@Ratte
Unsinn. Wo behaupte ich denn sowas?
Nein, kein Unsinn! Du behauptest es indirekt, nämlich hier:
"Vergessen werden sollte hier auch nicht die Relevanz des jeweiligen Zeitgeistes, der noch unabhängig vom Denken und Fühlen des jeweiligen Autors mehr oder weniger unbewusst in seine literarischen Werke mit hineinspielt."
Dieser "jeweilige Zeitgeist" ist für das Verständnis einer Geschichte ja nur bezogen auf die Autorenintention überhaupt wichtig. Die Zeit hat ja nur Einfluß auf den Autoren. Niemals auf die Geschichte selbst! (bzw. nur indirekt, eben über den Autor.)
Aber es gibt doch ganz unterschiedliche Lesarten!
Well... na und? Ist doch schön!
Für wen dieser beiden Leser sind diese Texte dann "absolut verständlich"?
Für beide! Jede dieser Lesarten ist für sich selbst, bzw. für "ihren" Leser die absolute. Das erklärt sich einfachd araus, daß der Leser das einzig wichtige für eine Geschichte ist - dadurch sind unendlich viele Wahrheiten möglich, die sich beliebig widersprechen können. Das wäre nicht möglich, wenn die intention des Autors irgendeine Relevanz hätte. Wenn ich Text X so verstehe und du denselben Text anders, dann wäre es doch ganz und gar unsinnig, den Autoren "zu überprüfen", um heraus zu finden, wer nun mehr Recht hat. Vielmehr würden wir uns darauf einigen, daß wir beide die Erzählung auf unsere Weise verstehen und beides völlig korrekt ist. Oder?
Ist es nicht. Du hast natürlich Recht, daß jeder auch indirekt und unbewußt von seiner Zeit beeinflußt wird. kein Widerspruch.
Aber du machst wieder den "Fehler" (mMn ist es ein Fehler), dich auf den Autoren zu beziehen, statt auf den Leser. Du vergißt nämlich, daß nicht nur der Verfasser durch allerlei umstände beeinflußt wird, sondern auch der Leser. Das heißt, daß jemand, der heute einen Text aus dem 19. Jahrhundert liest, ihn automatisch völlig anders auffasst, als es jemand vor 100 Jahren getan hätte. Die zeitlichen Umstände von (zB) 1850 sind also für den heutigen Rezipienten vollkommen irrelevant. (es sei denn natürlich, er will sich aktiv damit befassen.)
Nicht nur das Schreiben des Autors ist von seiner Zeit abhängig, sondern auch die Lesart!
Ich meine, du fixierst zu stark auf den Autoren. Für mich persönlich ist der Leser wesentlich wichtiger.
Es mag Texte geben, die man als wirklich zeitlos betrachten kann. Homers Erzählungen oder manche Sachen von Dostojewskij beispielsweise zählen für mich dazu. Immer muss aber erst das Wissen um den erforderlichen Kontext einer Geschichte vorausgesetzt werden, um verständlich zu werden. Eine Geschichte kann niemals ausschließlich aus sich heraus verständlich sein. Versuche zB. mal eine deiner Geschichten einem Aboriginie vorzulesen. Glaubst du, er würde sie verstehen, obwohl sie doch eigentlich vorgeben "textimmanent" zu sein?
Ich denke schon! Er würde sie eben auf seine Weise verstehen. Vielleicht völlig anders als ich oder du. Aber... wayne? Das ist doch gerade das Schöne!
Und "zeitlos" - Homer ist auch für jeden verständlich. man muß sich nicht mit antiker Mythologie auskennen oder historische Zusammenhänge kennen. Die Geschichte funktioniert auch so wudnerbar. Wohl anders, als es die Wissenschaft für richtig hält, aber sie funktioniert. Und darauf kommt es an.
Ich behaupte, daß gute Geschichten immer aus sich heraus verständlich sind. Eben weil es auf den Leser ankommt, nicht auf den Autor. Und Geschichten, die aus sich heraus verständlich sind, sind immer "zeitlos"!