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Autobahnpolizei

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17.12.2002
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Autobahnpolizei

Eigentlich war ich gar nicht so sehr in Eile. Ich musste erst um 18:30 Uhr an meinem Arbeitsplatz sein und es hätte niemanden gestört, wenn ich wenige Minuten zu spät gekommen wäre. Niemanden, außer mir. Mein Ehrgeiz, es pünktlich zu schaffen war größer als die Angst einen Strafzettel zu bekommen. Also fuhr ich ein wenig zu flott über den Autobahnabschnitt, auf dem gerade mal 80 km/h erlaubt waren. Ich war noch ganz gut in der Zeit, als ich die Autobahn verließ, aber ich wusste, ich würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen, als plötzlich neben mir ein dunkelroter Audi fuhr, mich überholte und mit der schicken Kelle Richtung Seitenstreifen winkte. Mein erster Gedanke war, zurückzuwinken und schnell abzuhauen, aber das wäre natürlich totaler Irrsinn gewesen. Manchmal kann ich mich doch noch zusammenreißen.

Die beiden Polizisten in Zivil stoppten mich unter einer Brücke und stiegen aus. Ich suchte meine Papiere zusammen, steckte sie in die Hosentasche, stieg auch aus und ging ihnen lächelnd entgegen.

„Sie wissen, warum wir Sie angehalten haben?“, fragte der eine.

„Ja klar, ich bin eben ein wenig zügig durch die Baustelle gesaust, oder?“, entgegnete ich.

„So ist es“, sagte der erste und „ich würde gern Ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere sehen.“

„Die würde ich auch gerne mal wieder sehen, aber den Führerschein musste ich schon bei der letzten Kontrolle abgeben, verstehen Sie? Und die Fahrzeugpapiere sind noch im Kopierer. Morgen soll das Alles nach Polen. Naja, Sie wissen über so was bestimmt besser bescheid als ich.“

Hach, die beiden Gesichter waren göttlich anzuschauen!

„Wie bitte?“, fragte der zweite leicht irritiert.

„Sie sind der deutschen Sprache nicht besonders mächtig, hm?“ Ich fragte mich, ob das schon Beamtenbeleidigung war, aber ich hoffte sie waren zu überrascht, um darauf zu achten.

„Nun kriegen Sie sich wieder ein. Ich hab nur Spaß gemacht. Hier sind die Papiere.“ Ich zog sie aus der Hosentasche und gab sie dem, der näher zu mir stand. Natürlich wusste ich, dass ich nun viel zu spät zur Arbeit kommen würde, da sie jetzt meinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere auf ihre Echtheit überprüften und danach noch das Nummernschild durchgaben, um nachzufragen, ob der Transporter als gestohlen gemeldet war. Beamte und Spaß. Zwei Welten. Wenigstens ich hatte meinen.

Sie gingen mit mir zur Beifahrertür ihres Audis und einer sprach gerade über Funk, als ich einen kleinen Monitor am Armaturenbrett bemerkte.

„Haben Sie mich gefilmt? Bin ich da jetzt drauf? Arbeiten Sie für Hollywood? Mann, dass ich das noch erlebe! Darf ich jemanden grüssen, falls das ins Fernsehen kommt?“ Ich spielte den total aufgeregten Hobbyschauspieler, der seit Jahren auf seine große Chance zur Entdeckung lauerte.

„Ja, da sind Sie drauf. Hier, ich zeige es Ihnen“ Er war immer noch sehr freundlich. Ich mochte Menschen, die sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen ließen.

Er zeigte mir einen Film, auf dem ich eindeutig meinen Wagen von hinten sah. Allerdings nur eindeutig wegen des Nummernschildes, ansonsten hätte ich behauptet, das ich das nicht sei und sie mir hier widerrechtlich eine Straftat unterjubeln wollten, die ich nie im Leben begehen würde und ich sofort Name und Rang haben wolle, um sie zu verklagen.

Der freundliche Polizist erklärte mir „hier unten rechts sehen Sie unsere Geschwindigkeit. So schnell mussten wir fahren, um Sie nicht aus den Augen zu verlieren!“

Die Anzeige pendelte so bei 138 km/h herum. Naja, ich fand das ging noch, schließlich hätte ich ja auch 160 km/h fahren können.

„Haben Sie nicht solche kleinen handlichen Richtpistolen, mit denen Sie die Geschwindigkeit messen können?“, fragte ich neugierig.

„Doch, aber die sind nur dafür da, die Geschwindigkeit eines vorbeifahrenden Fahrzeugs aus einer stehenden Position heraus zu ermitteln.“ Dieses Beamtendeutsch hat doch irgendwie etwas, oder?

„Also gut“, fuhr ich fort, „Sie haben nun diesen Film aus Ihrem Fahrzeug aus einer fahrenden Position heraus aufgenommen und da unten rechts wird Ihre Geschwindigkeit angezeigt. Habe ich das soweit ordnungsgemäß verstanden?“ Ich kann mich manchmal ganz gut meiner Umgebung anpassen, finde ich.

„So ist es!“, rief er, offenbar erfreut, jemandem zu begegnen der seine Sprache sprach. „Aber natürlich ist es auch Ihre Geschwindigkeit. Mussten Sie denn unbedingt so rasen?“

„Nein, eigentlich nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Sie hinter mir fahren war so gering, dass ich so gefahren bin wie sonst auch immer.“ Ich grinste ihn frech an.

„Wussten Sie denn, wie schnell Sie fahren?“

„Ja, natürlich wusste ich das.“

„Naja, vielleicht haben Sie ja nicht so genau darauf geachtet und sind versehentlich so gerast??“ Ich merkte, dass er mir helfen wollte, weil er wusste, was passieren würde wenn ich nicht irgendwie versuchte mich herauszureden. Ich hatte offensichtlich ein wenig Sympathie ergattert.

„Hören Sie,“ sagte ich, „an dem Tag, an dem ich nicht weiß, was ich tue und wie schnell ich fahre und ‚aus versehen’ in einer Baustelle, die mit 80 km/h ausgeschildert ist, fast 140 km/h fahre, dann möchte ich., dass Sie in der Nähe sind und mich sofort festnehmen. Ich bin dann wirklich eine Gefahr für die Menschen.“

„Junger Mann, Sie reden sich hier um Kopf und Kragen. Sie werden Ihren Führerschein für einige Zeit abgeben müssen, wie es im Moment aussieht.“

„Wenn das die Strafe für 58 km/h zu schnelles fahren ist, werde ich sie auf mich nehmen, aber ich werde Ihnen hier nichts vorlügen, um dem zu entgehen. Wenn Sie mir helfen wollen, dann löschen Sie doch einfach die Aufnahme, man kann darauf mein Gesicht sowieso nicht sehen. Das wird Hollywood Ihnen nie abkaufen!“

“Das kann ich nicht tun, das wissen Sie.“ Er grinste mittlerweile über meine Späßchen.

„Ja, und ich werde nicht lügen, das wissen Sie nun auch. Aber noch mal zurück zum Film. Sie sagten, die Anzeige zeigt Ihre Geschwindigkeit an?“

„Ganz genau.“

„Okay, nun, ich zeige Sie an, wegen zu schnellen Fahrens in einer Baustelle!“

„Was?“ Er war noch überraschter als vorhin, das gefiel mir.

„Ich zeige Sie an, wegen zu schnellen Fahrens. Bei 138 km/h in einer 80-Zone sind Sie nicht weniger eine Gefahr für andere als ich. Nehmen Sie die Anzeige auf, oder soll ich die Polizei rufen?“ Ich guckte ganz ernst, aber innerlich kugelte ich mich vor lachen.

„Es war in Ausübung unserer beruflichen Pflicht“, sprang der andere Polizist ein, „wir dürfen das!“ Damit gab er mir dann auch meine Papiere wieder, drückte mir zusätzlich meine Anzeige wegen zu schnellen Fahrens in die Hand, stieg ein und fuhr los.

„Na gut“, sagte ich leise zu mir selbst, fragte mich aber, was eigentlich passieren würde, wenn die beiden hinter mir einen Unfall verursacht hätten? Würde ich dann die Schuld bekommen? Niemand hat sie genötigt mich bei dem Tempo zu verfolgen.

Aber alles in Allem konnte ich weiterhin ruhig schlafen und der Führerscheinentzug bescherte mir vier Wochen verdienten und sogar bezahlten Urlaub. Es ist eine gute Welt in der wir leben.

 

Hey Rabe!

Dein Verbesserungsvorschlag stimmt natürlich! Danke, dass du mich drauf aufmerksam machst. Wird überarbeitet.

Dir auch einen extrem guten Rutsch!
Karsten

 

Hallo Emma!

Es geht doch! :)

Deine aufgeführten Zitate sehe ich als konstruktive und sogar lehrreiche Kritik. Hinter ihnen musst Du Dich auch nicht verstecken, sondern kannst erhobenen Kopfes damit herumwerkeln, denn solche Sätze sind es, die einem das Schreiben näher bringen.

Und ob etwas gesellschaftsfähig ist, oder nicht, darüber habe ich mir schon seit Jahren den Kopf nicht mehr zerbrochen. Erst recht nicht, was Autos angeht :)

Liebe Grüsse und nen flotten Rutsch....
Karsten

 

Hi Karsten,
unser Bürgermeister wirft gerne mit Goethe-Zitaten um sich. Ich sollte öfter mal Ringo Starr zitieren (Marlene Streeruwitz ist auch nicht schlecht), das macht mehr Eindruck, als wenn man selber buchstabiert.
Du siehst, ich bin wieder bissig drauf.
Grüße von Emma

 

Hi Karsten,
andererseits,
wenn ich behaupte, dass eine Geschichte dann glaubwürdig sei, wenn ein Durchschnittsbürger sie nachvollziehen könne, dann befinde ich mich auf wackeligem Boden.
Eine Geschichte kann auch toll sein, weil sie gegen den Strich bürstet, weil sie eine neue Dimension des Denkens eröffnet, weil sie alles infrage stellt, was die Durchschnittsautofahrerin halluziniert.
Grüße von Emma

 

Hallo Emma,

ein Goethe zitierender Bürgermeister ist nicht das Schlechteste, was einem Ort passieren kann, denke ich :)

Und wann einem etwas real erscheint oder nicht, liegt vielleicht auch daran, was man bisher selbst für skurriles Zeug erlebt hat, oder? Die Phantasie lernt extrem dazu, wenn sie extremen, oder wenigstens seltsamen Dingen ausgesetzt wurde.

Sei auch nicht zurückhaltend mit Deiner bissigen Art. Ich mag sie sogar! Meine Kritik daran war lediglich, dass sie zunächst nicht konstruktiv war.

Freu mich auf mehr von Dir!
Auf ein Frohes Neues :)
Karsten

 

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