Lieber Rainer!
Danke fürs Ausbuddeln und kommentieren!
Und nein, Du bist kein Grabschänder, sie war ja lebendig begraben…
Der letzte Absatz fährt besonders stark ein: Dem Amt ist Genüge getan, der Bericht wird abgeheftet und geschlossen. Fall erledigt.
Schön, daß Du diesen Kritikpunkt herausstellst – er trifft ja heute noch genauso zu wie damals: Sie handeln alle nur nach Regeln.
Nur das Angebot an Tests ist heute vielfältiger geworden – aber eines haben sie alle gemeinsam: Sobald der Erziehende nur den Hauch von Ahnung hat, worauf es bei dem Test ankommt, kann (und in den meisten Fällen wird) er das Kind beeinflussen…
Das ist jene seltene Art Gegenwartsliteratur, die mich fasziniert.
Das baut auf, danke.
Hallo Frederik, liebe Philo-Ratte!
Danke auch Euch beiden fürs Lesen – irgendwie komm ich mir jetzt vor, als wäre ich zu einer Außenstelle des Kritikerkreises geworden…
…aber nach kurzem Überlegen komm ich dann drauf: Nein, das kanns nicht sein, sonst hätte Ratte seine Meinung nicht als absolut hingestellt, sondern Ihr hättet mir Verbesserungsvorschläge gemacht, gell?
Ich kenne einige Anna Irene Geschichten, nicht alle wohlgemerkt, aber denen bedarf es ja nicht, da es sich nicht um eine Serie, sondern um Episoden handelt.
– Sowohl als auch. Es sind einzelne Episoden, in denen jeweils ein Thema dargestellt wird, die aber im Gesamten auch noch übergeordnete Aussagen (die nicht unbedingt ausgesprochen werden müssen, um solche zu sein) beinhalten, bzw. beinhalten werden, denn alle sind ja noch lange nicht geschrieben.
Gerade, daß sie einzeln lesbar sein sollen, war eine der schwierigsten Aufgaben, vor die ich mich von Beginn an gestellt habe – und das war lange bevor über die Serienreform überhaupt nachgedacht wurde. Mag sein, daß mir das nicht bei jeder einzelnen wirklich gelungen ist, Verbesserungsvorschläge nehme ich gerne.
Ich finde diese Geschichte absolut innovationslos und stilistisch schwach. Das Einzige, was ich ihr positiv entnehmen konnte war zum Einen, dass ein Rorschachtest drin vorkam und das sie ein Ende hatte.
– Dann gefällt Dir mein Stil vermutlich allgemein nicht, aber das muß er ja auch nicht. Geschmäcker sind eben verschieden – zum Glück.
dort wo die Geschichte ihr meistes Potential besitzt (Rorschachtest), wo man beschreiben könnte, was wirklich im Kopf des Kindes vorgeht, um die tatsächliche Stimmung rüberzubringen und antithetisch mit den Tier-Aussagen zu setzen verschwindet der Plot. Zwei Sätze über das was sie sagt, und die Tatsache, dass sie sich offensichtlich keine Tiere vorstellen kann. Das macht noch lange keinen Charakter.
– Ich weiß nicht, welche Stimmung Du erwartest – wenn schon, dann wäre es Leere einerseits, Angst, eine falsche Antwort zu geben, andererseits. Ich laß mir mal durch den Kopf gehen, da was nachzubessern.
Allerdings verstehe ich dann nicht, wie Du zu Rainer sagen kannst:
nur ein Stück subjektiver Einfluss, und mich wundert, dass dich, Rainer, nicht stört, dass dem Leser kein Raum gelassen wird, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Ich dachte eigentlich, sowas wäre eher der Fall, wenn zu viele der Empfindungen vorgekaut werden. Da Du aber vorhin gerade das Gegenteil gesagt hast, weiß ich jetzt gar nicht, was Du eigentlich wirklich meinst…
Gut wäre ein Text bei dem du es schaffst, zu berichten ohne zu werten und den Leser am Ende trotzdem Dinge fühlen zu lassen.
Eben das versuch ich ja, annähernd hinzubringen. Und bei einigen meiner Anna Irene-Geschichten ist mir das ja offenbar auch gelungen, wie die Kommentare zeigen. Daß es bei dieser hier nicht so gut geklappt haben dürfte, war mir mehr oder weniger bewußt, da die Anzahl der ausgesprochenen Meinungen unterm Durchschnitt liegt. Aber außer, daß ich vielleicht noch ein bisschen an der oben erwähnten Stimmung basteln werde, werd ich hier nicht mehr viel ändern, sondern versuchen, Ratschläge der Kritiker beim Schreiben der neuen Teile umzusetzen, da ich mit den neuen Folgen nicht vorankomme, wenn ich bei den alten hier kleben bleibe.
… erzählerisch gefärbte Autobiografien wie diese hier bekanntlich nicht aus. Dass aber andererseits die Sprache und die Fiktion, also das, was die Literatur im Wesentlichen eigentlich auszeichnet, in solchen Fällen zwangsläufig zum größten Teil auf der Strecke bleiben, liegt in der Sache der Natur: Weder Ästhetik noch Fiktion werden per se beabsichtigt, sondern vielmehr so weit wie möglich ausgesperrt. So ähneln die vielen Anna-Irene-Episoden bisher ganz von selbst mehr (entsprechend subjektiv durchdrungenen) Erlebnisberichten als Geschichten, die in erster Linie lediglich unterhalten wollen. Erwartungen außerhalb des rein nacherzählenden Rahmens werden also nicht erfüllt (und damit enttäuscht).
Siehe dazu bitte meinen Vergleich weiter unten.
Diese Fragen lasse ich jetzt aber mal besser offen, damit ich von der Autorin nicht wieder angeklagt werde, dass ich mich angeblich selbst "so gerne reden höre"...
Gut, daß wir nicht nachtragend sind, gell?
Meine Feststellung im betreffenden Thread bezog sich auf Dein Nicht-Eingehen auf das von mir Gesagte und hat wohl mit meiner Geschichte hier wenig zu tun, oder?
In besagtem Thread geht es unter anderem darum, neue Formen der Literatur zu finden. Wenn Du meinst, diese paßt in keins der Dir bekannten Schemen oder Klischees, dann zähl sie einfach zu den Versuchen, etwas Neues zu machen. Jedenfalls ist es kein Tagebuch – das sähe anders aus. Es würde sich nicht nur durch die Ich-Form unterscheiden, sondern es wären auch keine (wie zum Beispiel im Fall von „Oktoberfest“) Episoden aus verschiedenen Zeiten, die thematisch zusammenpassen, in einer Folge, sondern es wäre alles chronologisch, was es aber nicht ist.
Kunst verkommt hier zur bloßen Mitteilung, der (enge) Fokus der Episoden bleibt auf Anna Irene fixiert
– Eins der Merkmale der klassischen Kurzgeschichte: daß sie auf eine Person zentriert ist.
Der Inhalt verlangt hier nach ausdrücklich mehr Aufmerksamkeit als die Form, die diesen beherbergt. So wird das eine in den Schatten des anderen gestellt - nicht unbedingt zum Gefallen eines jeden Lesers.
Kennst Du einen Autoren, dessen Geschichten ausnahmslos jedem gefallen? Wenn Dir der Stil und die Form nicht gefallen, tut es mir Leid, allerdings schreibe ich absichtlich und gern in diesem Stil und werde ihn auch beibehalten.
Besonders wenn man so heikle Themen wie Kindesmisshandlung zur Diskussion bringt, ist man der Thematik etwas schuldig. Wie ich bereits sagte fehlt hier sämtliche Reflektion und Freiheit der Emotionen. Es genügt nicht, zu sagen, "das arme, arme Kind es wird ja so schlimm behandelt" (die letztendlich einzigste Aussage des Textes).
Ich bestreite keineswegs, daß es mir persönlich gut tut, wenn Leute in ihren Kommentaren ihr Mitleid zum Ausdruck bringen. Das ist ja ganz logisch, nachdem es persönliche Erlebnisse sind. Auch wird Dir jeder Psychologe bestätigen, daß es für die Verarbeitung sehr wichtig ist, daß Menschen, die als Kind mißhandelt wurden und sich in der Situation alleingelassen fühlten, später Menschen haben, die ihnen einen Teil des Leids abnehmen = Mit-Leid. Ein voller Rucksack wird leichter, wenn man einen Teil des Inhalts abgeben kann.
Aber wenn das mein einziges Ziel wäre, dann wäre ich in dem Forum geblieben, wo ich vorher war – wo sich alle gegenseitig bemitleiden, in ihrem Sumpf treten und nichts anderes sehen als diesen Sumpf, in dem sie allmählich versinken.
Mir geht es um viel mehr.
Einerseits geht es mir darum, einen Beitrag zum Thema Kindesmißhandlung zu leisten – den, den ich als Betroffene für richtig erachte. Ich möchte in literarischer Form darstellen, was Psychologen nur in einer Sprache formulieren, die der Durchschnittsbetroffene oder -elternteil nicht versteht oder der Lehrer nicht liest.
Auch, wenn der folgende Vergleich vielleicht anmaßend klingt, möchte ich ihn doch machen, weil er meine Intention einfach am besten trifft – daß die Tragweite eine andere ist, ist mir bewußt und wenn mir jemand einen treffenderen Vergleich nennen kann, werde ich ihn gerne editieren – ich bitte also, mir das nicht zum Vorwurf zu machen:
Vergleichen möchte ich meine Geschichten mit den Geschichten, die ehemalige KZ-Häftlinge geschrieben haben. Auch das ist eine eigene Form der Literatur, die sowohl zum Zweck des Aufzeigens von Leid als auch, um es für zukünftige Generationen zu verhindern, geschrieben wurde. Es niemals vergessen und neuerliches Aufkeimen von Faschismus verhindern war so ungefähr die Devise. Auch dabei wurde nicht viel an Fiktion und Phantasie eingebaut. Wozu auch? Es ist ja alles da. Die Schwierigkeit, eine Handlung aufzubauen, entfällt bei dieser Form von Literatur zwar zu einem großen Teil, wird aber dafür um die Schwierigkeit des Aus-sich-Herauslassens ersetzt. Und was die Handlung betrifft, bleibt ja immer noch das übrig, daß man dem großen Ganzen kleine Rahmen verpassen muß, damit eben jede Geschichte ihre Aussage hat.
Kindesmißhandlung ist eine Art innerfamiliärer Faschismus. Auch er gehört in einer Form aufgezeigt, die Menschen in der Lage sind, zu lesen und anzunehmen. Ein psychologisches Buch sagt zwar viel in komprimierter Form, aber es wird nur selten jemand lesen, der nicht selbst diesem Berufszweig angehört und folglich bleibt das darin Gesagte ohne größere Wirkung. Das ist mein Beweggrund, Anna Irene literarisch umzusetzen.
Natürlich sollen die Geschichten auch einen gewissen „Unterhaltungswert“ haben – soweit ihn eben Geschichten haben, die solche Themen behandeln – ob real oder erfunden, ist dabei einerlei. Und es gibt jede Menge „psychischer Masochisten“ unter den Lesern, wie sim diese mal scherzhalber bezeichnete, die sowas gern lesen.
Falls jetzt noch irgendwelche Fragen offen sind, bitte nochmal nachfragen. Aber fürs Erste hab ich glaub ich genug geschrieben und brauch jetzt mal wieder Abwechslung.
Ach ja, eins noch:
Formatierungen und Regieanweisungen wie diese her
Manchmal erscheint es mir notwendig, die richtige Betonung von Frau K. klarzustellen. Das liegt daran, daß ihre Sätze manchmal auch eine andere Betonung zulassen würden – wobei ich jetzt nicht über einzelne Stellen der älteren Geschichten diskutieren will, als ich sie schrieb, dachte ich über die Vermeidung nicht so bewußt nach, wie ich es heute mache.
Danke an criss und, wie ich grad noch gesehen hab, Lakita.
Liebe Grüße,
Susi