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Serie Anna Irene und die Kinder aus Linz-Kleinmünchen, 1972 (10)

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20.11.2001
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Anna Irene und die Kinder aus Linz-Kleinmünchen, 1972 (10)

Es ist Hochsommer, Ferienzeit. Anna Irene ist alleine, als sie in der Früh aufsteht. Frau K. mußte zeitig zur Arbeit und hat Anna Irene lediglich geweckt, bevor sie das Haus verließ. Sie meint, ihre Tochter sei mit ihren sieben Jahren schon groß genug, alleine ihr Frühstück zu machen und sich anzuziehen, um dann in den Hort zu gehen, wo sie den Tag unter Beaufsichtigung verbringt.
Jede zweite Woche ist das so in diesem Juli. Bevor Anna Irene geht, gibt sie ihrem Hamster sein tägliches Stück Karotte oder Apfel in den Käfig. – Frau K. hatte ihn ihr, die sich insgeheim ein Geschwisterchen wünscht, gekauft. Sie ließ sich im Geschäft mündlich versichern, daß es sich um ein männliches Exemplar handelt, um einer etwaigen Hamsterinvasion, hervorgerufen durch den Kauf einer schon schwangeren Hamsterdame, zu entgehen – woraufhin Anna Irene ihn „Burli“ nannte. Eigentlich hätte sie lieber ein schwangeres Hamstermädchen gehabt, das stellte sie sich äußerst lustig vor, als Frau K. davon sprach, lachte aber nur innerlich darüber. Sie wußte, daß sie Frau K. damit provozieren würde, also hielt sie den Mund.
Aber heute ist etwas anders als sonst.
Frau K. hat scheinbar vergessen, die Decke vom Käfig zu nehmen, die sie während der Nacht immer darüberlegt und sonst morgens regelmäßig wieder abgenommen hat. Das war die Zeit, wo Burli am aktivsten war, bevor er sich wieder schlafen legte. Anna Irene hebt die Decke zur Seite und will ihm Guten Morgen sagen. Sie sieht das Tier nicht sofort, erspäht aber in seinem Häuschen eine der kleinen Pfoten, die aus dem Watteberg, den sich der Hamster als Höhle zurechtgezupft hat, herausragt. Sie fährt leicht über die Gitterstäbe, um Burli zu wecken, doch er rührt sich nicht. Anna Irene öffnet den Käfig und hebt das Dach des darin stehenden Hamsterhäuschens hoch. Sie versucht, ihn durch Steicheln über den Rücken wach zu bekommen - ein Schrecken durchfährt sie, als ihr bewußt wird, daß er wohl tot ist. Sie ist alleine mit ihrem gruseligen Gefühl und ihrer daraus folgenden Angst. Der Tod ist ein Thema, das ihr immer schon Angst macht. Es wird ihr schlecht, sie will ihn jetzt nicht angreifen und auch nicht hinsehen, deckt den Käfig wieder ab und geht in den Hort, wo sie der Erzieherin davon erzählt. Diese zeigt zwar Verständnis, kann aber auch nichts dagegen unternehmen, Frau K. ist nicht erreichbar und da er eh schon tot ist, ist es ja kein Notfall.

Endlich wieder zuhause, bemalt Anna Irene liebevoll einen Schuhkarton mit allem, was der Hamster gerne mochte. Laut Frau K.´s Anweisung zieht sie Gummihandschuhe an, um ihn mitsamt seiner Wattehöhle in die Schachtel zu legen.
Sie gräbt auf der G´stättn* gegenüber der Neubausiedlung an einem extra ausgesuchten Platz ein passendes Loch, legt den Hamstersarg hinein, schüttet Erde darüber und steckt ein Kreuz aus zwei Ästen dazu. Die G´stättn mit dem dahinter verlaufenden Mühlbach wird, seit sie alleine die Straße überqueren darf, immer mehr ein Zufluchtsort für Anna Irene. Hier sieht Frau K. nicht her, wenn sie aus den Fenstern oder vom Balkon schaut. Manchmal geht sie mit anderen Kindern am Ufer des Mühlbaches entlang, bis zur alten Spinnerei. Das darf zwar keiner von ihnen, aber dieser Ort hat eine magische Anziehungskraft. Völlig abgeschieden, nur Wald, der Bach und die Spinnerei, nicht einmal ein Spazierweg führt hier vorbei. Dort stehen sie oft vor dem alten Wasserrad und finden es traurig, daß sie nicht mehr sehen werden, wie es sich dreht. Längst steht das Rad still, das Gebäude ist verlassen und das Wasser schlägt sich in den Schaufelkammern zu weißem Schaum. In dem lauten Rauschen ergeben sich besonders interessante Gespräche unter den Kindern, die ganz sicher niemand hören kann. Wer mehr geschlagen wird und wer bisher den längsten Hausarrest hatte. Welche Strafen bei wem wofür verhängt werden, wie man Unterschriften im Mitteilungsheft fälscht und wie von einem Kind der große Bruder an einer Überdosis Heroin gestorben ist.
Nach zwei Tagen der Trauer über Burli wird die G´stättn unbarmherzig von großen Baggern um- und aufgegraben, woraufhin in den folgenden Wochen ein Abenteuerspielplatz, ein Minigolfplatz, ein Fußballplatz und eine Kantine gebaut werden. Anna Irene weiß nicht, was dabei mit ihrem Hamster geschehen ist. Es sticht im Herz.

Zur Einweihung des Spielplatzes wird auf dem Hügel, der die G´stättn seit jeher vom Wasserwald abgrenzt, Kunstschnee aufgespritzt. Unter strahlender Sonne gehen die Kinder vom Spielplatz nach Hause, um ihre Rodeln zu holen.
„Kannst du mir bitte die Rodel aus dem Keller heraufgeben?“, fragt Anna Irene durch die Sprechanlage.
„Ich hab jetzt keine Zeit, ich stecke doch mitten in Arbeit!“, antwortet Frau K. empört, als ob Anna Irene dies wissen könne.
„Ich kann sie mir auch alleine holen, Markus darf auch schon ohne jemand anderen in den Keller“, versucht Anna Irene Frau K. zu überreden.
„Du spinnst wohl, ich kann dich doch nicht alleine in den Keller gehen lassen!“
„Bitte... Ich will doch nur die Rodel holen.“
„Ich sage nein und da gibt es keine Widerrede!“
„Dann gib sie mir doch bitte heraus...“
„Wenn du wartest, bis ich fertig bin, geb ich sie dir später.“
Anna Irene sieht den anderen Kindern beim Rodeln zu. Manchmal darf sie bei anderen mitrodeln. Dazwischen geht sie immer wieder nachfragen, ob ihre Mutter schon soweit ist.
`Warum bin ich bloß noch nicht größer...´, denkt Anna Irene. Als sie den begehrten Schlitten endlich bekommt, ist der Schnee schon ganz abgefahren, sodaß es sich kaum mehr lohnt. Anna Irene rutscht aber trotzdem noch über die matschige Wiese, jetzt, da sie endlich ihre eigene Rodel hat.
Als sie wenig später wieder damit nach Hause geht, lautet der Kommentar von Frau K.: „Na, das hat sich ja ausgezahlt, daß du wegen ein paar Minuten die Rodel schmutzig machst! Als ob ich nicht schon genug Arbeit mit dir hätte, kann ich jetzt auch noch dieses Trumm putzen!“

In den nächsten Tagen bleut Frau K. Anna Irene immer wieder ein, daß sie noch nicht groß genug ist, um alleine in den Keller zu gehen. „Ohne mich hast du da überhaupt nichts verloren. Wehe, wenn ich dich einmal dabei erwische.“
Und wie gerufen, als ob Frau K. es bestellt oder gar selbst gemacht hätte, füllt ein Mord an einem Kind in einem Linzer Keller die halbe Zeitung. Diesen Mord serviert Frau K. ihrer Tochter auf dem Eßtisch, indem sie die ganze Zeitung ausbreitet und ihr anhand der mit Pfeilen versehenen Kellerfotos den Tathergang eindringlich schildert. „Da schau, sowas willst du, ja?!“, empört sie sich künstlich mit lauter werdender Stimme. „Der hat sich irgendwo versteckt gehalten und wie das Kind im Abteil drin war, ist er ihm nach, hat ihm den Mund zugestopft und es erwürgt. ... Das Kind wollte auch nur kurz sein Fahrrad holen. Du siehst: Sicher bist du nur, wenn du mit mir in den Keller gehst.“
Frau K. brennt diesen Bericht durch ihre drastische Schilderung für viele Jahre in Anna Irenes Unterbewußtsein. Immer wieder fragt sie sich zwar, wie ihre Mutter gegen einen solchen Mann ankommen könnte, was ja notwendig wäre, um mit ihr „sicher“ zu sein, akzeptiert es aber dann doch einfach so. Träume von und die Angst vor dunklen Gestalten in Kellernischen vergrößern Anna Irenes wachsende Überzeugung, daß es ihr wohl doch ganz gut geht, bei Frau K. Und vor allem, daß die sie doch irgendwie gern haben muß, sonst hätte sie ja keine Angst um sie. Daß durch Frau K. selbst Anna Irenes Leben nicht erst einmal in Gefahr war, verdrängt sie gut. Die Angst vor Unbekanntem ist größer als die vor dem, was sie schon kennt.

Die fünf, jeweils acht Stockwerke hohen, geradfassadrigen, rechteckigen Betonbauten, die nur leicht versetzt in einer Reihe stehen, bekommen Zuwachs. Weitere Betonquader werden aufgestellt, bis zu zwölf Stockwerke hoch, und quer zu den anderen. Solange es Baustellen sind, genießen Anna Irene und die anderen Kinder das Erforschen derselben, wenn gerade nicht gearbeitet wird. Sie geht jedesmal mit Bauchweh mit, einerseits hat sie Angst, von ihrer Mutter dabei erwischt zu werden, andererseits möchte sie zu den anderen Kindern dazugehören.
Dann werden die Häuser von den Mietern bezogen, neue Kinder kommen auf den Spielplatz, nehmen alles selbstverständlich in Anspruch und teilen im Winter die verschneiten Wiesen zwischen den Häusern in zwei Hälften – hier der Schnee der Neuen, da der Schnee derer, die schon länger hier wohnen. Sie haben tatsächlich Angst, der Schnee könne nicht für alle Schneemänner reichen.

„Heute ist jemand von dem neuen Hochhaus gesprungen“, weiß Frau K. beim Abendessen zu berichten.
„Wieso springt jemand von dem Hochhaus, dann ist er doch tot...?“, erkundigt sich Anna Irene nach einer stillen Weile, in der es ihr widersinnig erschien, von einem Hochhaus zu springen. Auch Onkel Joe sagt erst nichts dazu, erklärt Anna Irene aber dann, daß es Menschen gibt, denen es so schlecht geht, daß sie nicht mehr leben wollen. Anna Irene schluckt, obwohl sie gerade nichts im Mund hat. Sie würgt das restliche Essen mit Muß hinunter, obwohl ihr der Hunger längst vergangen ist.
Sie malt sich im Stillen aus, wie schlecht es einem Menschen gehen muß, daß er nicht mehr leben will und dabei wird ihr fast schlecht. Es muß einem wirklich grauenhaft gehen, denkt sie, denn wenn sie selbst noch keinen Drang zu sterben verspürt, dann wird das Leid eines solchen Menschen sicher unvorstellbar groß sein.
Ihre Mutter muß wohl irgendwie recht haben, als sie sagt: „Da siehst du, wie gut es dir geht. Nirgends wird es dir so gut gehen, wie bei mir.“

Wenige Wochen später wird abermals eine Frau vom Parkplatz des zwölfstöckigen Hauses aufgeklaubt. Alle in der Umgebung reden darüber. Und als wenige Tage danach noch jemand den Entschluß faßt, sein Leben auf diese Art zu beenden, gibt es wohl niemanden mehr in der ganzen Gegend, der nicht darüber spricht. In jeder Schulklasse, in jedem Geschäft und bei jeder Haltestelle ist es das Thema schlechthin. Es wird über die Verzweiflung der Menschen diskutiert, aber auch darüber, ab welchem Stockwerk es überhaupt einen Sinn hat, zu springen.
Anna Irene stellt sich oft vor, wie es ist, absprungbereit am Fenster zu stehen. Und was sie dazu bringen könnte, sich selbst die Chance zu nehmen, daß das Leben irgendwann besser wird. Wie aussichtslos den Menschen ihr Leben erscheinen muß und schließlich führt es immer wieder zu dem Schluß, daß es ihr wohl doch gut geht, gemessen an dem, was andere offenbar mitmachen.

Zwei Jugendliche, einer ist der große Bruder eines Schulkollegen von Anna Irene, machen sich einen Spaß daraus und springen gemeinsam vom vierten Stock in eine Wiese. Weil man sich da maximal verletzt, wie sie selbst später, immer noch lachend, aussagen, nachdem sie ihre Liegegipse los geworden sind. Es wird viel über sie geredet und einige Kinder sehen sie gar als Helden, die sich was getraut haben. Ihre Namen sind in aller Munde, zuvor hat sie kaum jemand gekannt.

Harald kommt auf den Spielplatz. Mit ihm hatte Anna Irene einmal einen Fahrradunfall, seither dürfte sie gar nicht mit ihm reden. Frau K. steigt jedesmal aus dem Aufzug aus, wenn ein Mitglied seiner Familie die Fahrkabine betritt.
Als er nun die Kinder auffordert: „Kommts mit, ich muß euch was zeigen! Da, bei denen im Keller!“, geht auch Anna Irene mit in das Hauses neben ihrem. Erst mit mulmigen Gefühl, aber dann fühlt sie sich doch sicher, mit den anderen gemeinsam. Harald verrät nichts. Es sei eine spannende Überraschung, verspricht er und grinst. Sie fahren mit dem Aufzug in den Keller, mit dem man sinnvollerweise keinen Schlüssel für die Kellertür braucht.
„Da vorne schauts um die Ecke!“ – Alle Kinder schauen um die Ecke und schrecken wieder zurück.
„Spinnst du?“, „Wäähh!“, „Das mußt du doch einem Erwachsenen sagen!“, „Findest du das lustig?!“ und „Igitt!“ sind die Reaktionen.
Harald, trocken lachend: „Haha, der hat voll in die Hose gemacht!“
Anna Irene findet das keineswegs lustig und versucht, das Bild des Mannes, der sich im Keller aufgehängt und sich extra dazu vorher einen kleinen Tisch hingestellt hat, zu verdrängen. Es bleibt ihr ja auch nichts anderes übrig. Sobald sie es zuhause erzählen würde, verriete sie, daß sie im Keller war, und noch dazu mit Harald.
Anna Irene schluckt und schweigt. Ihr Leben ist ihr lieb.


*G´stättn = nicht gepflegtes Grundstück

******************************

Zur ersten Anna Irene-Geschichte geht es hier: 1. Februar 1965, eiskalt,
zu nächsten hier: Schäfchenzählen.

 
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Liebe Susi!

Na prack - ist da die erste Reaktion. Musste automatisch ans Schöpfwerk denken, aber es gibt ja mehrere so Wohnhausanlagen, viele Gstättn. Es ist unvorstellbar was Menschen im Nichtdenken ihren Kindern antun.

Ich plädiere ja sowieso auf einen lebensvorbereitenden Unterricht mit Therapeuten für jeden der sich entschließt einem Kind das Leben zu schenken. Denn die meisten tun diesen Erziehungswahnsinn ja nicht in böser Absicht, sondern weil sie es einfach 1:1 von ihren eigenen Eltern schon ungehängt bekamen oder weil sie glauben ihr Bestes auf diese Art zu geben. Soviel zu der ja schon in anderen Geschichten in Erscheinung getretenen Mutter.

Wie du dieses Mädchen diesmal beschrieben hast war einfach grandios. Man sieht sie vor sich wie sie den Tod des Tieres begreifen muss. Ihn liebevoll begräbt, dann kommt der Bagger und zerstört den Ort wo ein bisschen Liebe begraben liegt, in einer Gegend wo Menschen bereits am Rauschgift zugrunde gehen, aus Fenster springen. Welch Szenerien. Die Kinder erzählen sich das heimlich weil keiner mit ihnen spricht, sie ausgeschlossen sind oder mit Angst niedergedrückt werden.

Das Beschreiben des sich nicht mehr drehenden Rades. Das Empfinden das man auffängt von diesem Mädchen davor. Ich stehe beim Lesen wie sie dort und spüre die Traurigkeit, das nicht- und nicht Festhalten können von dem was in dieser tristen Welt wertvoll erscheint. Und es sind kleine Dinge, unerkannt von den Großen. Wie das berührt.

Und dann kriegt sie auch noch einen Toten als Vorspeise serviert. Kann aber beim Essen nicht reden drüber, weil da schon wieder die Angst ist, ungehorsam gewesen zu sein, Schlimmes getan zu haben, Zorn und Strafe herauszufordern. Immer ist sie allein in sich versteckt.

Ein absolut eindringlicher Text. Vor allem weil du das alles so hinschreibst, so selbstverständlich - im Sinne von "war halt so". Wie sie alles verdrängt hat. Es ging anderen ja immer noch schlechter, nicht wahr, Susi? Nein sie saßen alle im gleichen Boot. Nur manche haben eine Überlebenstaktik für sich gefunden.

Wie heißt dieses abgedroschene Sprichwort - der Krug geht so lange zum Wasser bis er bricht.

Alles Liebe für dich - Eva

 

Liebe Häferl...

Anna Irene muss vieles schneller und einsamer lernen, als man es ihr wünscht.
Der Tod von Burli am Anfang alleine wäre schon genug für das Kind, das sich mit dem Tod auseinandersetzten muss, anscheinend ohne erklärende oder tröstende Worte.
Die alte Spinnerei mit den anderen Kindern, eine Zuflucht.

Und dann der Tod mehrerer Menschen, unreflektiert begründete Verbote. Und etwas, was sich eigentlich durch alle Deine Anna Irene Geschichten zieht wie ein roter Faden: keiner zum Reden, der kindgerecht erklären oder sensibel handeln würde.

Der Text lässt mich, immernoch, ziemlich "leer" zurück...
Geschrieben ist er toll, aus der Perspektive von Anna Irene, beschreibend, und doch oder gerade deswegen so eindringlich.

alles Liebe... Anne

 

Hallo Eva & Anne!

Vielen Dank, daß Ihr so schnell auf meine Geschichte geantwortet habt! :)

Eure Kommentare möchte ich aber einfach nur so stehen lassen, wie sie sind - ich freue mich, daß Ihr das alles so seht, habe nichts zu ergänzen oder richtigzustellen.

Daß Dir, Eva, die Szene mit dem Wasserrad so gefallen hat, freut mich besonders. Die war mir auch sehr wichtig und ich hab mich diesmal sehr bemüht. Während ich andere Geschichten innerhalb weniger Stunden gepostet habe, hab ich an der eine Woche gearbeitet. - Seit criss bei einer seiner Geschichten schrieb, daß er sie vierzehn Mal überarbeitet hat (oder so ähnlich), poste ich auch nicht mehr so schnell... ;)

Alles liebe,
Susi

 

Liebste Susi,

es ist sehr schön, dass Anna Irene ihr Leben lieb ist, trotz allem, was sie in diesem Leben er“leben“ muss. :) Das ist der Hoffnungsschimmer, der mir aus dieser Geschichte entgegenstrahlt.

Ich fand sie bewegend und die Beschreibungen sehr plastisch; so, dass ich mich sehr gut in die Gedankenwelt der Protagonistin und die Szenerie hineinversetzen konnte.

Wenn man wie ich eine doch eher behütete Kindheit hinter sich hat, lassen einen die Erfahrungen, die Anna Irene gemacht hat, doch oftmals fassungslos zurück. Auch dass sie mit ihren Erfahrungen alleine fertig werden muss, sie mit niemandem teilen kann, hinterlässt ein bedrückendes Gefühl. Kein Kind sollte sich so fühlen müssen.
Einem Kind einen großaufgemachten Mordbericht auf dem Esstisch zu servieren, um es abzuschrecken, schlägt dem Fass (wieder) einen Boden aus.
Dass Anna Irene trotz allem dennoch „Gutes“ in Frau K. sucht und das Schicksal anderer über ihr eigenes stellt, zeugt davon, dass sie ein großes Herz hat bzw. entwickelt.
Schon alleine deshalb ist sie liebenswert. :)

Das Umfeld, das Du in dieser Geschichte beschreibst, die ganze (vielfach trostlose) Nachbarschaft und die vielen Toten, führt mir sehr lebendig vor Augen, was sich alles zuträgt, als Anna Irene sieben ist.
Die Erkenntnis, dass es Menschen so schlecht geht, dass sie nicht mehr leben wollen, ist sicherlich eine, die ein Kind in diesem Alter schwer verarbeiten kann.

Wie eingangs schon gesagt: Der Schlusssatz ist ein Silberstreif.

Noch ein paar Anmerkungen (nur ein paar, denn es gibt nicht viel zu meckern :D):

Im Mittelteil hast Du ein paar Wortwiederholungen, die Du noch eliminieren könntest:

„Ich kann sie mir auch schon alleine holen, Markus darf auch schon alleine“

„ „Dann gib sie mir doch bitte heraus...“ – „...geb ich sie dir dann.“

„...sodaß es sich kaum mehr auszahlt. – Na, das hat sich ja ausgezahlt, dass...“
(Evtl. einmal „lohnen“?)


„empört sie sich künstlich mit lauter werdender Stimme, „Der hat sich irgendwo...“
>>> Punkt nach „Stimme“.

„dann muß das Leid eines solchen Menschen wohl noch viel höher liegen, unvorstellbar hoch.“
>>> evtl. „noch viel größer sein, unvorstellbar groß“?

„Als Harald, mit dem Anna Irene einmal einen Fahrradunfall hatte und seither gar nicht mit ihm reden dürfte, ja Frau K. immer noch aus dem Aufzug aussteigt, wenn einer seiner Familie einsteigt, die Kinder am Spielplatz auffordert:“
>>> den mittleren Satzteil fand ich kompliziert zu lesen.
Vorschlag:
Anna Irene trifft Harald auf dem Spielplatz. Mit ihm hatte sie einmal einen Fahrradunfall und dürfte seither gar nicht mit ihm reden. Wenn aus seiner Familie jemand in den Aufzug einsteigt, verlässt Frau K. den Fahrstuhl sofort.
„Kommts mit“, fordert Harald die Kinder auf, „ich muß euch was zeigen! ...

Alles liebe :kuss:
Dein Christian

 

Zwei Punkte sind mir beim Nochmallesen noch aufgefallen, Susi:

"Da vorne schauts um die Ecke!"
>>> Nach "vorne" ist doch eine kleine Sprechpause, oder? Ich würde evtl. "Da vorne, schauts um..." schreiben.

"Haha, der hat voll in die Hose gemacht!"
>>> sagt Harald hier wirklich "gemacht"?

Alles liebe :)
Dein Christian

 

Hallo Häferl!

Ach ja. Linz - Kleinmünchen. Ich musste die Geschichte schon alleine wegen des mir bekannten Ortes lesen. Und es hat sich wirklich gelohnt. Sehr sensibel beschreibst du die Empfindungen des dort aufwachsenden Mädchens.

Ich hab tatsächlich zwar relativ wenig bezug zu dieser Gegend, und ich muss sagen, es zieht mich auch nicht wirklich dort hin, aber irgendwie kam mir die Geschichte dennoch seltsam vertraut vor. Ich musste unwillkürlich an meine Volksschulzeit denken, vielleicht einfach, weil ich damals an einem ähnlichen Ort aufgewachsen bin. G´stättn, verbotene Keller, Abenteuerspielplätze, Hort, das waren, glaube ich, die Schlüsselworte. Dass die alte Spinnerei ein faszinierender Ort gewesen ist, kann ich mir nur allzu gut vorstellen. :)

Die Geschichte ist inhaltlich aber ziemlich traurig. Besonders deutlich kommt für mich die vergebliche Sehnsucht des Mädchens zum Ausdruck, über seine Erlebnisse mit einer vertrauten Person, der Mutter, zu sprechen.

lg
klara

 

Hi Susi,

was die Art und Weise betrifft, mit der Du durch Geschehnisse und Orte in der Umgebung ihres Aufwachsens das Innenleben Anna Irenes darstellst, gibt es nichts weiteres zu sagen. Das ist wirklich klasse. Die Bilder passen wie Puzzleteile in das Muster, dass man sich beim Lesen von ihr macht.
Siehe z.B die vorangegangenen Meinungen zu der Spinnerei, die ich teile.

Dass sich in so kurzer Zeit so viele Leute vom gleichen Haus springen, kam mir - das muss ich zugeben - zuerst etwas konstruiert vor. Aber nur rein von der Geschichte her - wie gesagt, die Darstellung des Mädchens und seiner Gedanken wird dadurch erst so intensiv. Wollt ich aber trotzdem mal schnell anmerken.

Ansonsten kommt die grundsätzlich positive Denkweise von Anna Irene sehr gut rüber. Mit jeder Geschichte stieg die Hoffnung und auch die Notwendigkeit, dass sie diese entwickelt. Meiner Meinung nach sucht sie dabei hauptsächlich nicht das Gute in ihrer Mutter, sondern eher in dem Umstand, dass Frau K. ihre Mutter ist. Die erste Bekanntschaft mit dem Tod ist wirklich drastisch - und wieder zeigt sich die Kälte von Frau K. - dadurch wird die Anstrengung, das besagte positive Grunddenken zu entwickeln erst in das richtige Licht gerückt. Da kann man nur sagen: "Alle Achtung".

Es ist wirklich spannend, diese Entwicklung zu beobachten.

Ein, zwei Sachen, die mir noch aufgefallen sind:


Daß durch Frau K. selbst Anna Irenes Leben nicht erst einmal in Gefahr war, verdrängt sie gut.
Der Satz war mir erst unklar. Aber er bedeutet, dass durch Frau K.s Verbote Anna Irene garnicht die Chance hat, ihr Leben in Gefahr zu bringen - oder?


Die Aktion der beiden Jungen, die aus Jux(?) vom Dach springen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Willst Du damit die Unfertigkeit in der dortigen Gesellschaft, über den Tod und dessen Ernsthaftigkeit zu sprechen, darstellen?

Weil man sich da ohnehin maximal verletzt
Weil man bei der Höhe nicht stirbt, sondern sich nur verletzten kann?


Harald kommt auf den Spielplatz, mit dem Anna Irene einmal einen Fahrradunfall hatte...
Das klingt für mich so, als hätte sie den Unfall mit dem Spielplatz. Wird zwar im nächsten Satzteil klarer, aber klingt trotzdem nichtganz koscher. chriss' Vorschlag dazu finde ich ziemlich gut.

Fazit: In der Darstellung von Anna Irenes Innenleben sehr gut, an den genannten Stellen hatte ich kleinere Probleme mit Deiner Ausdrucksart. Insgesamt ist es aber eine klasse Weiterführung durch Anna Irenes Welt.

Gruß, baddax

 
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Liebe Klara!

Eigentlich habe ich gehofft, daß sich mehr Linzer durch den Titel angesprochen fühlen, aber bisher bist Du die einzige - Danke Dir fürs Lesen und Kommentieren. :)

Wenn Du schreibst, daß Dir vieles vertraut vorkam, hoffe ich doch, daß es sich auf weniger negative Dinge beschränkt? Daß es Dich nicht nach Kleinmünchen zieht, glaub ich Dir sofort. :D
Soviel ich weiß, soll es sich am Hardter Plateau ja ähnlich zugetragen haben, und im "Spinat-Bunker" war auch eine etwas erhöhte Selbstmordrate.
Nur die Spinnerei würd ich gern noch einmal sehen, aber vermutlich steht die ja gar nicht mehr...

Den Inhalt find ich auch traurig. Aber erstens wird durch das Schreiben und vor allem auch die mitfühlenden Reaktionen ja vieles leichter, und zweitens: Hätte ich das alles nicht erlebt, könnte ich nie diese Geschichten schreiben. ;)


Lieber baddax!

Danke auch Dir fürs Lesen und Deine ausführliche Stellungnahme.

Deine Kommentare bei den Anna Irene-Geschichten habe ich besonders gern, weil sie mir meistens auch noch einen Punkt zum Nachdenken geben. Ich merke, daß Du Dich da wirklich hineinversetzt, dafür bin ich Dir besonders dankbar. :)

Daß durch Frau K. selbst Anna Irenes Leben nicht erst einmal in Gefahr war, verdrängt sie gut.
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Der Satz war mir erst unklar. Aber er bedeutet, dass durch Frau K.s Verbote Anna Irene garnicht die Chance hat, ihr Leben in Gefahr zu bringen - oder?

Nein, damit meine ich die Mißhandlungen durch Frau K., die ich in den ersten Folgen mehr beleuchtet habe, zum Beispiel auch, wo sie Anna Irene unter der Decke ersticken wollte, oder wie A.I. am Wickeltisch festgebunden war, auch, wenn man gegen die Badewanne oder einen Türstock gestoßen bis geschleudert wird, kann man blöd fallen...

Ich bin mir jetzt unklar, ob Du nur falsch herum dachtest, oder ob der Satz wirklich unverständlich ist, da ihn noch niemand sonst kritisiert hat und ich ihn eigentlich für verständlich halte...

Die Aktion der beiden Jungen, die aus Jux(?) vom Dach springen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Willst Du damit die Unfertigkeit in der dortigen Gesellschaft, über den Tod und dessen Ernsthaftigkeit zu sprechen, darstellen?
Hm, darstellen wollte ich damit nichts, nur erzählen, was gewesen ist. Ich denke, die beiden hatten ein ganz schlimmes Aufmerksamkeitsdefizit oder sowas. Die waren sich selbst nichts wert, es war ihnen egal, ob sie sämtliche Arme und Beine gebrochen haben. Dadurch hatten sie dann auch die erhoffte Aufmerksamkeit...
Heute gibt es ja auch zum Beispiel diverse Mutproben unter manchen, vorwiegend männlichen Jugendlichen - die beiden damals waren nur extremer. Vielleicht würde ihnen heute Bungee-Jumpen reichen, aber das gabs ja damals noch nicht.

"Harald kommt auf den Spielplatz, mit dem Anna Irene einmal einen Fahrradunfall hatte..."
- Die Variante von criss kann ich da nicht nehmen, weil bei seiner Variante trifft Anna Irene Harald auf dem Spielplatz, was so klingt, als wäre Harald schon da und A.I. kommt dazu. Es war aber so, daß die anderen schon da waren und nur Harald dazugekommen ist, er war ja zuvor schon in dem Keller.
Aber ich überleg nochmal, wie ich es anders schreiben könnte.
Jedenfalls sind mir Hinweise wie dieser dann für meinen Roman sicher hilfreich, denn jetzt weiß ich, daß ich Harald immer wieder erwähnen muß, damit ihn niemand vom Fahrradunfall bis hierher vergißt.
Er hat ja auch z.B. die Maikäfer, die es damals zu Hunderten auf der G´stättn gab, gesammelt und im Aufzug freigelassen...


Liebster criss!

Danke auch Dir für alles :kuss:
Hab jetzt schon so viel geschrieben, daß ich Dein Lob einfach über mich ergehen lasse. Deine Anmerkungen brauche ich eigentlich nicht kommentieren, sie sprechen für sich (siehe auch baddax´Posting), und die Fehler bzw. Wortwiederholungen hab ich korrigiert - bis auf die letzten beiden: Harald sagt das schnell und auffordernd, ich hör eigentlich keinen Beistrich, laß es mir aber noch durch den Kopf gehen.
Und ja, er sagt wirklich "in die Hose gemacht" - er ist ja trotz allem auch noch ein Kind, ca. gleich alt wie Anna Irene. Auch er strotzt vor seelischer Gesundheit...

Danke nochmal an Euch drei,
alles liebe,
Susi :)

 

Hi,

jetzt sehe ich den Satz richtig - ich habe das "...nicht erst einmal..." tatsächlich falsch herum gelesen. :shy: Ist klar jetzt.

Das mit den beiden Jungs macht auch Sinn. Es war wohl nicht leicht nachzuvollziehen, weil diese Art des Aufmerksamkeit-Begehrens wirklich drastisch ist.
Danke für die Erklärungen, lieben Gruß

baddax

 

Hi baddax!

Dann lag es also nicht an meiner Formulierung - da bin ich aber sehr erleichtert! ;)

Damit haben sich Deine Kritikpunkte ja fast ganz aufgelöst... :)

Liebe Grüße,
Susi

 

Traurige Geschichte. Die Beschäftigung mit dem Thema "Tod", könnte im Leben von Anna Irene weiterhin eine grosse Rolle spielen, kommt mir da nur in den Sinn. Man beschäftigt sich meistens mit den Dingen, die einen am meisten ängstigen. So wird die Bedrohlichkeit und Angst davor genommen. Trotz der Fassungslosigkeit und Abscheu vor manchen Erwachsenen das dies in mir auslöst und zurückbleibt, eine sehr einschneidende tolle Geschichte.

 

Ja, Susi. Ja.

Wieder das Gehaltvolle, das so "ist halt so" Hingeschriebene. Dein Stil, dein Aufschrei. Anna Irene ist das Mädchen, das du minütlich nachskizzierst. Und das machst du auf eine Art, die schreit. Laut und kräftig. Ich tippe nicht auf das Schöpfwerk. Es muss tiefer sein, weil deine Sätze gnadenloser sind. Wir hatten kaum Worte in unserer Nekropole für all das, und du schreibst darüber mit einer Selbstverständlichkeit, die auch an Gnadenlosigkeit erinnert.
Es ist mit dem Denken über deine Geschichten nur ein Anfang gesetzt. Das Reden darüber muss die Fortsetzung sein.

Ganz liebe Grüße - Aqua

 

Hallo Leonie und Aqua!

Danke auch Euch beiden fürs Lesen und Eure lobenden Kommentare!

Da hast Du wohl irgendwie Recht, Leonie, daß mich das Thema Tod ängstigt und beschäftigt. Besonders schlimm finde ich Mord und Selbstmord, weil beides so sinnlos ist und mit ein bisschen Menschlichkeit und Wärme vermeidbar wäre. Wenn ich mir vorstelle, wie es in jemandem aussieht, der sich selbst umbringt, wird mir schlecht.
Wäre das nicht fein, wenn der Tod selbst sterben würde?

Aqua, ja, ich glaub auch, daß das Schöpfwerk nicht so tief war, wie jene Siedlung in Linz-Kleinmünchen, aber richtig beurteilen kann ich das natürlich auch nicht, da ich nicht in beiden gewohnt habe. Vielleicht wäre ein Vergleich mit den ersten Jahren der Großfeldsiedlung treffender - kaum Infrastruktur, keine Gemeinschaftsräume, abgeschieden vom Rest der Stadt.

Freut mich sehr, daß Euch beiden meine Geschichte gefallen hat und sie Euch zum Denken anregt. :)

Alles liebe,
Susi

PS.: Den Anfang des letzten Absatzes (das mit Harald) hab ich jetzt nochmal leicht umformuliert. Ich denke, so ist es klarer?

 

Liebe Susi,

bin mal wieder hellauf begeistert von deiner Geschichte und weiß fast keine Kritik anzubringen. Ich werde mich aber nochmal genau damit beschäftigen und dir etwas Differenzierteres schreiben. Vorab aber erstmal mein allergrößtes Lob.
Liebe Grüße
Roman

 

PS.: Den Anfang des letzten Absatzes (das mit Harald) hab ich jetzt nochmal leicht umformuliert. Ich denke, so ist es klarer?
Ja, auf jeden Fall. :)

 

Hallo Roman!

Erstmal Danke für Dein Lob! Ich freue mich schon, noch "etwas Differenzierteres" von Dir zu lesen!

Alles liebe,
Susi

 

Servus Häferl,

diese Geschichte hat mich auch sehr berührt. Vor allem die Spinnerei, diese geheimnisvollen Orte, an welchen sich die Kinder treffen, um mal unbeobachtet zu sein.

besonders markant fand ich:

Endlich wieder zuhause, bemalt Anna Irene liebevoll einen Schuhkarton mit allem, was der Hamster gerne mochte

Kinder haben so eine Art Urinstinkt, wie die alten Völker. Ich weiß jetzt nicht, ob man dies Urinstinkt nennen kann, aber das erinnert mich an die Grabbeigaben oder das Benmalen der Sarkophage mit den dem Verstorbenen lieb gewordenen Dingen, damit er sie im Totenreich auch bei sich hat. Warum tat man dies früher und warum machen das Kinder mit ihren Haustieren?? Außerdem, wie in diesem Abschnitt erkenntlich, betrachtet das Kind den Hamster als beseeltes Wesen. Es macht ihm einen Sarg. Auch die Sorge, was mit dem toten Hamster geschehen ist, als man die Gstättn umgräbt.

Du hast diesmal ziemlich viel in die Geschiochte reingepackt. Es entsteht ein Bild über eine dieser Stadtrandsiedlungen.

Manipulationsversuche von Frau K. :

Diesen Mord serviert Frau K. ihrer Tochter auf dem Eßtisch, indem sie die ganze Zeitung ausbreitet und ihr anhand der mit Pfeilen versehenen Kellerfotos den Tathergang eindringlich schildert. „Da schau, sowas willst du, ja?!“,

Das ist schwarze Pädagogik pur.

Ihre Mutter muß wohl irgendwie recht haben, als sie sagt: „Da siehst du, wie gut es dir geht. Nirgends wird es dir so gut gehen, wie bei mir.“

siehe oben.

Dann machen die zwei Jungen die "Mutprobe", aber steckt da nicht mehr dahinter? Ich denke, daß jeder Mensch, der sich selbst schädigt doch unbewußt Gründe dafür hat. Die "Mutprobe" hätte schlimm ausgehen können.

Wenige Wochen später wird abermals eine Frau vom Parkplatz des zwölfstöckigen Hauses aufgeklaubt. [/QUOPTE]

Der Satz ist brutal. Fast schon zu brutal. Der Autor distanziert sich hier sprachlich vollkommen vom Ereignis, wird zum Zyniker "Do pickt scho wida ane!"

Der Satz:

Weil man sich da ohnehin maximal verletzt, wie sie selbst später, immer noch lachend, aussagen, nachdem sie ihre Liegegipse los geworden sind.

Das hab ich nicht ganz verstanden, das mit dem "maximal verletzt". Meinten die, daß man sich auf diese Art schwer verletzt, ohne in Todesgefahr zu geraten? Die Mutprobe par excellence? Vielleicht das "ohnehin" weg. Dann wirds klarer.

Der Schluß war sehr beklemmend. Der Selbstmord, dann Anna Irene, die nichts erzählen darf. Was hätte Frau K mit ihr gemacht? Möcht gar nicht dran denken, wegen des Schlußsatzes.

Der faszinierendste Ort war für mich persönlich die Spinnerei, mit dem Wasserrad, da hätte ich mir eine geaneure Beschreibung gewünscht, aber das ist einzig und allein mein persönlicher Tick, weil ich solche Orte liebe. So verfallene, geheimnisvolle Gebäude, noch dazu mit vorbeifließendem Bach, traumhaft! Wie Du siehst, hat's mir die Spinnerei angetan.

Anna irene erscheint hier in dieser Geschichte als sehr intelligentes Kind, da sie genau abwägen kann, was gut für sie ist, wann es besser ist zu schweigen. Trotzdem sie ja vom Alter her Kind ist, ist sie schon so erwachsen beschrieben. Ich hab auch Einsamkeit gespürt beim Lesen. Der letzte Satz war ein Hammer. Der drückt dieses Erwachsensein für mich persönlich so deutlich aus! Anna Irene muß auf sich selbst aufpassen.

So jetzt hab ich einen Wust an Gedanken, die mir bei dieser Geschichte gekommen sind niedergeschrieben. An Deiner Stelle, würde ich versuchen, die Anna Irene Geschichten einem Verlag anzubieten. Als Serie von Kurzgeschichten, als Abrisse aus dem Leben eines bereits erwachsenen Kindes. In der Art kenn ich eigentlich nichts, das hätte sicher Publikum.

liebe Grüße

Echnaton

 

Hallo Häferl,

eine deiner bisher besten Geschichten!

Ich stelle es mir schrecklich vor, mit sieben allein zu Hause zu sein, den toten Hamster zu entdecken und niemanden bei dem man sich ausheulen kann. Immerhin hat Anna Irene die Hortfrau und bekommt von ihr den Tipp, das tote Tier in einem Pappkarton zu beerdigen. Frau K. hätte ich so einen Vorschlag nicht zugetraut (sie hätte sicherlich eine Plastiktüte genommen und den Hamster in der nächsten Mülltonne "entsorgt".)

Die Szenerien und Sequenzen sind gut ausgeführt, bis zu solch gut beobachteten Details wie der "Schneeplatz für die Neuen".

Gruselig nicht nur die Drohung mit der Zeitung, sondern ganz besonders die Entdeckung des Aufgehängten im Keller, wobei sich Anna Irene sehr tapfer schlägt, auch couragiert, in dem sie an der Situation "nichts Lustiges" findet wie der andere Junge.

lg Pe

 

Liebe Susi,

ich habe nicht immer den Mut, deine Anna Irene Geschichten zu lesen, weil ich immer auch ein Stückchen meiner eigenen Kindheitserinnerungen durch sie aufleben lassen muß, um mich in deine Geschichten hinein versetzen zu können.
Und es hat noch jedesmal weh getan.

Nur, ich habe es noch bei keiner deiner Geschichten bereut, sie trotz meines Handicaps gelesen zu haben und ich stelle immer wieder erstaunt fest, welche Ruhe aus deinen Geschichten strömt.
Ich fühle mich meistens danach sehr traurig, aber dennoch ruhig und gelassen.

Vielleicht liegt es daran, dass Anna Irene so lebt. Sie hat keine andere Wahl, als die Dinge hinzunehmen. Wenn sie sich aufbäumt, verliert sie die Ebene auf der sie sich befindet und wird noch tiefer hinunter gestoßen.
Das spürt sie, das läßt du mich spüren und das breitet sich als Erkenntis in mir aus und macht ruhig.

Was mir an deinen Geschichten so gut gefällt ist, dass sie alle in einer klaren schlichten Sprache abgefaßt sind, du berichtest und vor mir läuft ein Film ab.

Sehr selten bringst du Gefühlsvorgaben mit hinein, sondern meistens machst du es so, dass ich den Film mit meinem Emotionen besetzen kann.
Das macht das Gute deiner Geschichten aus, dass jeder seine eigene Klarheit und sein eigenes Verständnis mithinein lesen kann.
Deine Geschichten bieten diesen Freiraum. Das ist gut so.

Lieben Gruß
elvira

 

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