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Auf dem Dachboden

Seniors
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02.01.2002
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Auf dem Dachboden

"Hast du's jetzt?"

"Moment ... "

Andre vedreht die Augen. Mädchen! Immer brauchen sie ewig.

"Beeil dich, wir haben nicht mehr viel Zeit..", drängt er nochmals.

"Ich sage doch, es dauert noch etwas!" ruft Susan verärgert zurück. "Sie wird noch mindestens eine halbe Stunde weg sein, jetzt hab Dich nicht so.."

"Jaja, eine halbe Stunde.. Vielleicht kommt sie auch eher, hast du daran schon mal gedacht?! Wenn sie uns hier findet ..."

Andre wird fast schlecht bei dem Gedanken. Seine Tante ist zwar nicht übermäßig streng, aber in dem Punkt kennt sie keinen Spaß. Der Dachboden ist tabu, und dabei blieb es auch immer, egal wie oft Andre und Susan schon gebettelt hatten.
Sie hatten sich schon damit abgefunden, dass sie sich nie ohne Begleitung dort oben umsehen durften, aber Andre war schließlich die Idee gekommen, sich sämtliche Schlüsselbünde ihrer Eltern heimlich auszuleihen und nach einem Zweitschlüssel zu suchen - und siehe da, bei ihrem Vater waren sie fündig geworden.

"Wenn Dad merkt, dass der Schlüssel fehlt ... ", murmelt Andre und sein Gesicht verfärbt sich leicht ins Grünliche.

"Er ist Angeln gegangen, da denkt er nur an Würmer und Fische und Haken, Andre", gibt seine Schwester unwillig zurück. Ihre Stimme klingt gedämpft, weil sie hinter einem riesigen Karton verschwunden ist.
"Es muss hier irgendwo sein..."

"Hast du's?" ruft Andre wieder. "Lass uns wieder tauschen, ich will auch nochmal gucken!"

"Oh Mann", seufzt Susan und kriecht widerwillig hinter dem Pappgebilde hervor. Sie klopft sich den Staub aus der Kleidung und steigt vorsichtig die schmalen Stufen herab.
"Ok, guck du nochmal nach. Ich war beim Karton, dahinter sind ein paar Kisten, und ich wette, dass sie es da irgendwo vesteckt hat. In den Kisten auf der anderen Seite sind nämlich nur Kleider, so wie ich das sehe."

"Ist gut", nickt ihr Bruder und klettert in Windeseile die Stiege hinauf.

Die Dunkelheit ist im ersten Moment fast unheimlich, aber seine Augen gewöhnen sich rasch an das Dämmerlicht und er steuert zielstrebig auf den großen Karton zu. Dahinter steht eine Kommode, von der Andre allerdings weiss dass sie leer ist, und etwa ein halbes Dutzend kleiner Kisten.
Eine hatte Susan schon durchstöbrt, jedoch nur alte Briefe gefunden. Briefe waren allerdings schon nicht schlecht - etwas ähnliches suchen sie ja.
Er wühlt ein wenig in einer grünen Kiste herum, deren Schloss schon halb verrostet gewesen ist und er daher einfach abgebrochen hat.

"Beeil dich, nur noch zwanzig Minuten", zischt Susan von unten.

"Jaja, jetzt bist du mal dran mit warten", grummelt er vor sich hin und greift nach einer dunklen Schachtel. Das Schloss klemmt, lässt sich aber mit etwas Gewalt abreissen. Eine dichte Staubwolke steigt ihm in die Augen und er muss unwillkürlich husten. Als er wieder sehen kann, entdeckt er sofort ein kleines, blaues Heft darin. Sonst ist die Kiste leer.

Sein Herz beginnt schneller zu schlagen. Er öffnet die erste Seite und erstarrt.

"Susan", krächzt er, seine Stimme velässt ihn, er hustet nochmal, und ruft etwas lauter nach seiner Schwester, doch sie hat ihn schon längst gehört und klettert bereits die Stufen hinauf.

"Was ist, hast du es?" Ihre Stimme klingt erregt und zittert sogar leicht.

Andre kann nur nicken.

Susan lässt sich neben ihn fallen und greift nach dem dünnen Buch. Ihre Augen werden groß, als sie es aufschlägt und hineinsieht.

"So-so sahen sie also aus ...", haucht sie.

Andre nickt abermals, seine Kehle ist wie zugeschnürt.
Stumm betrachten die Geschwister die Fotos in dem Album.

"Wie hießen sie?" fragt Susan, obwohl sie die Antwort kennt.

"Menschen", flüstert Andre kaum hörbar. "Menschen ... "

Susan schluckt. Sie berührt vorsichtig eines der Bilder.

"Das waren sie also. Die Menschen ..."

[ 18.07.2002, 10:51: Beitrag editiert von: Ginnyrose ]

 

Hi Ginny!

Du schreibst gerne Dialoggeschichten mit Pointen, oder?

Bin auch u. a. durch den Titel auf die Story neugierig geworden und wollte unbedingt wissen, was sie mit "Science Fiction" zu tun hat.

Ich bin etwas zwiegespalten in Hinsicht darauf, ob mir die Geschichte gefallen hat oder nicht.

Beginnen wir mit dem, was ich gut fand: Den Aufbau.
Ohne lange Ausschweifungen hast du es geschafft, die Neugierde des Leser zu erwecken, und man liest sehr gespannt bis zum Ende, da man unbedingt wissen möchte, wie die Sache ausgeht.
Das ist dir wirklich gelungen. Und lange Zeit war die Pointe unvorhersehbar für mich.

Trotzdem konnte mich das Ende nicht wirklich überzeugen. Das Problem mit den "menschlichen Namen" und der "menschlichen Umgebung" wurde ja bereits angesprochen; was mich aber noch mehr störte, war, dass ich die Auflösung nicht sonderlich originell fand. Sie wurde wirklich schon dutzende Male verwendet, Rainer hat das bereits geschrieben, und auch ich hab' die Idee in einer meiner älteren Storys bereits umgesetzt (wobei deine weitaus spannender aufgebaut ist als meine!). Klar ist es schwierig, sich immerfort neue Ideen auszudenken, aber mir persönlich hat das Ende trotzdem nicht sonderlich zugesagt.
Da fand ich das in "Rosenrot" schöner. :D

Ob die Bezeichnung "Grün im Gesicht werden" passend ist, weiß ich nicht - insgesamt gefällt mir die knappe Sprache. Mehr ist für diese Geschichte auch nicht nötig.

Eine vage Andeutung auf die Pointe hättest du vielleicht noch mit einbauen können, aber dann wäre das Ende wohl zu früh offensichtlich geworden. Vielleicht ist ja die Rubrik "Science Fiction" bereits Andeutung genug.
Ich hab' mir zwar lange Zeit gefragt, was da noch kommt und wie die Sache endet; ganz bis zum Schluss musste ich aber nicht lesen, um die Pointe zu wissen. An dieser Stelle hatte ich bereits eine Vorahnung, die sich am Schluss bestätigte:

"So-so sahen sie also aus ...", haucht sie.

Andre nickt abermals, seine Kehle ist wie zugeschnürt.
Stumm betrachten die Geschwister die Fotos in dem Album

Ab hier ist das Ende also ziemlich offensichtlich. Aber viel kommt dann eh nicht mehr und die Geschichte ist ja so gut wie zu Ende.

Hm... normalerweise würde ich schreiben, die Personenbeschreibungen sind etwas spärlich ausgefallen - hat sich hier wohl erübrigt. :D

Empfehlen würde ich dir, die verschiedenen Zeitstufen noch einmal gründlich anzuschauen. Wurde ja bereits angesprochen, sie sind noch immer etwas durcheinander geraten.

Ein paar Kleinigkeiten noch, die mir aufgefallen sind:

"Sie wird noch mindestens eine halbe Stunde weg sein, jetzt hab Dich nicht so.."
"dich"
Punkt zuviel
Dahinter steht eine Kommode, von der Andre allerdings weiss dass sie leer ist, und etwa ein halbes Dutzend kleiner Kisten.
"weiß"
Eine hatte Susan schon durchstöbrt, jedoch nur alte Briefe gefunden
Tippfehler
Das Schloss klemmt, lässt sich aber mit etwas Gewalt abreissen
"abreißen"

Fazit: Mit der Einschränkung, dass die Pointe recht abgedroschen ist, eine wunderbar unterhaltsame Geschichte, bei der man gebannt bis zum Ende liest.

Viele Grüße,

Michael :)

 

Hi Michael,

Du schreibst gerne Dialoggeschichten mit Pointen, oder?
;-)
Ja, genau. Aber davon will ich mich in Zukunft etwas lösen, oder es zumindest versuchen. Hier sieht man das Problem ja, dass die Pointe absolut nicht vorhersebar ist und aus dem Ärmel gezaubert wurde. Das kommt nicht unbedingt gut an bei allen Lesern und man macht es sich als Autor sehr leicht.
was mich aber noch mehr störte, war, dass ich die Auflösung nicht sonderlich originell fand.
Hm - ja, das ist auch ein Problem. Wobei ich aber sagen muss, dass ich von derartiger Literatur kaum eine Ahnung habe und zwar gerne glaube dass es ein ausgelutschtes Thema ist, aber selbst sowas noch nicht gelesen habe. Inspiriert wurde ich vielmehr durch eine Kurzgeschichte von Isaac Asimov, "The fun they had", wo ein Junge und ein Mädchen in der Schule lernen dass die Menschen früher in Büchern gelesen haben, die es in ihrer Zeit schon längst nicht mehr gibt, oder so ähnlich ...
Danke fürs Lesen und die Fehlerkorrekturen, und wenn die Geschichte nicht langweilig zu lesen war ist das schon viel für mich Wert. :)

Liebe Grüße,
Ginny

 

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