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Angst

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16.11.2002
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Angst

Ich gehe an einem lauen Sommerabend alleine spazieren und muss ich an die vergangenen Monate mit einem wehmütigen Gefühl zurückdenken. Ich brauche meine Ruhe, einfach mal Abstand von allen Menschen, die mir etwas bedeuten. Zu dieser Zeit habe ich mich zurückgezogen und rede nicht viel. Ich habe einfach keine Lust mit allen über meine Gedanken, die mich beschäftigen, zu reden. Und ich habe auch nicht das Bedürfnis, sie irgendwem mitteilen zu müssen. Ich muss doch selbst erstmal damit klarkommen und mir über meine Situation bewusst werden. Aber natürlich wollen alle nur das Beste für mich. Wie oft hatte ich diesen Satz zuvor schon gehört? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass es schon zu oft war.
Ich hatte jemanden kennengelernt, wir telefonierten oft, trafen uns und ich hatte anfangs das Gefühl, wir würden uns gut verstehen, vielleicht sogar gut zusammenpassen. Doch auf einmal, aus heiterem Himmel, bekam ich Zweifel an allen Dingen, die ich mit ihm in Verbindung brachte. Mir war klar, dass ich den Kontakt so schnell wie möglich abbrechen musste. Aber warum? Was war in mich gefahren? Ich hatte ihn doch unheimlich gern. Ich war mir nicht sicher, ob er das wusste und wiederum wusste ich nicht, was ich für ihn bedeutete. Aber das alles schien auf einmal egal zu sein. Gehofft habe ich, dass er, trotz allem was ich tun würde, wusste, dass er wichtig für mich war. Trotzdem war ich der festen Überzeugung, dass es besser wäre nicht mehr mit ihm zu sprechen. Er nahm die Nachricht darüber auf eine Weise auf wie ich es nie erwartet hätte. Ein wenig war mir zwar klar, dass ich ihn damit treffen werden würde, aber ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass es so schlimm für ihn sei. Mir fiel es zwar selbst nicht leicht ihm meine Entscheidung mitzuteilen, aber ich hatte gedacht, dass es nicht derartig verletzend für ihn sein werde. Ich war doch einfach nur eine Bekanntschaft, die er schnell wieder vergessen würde. Ich konnte zwar nicht in ihn hineinschauen, aber ich war mir sicher, er würde so denken. Dem war wohl nicht so, was ich aber erst Wochen später wusste. In diesem Moment habe ich mich gefragt, ob alles richtig gewesen sei, was ich getan hab und das Schrecklichste war, dass ich immer noch derselben Meinung war. Ich war sicher, dass es für uns beide zu diesem Zeitpunkt das Beste wäre. Denn so konnte ich doch noch gar nicht so viel zerstören, da wir uns noch nicht so gut kannten. Ich war nun fest davon überzeugt, dass wir zu verschieden seien, dass er einfach etwas anderes von mir erwartete, dass ich nicht diejenige war so wie er es glaubte. Ich dachte seinen Erwartungen einfach nicht standhalten zu können. Wir hatten daraufhin längere Zeit keinen Kontakt mehr und erst da merkte ich wirklich, dass mir irgendwas fehlte, nämlich er. Ich musste jeden Tag an ihn denken, wenn auch an einigen Tagen nur kurz. Und dabei sah ich, was ich angerichtet hatte. Aber rückgängig machen konnte ich es jetzt auch nicht mehr und zwangsläufig musste ich wohl mit den Konsequenzen leben. Und trotzdem wünschte ich mir an manchen Tagen, dass er bei mir gewesen wäre und mich in den Arm genommen hätte. Denn zu dieser Zeit ging es mir aus anderen Gründen schon nicht gut und ich wäre gern in seiner Nähe gewesen, da ich spürte, dass er mir Halt hätte geben können. Aber er war nicht da und das allein war auch noch meine eigene Schuld. Was ich nun für mich und nur für mich allein tun konnte, war die Fragen auf mein Verhalten zu klären. Und auch das fiel mir nicht leicht, da ich nicht genau einordnen konnte, woran es lag. An einigen Tagen hatte ich mich gefragt, ob es Menschen geben würde, die vor Gefühlen Angst haben. Und wenn diese wirklich existieren würden, ich vielleicht einer von ihnen wäre. Vielleicht dachte ich lieber alles schnell zu beenden bevor sich Gefühle entwickeln könnten oder einfach sofort die Gefühle zu unterdrücken. Es ist mir schwer gefallen, mich selbst damit zu konfrontieren, mir einzugestehen Angst davor zu haben, richtig verletzt zu werden. Und das konnte ja nur passieren, wenn man seine Gefühle auslebt. Aber da ich nicht verletzt werden wollte, schützte ich mich mit der Ablehnung von jeglichen Gefühlen. Ich denke es war Schutz davor, dass ein Mensch meine wahren Gefühle nicht kennenlernen sollte. Die meisten Menschen, wenn nicht sogar alle, kannten mich nicht wirklich. Auch wenn sie das vielleicht glaubten. Sie wussten, dass ich sensibel bin und dachten ich sei glücklich. Aber in Wahrheit war ich das nicht. Sie glaubten, dass ich stark bin, doch war ich im Inneren verletzlich und zerbrechlich, wie es sich kaum jemand vorstellen konnte. Woher sollten sie es auch besser wissen? Ich versuchte mit meinen Problemen alleine klarzukommen. Ich weiß, es war eine schreckliche Angewohnheit.
Wie oft sehnte ich mich nach einem Menschen, der für mich da war, dem ich völlig Vertrauen konnte? Zugleich aber hatte ich das Gefühl, genau davor Angst zu haben. Aber warum bloß? Vielleicht aus Angst irgendetwas Falsches zu tun, weil man keine Erfahrungen hatte. Man sitzt da und fängt einfach an zu weinen. Man fühlt einfach nur eine Leere. Und ich war mir nicht sicher, dass ich mich je einer Person völlig öffnen konnte. Und wenn, brauchte es Zeit. Zeit, die vielleicht kaum jemand aufopfern würde, weil es niemand verstand, geschweigen denn nachvollziehen konnte. Und da war dann wieder diese Traurigkeit, die mein Lächeln verschwinden ließ, und einen ernsten Gesichtsausdruck formte. Es kam diese Angst nie einen Menschen, dessen Nähe man zuließ, zu finden. Wenn man auf seine eigenen Fragen keine Antworten findet, kann einen das innerlich fertig machen. Man bekommt teilweise sogar Selbstzweifel. Und dann tut man auch noch denen weh, die einem wichtig sind, ohne es zu wollen, indem man sich einfach zurückzieht ohne nachvollziehbare Erklärungen. Und genau das tat ich mit ihm.
Nach einer Weile hatten wir wieder leichten Kontakt. Aber ich bemerkte sofort, dass er irgendwie anders war als früher. Ich versuchte mich so normal wie möglich ihm gegenüber zu verhalten, obwohl es mir schwerfiel, weil ich wusste was ich ihm angetan hatte. Wir trafen uns zufällig auf einer Party und so waren wir gezwungen miteinander zu reden. Es wäre ja lächerlich gewesen einfach so zu tun als würden wir uns nicht kennen. Und es war kaum zu glauben, dass wir uns wieder so gut verstanden. Hätte mir jemand dies vorher prophezeit, ich hätte es nicht geglaubt. Es war so als wenn wir uns unser leben lang gekannt hätten und der Kontakt nie abgebrochen wäre. Es war spät geworden und ich ging nach hause. Er blieb noch. Zuhause lag ich nun in meinem Bett, schaute noch lange ein Foto von ihm an und war einfach nur glücklich. Ich schlief sofort ein und träumte von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm, obwohl ich wusste, dass wir, wenn überhaupt, noch ganz am Anfang standen. Als ich morgens aufwachte, hatte ich wahnsinnigen Hunger. Ich ging in die Küche und machte mir Frühstück. Dabei sah ich, dass die rote Lampe an meinem Anrufbeantworter blinkte. Ich musste das Klingeln des Telefons wohl während meines Schlafes nicht gehört haben. Ich ging gut gelaunt rüber und als ich die Nachricht hörte, stockte mir der Atem. Ich konnte es nicht glauben. Wie versteinert sank ich zu Boden. Ich war mir sicher, dass ich mich nur verhört hatte, dass alles in Wirklichkeit gar nicht so war wie ich es verstanden hatte. Ich musste mir die Nachricht noch mal anhören. Der Inhalt blieb jedoch der gleiche. Was ich hörte, war so unwirklich wie es auch nur sein konnte. Es war jemand, den ich nicht kannte, der diese Nachricht gesprochen hatte. Dieser jemand an der anderen Seite teilte mir mit, dass mein Freund, so wie er es ausdrückte, heute Nacht von einem Auto angefahren wurde und nun mit schwersten inneren Verletzungen im Krankenhaus liegen würde. Zum Schluss sagte er noch, dass meine Nummer auf einem Foto gestanden hätte, das bei ihm in der Jackentasche steckte. Ich zog mich notdürftig an, rannte aus dem Haus und fuhr sofort ins Krankenhaus. Dort angekommen, sah ich ihn da liegen, angeschlossen an so viele verschiedene Maschinen. Und immer noch nicht konnte ich fassen, was sich in der gestrigen Nacht ereignet hatte. Er war immer noch bewusstlos. Ich setzte mich zu ihm an das Bett, nahm seine Hand und streichelte sie zärtlich. In diesem Augenblick wachte er wie ein Wunder auf. Langsam öffneten sich seine Augen und er schaute mich an. In seinen Augen sah ich seine Angst. Er wusste wohl nicht wo er war und was mit ihm passiert war. Das Sprechen viel im schwer, dennoch sagte er mir wie sehr er sich in mich verliebt hatte und dass er den ganzen Abend, nachdem ich gegangen war, an mich gedacht hat. Als wenn er gewusst hätte, was in den nächsten Minuten passieren würde. Diese Worte werde ich nie vergessen. Das Sprechen kostete ihm so viel Kraft, so dass er seine Augen gleich wieder schloss. Was nun passierte, kannte ich zuvor nur aus irgendwelchen Filmen. Die vielen Geräte, an die er angeschlossen war, fingen plötzlich wie verrückt an zu piepen. Er war tot. Gestorben an seinen inneren Verletzungen. Später erfuhr ich, dass er beim Überqueren einer Straße ein heranfahrendes Auto übersehen hatte. Die Polizei meinte, dass er wohl in Gedanken gewesen sein müßte, sonst hätte er das Auto wohl gesehen. Und ab da wusste ich, dass er an mich gedacht haben muss. Dieser Gedanke machte den Schmerz für mich noch unerträglicher. Es tat so fürchterlich weh. Ich hatte den Menschen verloren, der sich zum Wichtigsten Menschen in meinem Leben entwickelt hätte können, da er in kurzer Zeit so gut wie alles von mir wusste. Und ich hab ihm noch nicht einmal sagen können wie sehr auch ich mich in ihn verliebt hatte. Es war zu spät. Die Zeit wurde uns einfach genommen, ohne jegliche Vorwarnung.
Und nun erreiche ich die Straße, an der sich in jener Nacht alles ereignet hatte. Vielleicht glaube ich, indem ich hier stehe, alles besser verarbeiten zu können, obwohl es mir scheint als würde mein Schmerz darüber nie abschwächen. Ich zweifel daran, ob es überhaupt noch einmal ein Mensch schaffen werde, mich glücklich zu machen so wie er es geschafft hatte.

 

Hi Crissy.
es ist immer ein bischen schwieriger, eine in Ich-form geschriebene Geschichte zu mehr zu machen, als zu einer Erzählung passierter Ereignisse.
Deine, bzw. die Gedankengänge des Protagonisten kommen gut rüber, die Person um die es auch geht, bleibt aber im dunklen.
Wenn Deine Geschichte rüberbringen soll, dass man etwas wagen sollte, gerade in der Liebe, weil das Leben sehr endlich sein kann, ohne Morgen - wieder - garantie, dann ist das rübergekommen.
Die Wortwahl ist passend.
... mal sehen, was Du sonst noch so schreibst.
Lord

 

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