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Autorenname vs. Buchtitel

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07.04.2002
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Autorenname vs. Buchtitel

Warum wird auf so vielen Büchern der Name des Autors größer geschrieben als der Titel des Buches selbst?

Ist das Marketing oder ist der Autor einfach nur wichtiger als die Geschichte selbst?
Sollte man überhaupt an ein Buch hermeneutisch herangehen? In wie weit darf man/muß man den Autor in die Geschichte mit einbeziehen?
Geht etwas verloren, wenn man die Sache nur strukturalistisch betrachtet?

Z.B. Kafka: Bezieht ihr seine Erzählungen alle sofort auf sein Leben oder lest ihr die Geschichten wegen der Geschichten? Geht etwas verloren, wenn man nicht interpretiert? Ist Interpretation der einzige Schlüssel zum Verstehen? Ist deswegen der Autorenname größer geschrieben, weil ich das Verstehen im Autor suchen muß?

Was denkt ihr? Ich bin verwirrt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Bei bekannten Autoren läuft es ja oft so ab, dass viele Leser jedes Werk von ihm kaufen, sich vorher gar nicht mehr groß erkundigen worum es geht, weil sie auf die Qualität vertrauen. Ich denke da z.B. an Stephen King, bei dem der Name auch oft größer ist als der Titel. Und er hat seine Fans, die sich jedes Werk zulegen.

Witzigerweise hat gerade er den Spruch getätigt: "Die Geschichte zählt, nicht der Erzähler". Und das denke ich auch.

Ganz frei bin ich aber natürlich auch nicht vom Autoren, eine bestimmte Erwartungshaltung lässt sich nicht leugnen. Kafka ist ein ganz gutes Beispiel: In der Schule haben wir mal bei einem Lehrer gelernt dass man die meisten seiner Stories nicht ohne seinen biographischen Hintergrund verstehen kann und es war bei den meisten INterpretationen Pflicht, sich auf sein Leben, seine Beziehung zu seinem Vater etc zu beziehen. Das hat mich abgetörnt und das hat sicher auch dazu beigetragen, dass mir Kafka nicht so gefällt.

Ähnlich ist es ja bei hermetischen Gedichten, z.B. die von Ingeborg Bachmann. Ohne Kenntnis ihrer Biographie zum Entstehehungszeitraum kann man nur erahnen worum es ihr ging. Für Literaturwissenschaftler ist das interessant - für den einfachen Rezepienten eher störend.
Deswegen zählen für mich Texte als große Literatur, die ich auch ohne Kenntnis des Autors, also rein textimmanent, genießen und soweit wie notwendig verstehen kann.

 

Warum wird auf so vielen Büchern der Name des Autors größer geschrieben als der Titel des Buches selbst?

Ist das Marketing oder ist der Autor einfach nur wichtiger als die Geschichte selbst?


Das ist selbstverständlich reines Marketing. Die Autoren, deren Namen riesengroß aufs Cover geklatscht werden sind ja in der Regel auch fast nur beschissene Bestseller-Fabrikanten, wie John Grisham, Michael Crighton, Tom Clancy etc. etc. Trivialliteraten:teach:, wie man im Bildungsbürgertumsagen würde. :D

Sollte man überhaupt an ein Buch hermeneutisch herangehen? In wie weit darf man/muß man den Autor in die Geschichte mit einbeziehen?
Geht etwas verloren, wenn man die Sache nur strukturalistisch betrachtet?

Das kommt, glaube ich, einfach darauf an, ob du eine philologische, oder strukturalistische Lesart bevorzugs, oder? Es gibt natürlich Dinge, die gegen beides sprechen – die Unterschiede kennste ja. Zumal es da ja noch die postmoderne, auf den Leser bezogene Lesart gibt. Natürlich gibt es hierbei dann wieder die Gefahr eines totalen Relativismus – auf einmal kann ich den Faust als Anprangerung der Kinderarbeit in Pakistan lesen, wenn mir danach ist. Aber gut, ein gesunder Menschenverstand bleibt immer Vorraussetzung. ;)

Z.B. Kafka: Bezieht ihr seine Erzählungen alle sofort auf sein Leben oder lest ihr die Geschichten wegen der Geschichten?

Also, ich habe schon eine ganze Menge von Kafka gelesen, aber so richtig über sein Leben, weiß ich nicht bescheid, ausser, dass er mit seinem Vater Stress hatte und sich als deutschsprachiger Jude in Prag ziemlich abgeschottet fühlte. Ich persönlich sehe seine Stories eher im Kontext der Zeit, also der Anbeginn des europäischen Totalitarismus, Eingliederung des Menschen in die moderne Arbeitswelt (Gregor Samsas Chef kreuzt sogar bei ihm zu Hause auf, um ihn aus dem Bett zu holen), etc. Aber es kommt natürlich noch hinzu, dass ich Kafka ja ohnehin nur zu meinem Vergnügen lese und ich keine Kafka-Forschung betreibe, wie das vielleicht ein Literaturwissenschaftler machen würde. Aber der erforscht ja dann nicht nur Kafkas Lebensumstände, sondern z.B. auch die verschiedene Rezeption, zu verschiedener Zeit, von Kafkas Werken.

Geht etwas verloren, wenn man nicht interpretiert? Ist Interpretation der einzige Schlüssel zum Verstehen?

Ich weiß nicht wie du das siehst, aber man kann doch gar nicht lesen, ohne zu interpretieren. (Vielleicht meinst du ja auch eher "kontextualisieren") Interpretation beginnt ja schon dabei, verschiedene Buchstaben visuell zu erfassen und zu einem Wort zusammenzufügen.
Somit gesehen, ja, Interpretation ist der einzige Schlüssel zum Verstehen.

Ist deswegen der Autorenname größer geschrieben, weil ich das Verstehen im Autor suchen muß?

Wie geasgt, das ist einfach Marketing. Oft erlebt man es ja auch umgekehrt, wenn zum Beispiel ein relativ unbekanntes Buch verfilmt wurde, dann wird der Titel auf einmal ganz groß draufgehauen – im gleichen Schriftzug, wie auf dem Filmposter, versteht sich – und der Autor, den eh keine Sau kennt, steht ganz klein und einsam in der oberen linken Ecke.

 

Ich persönlich glaube, daß der Autor für das Verständnis (s)eines Textes vollkommen unwichtig ist, bzw. sein soll. Eine Geschichte sollte im Idealfall alleine stehen können, eine Art Eigenleben haben. Ansonsten ist sie nichts als eine Prosaversion eines Tagebuchs, eine Aneinanderreihung von, für den Autor, irgendwie relevanten Sätzen. Aber keine Geschichte.
Natürlich steckt in jedem Text ein bißchen was von seinem Verfasser, doch wer vermag zu sagen, WAS? Das kann der Laie so wenig wie der Literaturwissenschaftler, denn letztenendes bleibt alles immer nur These. Nichts läßt sich beweisen. Wenn ich eine Interpretation über ein Werk Kafkas, den ich so gut wie gar nicht kenne, schreibe, dann bin ich damit nicht näher dran oder weiter weg an der "Wahrheit" als es ein Kafka-Forscher, der sich jahrelang mit nichts anderem befaßt, in seiner Interpretation ist. Kafka hat ihm schließlich nicht verklickert, wie's gemeint ist. Und nur, weil der Umstand X in einer Geschichte deckungsgleich mit dem Umstand Y im Leben des Verfassers ist, muß es noch nicht biographisch sein.
Tatsächlich habe ich während der zeit meines Schreibens sehr schnell gelernt, daß man häufig selbst nicht sicher ist, was ein Text einem sagen will. Die mMn besten Geschichten von mir, sind die, die ich nicht sicher verstehen kann. Das nämlich ist das beste Zeichen für die Lebendigkeit einer Erzählung.

Weiterhin denke ich, daß diese Interpretationsregeln in der Schule an sich bloß dazu dienen, die Interpretation sowie das wissenschaftliche Arbeiten zu erlernen. Es geht also nicht darum, daß die Regel "Interpretiere einen Text nie ohne seinen Autor" die einzig wahre sei - leider sehen das viele Lehrkräfte und Dozenten anders... aber naja. :)


@I3en

Das kommt, glaube ich, einfach darauf an, ob du eine philologische, oder strukturalistische Lesart bevorzugs, oder? Es gibt natürlich Dinge, die gegen beides sprechen – die Unterschiede kennste ja. Zumal es da ja noch die postmoderne, auf den Leser bezogene Lesart gibt.

Hä? :)

 

In den USA geht man bei Trivialen Büchern einen Schritt weiter und lichtet den mehr oder weniger fotogenen Autor gerne in Überlebensgröße auf der Rückseite des Covers ab, so dass kein (möglicherweise entlarvender?) Buchklappentext mehr draufpasst.
Das ist wesentlich bescheuerter als eine Großschreibung des Autors, die mich im Übrigen nicht besonders aus dem Sessel locken kann.
...para

 

Was mich auch tierisch an Büchern in Amerika und England nervt, ist, dass sie immer mit duzendenden von völlig unbrauchbaren Zitaten aus den Rezensionen zugekleistert sind. Das sieht dann so aus:

"...superb..."
- New York Times

"...wonderful..."
- L.A. Weekly

"...exhilarating..."
- Miami Herald

"...spellbinding..."
Chicago Sun-Times

So weit ich weiß, könnten die einzelnen Worte auch einfach aus Sätzen wie "...one could hardly call this novel spellbinding..." zitiert worden sein. :hmm:

Versteht sich von selbst, dass dieser Brauch natürlich immer mehr auch in Deutschland nachgeäfft wird.

@Falk

Empfehle zum besseren Verständnis die Diskussion über Interpretationen. :)

 

Was mich am Interpretieren immer abgeschreckt hat und ich glaube, die bittere Erfahrung mußte jeder machen, ist, daß z.b. in der Schule eben in jeden Scheiß hineininterpretiert wurde. Um bei Kafka zu bleiben, in "In der Strafkolonie" - ich weiß nicht, obs einer kennt - wird auf einmal in die Offizier-Soldaten-Beziehung, die überhaupt keine Beziehung ist, sofort der Vater-Sohn-Konflikt hineininterpretiert, oder Goethegedichte, die kapiert man auch nur, wenn man weiß, von welchem Weib er es jetzt wieder hat, und findet sie auch nur gut, weil 'Goethe' größer geschrieben wird, als die Gedichtstitel selbst (nichts gegen Faust, aber mit seinen Gedichten kann ich nichts anfangen) und macht dann der Autor nicht gerade an der Stelle einen Fehler, wenn er seine Geschichten erst erklären muß, damit man sie versteht? Wenn die Geschichte nicht für sich stehen kann, dann hält der Autor sich für zu wichtig.

Was ich auch furchtbar finde ist, wenn sich der Autor in einem Roman z.B. auf einmal selbst zu Wort meldet. Wenn er auf einmal in "wir-Form" redet und den Leser somit unmittelbar in seine Gedankenströme miteinbezieht, was ich als Leser überhaupt nicht will, aber das ist dem egal, er tut es trotzdem, weil er glaubt, an dieser stelle jetzt unbedingt was wichtiges sagen zu müssen. Dann soll er ne Autobiographie schreiben, aber sich nicht in fremde Leben einmischen.

 

Dann soll er ne Autobiographie schreiben, aber sich nicht in fremde Leben einmischen.


:D

das tun dann Menschen wie Bohlen, nachdem sie sich in völlig talentfreie Leben gemischt haben, oder nicht?!?

Ich finde, der Name des Autors kann mir einen bestimmten Schreib- oder Erzählstil nahelegen, oder eben auch nicht.

Es gibt Autoren, von denen ich nach 2 oder 3 Büchern ( oder auch schon mal früher ) nie mehr was anfassen werde, weil ich den Stil zum kot..... fand.
Und andere, deren Sprache oder Sicht der Welt oder sowas ich wirklich mag. Da such ich gezielt nach neuen Büchern dieser Schreiberlinge.
Aber die würde ich sicher auch ohne hochhausgroße Leuchtschrift finden. Alphabetisch z.B. Notfalls mit Computer oder einem netten Buchhändler.....

Ich denke, der Autor heißt halt irgendwie und auf jedem Buch gleich. Aber der Titel sagt was darüber aus, worum es diesmal geht - wenn man Glück hat. Das hilft schon irgendwie weiter... :D

Sonst könnte man ja auch alle spannenden Bücher rot machen, alle lustigen blau oder so.... würde sicher mehr helfen.

Ich kaufe gern nach Titel und Umschlaggestaltung, ( und werde manchmal bitterlich enttäuscht, aber auch immer wieder belohnt... ) Aber ich schrecke nicht zurück, gute Autoren zweimal zu kaufen.

Lieben Gruß,

Frauke

 

Nein,

ich sehe das auch so, ist der Name bekannt, wird er groß geschrieben. Es hat nichts damit zu tun, dem Leser den richtigen Weg für seine Interpretation aufzuzeigen. Ist es nicht heute sowieso so, dass das Werk für sich stehen muss, die Intention des Autors für den Kritiker ohne Belang ist?

Letztens habe ich irgendwo gelesen, dass zwei von drei Büchern, die in Deutschland über den Ladentisch gehen, ohnehin nie gelesen werden. Das Buch als Geschenk. Dann leuchtet ein, wie bedeutsam die Optik ist.

 

dass zwei von drei Büchern, die in Deutschland über den Ladentisch gehen, ohnehin nie gelesen werden.

nee, das muß die Bildzeitung sein. Die hat Wahnsinns-Absatz-Zahlen, aber keiner liest sie. :D

im Ernst: erschreckend! :eek2:

aber es bedeutet auch, daß sogar schlechte Autoren eine Chance haben. Auf gute Graphiker und Werbefachleute kommt es an!

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Korina

Was ich auch furchtbar finde ist, wenn sich der Autor in einem Roman z.B. auf einmal selbst zu Wort meldet. Wenn er auf einmal in "wir-Form" redet und den Leser somit unmittelbar in seine Gedankenströme miteinbezieht, was ich als Leser überhaupt nicht will, aber das ist dem egal, er tut es trotzdem, weil er glaubt, an dieser stelle jetzt unbedingt was wichtiges sagen zu müssen.

Das kommt drauf an. Gogol schreibt auch gerne in "Wir"-Form und im "Parfum" von Süskind erzählte er auch in "Wir"-Form (oder "Ich"-Form? Jedenfalls aus der Autorensicht), was aus den Charakteren so geworden ist.
Ich mag das eigentlich. Jedenfalls hin und wieder, nicht, wenn es zuviel wird, aber ab und zu mal finde ich es sogar gut; auflockernd, spritzig. Vor allem bei Gogol (schmach... ;)), wenn er aus seiner Sicht plötzlich anfängt, über die Figuren zu "lästern"... :D

Grüßle,
stephy

 

Ich sehe es folgendermaßen.

Um beim Beispiel Kafka zu bleiben: Ich denke, dass man jeden seiner Texte auch ohne Einbeziehung seiner Lebensumstände so oder so verstehen kann. Zumindest bleiben sie ohne diese nicht gleich unverständlich. Das Leben Kafkas zu kennen, ist für mich aber noch wie ein zusätzliches Bonbon, denn diesen Hintergrund zu kennen gibt den Geschichten einfach noch ein ganzes Stück mehr Inhalt als ohne diesen. Ich denke, dass man das auch generell sagen kann.

Ich wähle meinen Lesestoff zum großen Teil nach den Autoren aus. Daher kommt es mir eher gelegen, dass dieser auf den Buchumschlägen mitunter mehr hervorgehoben ist als der Titel eines Buches.

In "Die Strafkolonie" unter anderem eine Vater-Sohn-Beziehung zu sehen halte ich für legitim. Dir, Korina, mag das fremdartig erscheinen. Für Kafka war es das keineswegs. Und gerade das macht ihn mitunter so spannend, finde ich.

Vergessen werden sollte hier auch nicht die Relevanz des jeweiligen Zeitgeistes, der noch unabhängig vom Denken und Fühlen des jeweiligen Autors mehr oder weniger unbewusst in seine literarischen Werke mit hineinspielt. Auch diese Berücksichtigung kann nötig sein, um eine Geschichte vollständig verstehen zu können. Ganz unabhängig von der Verantwortung einer Selbstständigkeit seiner Geschichten. Schriftsteller, die vor hundert oder mehr Jahren geschrieben haben, konnten unmöglich erzählen, dass ihre Geschichten auch heute noch so ohne weiteres vollständig verständlich sind. Der Anspruch an eine Geschichte, dass diese immer ganz unabhängig bzw. aus sich heraus verständlich sein soll, kann also bereits ganz prinzipiell gar nicht erfüllt werden.

 

@Ratte
Wieso?
Du gehst (so scheint's) davon aus, daß die Autorenintention hinter einer Geschichte das einzige ist, das verstanden werden muß/kann. So gesehen ist es natürlich unmöglich, Erzählungen längst verstorbener Künstler zu verstehen.
Wichtig ist für mich aber lediglich der Leser, d.h., so wie er die Geschichten versteht, so sind sie gemeint. Das wiederum heißt, daß jede Erzählung, die irgendwie verstanden wird, absolut verständlich ist.
Den Zusammenhang mit der Zeit, in der die Werke verfaßt wurden, sehe ich deshalb so nicht. Klar kann ich heute kaum nachvollziehen, wie zB ein Autor aus dem 17. jahrhundert seine Umwelt wahrgenommen hat - das aber verschließt mir lediglich das Verständnis der eigentlichen Autorenintention. Lassen wir diese aber beiseite, was ich, wie gesagt, für richtig halte, so bleibt, wenn die Geschichte gut ist, ein Text, der sich problemlos auf heutige Zeiten oder auch einfach auf die Traumwelt des Lesers übertragen läßt.

Sich also mit "der Zeit" oder "dem Autoren" zu befassen, ist sicher nicht verkehrt, aber mMn eben auch nicht essentiell.

 

Du gehst (so scheint's) davon aus, daß die Autorenintention hinter einer Geschichte das einzige ist, das verstanden werden muß/kann. So gesehen ist es natürlich unmöglich, Erzählungen längst verstorbener Künstler zu verstehen.
Unsinn. Wo behaupte ich denn sowas?
Außerdem spielt es doch gar keine Rolle, ob dieser oder jener Autor noch lebt oder nicht. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es von Erfolg gekrönt wäre, wenn ich mal eben Günther Grass oder Martin Walser anrufen täte, um sie zu fragen, wie sie denn in Gottes Namen diese oder jene Stelle in ihren Prosatexten wohl gemeint haben könnten...
Das wiederum heißt, daß jede Erzählung, die irgendwie verstanden wird, absolut verständlich ist.
Aber es gibt doch ganz unterschiedliche Lesarten! Der eine liest in Kafkas Geschichten andauernd eine Vater-Sohn-Beziehung. Der andere liest darin immer nur eine Interpretation unseres modernen Zeitgeistes. Für wen dieser beiden Leser sind diese Texte dann "absolut verständlich"? Beide werden nämlich ganz überzeugt die jeweils ihrige Schlussfolgerung erklären und belegen können!
Klar kann ich heute kaum nachvollziehen, wie zB ein Autor aus dem 17. jahrhundert seine Umwelt wahrgenommen hat - das aber verschließt mir lediglich das Verständnis der eigentlichen Autorenintention.
Das ist einfach falsch. Auch du bist massiv von dem heutigen Zeitgeist des Liberalismus und der Ökonomie beeinflusst (zB. in Sachen Atheismus...). Dieser wichtige Faktor spielt mehr oder weniger unbewusst in deine Urteilsfindung mit ein, ganz abgesehen von der tatsächlichen sog. "Autorenintention".

Es mag Texte geben, die man als wirklich zeitlos betrachten kann. Homers Erzählungen oder manche Sachen von Dostojewskij beispielsweise zählen für mich dazu. Immer muss aber erst das Wissen um den erforderlichen Kontext einer Geschichte vorausgesetzt werden, um verständlich zu werden. Eine Geschichte kann niemals ausschließlich aus sich heraus verständlich sein. Versuche zB. mal eine deiner Geschichten einem Aboriginie vorzulesen. Glaubst du, er würde sie verstehen, obwohl sie doch eigentlich vorgeben "textimmanent" zu sein?

 

Ich finde, daß die Hermeneutik der Teximmanenz vorangehen muß, um eine möglichst konstruktive Essenz der Intention zu gewinnen. Biographische Ansätze sind dabei neben historischen, esoterischen oder werkimmanenten Herangehensweisen als gleichwertig zu erachten, und wie bereits zutreffend angemerkt wurde, ist es gar nicht möglich, einen Text zu lesen, ohne ihn zu interpretieren.

Aber um aufs Thema zurückzukommen: Wenn der Autor bekannt genug ist, ist sein Name das weit stärkere Verkaufsargument, nicht der Titel. Daran ist nichts Rätselhaftes.

Die These, daß die meisten Bücher, die gekauft werden, gar nicht gelesen werden, ist mir ebenso neu wie unheimlich. Aber keineswegs unvorstellbar, und es wäre Wasser auf die Mühlen derer, für die der Inhalt zunehmend irrelevant ist, Hauptsache es steht ein großer Autorenname vorne drauf.

r

PS: Kafka und Goethe sind voll grausam. Man sollte ihre wichtigsten Werke kennen, aber nur aus Gründen der Allgemeinbildung.

 

Ich finde, daß die Hermeneutik der Teximmanenz vorangehen muß, um eine möglichst konstruktive Essenz der Intention zu gewinnen.
Und ich finde, als Autor sollte man sich einigermaßen verständlich ausdrücken. :bib:

 

Beide werden nämlich ganz überzeugt die jeweils ihrige Schlussfolgerung erklären und belegen können!
was spricht denn gegen mehr als eine Interpreationsweise für einen Text?
Gerade deshalb wehre ich mich als Autor ja dagegen, "das ist die Autorenintention" zu hören. Wer das wissen will, kann mich u.U. fragen, aber nicht zwangsläufig aus meine Texten schließen.
Oft entdekce ich in meinen Texten Jahre später noch Türen, die die damals gar nicht gesehen habe, und andere noch viel öfter.

Das steckt dann alles in dem Text drin, aber ist nicht "meine Meinung", im Sinne eines direkt geäußterten Statements.

Für mich spricht es gerade für einen "tiefsinnigen" und weitgreifenden Text, wenn man mehr als eine Ebene darinsteckt.

Ich finde aber nicht, daß man deshalb nicht total verschnörkelt und verworren schreiben sollte, um möglichst viele Interpretationen zu ermöglichen :D

 

Ich finde, daß die Hermeneutik der Teximmanenz vorangehen muß, um eine möglichst konstruktive Essenz der Intention zu gewinnen.
Anders formuliert (und auch ohne Tacker... :D ):

Jeder Text, der für sich beansprucht, keiner bloßer Nonsens zu sein, verfolgt eine bestimmte Absicht. Um diese Absicht nun zu erkennen, gibt es mindestens zwei verschiedene Möglichkeiten: Ich beziehe mich ausschließlich auf den Text und nur auf den Text (Textimmanenz). Oder aber ich interpretiere ihn unter Miteinbeziehung historischer, gesellschaftlicher sowie vom Autoren bewusst oder unbewusst mit eingeflochtener Umstände (Hermeneutik = Auslegung von Texten), erweitere also sozusagen meinen Interpretationsspielraum.

Die Intention eines Textes erreicht laut r nur dann den Status einer "möglichst konstruktiven Essenz", wenn der hermeneutischen Interpretation mehr Bedeutung verliehen wird, als der rein textlich bezogenen.

 

Genau das ist der Unterschied zu Trivialliteratur, die einem alles vortischt, man muß kein Stück mitdenken, man macht sich nicht mal eine viertel Sekunde lang darüber Gedanken, was die Autorenintetion ist (denn es gibt keine).

Das ist dann die Literatur, bei der der Autorenname größer geschrieben wird, damit man überhaupt irgendein Gesprächsthema hat, über die Geschichte selbst muß man ja nicht mehr viel reden, steht ja alles da.

Niemand interessiert sich für das Leben von Mary Higgins Clark und man wird ihre Romane auch nicht besser verstehen (da gibts nichts weiteres zu verstehen), wenn man ihre Biographie kennt, niemand interpretiert Mary Higgins Clark, die Frau schreibt doch alles hin, sie schreibt doch, wer der Mörder ist. Es geht ja auch außerdem nicht um sie, also wieso muß ich ihr Leben kennen? Damit ich weiß, warum sie die Geschichte in New York angesiedelt hat? Versteh ich dann die Geschichte besser? Gibt es denn da noch was besser zu verstehen? Ich brauch keinerlei Hintergrundwissen.

 

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