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Serie Anna Irene: 1. Februar 1965, eiskalt – 1. Teil, überarbeitet

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20.11.2001
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Anna Irene: 1. Februar 1965, eiskalt – 1. Teil, überarbeitet

Frau K. toupiert ihre modisch kurz geschnittenen Haare. Mühsam ist das schon, mit dem Bauch. Schnell noch Taft darübersprühen, ordentlich von allen Seiten, und mit den Fingern etwas zurechtzupfen – so passt es. Jetzt kann sie gehen.

Draußen weht ein eisiger Wind, die Natur ist zugefroren, und Frau K. flucht vor sich hin, weil der Mantel nicht mehr richtig zugeht. Es ist schon wieder ein Knopf abgerissen. Sie hat sich das ja nicht ausgesucht. Aber sie muss es jetzt ausbaden, nein, austragen. Dieses Kind. Sie wollte ja gar nicht, an jenem Abend. Sie machte bloß mit, als ordentliche Ehefrau. Schon allein deshalb, weil sie es nicht ertragen hätte, wenn er dann vielleicht irgendwo mit einer anderen …

Aber sie kann ja nichts dagegen tun, muss sich damit abfinden, noch ein Baby zu bekommen. – Diesmal haben sie vorsorglich auch einen Mädchennamen ausgesucht. Beim ersten Kind war das schon sehr komisch. Wer konnte denn wissen, dass es kein Bub werden würde? Als die Krankenschwester fragte, welchen Namen sie denn aufschreiben solle, wussten sie keinen. Zum Glück sprang der frischgebackene Opa ein und erinnerte sich an eine Jugendliebe: Astrid. Und so nannten sie ihre erste Tochter dann auch, um dem Opa einen Gefallen zu tun und um das Problem erledigt zu haben.
Bei diesem Kind aber haben sie sich besser vorbereitet: Es soll Anna Irene heißen, wenn es ein Mädchen wird und Florian, sollte nun doch ein Bub geglückt sein. Wenn es nur schon endlich draußen wäre. Dieser störende Bauch behindert sie bei vielen Dingen. Sie fragt sich oft, warum sie das alles mitmachen muss – ausgerechnet sie?
Trotz der anstrengenden Zeit will sie sich diesmal nicht von ihrer Schwiegermutter helfen lassen. Was dabei herauskommt, wenn die zuviel Einfluss hat, sieht sie ja bei Astrid: Ein richtiges Oma-Kind ist sie geworden. Zuhause bockig, aber bei der Oma brav.
Heute Morgen hat Frau K. im Spiegel entdeckt, dass das Weiße in den Augen nicht weiß ist, sondern gelb. Schnell zum Arzt, dachte sie und griff zu ihrem Kamm.

Sie sitzt bereits eine Stunde in dem kahlen, kalkweißen Wartezimmer ihres Hausarztes, als sie endlich an die Reihe kommt. Sie drängt sich nämlich nie vor, um nicht negativ aufzufallen. Ein ergrauter Mann in weißem Mantel blickt über den Brillenrand und schickt sie wieder nach Hause. »Das ist doch völlig normal in der Schwangerschaft«, beruhigt er sie. Frau K. vertraut ihm, schließlich hat er ja schon viel Erfahrung, und sie bedankt und verabschiedet sich höflich.

Das Warten auf den Bus wird ihr lästig, vom Stehen bekommt sie Kreuzschmerzen. Sie macht sich sofort wieder bewusst, dass sie diese nicht hätte, wenn sie nicht schwanger geworden wäre. Zum Glück kommt der Bus schon. Sie steigt ein, setzt sich aber nicht, denn sie fährt ja ohnehin nur zwei Haltestellen. Da wäre das Wieder-Aufstehen anstrengender als das Stehenbleiben. Ein Mann um die vierzig schaut ihr in die Augen. Sie findet es erst schmeichelhaft, ihr Blick haftet kurz an seinen tiefen, dunklen Augen, dann dreht sie sich schnell wieder weg, wie kann sie einem fremden Mann so in die Augen sehen … Wenn das jemand bemerkt hätte …

Plötzlich spürt sie seine Hand auf ihrer Schulter, gleichzeitig spricht er sie an: »Entschuldigung, ich wollte Sie nicht verlegen machen, es ist nur … Ich bin Arzt. Ihre Augen … Sie müssen ganz dringend ins Krankenhaus, Sie haben vermutlich Gelbsucht! Ich begleite Sie dorthin.«
Die beiden steigen an der nächsten Haltestelle aus und gehen in die nahegelegene Landesfrauenklinik.

Der diensthabende Arzt bestätigt den Verdacht nach einer Untersuchung: infektiöse Gelbsucht. Er bringt Frau K. sofort in den Kreißsaal, wo sie sogleich an eine Infusion angeschlossen wird, die die Geburt einleitet. Sie ist im achten Monat und Anna Irene will noch gar nicht heraus. Doch was hilft alles Wehren, wenn die Chemie das Ihre tut. Sie muss raus, ob sie will oder nicht. – Es ist kalt.

Hebamme und Krankenschwester wiegen, messen und reinigen das kleine Bündel Mensch – zur kranken Frau K. darf es nicht. Von den Schwestern bekommt Anna Irene fünfmal am Tag eine Flasche und zu fixen Zeiten eine frische Windel. Frau K. wird in ein anderes Krankenhaus überstellt, um die Gelbsucht auszuheilen.
Das Personal im Krankenhaus ist überlastet und Anna Irene hört bald zu schreien auf. Es kommt ja doch niemand.

Die Oma will ihr kleines Enkelkind zu sich nehmen, solange Frau K. krank ist. Doch diese sagt, ihre Schwiegermutter habe schon zu viel zu tun, da sie ja in der Zeit auch für Astrid sorgen müsse, und das würde sie doch nicht alles schaffen. Die Oma wehrt sich, sie habe selbst fünf Kinder gehabt, da wäre das doch ein Leichtes… Ihr Widerstand wird ignoriert.
Frau K. lässt Anna Irene in einem Kloster im Süden Oberösterreichs abgeben, wo sie die Zeit bis zur Gesundung ihrer Mutter verbringen wird.

 

Habe diesen ersten Teil meiner Serie nun überareitet. Den Stil hab ich nicht geändert, aber (hoffentlich) verbessert – es ist und bleibt eine meiner ersten Geschichten (ich glaub, meine zweite), die hat den Nostalgiebonus und darf daher nicht komplett umgeschrieben werden (das ist wie Denkmalschutz :D).

Inhaltlich hab ich aber versucht, sie mehr zu einer Geschichte zu machen.

Und was für mich persönlich das Wichtigste ist: Ich bezeichne die Zeit im Kloster nicht mehr als Klosterhaft, wie in der ursprünglichen Fassung.
Auch, wenn ich nie erforschen werde können, wie das in dem Kloster tatsächlich war, so bin ich doch heute der Ansicht, daß die unheimlich nett gewesen sein müssen. Es tauchen keinerlei negative Erinnungen oder Gefühle auf, die sich damit auch nur irgendwie in Verbindung bringen ließen. Ich gehe sogar soweit, zu vermuten, daß die es gewesen sind, die mir die Kraft, das danach Folgende zu überstehen, gegeben haben.

 

Hallo Häferl,

Fällt mir schwer, etwas zum Text zu sagen. Hab die erste Version nicht gelesen. Nun, werde es dennoch versuchen. Was mir nicht echt gefallen hat, waren die sarkastischen Untertöne an so mancher Stelle. Zitier da mal ein paar Beispiele:

Frau K. ist eine ordentliche Frau. Derart zerzaust kann sie nicht das Haus verlassen, und sei es noch so eilig.
Aber ohne sich zurechtzumachen geht sie eben niemals weg. Auch heute selbstverständlich nicht.
Ich finde, durch diesen spöttischen Unterton ist der Erzähler zu wertend. Jedenfalls, auch wenn es die Frau doch anscheinend schwer getroffen hat, habe ich beim Lesen dennoch eher ein schlechtes Bild von ihr bekommen. Vermutlich war das auch deine Intention bei der Beschreibung von Frau K... aber naja, ich mag es halt, wenn man sagt, wie es ist und es nicht nur andeutet und wertende Dritte-Person-Erzähler, mag ich persönlich auch nicht.

Das hat sie trotz der widrigen Umstände doch ganz gut hinbekommen.
Besonders der letzte Satz zeigt das ja wieder.

Die Geschichte: Ich weiß natrülich nicht, was später noch kommt, da ich keine deiner Anna Irene Geschichten bisher gelesen habe. Aber es deutet schon an, unter welchen schwierigen Bedingungen sie aufgewachsen ist.
Also, Inhalt hat mir gefallen, aber der Erzählstil leider nicht so.

Eike

 

Lieber Eike!

Danke! Da freu ich mich ja, daß doch noch jemand die Geschichte gelesen hat. :)

Ja, das Wertende hab ich schon zum Teil rausgenommen, wenn Du wüßtest, wie das mal war... ;) Bei den zitierten Sätzen habe ich ja gehofft, daß sie grad noch so durchgehen. :D Aber wenn sie Dir gleich auffallen, muß ich da wohl doch noch was tun. Aber ich glaube, das am Schluß werde ich trotzdem lassen, mir fällt nichts ein, wie ich die Aussage unwertend rüberbringen kann. Oder ist dem Leser das durch die Andeutungen vorher schon klar? :susp:

Es ist ja so, daß ich die ersten paar Geschichten der Serie recht unverarbeitet geschrieben habe - das mach ich bei den neueren anders -, daher sind da überall die Wertungen drin und auch der Stil entsprechend. Jetzt will ich mich zwar bemühen, sie ein bisschen zu bügeln, aber dem Stil der neuen will ich sie nicht anpassen, also keinen neuen Kuchen backen, sondern nur das Angebrannte runterschaben.

Die dritte Person hab ich hier gewählt, damit es nicht wie Selbstbemitleidung rüberkommt. Das soll die Serie nämlich nicht sein - es geht mir darum, aufzuzeigen, wie so gewisse Dinge in der Erziehung funktionieren und welche Auswirkungen sie haben können. In einer einzelnen Kurzgeschichte kann man immer nur ein Detail darstellen, aber das ist mir zu wenig, da sich sowas wie ein Netz über das ganze Leben spannt - und dieses Netz will ich darstellen.

Danke fürs Lesen und Kommentieren,

alles Liebe,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Häferl,

Sie wollte ja gar nicht, an jenem Abend. Sie machte bloß mit, als ordentliche Ehefrau. Schon allein deshalb, weil sie es nicht ertragen hätte, wenn er dann vielleicht irgendwo mit einer anderen …
Dieser Satz ist mißverständlich:
Geht es darum, dass er ohne Gummi mit ihr geschlafen hat und sie deshalb eindeutig sagen kann, dass die Empfängnis just bei diesem Geschlechtsverkehr stattfand?
Wenn du ausdrücken wolltest, dass sie ihn nach langer Zeit wieder einmal an sich rangelassen hätte, wäre die Sache unlogisch. In dem Falle müsste sie ja dauernd denken, dass er sich seine Befriedigung außer Haus sucht.
Aber das "...an jenem Abend" läßt doch vermuten, dass sie ab und an miteinander schlafen - dann frage ich mich aber, woher sie weiß, dass sie an jenem Abend schwanger wurde? Sag mir nun aber bitte nicht, Frauen spüren das :shy:.


Aber sie kann ja nichts dagegen tun, muss sich damit abfinden, noch ein Baby zu bekommen.
In dieser ganzen Geschichte lese ich als Grund, wieso sie damit ein Problem hat, nur die Schwiegermutter heraus. Das ist für mich nicht ganz plausibel. Kinder zu haben (die dann ab und an bei der Oma sind) geben doch soviel, dass es zwar ärgerlich ist, wenn andere reinreden, aber doch kein Grund sein kann, deswegen kein weiteres zu bekommen? Vielleicht aber muss man eben die ganze Serie lesen, um das zu verstehen. Ich bin kein Serienleser und weiss auch nicht, inwieweit die einzelnen Geschichten für sich selbst stehen müssen können.

Mich hat die Bezeichnung Frau K. gestört. Ich denke dann an Brechts Geschichten von Herrn Keuner - oder ist die Parallele gewollt?

Die Art, wie sie beschrieben wird, hat so etwas von Lebensgeschichte vorzeigen an sich. Als würde jemand über Frau K. referieren.
Sie wirkt so krank in ihrer Entscheidung, das Kind lieber Fremden zu geben als Angst haben zu müssen, die Oma könne es vereinnahmen.
Diesen Part - falls das deine Hauptintension ist - würde ich aber noch etwas intensiver darstellen, denn so, wie du bisher die Beziehung Oma-Enkelin beschrieben hast, löst es bei mir eher Unverständnis aus, wieso sie so extrem reagiert.


Trotz alledem ist das nun so geschrieben, dass ich schon neugierig den weiteren Teil lesen würde - nur schon um zu wissen, ob der Mann auch noch irgendwann eine Rolle spielen wird.

Lieber Gruß
bernadette

Edit: Nun habe ich entdeckt, dass es eine größere Anzahl der AI-Geschichten gibt. Ich werde mich da mal einlesen.

 

Hallo Susi,

von allen Anna Irene-Teilen finde ich diesen am wenigsten emotional. Vielleicht, weil du zumindest das noch nicht bewusst erleben musstest? Insgesamt empfinde ich deine Geschichte immer noch an vielen Stellen als zu wertend. Als Leser wird man so direkt auf eine gewisse Haltung gedrängt, die man im Laufe der Serie zwar sowieso bekommen muss/wird - aber hier fertigst du das praktisch schon richtig vor. Das gefällt mir nicht so gut.

Inhaltlich kann ich nur schwer etwas sagen, außer dass diese Geschichten mich wirklich sehr betroffen machen.

LG
Bella

 

Hallo Bernadette und Bella!

Danke Euch beiden fürs Lesen und Kommentieren! :)

Hab grad nur kurz Zeit, werde am Abend noch ausführlicher antworten, aber die wertenden Sätze hab ich jetzt mal geändert. Ist das so besser?

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hi Häferl

Mir hat ein netter Vogel gezwitschert, dass du zuviel tust und zu wenig Resonanz bekommst. Da ich mich auch so fühle...

Ich weiß nicht, wie du das machst, da du ja eigendlich nichts Besonderes beschreibst oder besonders schreibst. Aber ich hatte exakte Bilder vor meinen Augen, welche eine gewisse Eigenart hatten, und nicht meinem normalen Vorstellungssystem und In-Bilder-Verwandel-Mechanismus entsprachen. Und ich muss @bella wiedersprechen, da du nicht wertest.
Vielleicht kenne ich irgendeinen Hintergrund dieser Serie nicht oder so, aber du schreibst erstaunlich locker... ich fands gut.

Gruß

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aris Rosentrehter!

Danke auch Dir fürs Lesen und Deinen Kommentar! :)

Mir hat ein netter Vogel gezwitschert,
Würde mich natürlich stark interessieren, welcher der Vögel hier auf kg.de so schön zwitschern kann. Ein Danke jedenfalls auch an den netten Vogel. :)

Ich weiß nicht, wie du das machst, da du ja eigendlich nichts Besonderes beschreibst oder besonders schreibst. Aber ich hatte exakte Bilder vor meinen Augen, welche eine gewisse Eigenart hatten, und nicht meinem normalen Vorstellungssystem und In-Bilder-Verwandel-Mechanismus entsprachen.
Das hört sich gut an. Ich weiß aber auch nicht, wie ich das mache, ich freu mich nur, daß Du es so siehst. :)

Und ich muss @bella wiedersprechen, da du nicht wertest.
Seit bellas Kritik hab ich zwei oder drei Sätze »entwertet«, auf die die Kritik wirklich zutraf. ;-)

Vielleicht kenne ich irgendeinen Hintergrund dieser Serie nicht oder so, aber du schreibst erstaunlich locker... ich fands gut.
Danke für das Kompliment. Dabei handelt es sich eigentlich um eine meiner allerersten Geschichten. Aber ich glaube fast, das Lockere ist mir mittlerweile etwas abhanden gekommen. Vielleicht sollte ich es wieder suchen …

Da ich mich auch so fühle...
Oje … Mein Drucker druckt schon. :)


So, liebe Bella und Bernadette, jetzt endlich auch nochmal zu Euren Kommentaren, verzeiht bitte die Verspätung.

bernadette schrieb:
Sag mir nun aber bitte nicht, Frauen spüren das.
Sicher spüren Frauen das nicht generell, aber ich hab z.B. bei beiden Kindern genau gewußt, wann ich schwanger geworden bin. Auch von anderen Frauen weiß ich, daß sie das wissen, und viele Frauen spüren obendrein ihren Eisprung.
Um einen Gummi zu verwenden, hätte wohl der Mann auch etwas dagegen haben müssen, daß sie noch ein Kind bekommt – es war aber nur sie dagegen. Und die Pille kam erst danach auf den Markt …

In dieser ganzen Geschichte lese ich als Grund, wieso sie damit ein Problem hat, nur die Schwiegermutter heraus. Das ist für mich nicht ganz plausibel. Kinder zu haben (die dann ab und an bei der Oma sind) geben doch soviel, dass es zwar ärgerlich ist, wenn andere reinreden, aber doch kein Grund sein kann, deswegen kein weiteres zu bekommen?
Deshalb waren ursprünglich ein paar wertende Stellen drin, durch die ich ihren Charakter auf möglichst kurzem Weg deutlich machen wollte. Denn da es ja in der Serie um Anna Irene geht, und nicht um Frau K., wollte ich hier gar nicht zu tief gehen oder einen früheren Einstieg wählen, um sie zu charakterisieren. Es kann aber auch Nichtgesagtes eine Aussage haben. Es wird zum Beispiel keine Freude (über das erste oder Vorfreude auf das zweite Kind) genannt, weil sie nicht da ist. Oder auch die Sache mit der Oma: Astrid ist ein Oma-Kind geworden und zuhause bockig – das sagt doch schon viel über Frau K.s »Liebe« zu ihren Kindern aus, oder?
Aber, wie gesagt, in der Serie geht es um Anna Irene. Sie ist erst im Bauch einer Frau, die sie nicht will – da kommt es nicht auf die Gründe an –, wird aufgrund der Gelbsucht von Frau K. im achten Monat herausgeholt und darf nicht zur Mutter an die Brust, sondern liegt eben nur Krankenhaus, bis sie ins Kloster kommt, obwohl die Oma für sie da sein wollte.

Vielleicht aber muss man eben die ganze Serie lesen, um das zu verstehen. Ich bin kein Serienleser und weiss auch nicht, inwieweit die einzelnen Geschichten für sich selbst stehen müssen können.
Ich bemühe mich immer, die Geschichten für sich selbst stehen zu lassen, weil man das hier muß – lieber wäre es mir anders (aber ich verstehe die Gründe). Nicht immer gelingt es mir halt ganz, aber bei dem Teil finde ich eigentlich schon, daß er für sich stehen kann. Einzeln gelesen geben die Teile einzelne oder ein paar zusammenhängende Erlebnisse wieder, die darüberliegende Aussage wird aber wohl nur in der ganzen Serie erkennbar, da es eben um ein recht komplexes Thema geht.

Mich hat die Bezeichnung Frau K. gestört. Ich denke dann an Brechts Geschichten von Herrn Keuner - oder ist die Parallele gewollt?
Nein, eine Parallele zu Brecht sollte das überhaupt nicht sein. Ich wollte nicht, so wie sim in seinen Kinderhölle-Geschichten, die Mutter mit dem Vornamen nennen, das widerstrebt mir, weil sie dafür ein zu unsympathischer Charakter ist. Und »K« ist so ein schön harter Buchstabe, daß kein anderer besser paßt.

Die Art, wie sie beschrieben wird, hat so etwas von Lebensgeschichte vorzeigen an sich. Als würde jemand über Frau K. referieren.
Wie gesagt, geht es mir hier darum, die Umstände, unter denen Anna Irenes Leben beginnt, zu zeigen. Ich wollte es nicht auf die Art machen, daß ich das Ungeborene reden lasse oder aus Sicht des Ungeborenen beschreiben, da es ja noch nicht bewußt erlebt, und ich denke, das auch durch die Beschreibung der äußeren Umstände klar machen zu können.

Sie wirkt so krank in ihrer Entscheidung, das Kind lieber Fremden zu geben als Angst haben zu müssen, die Oma könne es vereinnahmen.
Diesen Part - falls das deine Hauptintension ist - würde ich aber noch etwas intensiver darstellen, denn so, wie du bisher die Beziehung Oma-Enkelin beschrieben hast, löst es bei mir eher Unverständnis aus, wieso sie so extrem reagiert.
Es ist vieles in ihrem Verhalten nicht so leicht zu begreifen, aber das ist eben so. Ich kann etwas, das wirklich unverständlich ist, nicht verständlich darstellen, sonst wäre es ja nicht unverständlich. ;)

Ich werde mich da mal einlesen.
Würde mich freuen. :)


Bella schrieb:
von allen Anna Irene-Teilen finde ich diesen am wenigsten emotional. Vielleicht, weil du zumindest das noch nicht bewusst erleben musstest?
Möglicherweise deshalb, ja. Obwohl ich immer Angst hatte, irgendwas Schlimmes in dem Kloster erlebt zu haben, was das Unterbewußtsein vielleicht irgendwann doch wieder hervorholt, aber wie oben schon gesagt glaube ich das mittlerweile nicht mehr. Ich stelle mir mittlerweile fröhliche, singende Klosterschwestern vor, die alle ganz hingerissen waren, ein so kleines Baby betreuen zu dürfen. Dazu fällt mir auch ein, daß ich als Kind lange Zeit Klosterschwestern als Prinzessinnen bezeichnet habe – das spricht wohl absolut gegen schlechte Erfahrungen mit ihnen. Ich freute mich sogar immer, wenn ich im Bus oder in der Straßenbahn eine »Prinzessin« sitzen sah. :) Trotzdem wäre die Oma natürlich die bessere Lösung gewesen, vor allem auch, weil die Oma auch später noch da gewesen wäre. Das Thema Trennungen zieht sich ja auch wie ein roter Faden durch die Geschichten – hier sind es gleich zwei: einmal bei der Geburt von der Mutter, später von den Klosterschwestern (was zwar nicht in der Geschichte steht, aber es ist ja klar, daß Anna Irene aus dem Kloster wieder nach Hause kommt).

Insgesamt empfinde ich deine Geschichte immer noch an vielen Stellen als zu wertend.
Wenn ich Aris Rosentrehters Antwort lese, scheint sich das durch meine Änderungen halbwegs erledigt zu haben. Findest Du es auch jetzt besser?

Inhaltlich kann ich nur schwer etwas sagen, außer dass diese Geschichten mich wirklich sehr betroffen machen.
Da bist Du leider nicht allein, ich weiß von ein paar Leuten, daß sie mir deshalb überhaupt nicht schreiben, weil sie aus Betroffenheit nicht können. Das verstehe ich zwar, finde es aber trotzdem schade. Würde mich sehr freuen, wenn Du trotzdem dran bleibst. Ich schreib gerade Folge 20, das wird wohl die schlimmste (und längste) bisher, wenn Du die dann verkraftest, schaffst Du die anderen auch. ;-)

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo Susi,

bisher habe ich mich noch an keine Serie rangewagt, aber jetzt habe ich mal angefangen. Habe ich dich richtig verstanden, dass du quasi deine Autobiographie schreibst?

Hebamme und Krankenschwester wiegen, messen und reinigen das kleine Bündel Mensch – zur kranken Frau K. darf es nicht. Von den Schwestern bekommt Anna Irene fünfmal am Tag eine Flasche und zu fixen Zeiten eine frische Windel. Frau K. wird in ein anderes Krankenhaus überstellt, um die Gelbsucht auszuheilen.
Das Personal im Krankenhaus ist überlastet und Anna Irene hört bald zu schreien auf. Es kommt ja doch niemand.
Jaja, die 60ger! Das hast du gut eingefangen, wie man damals mit Kindern umging.

Als Frau K. die Nachricht erhält, dass Anna Irene gut angekommen ist, freut sie sich: Dieses Kind wird ganz ihr gehören.
Und das klingt ja schon fast wie eine Drohung.

Textkram:

dass das Weiße im Auge nicht weiß ist, sondern gelb.
Doch was hilft alles Wehren, wenn die Chemie das Ihre tut. Sie muss raus, ob sie will oder nicht.
bist du sicher? Ich würde es klein schreiben.

Gruß, Elisha

 

Liebe Elisha!

Auch Dir recht lieben Dank fürs Lesen und Deine Antwort!

bisher habe ich mich noch an keine Serie rangewagt, aber jetzt habe ich mal angefangen.
Freut mich, daß Du nicht davor zurückgeschreckt bist!

Habe ich dich richtig verstanden, dass du quasi deine Autobiographie schreibst?
Das hast Du richtig verstanden. Allerdings nicht um der Autobiographie willen, sondern um die Wirkung dieser Erziehung, und alles, was damit zusammenhängt, in seiner ganzen Komplextität aufzuzeigen. - Für irgendwas muß es schließlich gut gewesen sein.

Jaja, die 60ger! Das hast du gut eingefangen, wie man damals mit Kindern umging.
Danke für das Lob. :)

Und das klingt ja schon fast wie eine Drohung.
Gut, wenn es so rüberkommt.

Zu "das Ihre" sagt der Duden Nr. 9:

Nach den neuen Rechtschreibregeln kann man ihre (entsprechend auch ihrige), wenn es zum Substantiv geworden ist, groß- oder kleinschreiben: Alle Mitglieder müssen das Ihr[ig]e oder das ihr[ig]e beitragen. Es war einer der Ihr[ig]en (=ihrer Angehörigen) oder der ihr[ig]en. Sie nahm alles Ihr[ig]e (=alles ihr Gehörende) oder alles ihr[ig]e mit.

Das e hab ich dem Aug erst beim Überarbeiten geklaut, werde es wieder einfügen, sobald ich die aktuelle Version der Geschichte auf meiner Festplatte wiedergefunden habe. Irgendwie hab ich da schon mehrere davon... :eek:

Alles Liebe,
Susi :-)

 

Hallo Susi - wenn ich dich zur Abwechslung mal so nennen darf!

Da ich meinen 100. Eintrag gebührlich feiern muss, widme ich ihn dir.
Und jetzt zur Story:
Ich - der Neuling - habe doch gemerkt, dass es eine deiner ersten Geschichten ist. Der Stil gefällt mir aber. Auch die zynischen Bemerkungen, die ein Vorschreiber kritisiert hat.
Leider kann ich auch nichts Großartiges zur Geschichte sagen. Vielmehr ist sie ja eine Serieneinleitung, die auch als Geschichte taugt, finde ich, die Vorgeschichte der Anna Irene. Da ist es wohl nicht allzu wichtig, dass nicht so speziell auf die emotionale Tiefe Annas sozialer Herkunft, den Hintergrund, eingegangen wird.
Ich bin schon gespannt wie das Mädchen gedeihen wird.

Korrekturvorschläge:

- "Mühsam ist das schon mit dem Bauch." Klingt spaßig, mit dem Bauch die Haare zu toupieren. Leiwand, dass sowas überhaupt funktioniert. :lol: Solche Fehler kreidest du mir ja ständig an ;) (wofür ich freilich dankbar bin).

- "Heute Morgen hat Frau K. im Spiegel entdeckt, dass das Weiße im Auge nicht weiß ist, sondern gelb."

In Absatz 5 und Absatz 7 sind zuviel gleiche Information. So ist´s bissl zu breit gewalzt.

Lg, kleiner :silly:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo kleiner Rasta-Narr!

Da ich meinen 100. Eintrag gebührlich feiern muss, widme ich ihn dir.
Ja, hundert Beiträge sind schon wirklich ganz gewaltig! Wahnsinn! :lol: :p
Scherz beiseite - danke für die Widmung, fürs Lesen und Deinen Kommentar! :)


- "Mühsam ist das schon mit dem Bauch." Klingt spaßig, mit dem Bauch die Haare zu toupieren. Leiwand, dass sowas überhaupt funktioniert.
Momentan kann ich gar nicht mehr aufhören, zu lachen! :lol:
Soll ich das jetzt echt ändern, oder es mit Nostalgiewert unter Denkmalschutz stellen? :shy:

Ja, das e wird gleich wieder eingefügt, wollte ich ja schon längst.
[edit] Das kam mir jetzt so komisch vor, da hab ich einfach "das Weiße in den Augen" draus gemacht. ;) [/edit]

In Absatz 5 und Absatz 7 sind zuviel gleiche Information. So ist´s bissl zu breit gewalzt.
Ich weiß nicht ganz, was Du meinst, kannst Du mir das bitte näher erläutern? Meinst Du die beiden Absätze, wo sie erst bei ihrem Arzt ist, dann einen anderen Arzt im Bus trifft? Da sehe ich irgendwie keine gleichen Informationen. :hmm: Es geht ja darum, daß der alte Arzt sie nach Hause geschickt hat, es auf eine normale Schwangerschaftserscheinung heruntergespielt hat, und der andere nur durch Zufall erkannt hat, daß es infektiöse Gelbsucht war, was dann im Krankenhaus auch bestätigt wurde. Also ein ziemliches Glück, daß der sie gesehen hat...
Oder meintest Du eine andere Stelle?

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Susi!

Ich hatte die (meisten, ich glaube später sind noch ein paar dazugekommen) Anna Irene-Geschichten schon gelesen, daher weiß ich, wie es weitergeht. Als Einleitung zum Rest der Handlung finde ich den ersten Teil gelungen. Diese erste Geschichte soll, hatte ich den Eindruck, hauptsächlich Frau K. charakterisieren und ihre Einstellung zu dem ungeborenen Kind deutlich machen. Das kriegst du meiner Meinung nach ziemlich gut hin, der "Knackpunkt" der Geschichte war für mich, dass die schwangere Frau K. ihre Eitelkeit und die öffentliche Meinung über sie über die Gesundheit von Mutter und Kind stellt, überhaupt sich und ihr selbstaufgeschaukeltes Leid über alles.

Einen Kritikpunkt habe ich aber auch: Ich hätte mir gewünscht, dass du Frau K. die ganze Geschichte hindurch so wunderbar implizit charakterisierst wie durch den Frisurenwahn und das geduldige Warten beim Arzt. "Moralkeulen" (mir fällt gerade kein besseres Wort dafür ein) ala

Aber eine andere Meinung zählt nicht bei Frau K.
, mit denen der Erzähler dem Leser was unter die Nase reibt, brauchst du eigentlich nicht. Aber vielleicht fallen die ja unter den Denkmalschutz. ;)

Fehler habe ich keine gefunden, aber auch nicht erwartet. ;)

Viele Grüße!
Seaman

 

Hallo Seaman!

Dich hier zu finden, hat mich einigermaßen überrascht - aber umso mehr gefreut! :)

Als Einleitung zum Rest der Handlung finde ich den ersten Teil gelungen.
Danke. :)

Diese erste Geschichte soll, hatte ich den Eindruck, hauptsächlich Frau K. charakterisieren und ihre Einstellung zu dem ungeborenen Kind deutlich machen.
Das kommt natürlich unweigerlich so rüber. Eigentlich wollte ich ja schon zeigen, was das kleine Kind erlebt. Heute weiß man ja zum Beispiel, wie wichtig es ist, daß das Kind nach der Geburt zur Mutter kommt usw. - das bleibt hier völlig aus. Stattdessen kommt es zu einer Trennung - und, wenn Du schon andere Folgen gelesen hast, ist es Dir ja vielleicht schon aufgefallen, Trennungen gibt es jede Menge in Anna Irenes Leben. In dieser Geschichte steht zwar nur eine explizit drin, aber die zweite ist als logische Folge der Handlung gleich mitgeliefert: Nach dem Gewöhnen an die Klosterschwestern dann die "Rückkehr nach Hause", zu einer inzwischen fremden Mutter.
Beim Beginnen der Serie hab ich mir Gedanken gemacht, wo ich beginne - ich hatte auch daran gedacht, erst beim Einsetzen der eigenen Erinnerung anzufangen. Daß hier schon die Trennungen beginnen, war der Grund, warum ich mit der Geburt begonnen habe. Die Charakterisierung von Frau K. geht zwangsläufig damit einher - ich wollte ja nicht den Erzähler in den Bauch setzen, also blieb nur die Sicht von außen, und da sieht man nur Frau K.
In Folge drei (glaub ich) gibt es dann die Trennung vom Vater, der Oma und der Schwester, und dann kommen noch ein paar... Im Endeffekt wird jede Beziehung, sobald man sich ein bisschen kennt, wieder getrennt, und wenn man dafür übersiedeln muß. Nur die Beziehung zu Frau K. bleibt am Ende erhalten.

"Moralkeulen" (mir fällt gerade kein besseres Wort dafür ein), ... mit denen der Erzähler dem Leser was unter die Nase reibt, brauchst du eigentlich nicht. Aber vielleicht fallen die ja unter den Denkmalschutz.
Nein, die stehen nicht unter Denkmalschutz. :D Habe den Satz entfernt. Danke für den Hinweis. :)

Fehler habe ich keine gefunden, aber auch nicht erwartet.
Ich mache auch immer wieder welche. ;) Wenn man seine Sätze schon fast auswendig kennt, dann liest man einfach drüber.

Danke fürs Lesen und Deinen Kommentar,

liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

immer noch etwas k.o. von meinem Einweihungsessen gestern will ich endlich eine von Deinen Geschichten kommentieren. Zufällig bin ich eben auf diese hier gestoßen. Die Reaktion kann sicher nicht als konstruktive und ausführliche Kritik gelten, soll aber meinen guten Willen zeigen :)
Die Grundstimmung des Textes ist Mitleid mit dieser Frau. Sie leidet körperlich und seelisch und ist ihrem Mann ausgeliefert. Das Kind kommt zu früh auf die Welt, in der es kalt ist. Die Betonung des Leidens kommt noch besser heraus, weil sich ein Mensch (der Arzt) eben doch der Frau erbarmt, und sich ansieht, wie es ihr geht.
Die Stimmung erinnert mich an manche Filme, in denen das Leben nur hart und brutal ist. Die Einleitung zu einer Serie ist sehr gelungen, weil Du durch die geschickte Darstellung des Leidens und der Ungerechtigkeit die es auslöst, Identifikation schaffst. Mir fällt keine bessere Bezeichnung ein, als dieses abgedroschene Wort.

Ein paar Redewendungen sind etwas klischeehaft. Ansonsten finde ich den Stil sehr gut und bewegend. Es ist nicht ganz "meine" Literatur, was das Genre betrifft. Wie so viele Texte würde mir auch dieser besser gefallen, wenn ihm eine positive Aussage zugrunde liegen würde.

Hoffe, Du bist gut heimgekommen!

lg Fritz

 

Lieber guter Fritz!

Ein leicht verspätetes Danke fürs Lesen und Kommentieren! :)
Ich mußte mich erst einmal ein bisschen mit Deiner Sicht anfreunden, weil das so eigentlich nicht gedacht war. Nun bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es im Prinzip nicht soo viel ausmacht, wenn jemand den ersten Teil andersherum versteht, da es ja eine Serie ist und man in den nächsten Teilen schon noch draufkommt, wie es gemeint ist.
Aber es würde mich natürlich trotzdem interessieren, wo genau Du Mitleid für Frau K. herausliest, dann könnte ich an den Stellen ja vielleicht doch noch ein bisschen nachfeilen. Ich meine: Warum siehst Du sie zum Beispiel ihrem Mann ausgeliefert? Aufgrund ihrer Befürchtungen, er könnte doch …? Ist Eifersucht bzw. das bloße (grundlose) Befürchten, der Partner könnte eventuell fremdgehen, gleich ein Ausgeliefertsein? Wenn Du die Ungerechtigkeit, von der Du sprichst, auf Frau K. bezogen siehst, worin liegt sie? Wer ist ungerecht und zu wem? Und welche Redewendungen findest Du klischeehaft? Würde mich freuen, wenn Du darauf noch Antworten hättest. ;)

Wie so viele Texte würde mir auch dieser besser gefallen, wenn ihm eine positive Aussage zugrunde liegen würde.
Das hätte der titelgebenden Protagonistin wahrscheinlich auch besser gefallen. – Aber Nr. 1: Es ist eine Serie – treue Leser werden dann am Ende der Serie belohnt. :) Aber Nr. 2: Würde ich diesen Teil positiv schreiben, hätte die Serie womöglich gar keinen Grund, geschrieben zu werden, das ergäbe eine Art Zeitparadoxon… :shy: ;)

Hoffe, Du bist gut heimgekommen!
Ja, und ich hoffe, daß ich keinen von Euch mit meiner Darmgrippe angesteckt hab. Die hat mich die Woche zwei Kilo meines Gewichts gekostet. :(

Danke nochmal,
liebe Grüße,
Susi :)

 

Dear Susi,

ich werde mal versuchen, Deine Fragen zu beantworten, obwohl sie MIR offentsichtlich vorkommen. Gerade solche Fragen sind aber oft interessant, weil sie zeigen, wie verschieden Menschen denken.
Da fällt mir ein, dass Aristoteles Dramen dann für gut hielt, wenn sie Mitleid (eleos) und Furcht (phobos) hervorrufen konnten. So gesehen ist es eine sehr gute Geschichte :)

Mitleid: Du beschreibst, wie es ihr gesundheitlich geht und lässt den Leser mitfühlen und mitdenken. Die Frau macht eine schwere Zeit durch. Sie ist krank. Ihrer Umgebung scheint das egal zu sein. Ein Außenstehender muss sie bitten, ins Krankenhaus zu gehen.

Ausgeliefert sein: Sie bekommt noch ein Kind, ohne es eigentlich zu wollen. Ob der Mann fremd geht, weiß man nicht. Vermutlich nicht. Sie könnte aber wenig dagegen tun. Sie scheint null Freiraum zu haben. Die Oma macht zum Beispiel den Versuch, die Kinder nach ihren Vorstellungen zu erziehen, dringt also in ihr Revier ein.

Ungerechtigkeit: Die besteht darin, dass manche Menschen die Vorstellungen anderer erfüllen müssen, und leiden, auch körperlich. Ob es wohl ein Zufall ist, dass die Frau Gelbsucht bekommt?

Lieben Gruß,

Fritz

 

Lieber Fritz!

Uups, jetzt hätte ich fast vergessen, hier zu antworten. Danke für Deine nochmalige Rückmeldung. :)

Da fällt mir ein, dass Aristoteles Dramen dann für gut hielt, wenn sie Mitleid (eleos) und Furcht (phobos) hervorrufen konnten. So gesehen ist es eine sehr gute Geschichte
Nein, denn es kommt ja auch noch auf die Intention des Autors an – und wenn der die Geschichte eigentlich anders verstanden wissen wollte, ist das nicht so gut.
Hier sollte es ja vielmehr um die titelgebende Protagonistin gehen, die hier erst zur Welt kommt, weswegen man eben mehr die Mutter sieht. Aber man weiß ja, daß Kinder auch in dieser Phase schon ihre Umgebung aufnehmen, spüren, ob sie gewollt sind, etc.

Mitleid: Du beschreibst, wie es ihr gesundheitlich geht und lässt den Leser mitfühlen und mitdenken. Die Frau macht eine schwere Zeit durch.
Mir scheint schon fast, die Emanzipation hat dahin geführt, daß Frauen grundsätzlich als arm, mißbraucht und fehlerfrei angesehen werden. Diese Frau lehnt ihr Kind ab, will es aber gleichzeitig besitzen, alleinigen Einfluß auf es haben. Ihr Aussehen ist ihr wichtiger, als daß sie schnell zum Arzt kommt, und welchen Eindruck sie (oberflächlich) hinterläßt, ist ihr wichtiger, als daß sie versucht, sofort dranzukommen.
Ob es wohl ein Zufall ist, dass die Frau Gelbsucht bekommt?
Nein, ich glaube nicht, daß es ein Zufall ist. Sie ist so giftig, daß sie eigentlich Grünsucht hätte bekommen müssen. Und es wäre eine wunderbare Gelegenheit gewesen, das ungewollte Kind wieder loszuwerden. Vielleicht hatte sie es ja deshalb nicht so eilig beim Arzt? Nach außen den Schein wahren, aber ohne echte Initiative. Und wer geht mit Verdacht auf Gelbsucht erst zum vergreisten Hausarzt, statt gleich ins Krankenhaus? Sie war nicht dumm …

Sie scheint null Freiraum zu haben. Die Oma macht zum Beispiel den Versuch, die Kinder nach ihren Vorstellungen zu erziehen, dringt also in ihr Revier ein.
Normal sind Mütter froh, wenn die Oma ihnen die Kinder ein wenig abnimmt. Das war sie ja anfangs auch, deshalb hat die Oma ja auch Einfluß auf Astrid gehabt. Aber Frau K. hat gesehen, daß Astrid die Oma viel lieber hatte, bzw. diese mit Astrid keine Probleme – was nicht an der Bösartigkeit der Oma lag, sondern an der Erziehung von Frau K., die alles zu erzwingen versuchte.
»ihr Revier« – Es ist für Kinder nur gesund, wenn sie nicht bloß eine Bezugsperson haben. Kinder sind kein Besitz, sondern eigenständige Menschen, mit eigenem Willen – den Leute wie Frau K. gerne brechen, oder es zumindest versuchen (wofür der alleinige Einfluß natürlich sehr förderlich ist).
Stell Dir mal vor, eine Frau bekommt ein Kind von Dir und ist dann krank. Deine Mutter bietet sich an, das Kind für die Zeit zu sich zu nehmen, und Deine Frau sagt nein, das will sie nicht, sie schickt das Kind lieber in ein Kloster. Würde Dir das gefallen? :shy:

Ob der Mann fremd geht, weiß man nicht. Vermutlich nicht. Sie könnte aber wenig dagegen tun.
Er könnte doch umgekehrt genausowenig dagegen tun. Ehe hat halt auch etwas mit Vertrauen zu tun, und allein dadurch, daß eine Frau nicht vertrauen kann, sondern lieber alles kontrollieren möchte, ist sie noch nicht unterdrückt und bemitleidenswert.

Ungerechtigkeit: Die besteht darin, dass manche Menschen die Vorstellungen anderer erfüllen müssen,
Ja, alle müssen sich der Entscheidung von Frau K. beugen, sie allein entscheidet über Anna Irene.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl,

ich bin momentan nicht in der besten Verfassung, doch hin und wieder lese ich hier. Deine Geschichte beeindruckt mich sehr. Leider habe ich nur wenige Kommentare gelesen und schreibe deshalb direkt zum Text:

Nachdem ich schon einige Anna-Irene Geschichten gelesen habe, fand ich diesen Anfang stimmig. Du schreibst in der Distanz zur Schwangeren, die ihr Kind eigentlich nicht mehr will. Eine Frau sprach zu mir, die an sich denkt und nicht an das Kind. Eine Frau, in Konkurrenz zu ihrer Schwiegermutter so verstrickt, dass sie dem Kind kaum Aufmerksamkeit schenkt. Sie unterwirft es dem Machtkampf und verweigert es seiner Oma, im Grunde auch seiner Schwester.
Das Baby wird in eine kalte Welt geworfen und hört noch in der Klinik auf zu schreien. Dann kommt es in ein Heim. Vielleicht waren dort Nonnen und das Baby war dadurch nicht so sehr dem Wechsel der Bezugspersonen ausgeliefert. Ich habe solche Schwestern erlebt, die mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Mütterlichkeit mit den Babys umgingen.

Möchtest Du wissen, wie ich darauf komme? Ich sage es einfach, Anna-Irene ist trotz aller Schwierigkeiten kein schwaches Kind geworden. Deshalb spricht vieles dafür, dass es irgendwo eine Mutter-Erstz-Figur gegeben hat.

Mir gefällt dieser Einstieg gut, er klingt trotz aller Härte, die dort angesprochen wird nicht verbittert.

LG Kejacothie

 

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