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Arbeitslos

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02.03.2002
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Arbeitslos

„… und daher muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir beschlossen haben, uns mit sofortiger Wirkung von Ihnen zu trennen… Änderung der Firmenstruktur und –philosophie… wäre freundlich, wenn Sie jetzt gleich alles übergeben…. Ihre privaten Sachen vom Arbeitsplatz entfernen…. bis Ende des Vertrages freigestellt… wohlwollendes Zeugnis… nach Hause… wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.“ Händeschütteln, kurzes Winken, die Tür fällt ins Schloss.

Ich sitze im Wagen, starte unbewusst den Motor und registriere kaum, wie mein Körper alle notwendigen Dinge tut, um mich durch den ruhigen Vormittagsverkehr in Richtung Heimat zu geleiten. Ich bin betäubt. Bruchstückhaft hallen wirre Satzfragmente immer und immer wieder durch den Kopf. „…mit sofortiger Wirkung, alles Gute … vom Arbeitsplatz trennen… nach Hause…“ Achtzehn Jahre in leitender Funktion, achtzehn Jahre mit Herz die Firma durch dick und dünn begleitet, oft genug das Privatleben hinten an gestellt und nun innerhalb von fünfzehn Minuten einen Schlussstrich drunter gezogen. Ein paar leere Phrasen, ein aus der Tür drängender Händedruck, ein Spießrutenlauf durch Freunde und Mitarbeiter. Entsetzte, mitleidige und hintergründig grinsende Gesichter begleiten mich bis zum Ausgang und starren mich, im Wagen sitzend, auch kilometerweit entfernt, noch weiter an.

„Du hättest es wissen müssen, es gab genug Anzeichen, dass man Personal bereinigen wird. Warum kamst du nicht auf die Idee, dass du erst recht verzichtbar bist? An dir spart man obendrein am meisten Geld. Zentrale Leitung heißt, dass man vor Ort keine Leitung mehr braucht, dich nicht braucht.
Dankbarkeit? Für achtzehn Jahre tollen Einsatz? Du bist auch achtzehn Jahre toll bezahlt worden. Moral? Unmenschlichkeit? Weil man mit fünfzig keinen Job mehr bekommt? Man muss es mal aus betriebswirtschaftlicher Sicht sehen. Eine Abfindung, ein halbes oder ein ganzes Jahresgehalt, und dann nichts mehr. Vielleicht als Ersatz einen jungen dynamischen Akademiker, direkt von der Uni. Verdient nicht mal die Hälfte, lässt sich noch formen, ist leichter zu dirigieren. Und es rechnet sich, in vielerlei Hinsicht. Der Angsteffekt bei allen anderen Mitarbeitern eher positiv zu bewerten. Also, was spricht schon dafür, dich alten Esel zu behalten? Du hast dich um die Firma verdient gemacht, warst loyal. Okay. Du hast dir also dein Gehalt verdient. Normal, oder? Loyalität erwartet man vom Mitarbeiter, Loyalität ist selbstverständlich, ist was für Einzelpersonen. Nicht aber für die Firma, bei der gelten betriebswirtschaftliche Kriterien.“

Zuhause. Auf dem Tisch steht der Karton aus dem Büro, mit dem Bild der Frau und den Kindern, das du vom Sideboard genommen hast. Der Briefbeschwerer, die privaten Karteikarten, Messer, Gabel, Salzstreuer und weiter Kleinigkeiten. Privatleben auf zwanzig mal dreißig Zentimeter. Noch immer die Satzfragmente ´mit sofortiger Wirkung´ im Kopf. Sechs Monate freigestellt, sechs Monate bis zur Arbeitslosigkeit. Es sei denn, ich finde bis dann eine Stelle. Aber wer stellt einen Über-Fünfzig-Jährigen ein?
Was wird die Frau sagen, die Kinder? Arbeitslos. „Mein Mann ist arbeitslos.“ „Mein Vater ist arbeitslos.“ Peinlich so ein Geständnis. Gesellschaftlich abgestürzt. Die Nachbarn werden fragen: „Ich sehe Sie so oft zuhause in letzter Zeit. Haben Sie Urlaub?“
„Oooch, das ist ja schlimm. Was machen Sie denn nun? Das Arbeitslosengeld ist doch nur ein Almosen. Ist ihr Haus denn schon bezahlt? …“

Vier Monate später. Im Briefkasten erneut zwei Absagen, Hamburg und Ulm. Siebenundvierzig sind es nun insgesamt, siebenundvierzig kleine Tode. „…haben Sie Verständnis für unsere Entscheidung und sehen Sie darin keine negative Beurteilung Ihrer persönlichen und fachlichen Qualifikation… danken für Ihr Interesse an unserem Unternehmen… blablabla.“
Mein Gott, keiner will jemanden, der Erfahrung, Durchsetzungsvermögen, Jahre im Fach hinter sich hat.
Wieder ins Internet, wieder alle 22 Job-Suchmaschinen in den Favoriten durchwühlen, wieder nach einem Angebot suchen, in dem nicht explizit eine Altersangabe (…bis max. 40) steht. Das zarte Pflänzchen Hoffnung gießen. Neue Blätter nachwachsen lassen. Im Postamt kennt man mich schon. „Na, wieder zwei? Sie sind aber fleißig. Trotzdem noch keinen Erfolg gehabt?“ Die junge Frau formuliert es mit Mitgefühl in der Stimme. Mir bleibt ein leichtes Kopfschütteln im Gehen. Nur nicht ein längeres Gespräch, womöglich mit ein paar Leuten in der Schlange hinter mir.

Arbeitsamt. Heute zumindest keinen Bekannten getroffen. Formulare ausgefüllt. Endlose Fragen beantwortet. „Sie haben also nicht gegen die Kündigung geklagt? Einen Aufhebungsvertrag? Das wird leider als Vorteilsnahme gewertet, sie haben gegen Geldleistung der Kündigung zugestimmt. Da werden Sie mit einer Sperre rechnen müssen.“ Dann kamen Job-Angebote, alle Stellen schon längst besetzt. Trotzdem eine freundlich formulierte Antwort ans Arbeitsamt.
Die Arbeitslosigkeit rückt näher. Wieder Job-Suchmaschinen, wieder das Gießen der Pflanze Hoffnung.

Tagesroutine. Dann: „Der Vater von Hanne ist auch arbeitslos geworden.“ Die Tochter sagt es mit leiser Stimme; ich weiß, sie will mit dieser Katastrophenmeldung Trost spenden. Sie hilft mit dem Elend anderer. Aber es ist nur ein Leidensgenosse, kein Trost.
Wieder Briefkasten, wieder ein kleiner Tod – Absage aus Frankfurt. Halt. Firma Schäfer. Der Umschlag zerfleddert beim Öffnen. „“…würden uns freuen, Sie am 01.12. um 15 Uhr zu einem ersten Gespräch in unserem Haus willkommen zu heißen…“
Meine Hände zittern, der Brief fällt vor mich, ich setze mich, bleibe eine halbe Stunde am Tisch, allein und schweigend.


Noch fünf Minuten. Wie soll ich bei diesem Gespräch „normal“ erscheinen? Bin bereits jetzt verkrampft. Eine lockere Konversation führen, womöglich noch scherzhaft und geistreich blitzschnell antworten. Dabei keine Schweißperlen auf der Stirn, trockene Hände. Die Zukunft hängt von diesen Minuten ab. Es gilt, die Einstellung zu zeigen, die man hätte, wenn man sich nicht bewerben müsste. Als wäre mir egal, was das Gegenüber denkt, vergessen die letzten vier Monate innerer Selbstzerfleischung, ich habe keine Familie, deren Leben von meinem Auftreten abhängt, kein Haus, das verkauft werden muss, wenn ich arbeitslos werde, ich habe keine Probleme damit, mich anzulügen. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, rücke die Krawatte zurecht, ein letzter Blick in den Rückspiegel des Wagens. Dann nehme ich meine Unterlagen, gehe an das Tor, setze ein cooles Lächeln auf und drücke auf den Knopf unterhalb des vornehm aussehenden Firmenschildes.

 

hi querkopp,
da hast du dir ein ernstes und schwieriges thema ausgesucht.
wir alle werden mehr oder weniger mit dieser problematik konfrontiert. in meiner familie ist einer im medizinischen sinn wahnsinnig geworden, als man ihn nach über 20 jahren betriebsbedingt kündigte..
in der regel denke ich, das geschichten fiktiv sind, da nimm man es nicht so genau mit unrealistischem. aber da es ein sehr realistisches thema ist, ist der bedarf da, dass es ausführlich und korrekt geschildert wird.
die eine überlegung dabei ist, der mann ist über 50 - wie alt sind denn die betroffenden kinder?
das arbeitsamt verhängt keine sperre, es sei denn, der mann kam zu spät zum arbeitsamt, um sich beraten zu lassen (das wäre ein widerspruch zum engagement des protagonisten in der geschichte). die einspruchsfrist kenne ich nicht, aber sie dürfte bei mindestens einem monat liegen.
deine geschichte ist solide erzählt. ich mag es, dass du den hoffnungsschimmer am ende eingebaut hast.
das andere, was mir gut gefallen hat, ist die darstellung der "schande" im spiessbürgertum, jetzt arbeitslos geworden zu sein.
das muss sich in unserer gesellschaft ändern. die arbeitslosenquote wird tendenziell mit der technik steigen.
fazit: eine solide geschichte mit einem sehr ernsten inhalt.

bye barde

p.s. ich sehe, sternenkratzer hat wieder mit unwissen und unverständnis geglänzt *smile*.

 

@Barde

das Arbeitsamt verhängt dann stets eine dreimonatige Sperre, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz schuldhaft verloren hat. Wenn also der Protagonist dem Arbeitsamt einen Aufhebungsvertrag vorweist, indem nicht enthalten ist, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum ....geendet hat, wird es/muß es eine Sperre verhängen.Sperre bedeutet, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitsamt drei Monate lang kein Arbeitslosengeld erhält.

 

Hallo querkopp,

lass uns kurz zusammenfassen: Du hast Probleme mit der Rechtschreibung. Du hast ebenfalls Probleme mit relativ einfachen stilistischen Mitteln wie Wortwiederholungen.

Mein Rat bis hierhin: Schreibe einfache Texte. Das übt!

Was deine kritik an den "hingeschleuderten" unvollständigen Sätzen angeht, muss ich gestehen, dass dieser Stil gewollt ist

Hm - es gibt Dinge, die man/ich nicht freundlich ausdrücken kann: Obwohl du also und objektiv belegbar die Pflicht des Schreibens wie eben erläutert noch nicht ausreichend beherrschst, wagst du dich bereits an die Kür?

<wie sag ich's?> ... riecht das nicht auch für dich verdächtig nach Selbstüberschätzung?

Deshalb noch mal mein Tipp: Schreibe einfache Texte mit einfachen, aber ganzen Sätze. Füge diese zu Absätze und einem angenehmen Lesefluss zusammen.
- Das alleine ist schwer genug, ohne die Schikanen irgendwelcher anderen Stilmittel.

Klaus
(<g> der ansonsten bzgl. Kündigungen wieder etwas dazu gelernt hat.)

 

Glückwunsch auch von mir, querkopp.
Wirklich gelungen, allein aus dem Grund, dass sie nachdenklich macht und der Leser mit dem Protagonisten dessen Ängste mitfühlt.
Was noch nicht angesprochen wurde, ist das (in meinen Augen) große Problem, dass sich unsere Gesellschaft zu sehr über ihre Arbeit identifiziert. Die Arbeit macht fast komplett unser Selbstwertgefühl aus. Hast du keine, bist du nichts. Dabei sollte die Arbeit nur ein Teil unseres Lebens sein und es nicht vollkommen bestimmen.

Aber der Protagonist hat andere Sorgen. Er hat Verantwortung für andere Menschen. Das ändert vieles.

Ein Satz ist mir ein wenig komisch vorgekommen

es gab genug Anzeichen, dass man Personal bereinigen wird
Irgendwie klingt das in meinem Ohr strange.

Ansonsten super und einfühlsam geschrieben.


Jan

 

Hallo Barde,

Danke für deine Beurteilung und deine eventuell (!) berechtigte Kritik zur Realität.

Zu deiner ersten Frage, wie alt denn die Kinder seien. Wenn der Mann ca. 50 ist und mit ca. 30 die Kinder bekommen hat sind sie jetzt ca. 20. Da sehe ich kein Problem, keine Ungenauigkeit. Ich denke, es hätte nichts gebracht, das im Detail darzustellen.

Zu deiner Aussage: das Arbeitsamt verhängt keine Sperre…. Ich habe in meiner Geschichte die Sperre damit begründet, dass der Protagonist einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat. Dies geschieht meines Wissens nach auch, weil man unterstellt, der Arbeitnehmer habe durch unterschreiben des Vertrages etwas zu seinem Vorteil ausgehandelt, nämlich das Akzeptieren der Kündigung gegen Zahlung einer (höheren) Abfindung. In diesem Punkt könnte ich einer Fehlinformation aufgesessen sein (?) und es würde mich freuen, wenn mir jemand, der es sicher weiß ein klares ja oder nein dazu sagen könnte. Bisher erschien es mir sehr plausibel.

Was die „Schande“ angeht, ist es sicherlich ein rational nicht begründbares Gefühl, was bestimmt viele haben. Mag sein, dass ein wenig Spießbürgertum damit verbunden ist. Rational kann man es eigentlich nur so sehen, dass in so einem Moment ein Fall eingetreten ist, den „man“ jahrelang, mit hohen monatlichen Versicherungsbeiträgen, versichert hat. Und nun muss die Versicherung halt zahlen. Bei einer Haftpflichtversicherung sieht das jeder als völlig normal an. Warum nicht hier? Keine Ahnung.

Die Perspektive, die du darstellst habe ich bereits im Detail in „Brave New State“ geschildert.
Habe gerade gesehen, dass Lakita wieder schneller war. grrrrrrrrr

@Sternenkratzer
auch wenn deine Ausführungen ein wenig ähm, aggressiv (? alternativ: Überheblich?, arrogant?) klingen, will ich es gern annehmen und werde mal versuchen eine KG mit einfachen, ganzen Sätze zu schreiben, mit einem angenehmen Lesefluss. Was meine Rechtschreibung angeht, behaupte ich nicht ein Meister zu sein, konnte jedoch bisher gut damit leben. Wenn mal ein paar drin sind, da ich mal nicht mit Word geschrieben habe, bin ich jedem dankbar, der mich darauf aufmerksam macht. Lieber ist mir dabei derjenige, der es in freundlichem Ton sagt, aber auch der andere erfüllt seinen Zweck. Du könntest übrigens deine Beitrag auch mal überarbeiten :D :D

Ich muss gestehen, dass ich mir vorgenommen habe, mir in den nächsten Tagen mal ein Werk des Meisters zu Gemüte zu führen, der sicherlich schon längst nur noch in den Bereichen der Kür schreibt.

Gruß vom querkopp

 

Hallo Peter Pan,

Danke auch dir, dass du dir die Zeit genommen hast. Stimme dir zu, dass das Thema der Überbewertung der Arbeit nicht angesprochen wurde, aber das hätte die Geschichte überladen, glaube ich.

Meinst du, dass es heißen sollte: „es gab genug Anzeichen dafür, dass man Personal bereinigen würde“ ?
Könnte sein, bin mir nicht sicher. Wird mir vielleicht Sternenkratzer freundlicherweise beantworten ?

Gruß vom querkopp

 

Dat mok ik anstelle von SK:
es geht um das häßliche Wort bereinigen!!!!
Was hältste denn von : kündigen ????

Gruß lakita

 

... ist auch ne Variante. Allerdings ist `bereinigen` ein durchaus geläufiges Wort. Ich glaube, man versucht dadurch das gehasste Wort `kündigen`zu vermeiden. Dass es anderseits menschenunwürdig klingt, wird in der Regel übersehen.
Ich lasse es stehen, weil es zynischer klingt.
Gruß vom querkopp

 

Keine Frage Querkopp, ich hab schon verstanden, dass du hier ganz bewußt "bereinigen" gewählt hast, denn kündigen ist schon irgendwie ein verteufelt normales Wort geworden, "bereinigen" oder z.B. auch "entfernen", "entsorgen" klingt dagegen zynisch, menschenverachtend.

Ich hatte nur gelesen, dass du Peter Pan's Hinweis nicht verstanden hattest, und fatalerweise darauf verfallen warst, dir die Antwort von Sternenkratzer geben zu lassen, da wollt ich dann doch aufklärerisch schnell zur Stelle sein. ;)

Lieben Gruß
Elvira

 

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