mandanten, Klienten und Kunden.

Vielleicht können Sie sie einmal darauf hinweisen, dass wir günstige Angebote haben, um ihre Rentenlücke zu schließen …

Sie sind da ja noch glücklich zu nennen als Jahrgang 50!

Ach - ich bin unaufmerksam!
Kann ich Ihnen etwas anbieten?
Ein Wasser, eine Limonade, Kaffee oder Tee?

Wasser?

Schön,
der Quell allen Lebens ...

Aber auch die Bank steht schon lange nicht mehr auf dem beschaulichen Markt,
ist alles abstrakter und so viel schneller geworden durch das Netz.
Die Maschine rechnet halt viel schneller als der Mensch.
Und sie verrechnet sich nicht.
Selbst die Börse ist nicht mehr der beschauliche Markt,
der Ihnen täglich für fünf Minuten vor der Tagesschau aus Frankfurt vorgegaukelt wird.

Der Markt ist halt gewachsen und wächst und wächst,
ständig verbunden mit der ganzen Welt,
also mit New York und London Stock Exchange –
um nur zwei der bedeutendsten zu nennen –
wobei Frankfurt die Fusion mit London anstrebt.

Man muss halt wachsen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Die Konkurrenz ist groß und sie wächst.

Da nicht mitzuwachsen, wäre das Ende ...
Sie verstehen – je größer, je sicherer …

Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben?

Ja, ich erinnere mich.

Sie wissen, dass ich mich gerne in der Flüchtlingshilfe engagiert hätte …
Aber der Beruf …

Sie wissen, immer im Dienst für den Mandanten, Klienten und Kunden.
Sie kennen das ja von Ihrer Frau und der Caritas.

Sie sind immer noch dabei?
...
Nein, nein, das meine ich nicht.
Ob Sie immer noch bei der Flüchtlingshilfe mitmachen.

Das ist schön, dass sich der eine oder die andere immer noch engagiert.
Und es ist ja auch ein Erfolg,
wenn nur noch wenige in Lagern hausen müssen und die meisten inzwischen eine kleine Wohnung haben.

Ja, es ist ein Jammer, dass viele die Not anderer ausnutzen und
Wohnungen so auf billige Weise renoviert bekommen oder überhöhte Mieten verlangen.

Abscheulich, wenn ein Stadtverordneter sein Hotel auf die Weise in eine Goldgrube verwandelt.

Aber wer zöge nicht eine sichere Einnahme dem Risiko des Leerstandes vor?

Aber ist es nicht allemal besser, in der eigenen kleinen Wohnung –
und sei‘s ein einzelnes Zimmer -
zu leben, statt sich in einem engen Lager auf die Nerven zu gehen?
Selbst im kleinsten eigenen Zimmer ist die Residenzpflicht erträglicher, als wenn man aufeinander hockt in der Baracke. Mit Menschen zusammen zu sein, die man nicht kennt und vielleicht gar nicht versteht.
Sozusagen, fremd unter Fremden zu sein.

Da fällt mir Loriot ein, erlauben Sie mir das kleine Bonmot von Zitat:
Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.
Das trifft es doch genau.
Loriot ist eben unübertrefflich.
Einfach genial!

Oh – ich sehe, dass ich mich verplaudere, um darüber den eigentlichen Grund unserer Zusammenkunft zu vergessen.
Der nächste Gesprächspartner wartet schon ...

Sehen Sie, es tut uns sehr leid und,
das müssen Sie mir glauben,
es tut mir im Herzen weh …

Denn ich weiß, wir hatten Ihnen versprochen, den Kredit zu sechs Prozent zu gewähren.

Aber leider, leider –
der Markt gibt‘s nicht mehr her.

Die Nullzinspolitik der EZB –
Sie verstehen -
auch wir müssen in zinsloser Zeit an uns denken.

Was nützten wir Ihnen,
wenn wir nicht mehr wären?

Es fällt mir schwer, aber wir hätten es nicht erwartet,
mir fällt es schwer, es auszusprechen, aber -
wir sind gezwungen, zwölf Prozent zu nehmen.

Es tut mir leid,
aber bedenken Sie, was ist das schon,
ein Prozent im Monat,
das können Sie verkraften.

Wir haben es schon für Sie durchgerechnet. Sie können es vertragen:
Das feste Gehalt Ihrer Frau und Ihre Rente.

Und glauben Sie mir, ich bin mir sicher, dass Sie hierher gekommen sind,
um gleich als Hausbesitzer hinauszugehen
und das wollen wir
und
das sollen Sie auch.

Da werden wir Sie nicht enttäuschen!

Ist es nicht so?
Sie wollen doch endlich Herr im eigenen Hause sein.

Wissen Sie:
Ich mache Ihnen einen Vorschlag, weil alles mit einem großen Aufwand und Papierkrieg verbunden ist:
Unterschreiben Sie einfach hier …

… und wir kümmern uns um den Papierkram und
verschieben die Sache mit dem Kredit auf später.

Abgemacht!

So was sollten wir doch noch hinkriegen!

 

Angeregt durch

John Lanchester: “After the Fall“ in London Review of Books, Vol. 40 No. 13, 5. 7. 2018, S. 3 ff.,
deutsch ders.: „Die große Wut: Zehn Jahre Finanzkrise“ in den Blättern für deutsche und internationale Politik, Heft 9/2018, S. 35 ff., übers. durch Karl D. Bredthauer

 

Hej @Friedrichard ,

und schwupps ist man Hausbesitzer wie die Jungfrau Mutter. Keine Mühen, keine Widerworte, reine Über-zeugungsarbeit.

Dein sozialkritischer Monolog, denn ein Dialog ist es ja nicht wirklich, oder? Ich weiß ja nur durch den freundlichen Bankangestellten, wer das Gegenüber ist: Rentner, verheiratet, Wassertrinker.
Klingt ja wirklich alles recht plausibel und der nette Herr kennt sich eben aus und Verständnis hat er auch für alles und helfen will er wohl und behilflich sein.

Aber "früher war mehr Lametta“.

Eine gute Idee, Themen in kompetente Hände zu geben. Herr Adam hat seiner Eva am Abend allerhand zu berichten, nicht wahr?

Danke für den Text und ich freue mich auf alles Weitere.

Lieber Gruß, Kanji

 

Hey @Friedrichard ,

den Text kannte ich schon. Habe schon mehrere exklusive Lesungen davon in meiner Bank besucht.
Habe grade das Gefühl, dass du es wortwörtlich wiedergegeben hast. Und es macht mich böse. Sehr böse. Aber nicht böse genug für ne Revolte, offensichtlich ...
Ich arbeite als Sozialarbeiterin, das heißt ich bin ein Bombenbankkunde, denn meine Schulden sind systemrelevant. Meine Arbeit dagegen anscheinend nicht. Nur lobenswert.

Was nützten wir Ihnen,
wenn wir nicht mehr wären?
Dann wären sie endlich gemeinnützig.

Toller Text. Die Sprache und Stimmung super getroffen. Du bringst einen Rhythmus rein. Liest sich gut und die fehlenden Äußerungen des Herrn Adam fehlen gar nicht, weil der hier eh nichts zu sagen hat.
Nix zu meckern. Volle Punktzahl.

Liebe Grüße vom Lotterlieschen

 

Hi @Friedrichard ,
Ich dachte erst, da hat jemand eine geheimen Mitschnitt meines letzen Gespräches bei der Bank gemacht und dann eins zu eins abgetippt :D
Wie @Lotterlieschen schon gesagt hat ist der Rhythmus super, man kommt in einen Flow, der einen mühelos durch den ganzen Text trägt. Dazu schön übersichtlich strukturiert. Loriot ist auch noch drin + Kritik an den Banken. Was will man mehr?

Viele Grüße
Meuvind

 

Was mir ganz ausgezeichnet gefällt, lieber Friedrichard, ist der Tonfall des Textes. Das fühlt sich, wie in den vorherigen Kommentaren angesprochen, echt an. Auf der anderen Seite ist der Text aber auch wunderbar stilisiert und auf die Spitze getrieben, pointiert im besten Sinne. Das betrifft sowohl die deskriptive Seite, wie du also elegant konkrete Gesprächsführung mit allgemeinen "Einsichten" in den Markt verknüpfst, als auch die normative Ebene. Ständig denkt man, das kann der doch nicht ironiefrei vor sich hinplappern, so etwas, und dann denkt man: Doch, das geht, das könnte sein, der Kerl glaubt tatsächlich seine eigene Lügen. Die Gratwanderung ist dir bestens gelungen und tatsächlich hast du, wie ich finde, ein nüchternes und ernüchterndes Gespräch zu einer Ballade geformt.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber Friedel,

die alte Empörung über den Kapitalismus glüht noch im liebenswerten Großvater, der manchmal nur milde ironisch daherkommt. Hier ist ordentlich Sarkasmus am Werk.
Das Schlimme ist, dass viele Banker und ihre Angestellten wahrscheinlich an das glauben, was sie dem armen Kunden (hier wörtlich gemeint) verklickern. Da kann man überhaupt nicht diskutieren, weil jede kritische Nachfrage sofort in Zustimmung umgedeutet wird:

Abgemacht!

So was sollten wir doch noch hinkriegen!


Beschwichtigung ist ein Merkmal, das immer zur Vorsicht mahnen sollte. Taler, Taler, du musst wandern, von dem einen fort zum Andern. Oh wie herrlich, oh wie schön, ist des Talers Wiedersehn.

So haben wir im Kinderkreis gesungen und dabei eine Münze durch die gefalteten Hände weitergeschickt. Am Ende des Liedes mussten dann alle ihre Hände öffnen. Wer die Münze hatte, musste ausscheiden. Man konnte es spielen, bis nur noch einer übrig war, sozusagen der
Negativ-Monopolist. Im richtigen Leben geht es eher zu wie auf der "Reise nach Jerusalem".

Allerfreundlichste Grüße
wieselmaus

 

... "früher war mehr Lametta“.


Oh manno -
ihr Lieben,

hatte schon Sorge, dass niemand kommentiert, obwohl ich für den Notfall einen ganz besonderen Fehler eingebaut hab, keineswegs grammatischer – will ja nicht wieder mal zehn Jahre warten, bis die letzte Fluse gefunden ist - sondern eher urheberrechtlicher Natur (siehe Eingangszitat),

liebe Kanji,

doch, doch, es ist kein reiner Dialog (Du erinnerst Dich an den Dialog mit Gevatter oder an Gretchen?), eher ein verschwiegener mit dem Publikum als Partner und dessen Freiheit, sich denken zu dürfen/können/müssen, was der Mensch (Herr Adam) und Klient/Kunde/Mandant so geantwortet habe.

Schweigen würde von der anderen Seite als Widerstand ausgelegt. Das bürgerliche Recht sieht keineswegs, wie oft irrtümlich behauptet, Schweigen als Zustimmung an. Ja sagen ist erwünscht, zumindest. Die Bejahung muss ja nicht so weit gehen, dass man dem tüchtigen Topmanagern entgegen singt, „so nimm denn meine Hände ...“, obwohl die modernen Finanzhäuser die Paläste und die Einkaufszentren die Tempel des Konsumismus sind mit ihren Prozessionen von Shoppinggängern am verkaufsoffenen Sonntag -

was mich nahtlos zum social engeneering führt,

hi, Lotterlieschen,

schön, dass Du vorbeischaust!

Du hast es geschafft, dass ich erst zusammenschrak
aber bin ich so schlimm? Nee, ne,
den Text kannte ich schon
ah ja. Aber im Prinzip liegstu richtig. Alle meine Werkchen sind biografisch – aber bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Du würdest 100%ig in meinen Bekanntenkreis, zig Sozialarbeiter/-pädagogen, die vor allem verkorkste Leben wieder geradebiegen sollen für den alltäglichen Kleinkrieg, und Gesundheitspfleger, die nix von der Kommerzialisierung des Gesundheitsunwesens halten, dem Wandel vom Patienten zum Kunden, selbst wenn das System vordem nicht nur allein vom bloßen Kostenausgleich beseelt war (die Pflegetage konnte man ja schon immer herauszögern).

Meuvind schreibt:
Ich dachte erst, da hat jemand eine geheimen Mitschnitt meines letzen Gespräches bei der Bank gemacht und dann eins zu eins abgetippt

Kann man Kunst naturnäher darstellen? Wohl kaum, ohne dass es naturalistisch würde.
Loriot ist auch noch drin + Kritik an den Banken. Was will man mehr?
Nunja, Loriot wird wohl genannt (und deshalb steht ja auch Kanjis Zitat an erster Stelle). Das Zitat des Systemvertreters stammt aber von einem anderen, Karl Valentin.

Schön, dass Du wieder Zeit und vorbeigeschauthast ...

Hallo Peeperkorn,

fein, von Dir zu lesen und dann gleich Worte, in denen ich wie in Milch und Honig bade (muss also gleich unter die Dusche). Ja, ich frage mich manchmal (studierter Dipl.-Kfm., Schwerpunkt, der ich bin, keineswegs Scherz und Ironie: Marketing), welcher Castingshow die modernen Marketingleute/Kundenbetreuer entsprungen sind.

Ständig denkt man, das kann der doch nicht ironiefrei vor sich hinplappern, so etwas, …
aber Du weißt doch, ich komm aus Ironien und hab mir dem ollen Humor, pardon, Homer schon ägyptisches Bier getrunken – Export leider, Pilsen und Einbeck waren da noch gar nicht auf dem Zeitstrahl vorgesehen.
Und das häng ich mir an die Wand
... tatsächlich hast du, wie ich finde, ein nüchternes und ernüchterndes Gespräch zu einer Ballade geformt.

Ja, liebe wieselmaus,

Empörung über den Kapitalismus glüht noch im liebenswerten Großvater,
und das hat ja schon Stephane Hessel seinerzeit angemahnt (2010, „empört euch!“)
der manchmal nur milde ironisch daherkommt. Hier ist ordentlich Sarkasmus am Werk.
und so soll es auch wirken

Im richtigen Leben geht es eher zu wie auf der "Reise nach Jerusalem".
Ja, so ist es wohl und der erste, der abgehängt wird, bleibt nicht allein.

Dank euch fünfen und Gruß und ein "bis bald" aus‘m Pott vom

Friedel

 

Lieber Friedel,
das ist ja ein Ding!
Adam, der zu Verführende, wendet sich an die Bank seines Vertrauens und dort darf er nicht den Mund aufmachen, wird quasi zum „unmündigen“ Bürger degradiert.
Der Monolog des Bankangestellten entpuppt sich als Stilmittel, simpel und effektiv, um genau diese Botschaft zu transportieren. Gefällt mir. Der Autor weiß: Für jeden Inhalt muss die ihm gemäße Form gefunden werden. :thumbsup:
Ob aus dem stolzen Hausbesitzer ein Bankbesitzer werden wird, bleibt der Fantasie und den Erfahrungen der Leser überlassen. Im Notfall könnte Adam in seinem Haus Flüchtlinge beherbergen und mit der Mieteinnahme die monatlichen Zinsen begleichen.
Und was soll man noch sagen: Der Taler wandert, der Rubel rollt, die Gier des Finanz-Kapitals kennt keine Grenzen und der Teufel sch… immer auf den größten Haufen. Das hat man mir schon in frühester Jugend beigebracht. Hab ich wie alle guten Ratschläge in het windje geschlagen.:rolleyes:

Danke Friedel für den kleinen Exkurs in die Realität. Ich hab deine Ballade gerne gelesen.
Liebe Grüße,
peregrina

 

... das ist ja ein Ding!

Find ich auch,

liebe peregrina,
und es gibt noch einige von solchen Dinge(r)n. Auf jeden Fall freu ich mich über Deinen Besuch mit einem kleinen, wohldosierten Tropfen Wehmut hier

Im Notfall könnte Adam in seinem Haus Flüchtlinge beherbergen und mit der Mieteinnahme die monatlichen Zinsen begleichen.

Weißtu denn nicht, dass Adam selbst ein Vertriebener ist oder doch eher ein Durchtriebener, hat er doch sein erstes Weib, Lillith, vertrieben (Jesaja 34,14). War wohl 'ne Emanze ...

Ich hab deine Ballade gerne gelesen.
So soll es auch sein.

Dank dear für den feinen Besuch,

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel, dachte direkt an "Denken Sie groß" von Deichkind.

"Heute ist der Tag, jetzt geht es endlich los
Sie erreichen Ihre Ziele, denken Sie groß
Ein bisschen Größenwahnsinn kann nicht schaden
Und auf einmal könn' Sie fliegen, denken Sie groß
Geben Sie nicht auf und leben Sie den Traum
Dafür muss man kein Genie sein, denken Sie groß
In jedem Menschen steckt ein Visionär
Setzen Sie die Energie frei, denken Sie groß

Ich geb' Ihnen einen Tipp, denken Sie groß
Was zweifeln Sie so? Übernehmen Sie die Show!
Mit dem richten Riecher sind Sie der Leader
Und spielen schon bald in der obersten Liga
Trinken Sie den Baikalsee auf ex
Zum Frühstück Blattgold auf die Smacks
Starten Sie durch, wie die Antonow
Denken Sie an Dollars und entfliehen dem Moloch
Denken Sie Drum Tower, da steht er
Ich bau' ihn höher, zwei Kilometer
Flugzeugträger Leasing-Rate
Zahl' ich mit der schwarzen Kreditkarte
Fahr'n Sie durch die Stadt mit 'nem Monstertruck
Jagen Sie die Bräute wie ein Raubtier
Scheffeln Sie Milliarden, darin könn'n Sie baden
Gewinnen Sie jetzt genau hier

Heute ist der Tag, jetzt geht es endlich los
Sie erreichen Ihre Ziele, denken Sie groß
Ein bisschen Größenwahnsinn kann nicht schaden
Und auf einmal könn'n Sie fliegen, denken Sie groß
Geben Sie nicht auf und leben Sie den Traum
Dafür muss man kein Genie sein, denken Sie groß
In jedem Menschen steckt ein Visionär
Setzen Sie die Energie frei, denken Sie groß

Ich sitze in mein'm Privatjet und öffne mein Schiebedach
Flieg' 'ne riesen acht, hab' grad' an Sie gedacht
Denken Sie groß, wie Calmund's Appetit
So wie Baumgärtner, wenn er in das All fliegt
In harten Zeiten muss man Leistung zeigen
Wie ein Schwertransport voll mit Platinscheiben
Hier geht's um höher, schneller, weiter
Kaufen Sie kein Weed man, kaufen Sie Jamaica
Bauen Sie kein Reihenhaus, bauen Sie ein'n Vorort
Und herrschen Sie dort als glücklicher Warlord
Denken Sie groß, wie der Benzinverbrauch
Von 'nem Containerschiff, dann geht es bergauf
Wo bleibt Ihr Einsatz, wo bleibt der Wille
Lasern Sie die Welt und dann weg mit der Brille
Sie müssen sich nur noch entscheiden
Wenn Sie bitte hier unterschreiben

Heute ist der Tag, jetzt geht es endlich los
Sie erreichen Ihre Ziele, denken Sie groß
Ein bisschen Größenwahnsinn kann nicht schaden
Und auf einmal könn'n Sie fliegen, denken Sie groß
Geben Sie nicht auf und leben Sie den Traum
Dafür muss man kein Genie sein, denken Sie groß
In jedem Menschen steckt ein Visionär
Setzen Sie die Energie frei, denken Sie groß."

Wir müssen nur unterschreiben ...
Peace, linktofink

ps. schön perfide der Schlenker mit der Flüchtlingshilfe. Jedes Mittel ist recht.

 

Hallo @Friedrichard,

eine Hymne auf die heutige Zeit. Aber wahrscheinlich war es schon immer so, nur heute kann man es auf die Computer schieben.

Mit diesem herrlich authentischen Monolog des Bankdirektors, der Herrn Adam aus dem Paradies vertreiben soll, hast du für mich genau in Schwarze getroffen, sozusagen den Zeitgeist des End(zeit)kapitalismus. Wenn ich mir alleine schon den Leistungsdruck in den Schulen anseh, Kinder gar nicht mehr Kinder sein dürfen und darauf getrimmt werden, später mal einen Beruf zu erlernen, in dem sie möglichst viel verdienen, denn nur so kann man heute überleben. Die Maschine rechnet halt viel schneller als der Mensch ... Aber gemenschelt muss natürlich trotzdem werden, denn der Kunde soll sich ja ernst genommen fühlen, Vertrauen ( ein Begriff, der heutzutage geradezu inflationär verwendet wird) haben und sich besser fühlen, weil er weiß, dass es dem Herrn Banker ja im Herzen weh tut.
Ich bin immer wieder überrascht, dass es tatsächlich Menschen gibt, die auf diese Show hereinfallen, während ihnen hintenrum die Existenz umterm Arsch weggezogen wird. Spätestens bei den Flüchtlingen, die hier als härtestes Geschütz zur Vertrauenserweckung aufgefahren werden, wird wohl so mancher einknicken, denn der Schmu scheint ja zu funktionieren, sonst hätte der gute Mann wohl keinen Erfolg.

Ich habe mal vorübergehend in einem Callcenter gearbeitet und musste die Leute da mit dem banalsten Scheiß vollquatschen, was erstaunlicherweise oft funktioniert hat. Deren Motto: Die Leute wollen beschissen werden. War nicht so der optimale Job im Großen und Ganzen.
Aber genug der Jugendsünden: Ich fand deinen Text sehr gelungen, er übertreibt im richtigen Maß, ohne unglaubwürdig zu sein.

Schön auch, dass Loriot erwähnt wurde, der hat ja mit seinem "Heinzelmann" auch eine unsterbliche Parodie auf die Verkaufspsychologie hinterlassen.

Also von mir gibt's auf alle Fälle Daumen hoch.

Liebe Grüße und ein wunderbares Wochenende.
Chai

 

Oh man, wird es Dich sehr überraschen, dass ich bis auf diese Zeilen nhier och nix von Deichkind gelesen hab, wahrscheinlich noch nix von gehört habe oder, wenn denn was von lief in welchem Medium auch immer, mich abgewandt habe und da noch nicht mal die Gnade des tauben Ohres für herhalten muss – aber,

lieber linktofink,

Dein Zitat find ich ganz manierlich (muss ja nicht immer‘n Sonett sein, sagt der alte Angeber in mir), aber im Prinzip stimmt ja die Aussage

„…
In jedem Menschen steckt ein Visionär
...“
wenn man sie nur befähigte und ließe, selbst wenn Schmidt-Schnauze nach dem Luja-Singen und Frohlocken mich jetzt in die Klapse wünschte.

Ja, daran hab ich auch gedacht,

lieber felixreiner,

was ist ein Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank?
denn – das wirstu vielleicht schon gemerkt haben – mich hat am meisten „Über die Bauart langdauernder Werke“ beeinflusst.
Ich werd nie fertig, weil auch alles biografisch angeregt und bestimmt ist (wenn auch bis zur Unkenntlichkeit erdichtet oder erweitert – soll sich ja niemand so schnell darinnen selbst erkennen), da gibt‘s dann immer wieder Veränderungen (bei der Love-Parade ist aber das Ende mit der anstehenden Verjährung abzusehen).
Hier nun könnte ich den Text auf EU-Ebene heben, wenn aus scheinbarer Solidarität heraus Loyalität verlangt wird gegenüber den Finanziers, die sich anschließend in den Erträgen aus dem Stützungsgeschäft baden wie Onkel Dagobert. Man ersetze cariatas durch filanthropia, und schon kann‘s in eine andere Richtung gehen.

Wie sagt doch Deichkind: “Think big!“

eine Hymne auf die heutige Zeit
und überhaupt,liebe Chai,

es muss schon immer so gewesen sein, wie die deutsche Sprache beweist:

Das Verb tauschen (und was ist ein Geschäft denn anderes, selbst heute noch) geht zurück aufs mhd. tuschen, dem „unwahr reden, lügnerisch versichern, anführen“, was seine Nähe zum tiuschen (nhd.: täuschen) nicht verleugnet. „Die heute allein übliche Bedeutung ‚Waren oder dergleichen‘“ - wie etwa die besondere Ware Geld (= gilt) - „‚auswechseln, gegen etwas anderes geben’, in der das Verb zuerst im 15. Jh. bezeugt ist, hat sich demnach aus ‚unwahr reden, in betrügerischer Absicht aufschwatzen’ entwickelt“, was mit der „Präfixbildung vertauschen“ zum „‚irrtümlich oder unabsichtlich auswechseln’“ führt und von dort zurück zum mhd. vertuschen (Zur Etymologie vgl. Duden Bd. 7, S. 839 f.).
Auf den „Leistungsdruck“ im System der Erziehung hat übrigens schon seinerzeit Piaget hingewiesen, und dieser Druck wird noch gesteigert werden, wenn eines Tages das Fach „Wirtschaft“ in der Grundschule gelehrt wird – natürlich von Fachleuten - und dem Religionsunterricht der „Konsumismus“ sich zugesellen wird.

Ich habe mal vorübergehend in einem Callcenter gearbeitet und musste die Leute da mit dem banalsten Scheiß vollquatschen, was erstaunlicherweise oft funktioniert hat. Deren Motto: Die Leute wollen beschissen werden. War nicht so der optimale Job im Großen und Ganzen.

Oh, da haben wir ja fast was gemein: Anfang unseres schönen Jahrtausends war ich in einen Wanderzirkus von Finanzhai, der in einem Saal Leute ausbildete und castete, Versicherungen an Weiblein und Männlein zu bringen. Das funktionierte idealerweise wie ein Kettenbrief – zuerst wurden die Ausgebildeten auf die eigene Verwandtschaft losgelassen und so für den Ernstfall auf der Straße vorbereitet: Leute anquatschen usw. Leider kam Hartz IV und die Rentenreform dazwischen und schon war der kleine Friedel aufgeflogen, weil er so blöd war und die scheinbar neue Steuer für Rentner erklären konnte ... (natürlich nicht nur die).

Recht hastu,
aber genug der Jugendsünden

und Dank und ein schönes Wochenende euch dreien,

dear Chai, nicht nur fürs Vorbeischauen, sondern auch an die Erinnerung meiner ersten größeren beruflichen Erfahrung zu Zeiten der rot-grünen-Koalition, in der schon hätte bekannt sein müssen, dass VW alles andere als koscher ist,

Dank Dir, felix, nicht nur fürs Vorbeischauen und Kommentieren, denn wir Poeten müssen eh zusammenhalten,

und -
last, not least, linktofink, Dir ein"bis gleich"

und allen ein schönes Wochenende!

Friedel

 

Lieber Friedel,

Was nützten wir Ihnen,
wenn wir nicht mehr wären?

Ja, da kommt man doch ins Grübeln.

Ein kleiner, feiner Text. Trotz der eingestreuten menschelnden und poetischen Phrasen meinte ich die verfremdete Stimme eines Systems zu hören, blechern irgendwie. Das hast du raffiniert gemacht, indem du allein die wörtliche Rede des Sprechers nutzt und dabei auch Formulierungen wie oben, die so gar nicht umgangssprachlich wirken.

Auch ich fühlte mich an entsprechende Gespräche erinnert. Mein Berater ließ immer mal wieder seine Mutter einfließen, der er gerade neulich dasselbe empfohlen hatte wie mir.

Denn ich weiß, wir hatten Ihnen versprochen, den Kredit zu sechs Prozent zu gewähren.

Da werden wir Sie nicht enttäuschen!

Sehr bitter, das Ganze. Wer sich bereichert. Und wer bezahlt.

Das warme Gefühl des Herrn Beraters für die Flüchtlinge könnte sogar ehrlich sein, denn die kommen ja wie gerufen als Sündenböcke.

Und glauben Sie mir, ich bin mir sicher, dass Sie hierher gekommen sind,
um gleich als Hausbesitzer hinauszugehen -
und das wollen wir
und
das sollen Sie auch.

Das gefällt mir sehr gut, der Rhytmus, den du da drin hast. Vorher wurde der Klient eingewickelt, jetzt wird das Paket festgezurrt.

Eine Sache ist mir unklar:

vom Bankbesitzer im Stadtpark
für Fräulein Gloria Meissner

Da stehe ich irgendwie auf dem Schlauch, was dieser Titel zu bedeuten hat.

Hat mir sehr gut gefallen.

Ein schönes Wochenende wünscht

Chutney

 

Für ein Hypothekenkredit 12 % Zinsen verlangten Banken zuletzt in den 1980er Jahren. Aber da es in dem Text gleichzeitig heißt, die EZB, die es damals noch gar nicht gab, betreibe eine Nullzinspolitik, müsste dieser Dialog in der heutigen Zeit spielen. Weil das miteinander nicht zu vereinbaren ist (heute verlangen Banken für Hypothekenkredite höchstens 4 % Prozent Zinsen), ist diese Geschichte eine arg konstruierte.

Mit welchem Ziel so konstruiert? Um auf die bereits auf dem Pranger stehenden Banken noch ein wenig einzuprügeln, weil das ohnehin alle machen?

Ich verstehe zwar, dass manche das gut finden, aber ich gehöre nicht zu ihnen. Weil für mich eine Geschichte in erster Linie glaubwürdig sein muss. Aber deine Geschichte, lieber Friedel, ist aus dem genannten Grund alles andere als glaubwürdig, obwohl der „Dialog“ sehr gut, ja echt klingt. Doch das ist zu wenig, denn dadurch, dass etwas Unwahres gut an den Mann, sprich an den Leser gebracht wird, wird das Gesagte nicht wahrer oder glaubwürdiger.

Schade.

 

Hai, Friedel!

Nu komme ich auch endlich dazu, mal was von Dir zu lesen, und – so denke ich – sogar zu begreifen. Der Tonfall zumindest, den würde ich „lockerflauschig“ nennen, plaudernd eben. Und den habe ich auch schon gehört, ja, sogar Studierende mit dem unter 450€-Gehalt kennen Beratungsgespräche beim/bei der "persönlichen" Bankberater/in.

Was ich super finde, ist, wie viel ich über den Kunden erfahre, ohne dass er selbst spricht, ohne dass ich das Gefühl habe, dies und jenes sagt sein Gegenüber nur, damit ich als Leserin etwas erfahre. Großes Lob!

Meine Erfahrungen mit Beratungsgesprächen bei der Bank beschränken sich ja glücklicherweise auf die Vereinbarung zur teuersten Kreditkarte im Angebot (sie sieht echt schick aus). Hat mich zu der Schlussfolgerung geführt, erstmal keine Beratungsgespräche mehr wahrzunehmen. Momentan kann ich’s mir noch leisten, nicht allzu groß über die Taler nachzudenken. ;)

Allerdings, da möchte ich dem allgemeinen Konsens widersprechen, ich kenne einige ausgebildete und sehr viele abgebrochene Bankkaufleute. Legendär in meinem Freundeskreis ist ein Mensch, der seine Vorgaben nicht erfüllte, weil er den Kund/inn/en wirklich helfen wollte. Der dann in den Keller verlegt wurde, um Unterlagen zu sortieren, mit fünf zusätzlichen Urlaubstagen im Jahr, weil man dort keine Sonne sieht. Na ja, er wurde dann weggelobt – hat also auch seine Vorteile, den Job nicht zu machen. Deshalb glaube ich ja eigentlich nicht, dass Bankkaufleute tatsächlich glauben, sie täten etwas Gutes. Andererseits, ich kenne nur sehr junge Berufseinsteiger/innen und vor allem -aussteiger/innen (ich denke, ich kenne ungefähr so viele abgebrochene Bankkaufleute wie abgebrochene Journalist/inn/en, und das ist ja mal eine bemerkenswerte Parallele). Vielleicht ändert sich das ja im Laufe des Berufslebens. :p

Um noch was zum Text zu sagen, denn Du schreibst ja:

obwohl ich für den Notfall einen ganz besonderen Fehler eingebaut hab, keineswegs grammatischer

Und ich denke, Du meinst nicht diese Fluse hier:

Schön, dass Sie Zeit für uns gefunden haben. -
Schade –
aber ja, ich weiß, das ist ein großes Problem in sozialen Berufen -

… an der man sieht, dass Du den Gedankenstrich auf der Tastatur zwar gefunden hast, ihn jedoch nicht konsequent einsetzt. Darauf vielleicht nochmal im gesamten Text achten.

Ansonsten nix zu meckern. Wish you a nice däi.

Flusige Grüße,
Maria

 

Hallo Chutney,

ich freu mich über Deinen Besuch!

Um es vorweg zu sagen, der Untertitel erinnert auf eine mögliche/künftige Lebensform des Herrn Adam (wer wüsste denn noch korrekt zu sagen, ob und wo es das Paradies oder -das noch gäbe. Gärten und Parks sind da ja nur Abklatsch von. Und Adam könnte in eine Situation geraten, in die ein jeder geraten kann, der verschuldet ist, so lange das bürgerliche Recht Eigentums- und Besitzverhältnisse incl. des Parkraums der geliebten Dreckschleuder Automobil schützt und kein Menschenrecht oder rechtlicher Anspruch auf Obdach sich durchsetzen lässt. Da hat das Bürgerliche Recht gerade zu eine religiöse Dimension in der Trennung von Gläubige(r)n und Schuldnern.
Die Widmung gilt einer Figur Isegrims, siehe https://www.wortkrieger.de/index.php?threads/wolkenträume.58941/ in einer interessanten Handlung in Mainhattan.

Auch ich fühlte mich an entsprechende Gespräche erinnert. Mein Berater ließ immer mal wieder seine Mutter einfließen, der er gerade neulich dasselbe empfohlen hatte wie mir.
Das erinnert mich wieder an die kurze Zeit unter dem Wanderzirkus eines Finanzhais (hab ich kurz in der Antwort an Chai erwähnt)

Hat mir sehr gut gefallen.
So soll es auch sein!

Grüß Dich,

aufmerksamer Dion,
Dir bleibt auch nichts verborgen und wie hat es doch Chutney soeben so trefflich gesagt

Ja, da kommt man doch ins Grübeln.
. Du stellst richtig
heute verlangen Banken für Hypothekenkredite höchstens 4 % Prozent Zinsen
, was natürlich sein kann, denn gar nicht einmal überraschender Weise ist der durchschnittliche Nominalzins derzeit um die zwo Prozent mit der Tendenz zu einem Prozent (der Effektivzins sieht anders aus), was nur die Hälfte Deiner Höchstzahl ausmacht und sich durchaus so verhält, wie die sechs zur zwölf, sofern ich mich nicht verrechnet hab.

Recht hastu, die Banken sind arm dran, der Dax hat sich gerade von der Commerzbank befreit - eine der größten dt. Banken. Gleichwohl fürchte ich (und John Lanchester mitsamt den Redaktionen der genannten Blätter und sicherlich der eine oder die andere auch), dass da die nächste Krise ins Haus steht.

Recht hastu aber – und ich hab gerade eben je eine Mail nach London und Berlin an die Redaktionen geschickt, unverzüglich den Text zu korrigieren. Und wo ich schon mal dabei bin, gleich Suhrkamp angeschrieben, die „Fragen eines lesenden Arbeiters“ zu korrigieren.

Der Koch des großen Alexander konnte nicht lesen.

Schade.

Hai, TeddyMaria,

schön, dass Du Dich in meine Höhle traust.

Großes Lob!
meinerseits.

Allerdings, da möchte ich dem allgemeinen Konsens widersprechen, ich kenne einige ausgebildete und sehr viele abgebrochene Bankkaufleute. Legendär in meinem Freundeskreis ist ein Mensch, der seine Vorgaben nicht erfüllte, weil er den Kund/inn/en wirklich helfen wollte. Der dann in den Keller verlegt wurde,
was mich sehr an meine Zeit in einem kath. Krankenhaus erinnert, in dem ich die Dopik zu Ende brachte und die Kostenrechnung einführte und hernach beschloss, der Mitarbeitervertretung (eine Art Betriebsrat mit gebremstem Schaum) beizutreten und das Heilige Dreigestirn von Direktorium zum ersten Mal ein "Nein" von den Mitarbeitervertretern vernahm. Da gab es auch Versetzungen in den Keller ...
Nun, inzwischen trauen sich die Brüder und Schwestern schon mehr, da ist der Jammer der Verwaltung groß. Fünf Urlaubstage mehr hat aber keiner bekommen.

Ja, das mit den Gedanken- und sonstigen Strichen ist ein besonderes Problem, dass es erst mit der Mechanisierung des Schreibvorganges gibt ... aber ich hab ne furchtbare Klaue, da sind die genormten Zeichen schon sinnvoll und die Kurzsichtigkeit bei gleichzeitiger Altersweitsicht (was nix mit Altersweisheit zu tun hat) sind beim Korrekturlesen da nicht sehr ergiebig. Aber schauen werd ich wohl, Maria

Anonsten dank ich euch dreien und wünsch noch eine schöne zwote Hälfte des Sonntags!

Tschüss

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Es tut mir leid,
aber bedenken Sie, was ist das schon,
ein Prozent im Monat,
das können Sie verkraften.
Hallo Manlio,

schön, dass Du mich besuchen kommst, hastu Dich doch auch am halbierten Dialog versucht, Du am Telefon und ich zum zwoten Mal in einem Bankinstitut.

Formal entsteht das Problem, dass der Dialog durch das Halbieren "stilisiert" klingt - da nehme ich für mich in Anspruch, mit dem Telefonat die "natürlichere Form" gefunden zu haben. Doch entwertet dies den Text natürlich nicht.

Nun, so weit ein Telefonat „natürlich“ sein kann, hastu selbstverständlich – beinahe hätte ich die unschöne Doppelung „natürlich“ gewählt - recht und es soll ja bei mir in der Tat vom üblichen Gespräch abstrahiert werden – der Kunde als ein stummer Stichwortgeber (man kann es auf die Formel bingen, er hat eh nix zu sagen, verbal und gesellschaftlich) für den Kundenberater, der ja schon – im Gegensatz zum Kunden – ums Ergebnis der Wundertüte weiß, was „natürlich“ unter formal gleichberechtigten Erwachsenen einfacher ist, als vor einiger Zeit allein das Sprachgebaren einer Fünfjährigen darzustellen inmitten moderner Entfremdung und Vereinzelung anhand eines Todesfalles in der Eingangshalle einer Sparkasse. Da geht's dann keineswegs um den Finanzmarkt ...
ich:
Aber auch die Bank steht schon lange nicht mehr auf dem beschaulichen Markt
Du:
Hier auch der deutlich fühlbare Stilwechsel, vielleicht Perspektivwechsel
mag so wirken,
tatsächlich aber kommt der Berater endlich zur Sache und ich erinner mich mit großem Vergnügen des Spielfilms „Lina Braake oder Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat“ von 1974, als man noch nicht das Wort vom “Bangster“ kannte, aber schon daran gearbeitet wurde.

ich:
wir sind gezwungen, zwölf Prozent zu nehmen
Du:
Ich sage nicht zum ersten Mal, dass mir deine Zeitkritik ein bisschen zu simpel ist.
Ich wollte nun wirklich keine betriebs-/finanzwirtschaftliche oder mikroökonomische Arbeit abliefern über den immer noch versumpften Finanzmarkt. Authentizität erwarte ich eher von Verfassungsschützern, Polizeiberichten und Gerichtsakten und dem Heimatminister.
Könnte es eine Satire sein? Ich meine nicht das Heimatmuseum.

Und – um auch die zwölf Prozent anzusprechen – wie würde der eingangs zitierte Satz bei korrektem Nominalzins von einem Prozent aussehen?:

Es tut mir leid,
aber bedenken Sie, was ist das schon, ein Zwölftel Prozent im Monat, das können Sie verkraften.
und noch absurder als Dezimalzahl 0,08333 %, das wäre Surrealismus pur, dem sich Realisten wie Bankangestellte entgegenstemmen ... aber kaufmännisch gerundet 0,1 % eher nicht, - nicht auszudenken, wenn der Kunde die verkappte Erhöhung erkennt ... 16 % auf Alles, sozusagen, um im Werbemodus zu bleiben

Und glauben Sie mir, ich bin mir sicher, dass Sie hierher gekommen sind,
um gleich als Hausbesitzer hinauszugehen
Du:
Dieser Themenwechsel verwirrt mich etwas.
Ernstlich? Ich denke, solche gecasteten Kunden-/Werbegespräche sollen eh eher verwirren denn aufklären.
Solltestu ein potenzielles Opfer für diese Art Kundenberater sein?

Wenn du nur mal bei einer Sache bliebest, ich zöge mehr aus deinen Texten ... viel mehr …

Du weißt doch – in meinem Zeugnis wird stehen „er hatte sich bemüht“ ...

Dank Dir fürs Lesen und Kommentieren und
ein schönes Wochenende!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Fried'l @Friedrichard

ein tolles Format. Ich war permanent dabei, mir die Bühnenumsetzung deiner Ballade vorzustellen, dazuzudenken. Das war nicht schwer. Ich mag, wie mutig du mit Leerstellen umgehst. Ich brauche ein wenig, um mich einzufinden, aber das ist gut. Ich konzentriere mich, lese genau. Und werde nicht enttäuscht, denn das Bild setzt sich zusammen. Die Abschweifungen sind Stilgriffe, haben mich nicht gestört. Bilden ja zugleich auch das Werkzeug zum perfekten Mimikry, die Tarnung der Institution zur Vorheuchlung von Menschlichkeit, wo längst Zahlen operieren. Ein nicht ganz gewöhnlicher Text, der ein nicht ganz gewöhnliches Publikum erfordert – was du hier aber gefunden hast. Das freut mich. Und mich kannst du dazurechnen. Der Text bietet einiges auf sprachlicher, stilistischer und inhaltlicher Ebene. Ein Leckerbissen, um es wie der Gourmet zu sagen. :wein:

Noch einzelnes:

Wasser?

Schön,
der Quell allen Lebens ...


dieses Geplauder gefällt mir irgendwie. Das hat so Anklänge von Oscar Wilde und auch Shakespeare, finde ich. Wow, was für eine Literaturkeule habe ich da gerade ausgepackt? Aber ich empfinde es wirklich so. Sehr klassisch, wohlgesetzt und durch und durch in feinherber Ironie getränkt.

also mit New York und London Stock Exchange –
um nur zwei der bedeutendsten zu nennen –
wobei Frankfurt die Fusion mit London anstrebt.

reicht hier nicht auch ein »etwa«, um den markierten Satz zu ersatzen?

also etwa mit New York und London Stock Exchange –
wobei ja auch Frankfurt die Fusion mit London ...

mit zu wachsen

mitzuwachsen (?) ... Computer sagt »ja« ...

müsssen

müssen (?)

erlauben Sie mir das kleine Bonmot von Zitat

vielleicht einfach nur »erlauben Sie mir das kleine Bonmot«

Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.

haha, herrlich :lol:

Sehr gerne gelesen, lieber Fried'l. Dass mehr folge!:D

 

Hallo Friedel.

hatte schon Sorge, dass niemand kommentiert, obwohl ich für den Notfall einen ganz besonderen Fehler eingebaut hab
na komm, so viel Bescheidenheit...
12 %, was für Schweine!!!
Im Iran gibt es 7 % Zinsen auf Tagesgeld, habe ich gehört. Muss man die Kohle nur irgendwie hinbekommen.

Gerade heute hat mich mein alter Bankberater kontaktiert, wollte mal wissen, wie es so läuft. Hat die Bank gewechselt. Wollte mich natürlich rüberlotsen.
Er war immer nett, häßliche Anzüge, 3er BMW Fahrer - you know what I am talking about...
Ich hab' ihm dann mal unter die Nase gerieben, dass ich jetzt bei einer Online Bank bin. Ohne Kundenbeater. Nur mit Chat. Was eine Befreiung. :-)

 

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