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Amygdala

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03.08.2003
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Amygdala

David Curtis saß mit seiner Frau auf der Veranda ihres Farmhauses. Die Sonne fiel schon über das Gemüsebeet her, doch da gab es nichts mehr, das der Mühe lohnte.
Zum Frühstück gab es Müsli mit Beeren. David schob seine Schüssel weg.
„Schon satt?“, fragte Liz.
„Das Zeug macht doch nicht satt. Rührei mit Speck. Das nenne ich Frühstück.“
„Du weißt, deine Cholesterin-Werte.“
David seufzte und griff nach der Zeitung.
„Hast du schon gehört? Die Randells wollen ihre Farm verkaufen.“
„Bist du sicher?“ David ließ die Zeitung sinken.
„Ja, ich hab Ruth gestern in der Stadt getroffen.“
David zuckte mit den Schultern. „Na, die müssen‘s ja wissen“, murmelte er.
„Wir sollten auch gehen, Dave.“
„Das hatten wir doch schon alles durch. Ich geh hier nicht weg.“
„Die Schafe fressen uns die Haare vom Kopf.“
„Wir verkaufen die Schafe und schaffen uns Alpakas an. Die sind genügsamer. Hab‘s durchgerechnet. Und bald regnet‘s, du wirst sehen. Dann sieht alles gleich anders aus.“
„Bald regnet‘s. Bald regnet’s. Das hör ich jetzt schon zwei Jahre!“
„Auf NBN haben sie ein Tiefdruckgebiet angesagt.“

Das Tiefdruckgebiet löste sich in heißer Luft auf und Liz wurde immer reizbarer. Die Schafzucht war ein Verlustgeschäft. Die Weiden waren längst verdorrt und das Futter musste mühsam mit dem Lastwagen herangeschafft werden. Gleichzeitig wuchsen die Preise für Futter, Treibstoff und Farmgeräte ins Uferlose. Die Bank saß ihnen im Nacken. Alles gute Argumente, die Farm aufzugeben und dem Beispiel der Randells zu folgen. Argumente, die Liz eines Abends, als sie auf der Veranda saßen, so vehement wie noch nie zuvor vortrug. David trank einen Schluck von seinem Whiskey, dann erwiderte er: „Meine Urgroßeltern sind schon um 1900 in die Gegend gekommen. Die haben die Farm aufgebaut. Ich bin hier aufgewachsen, Lizzy. Ich bin Farmer, kann nichts anderes. Das weißt du doch! Glaubst du, ich kann in der Stadt leben? Was soll ich da? Da ist es laut, hektisch, die Nachbarn trampeln einem auf den Füßen rum! Und dafür soll ich das alles hier aufgeben?“ Er machte eine weit ausholende Geste zum Horizont hin. Für seine Verhältnisse kam seine Antwort einer stundenlangen Rede gleich.
Du sturer Bock, dachte Liz. Die beiden Falten zwischen Daves Augenbrauen, die sie so gut kannte, hatten sich vertieft, seine Lippen, die sie nach all den Jahren immer noch küssten, waren fest zusammengepresst. Das Problem war, sie liebte diesen sturen Bock und konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.
„Wir schuften uns hier ab, ackern sechzehn Stunden am Tag, und wofür? Nicht mehr lange und alles gehört der Bank“, versuchte sie es nochmals, wusste aber schon die Antwort.
„Die Dürre kann nicht ewig dauern.“

Sie mühten sich weiter ab, reparierten Zäune, kümmerten sich um die Tiere, saßen nächtelang über Websites mit Langzeitwetterprognosen. Sie verkauften die Schafe mit Verlust und schafften sich Alpakas an, doch das änderte nichts. David arbeitete verbissen, Liz mechanisch wie ein Roboter. Sie wurde stiller, legte immer längere Pausen ein, starrte auf die mit verblichenem Gras bedeckten Hügel, auf die vereinzelten blattlosen Bäume, die sich in die ausgedörrte Erde krallten. Eines Morgens blieb Liz im Bett liegen und reagierte nicht auf Davids besorgte Fragen. Irgendwann stand sie auf und schleppte sich ins Wohnzimmer. „Ich kann nicht mehr!“, war alles, was sie sagte. Ihr Zustand verschlechterte sich. Sie aß nur mit viel gutem Zureden und brauchte morgens Stunden, um aufzustehen. David holte Doc Layton, und der bestätigte, was David schon ahnte. Der bei den Farmern der Gegend berüchtigte „Schwarze Hund“ hatte sich in die Seele von Liz geschlichen und es sich dort bequem gemacht. Doc Layton verschrieb ein Antidepressivum und empfahl: „Sie muss hier weg, in eine andere Umgebung.“
Nachdem der Doktor gegangen war, saß David noch lange am Bett neben seiner Frau. Ihr rotblondes Haar hing ihr wirr in die Stirn. Die Augen hielt sie geschlossen. Wie schmal ihr Gesicht geworden ist, dachte er. Er strich über ihre Hand und erinnerte sich an den Tag, an dem Liz auf die Farm gekommen war. Als Lady Rider brauste sie auf ihrer „Barbarian“ heran, ein City Girl aus Melbourne, das für ein paar Wochen an dem Hobby-Farming-Programm teilnehmen wollte. Dave hatte seine Farm für das Programm angemeldet, weil er jede helfende Hand gebrauchen konnte. Er verknallte sich sofort in Liz und konnte es kaum fassen, als er merkte, dass sie sich auch für ihn interessierte. Sie, die lebhafte, oft lachende rothaarige Schönheit. Was fand sie bloß an ihm, dem stoischen, unbeholfenen Farmer, der noch dazu zehn Jahre älter war als sie?
Da öffnete Liz die Augen. „Der Doc hat recht“, flüsterte sie. „Ruf unsere Tochter an. Es ist besser, wenn ich zu ihr ziehe. Nur für eine Weile, bis es mir besser geht.“
David nickte. Er hatte einen Kloß im Hals und konnte nichts sagen.

Ein paar Tage später kam ihre Tochter aus Melbourne mit ihrem roten Toyota Corolla, um Liz zu holen.
„Mach‘s gut, Dave“, sagte Liz zum Abschied.
„Lizzy, ich …“ David verstummte.
Plötzlich umarmte Liz ihn heftig, dann löste sie sich von ihm und stieg in das Auto zu ihrer Tochter. David sah der Staubfahne nach, sein Gesicht unter dem schüsselgroßen Schlapphut so rot und ausgedörrt wie der Boden seiner Farm. Dann blickte er zu den Alpakas. Ihr Summen war verstummt. Selbst dafür zu lethargisch dösten sie in der Hitze.
Ein paar Wochen später kam der Regen endlich. Ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen jagte über die Gegend hinweg und entlud seine Fracht auch über Davids Farm. Die Natur trank gierig und nach ein paar Monaten war die vorherrschende Farbe der Gegend Spinatgrün. Die Alpakas summten wieder.

Als David Liz eines Tages anrief, wie er es regelmäßig tat, meinte er, die Zeit sei gekommen, ihr die entscheidende Frage zu stellen. „Wann kommst du zurück, Lizzy? Jetzt, wo die Dürre vorbei ist, können wir‘s schaffen. Sieh mal, wie‘s hier aussieht.“ Er hielt sein Smartphone so, dass Liz die sattgrünen Weiden sehen konnte.
Doch Liz druckste herum. Sie sei gerade aus dem schwarzen Loch herausgekrabbelt, habe in Melbourne einen Job gefunden. Wieder als Lehrerin zu arbeiten, mache ihr Spaß. Als David weiter in sie drang, rückte sie endlich damit raus: „Ich komm nicht mehr zurück, Dave. Auf der Farm geh ich kaputt.“
David umklammerte das Smartphone so fest, das die Sehnen seiner kräftigen Hand hervortraten. Einem ersten Impuls folgend, wollte er es auf den Boden werfen und darauf herumtrampeln. Er bezwang sich und legte nach ein paar belanglosen Worten auf. Von da an rief er Liz immer seltener an.

Als die Warndurchsagen im Radio kamen, machte sich David zunächst keine Sorgen. Das Feuer war weit weg und schlug eine Richtung ein, die ungefährlich war. Dann drehte der Wind und die Warnungen von ABC wurden dringlicher. Schließlich rief der Sender dazu auf, die Farmen rings um Nairne zu evakuieren.
David ignorierte den Aufruf und bereitete sich darauf vor, sein Heim gegen das Buschfeuer zu verteidigen. Er vergewisserte sich, dass die Zisterne gefüllt war, prüfte die Pumpen und installierte Wasserschläuche. Wände und Dach des Farmhauses wässerte er mit Schläuchen und Eimern und füllte die Regenrinnen. So vorbereitet fühlte er sich für den Kampf gewappnet. Am frühen Nachmittag bemerkte er Rauch, der aus den Hügeln in einiger Entfernung aufstieg, und es dauerte nicht lange, bis der Himmel vollkommen schwarz war. Ascheflocken, die immer zahlreicher wurden, rieselten zu Boden wie grauer Schnee. Dann hörte er ein merkwürdiges Geräusch, wie das ferne Heulen eines gewaltigen Tieres, das lauter und lauter wurde. Jetzt konnte er auch die Feuerwand sehen. Rasend schnell rollte sie auf ihn zu. Sie war mindestens zweihundert Fuß hoch, leuchtete grell orange und über ihr erhob sich eine doppelt so hohe Wand aus grau-schwarzem, wirbelndem Rauch. Das Geräusch war inzwischen so laut, dass es in den Ohren dröhnte, und hörte sich an, als würden ein halbes Dutzend Jumbo-Jets gleichzeitig starten. David erkannte, dass all seine Vorbereitung hier nichts nützen würde. Jetzt ging es nur noch darum, sein Leben zu retten. Für Flucht war es zu spät. Davids Herz raste, doch er fühlte keine Panik in sich aufsteigen, war nur hellwach. Er überlegte, welcher Zufluchtsort am besten geeignet wäre, und wählte die Werkstatt aus, da es dort kaum brennbares Material gab. Dort legte er sich flach auf den Steinboden und hielt so fast eine Stunde aus, während über ihm das Inferno tobte. Als er so auf dem Boden lag, nach Luft rang und das Wüten der Feuersbrunst hörte, kroch die Angst endlich doch in ihn hinein. Er hatte mal ein Bild von einem Brandopfer in der Zeitung gesehen. Sein Unterbewusstsein meinte, es sei passend, es nun wieder hervorzukramen. Er erblickte ein unförmiges schwarzes Ding mit verrenkten Stümpfen anstelle der Gliedmaßen, das die Zähne bleckte. In wenigen Minuten würde er bei lebendigem Leib verbrennen und genauso aussehen. Alles, was von ihm bliebe, wäre ein verkohlter Leichnam, der nur anhand der Zähne zu identifizieren war. Lizzy, seine Lizzy durfte ihn nicht so sehen. Ich will nicht sterben! Dieser eine Gedanke füllte sein Hirn irgendwann zur Gänze aus. Dann hatten sich die Mauern und der Fußboden so stark aufgeheizt, dass er sich wie in einem Backofen vorkam. Sein Verstand war indisponiert und seine Instinkte übernahmen. Weg, nur weg von hier, hin zur Garageneinfahrt! Wie ein Soldat im Krieg unter feindlichem Beschuss robbte er los, drückte sich mit Ellenbogen und Knien vorwärts, immer dicht über dem Boden, während Glutnester als rasende Feuerbälle rings um ihn her einschlugen und funkenstiebend zerbarsten. Er rang nach Luft, würgte, kämpfte gegen den quälenden Hustenreiz – der Rauch drang gnadenlos in seine Lungen. Er schaffte es zur Einfahrt und blieb dort liegen, bis das Feuer vorbei war.

Die Einwohner von Nairne dachten, David wäre im Feuer umgekommen, aber er überlebte – mit Verbrennungen an den Ellenbogen und Knien und Rauch in der Lunge.
Ob er Angst gehabt habe, fragte ihn später jemand. David antwortete nicht.
Äußerlich hatte sich David nicht verändert. Nicht mal seine Haare waren grauer geworden und sein faltiges Gesicht mit den zusammengekniffenen Augen wirkte abweisend wie immer.
Nach der Brandkatastrophe lebte er weiter allein auf seiner Farm zwei Meilen von der Stadt entfernt und zehrte von der Unterstützung der Regierung. In der Nähe seines abgebrannten Hauses hatte er ein aus Armeebeständen ausrangiertes Zelt aufgestellt und die Zisterne wieder auffüllen lassen. Ein Notstromaggregat, einen Gas-Campingkocher, ein Feldbett, einen Schlafsack, mehr brauchte er nicht. Hin und wieder tauchte er in den Geschäften des Ortes auf. Im „Whombat’s Whisk“ trank er zwei-, dreimal die Woche seine zwei Pale Ales und blieb meist für sich.
„Was willst du jetzt machen, Dave?“, hatte ihn der Barman mal gefragt.
„Keine Ahnung.“
„Du könntest zu deiner Frau nach Melbourne ziehen.“
„Ich geh hier nicht weg, Matt!“
„Aber deine Farm ist im Arsch.“
„Kann schon sein.“
Der Barman gab‘s auf.
Die anderen Gäste kümmerten sich nicht groß um David. Er hatte eine gewisse Berühmtheit erlangt, als die Story von seinem Überleben in der Zeitung stand, aber jeder hatte genug mit sich selbst zu tun. Bald redete niemand mehr über die Sache.
Eine Zeit nach der Brandkatastrophe tauchte im Pub wieder einmal ein Journalist auf. Er erkundigte sich nach David und der Barman deutete in eine Ecke, wo David alleine an einem Tisch saß.
„Kann ich mich mal einen Moment zu Ihnen setzen?“, fragte der Journalist, nachdem er sich vorgestellt hatte.
David zuckte mit den Achseln. Der Journalist nahm es als Zustimmung und setzte sich.
„Unsere Leser interessiert, wie Sie die Brandkatstrophe überlebt haben“, begann er. „Wie haben Sie das geschafft?“
„Hab ich doch alles schon ihren Kollegen gesagt. Zig Mal.“
„Ich weiß. Aber ich will eine richtige Story daraus machen. Ich will, dass die Leser begreifen, was Sie durchmachen mussten.“ Der Journalist kramte in seiner Jackentasche nach einer Zigarette und zündete sie an.
David sah das Flämmchen des Feuerzeugs und seine Augen weiteten sich. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, doch kein Laut kam von seinen Lippen. Er schien erstarrt zu sein, aber dann schaffte er es, aufzustehen und aus der Kneipe zu flüchten.
Von da an mied David den Pub. Tagsüber dämmerte er meist in seinem Zelt vor sich hin. Er stand nur auf, um sich eine Büchse mit Bohneneintopf warm zu machen oder ein Bier zu holen. Gelegentlich rief Liz auf seinem Smartphone an. Sie sagte Sachen wie „Du siehst ja furchtbar aus“ und „Verkauf endlich und komm her“, er darauf „Mir geht’s gut“ und „Ich kann nicht in der Stadt leben“. Einmal deutete er an, dass er schlecht schlief. Liz bohrte nach und er wünschte, er hätte nichts gesagt. Gegen Abend wurde er von Unruhe ergriffen, wanderte rastlos über das Gelände seiner Farm. Versuchte, wach zu bleiben. Legte sich irgendwann doch auf sein Feldbett. Hoffte, diesmal verschont zu bleiben. Doch die Flammenwand raste auf ihn zu. Das Brüllen des Feuers. Der Rauch. Die Hitze. Die Blasen auf seiner Haut. Das Atmen, das immer schwerer fiel. Dann erwachte er schweißgebadet, spürte noch die Gluthitze. Sein Herz raste. Jeder Atemzug fühlte sich an, als würde er Rauch in seine Lungen ziehen, und der beißende Geruch nach verbranntem Holz verflog erst allmählich.

Kurz nach dem missglückten Interview des Journalisten kam Mr. Broderick in die Stadt. Mr. Broderick war ein dürrer Mann mit Halbglatze und Hornbrille. Er trug Anzug und Krawatte, als hätte er gerade erst das Büro seiner Bank verlassen. Er war aber Psychiater und erkundigte sich nach dem Weg zu Davids Anwesen. Dann fuhr er mit seinem schwarzen Ford raus zu ihm. Davids Anwesen war nicht mehr als ein Haufen Mauerreste auf einer mit Asche bedeckten Einöde. Verkohlte Baumgruppen, ehemals Eukalyptusbäume und Kiefern, standen herum und trauerten besseren Zeiten nach. Im Schatten eines Hügels entdeckte Broderick ein Armeezelt und steuerte darauf zu.
Er blieb vor dem Zelt stehen.
„Mr. Curtis?“, rief er, erhielt aber keine Antwort.
Mr. Broderick war nicht den weiten Weg von Adeleide herauf gekommen, um sich damit zufrieden zu geben. Er schlug die als Eingang dienende Zeltplane zurück und betrat das Innere. Drückende Hitze ließ ihn nach Luft schnappen und Schweißperlen traten auf Glatze und Stirn. Nachdem sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, entdeckte er in einer Ecke ein Bündel aus alten Säcken. Darauf lag ein Mann, der das Zeltdach anstarrte.
„Mr. Curtis?“
„Verschwinden Sie.“
Mr. Broderick sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, zog eine Kiste heran und setzte sich. Nachdem er sich vorgestellt hatte, sagte er mit eindringlicher Stimme: „Ich kann Ihnen helfen, Mr. Curtis. Ihre Frau hat sich an unser Institut gewendet. Sie macht sich Sorgen um Sie.“
„Hau‘n Sie ab!“
„Geben Sie mir fünf Minuten. Danach lass ich Sie in Ruhe, wenn Sie es wünschen, versprochen. Glauben Sie mir, Sie werden es nicht bereuen. Einverstanden?“
Schweigen, dann, als Mr. Broderick sich schon erheben wollte: „Na gut.“
Mr. Broderick fuhr mit tiefer beruhigender Stimme fort: „Ich weiß, was Sie durchmachen. Ich behandle seit über zwanzig Jahren Patienten mit Angststörungen.“
„Und? Haben Sie denen helfen können?“
„Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein. Bis jetzt den wenigsten.“
„Was wollen Sie dann noch hier? Raus!“
„Moment, Moment. Ich hab noch drei Minuten. Also, unser Institut arbeitet mit der „Mayne Pharma Group“ zusammen. Das Unternehmen hat ein Medikament entwickelt, das sich noch in der Erprobung befindet. Propanolol. Und das kann die Amygdala beeinflussen. Das ist die für Angst zuständige Region des Gehirns. Die Substanz löscht das Angstgedächtnis. Es funktioniert und es gibt kaum Nebenwirkungen. Wir brauchen aber mehr Tests.“
„Sie wollen mich also als Versuchskaninchen. Nein danke.“
„Mr. Curtis, nach der Behandlung, für Sie übrigens komplett kostenlos, werden Sie alle ihre traumatischen Gefühle vergessen, die Sie während des Buschfeuers entwickelt haben.“
David seufzte und schließlich sagte er: „Na gut, was hab ich schon zu verlieren dabei.“
Er brauchte nicht lange, um seinen Rucksack zu packen.

Da ein Tankwart die beiden gesehen hatte, sprach sich rasch herum, dass David zusammen mit dem Psychiater die Stadt verlassen hatte. Zwei Wochen hörte man nichts von ihm, dann war David wieder da. Er wirkte kaum verändert, lächelte aber manchmal sogar und besuchte wieder den Pub. Auf Fragen antwortete er nur einsilbig, doch nach und nach kam heraus, dass er wegen seiner Angst vor Feuer behandelt worden war.
Eines Abends wollte es der Barman wissen. Nachdem er David sein Pale Ale eingeschenkt hatte, fragte er: „Sag mal, Dave, bist du wirklich geheilt?“
Als David nickte, nahm der Barman sein Feuerzeug, schnipste die Flamme an und zündete sich demonstrativ langsam eine Zigarette an.
David betrachtete die Flamme. „Gib dir keine Mühe“, meinte er nur. „Ich bin drüber weg.“
Viele Augen waren auf David gerichtet gewesen, die Kartenspieler am Tisch neben dem Tresen hatten ihr Spiel unterbrochen. Jetzt ging wie ein leiser Windzug ein kollektives Ausatmen durch den Pub.
„Hey Dave, du hast es wirkich geschafft.“ Der Barman grinste und bot David die Hand zum High Five.
„Sorry für das Feuerzeug eben, war saublöd von mir, aber ich wollt‘s einfach wissen.“
Ein Lächeln stahl sich auf Davids Gesicht. „Schon gut, Matt.“ Er schlug in die Hand ein.
Ein paar der Gäste klatschten. Ein rothaariger Miner vom Tisch der Kartenspieler stand auf, ging zum Tresen und hieb David mit seiner Pranke auf die Schulter. Andere kamen nach, umringten David und beglückwünschten ihn.
„Eine Runde aufs Haus!“, rief der Barman. Keinem fiel auf, dass Davids Hand zitterte, als er sein Glas hob.

Spät machte sich David auf den Heimweg. Er betrachtete die Wolken, welche die tief am Horizont hängende Sonne entflammt hatte, und zwang sich, weiter hinzusehen. Früher hätte er den Anblick schön gefunden. Früher war früher, jetzt war jetzt. Es wurde Zeit, die Tatsachen anzunehmen. Mit der Angst würde er leben müssen, genau wie damit, dass seine Farm Geschichte war und Lizzy nicht mehr kommen würde. Er durfte nicht so weiter machen. Die verdammte Farm verkaufen, das war der einzige Weg. Zu Liz. Irgendeinen Job in Melbourne annehmen. Es würde sich schon was finden.
Als er die Farm erreichte, erblickte er als erstes einen roten Toyota Corolla, dann Liz, die auf ihn zu lief.

 

Hallo!

Was mir so auffiel:

„Das Zeug macht doch nicht satt. Rührei mit Speck. Das nenne ich Frühstück.“
„Du weißt, deine Cholesterin-Werte.“
Würde -Werte streichen, Du weißt, dein Cholesterin.

Curtis seufzte nur und griff nach der Zeitung.

„Wir verkaufen die Schafe und schaffen uns Alpakas an. Die sind genügsamer. Hab‘s durchgerechnet. Und es wird bald regnen. Dann sieht alles gleich anders aus.“
„Es wird bald regnen, es wird bald regnen. Das hör ich jetzt schon zwei Jahre lang. Ich kann nicht mehr!“

Das Tiefdruckgebiet kam nicht, dafür aber der „Schwarze Hund“. Er schlich sich an und machte es sich in der Seele von Liz bequem. Sie wollte nur noch in Ruhe gelassen werden, saß vor dem Fernseher und starrte darauf. Doc Layton diagnostizierte eine schwere Depression und verschrieb MedikamentePUNKT Doch der „Schwarze Hund“ blieb. Um ihm zu entkommen, sah Liz nur noch einen Ausweg.
ins Nichts anstatt darauf? Beim zweiten Mal würde ich auf die Anführungszeichen verzichten.

Liz kam nicht zurück, dafür aber das Feuer.

Er vergewisserte sich, dass die Zisterne gefüllt war, prüfte die Pumpen, installierte Wasserschläuche und richtete sich auf das Schlimmste ein.
richtete sich für das Schlimmste ein oder bereitete sich auf das Schlimmste vor, glaube ich

Als Zufluchtsort wählte er die Werkstatt aus, da es dort kaum brennbares Material gab.
Das kling eigenartig. Aus was war die Werkstatt im Gegensatz zu den übrigen Gebäuden erbaut worden?

Wie ein Soldat im Krieg unter feindlichem Beschuss robbte er los, unter Zuhilfenahme der Ellenbogen und Knie und immer dicht über dem Boden.

Die Einwohner von Nairne dachten, Curtis wäre im Feuer umgekommenPUNKT Aber er überlebte – mit Verbrennungen an den Ellenbogen und Knien und Rauch in der Lunge.
Wieso verbrannte er sich Ellbogen und Knie? Robbte er durchs Feuer, hätte man das vorher doch voreher erwähnen sollen, oder?

Nicht mal seine Haare waren grauer geworden und sein faltiges Gesicht mit den zusammengekniffenen Augen wirkte abweisend wie immer.
Ist das Grauwerden der Haare eine zuerwartende Folge bei solch einem Ereignis?

Ein Notstromaggregat, einen Gas-Campingkocher, ein Feldbett, einen Schlafsack, mehr brauchte er nicht, um sich einzurichten.

Im „Whombat’s Whisk“ trank er zweiKOMMA dreimal die Woche seine zwei Pale Ales und blieb meist für sich.

Curtis hatte eine gewisse Berühmtheit erlangt, als die Story von seinem Überleben in der Zeitung standPUNKT Aber die Menschen hatten zu der Zeit genug mit sich selbst zu tun. Bald redete niemand mehr über die Sache.

Er erkundigte sich nach Curtis und der Barman deutete in eine Ecke, wo Curtis alleine an einem Tisch saß.

Curtis sah das Flämmchen des Feuerzeugs, seine Augen weiteten sich, als ob sie aus ihren Höhlen springen wollten, und sein Körper begann zu zucken. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, doch kein Laut kam von seinen Lippen.
quollen hervor, Pupillen weiten sich
kam über seine Lippen

Gelegentlich rief Liz auf seinem Handy an. Sie sagte Sachen wie „Du siehst ja furchtbar aus“ und „Verkauf endlich und komm her“, er darauf „Mir geht’s gut“ und „Ich kann nicht in der Stadt leben“.
Dass sie ihn sehen kann ist zwar möglich, klingt bei all dem aber irgendwie unpassend.

„Mr. Curtis?“
„Verschwinden Sie.“
Hier würde ich zum Du greifen. Verschwinde! Ihm ist ja alles egal.

Sie macht sich Sorgen um Sie.“
„Hau‘n Sie ab!“

SchweigenPUNKT Dann, als Mr. Broderick sich schon erheben wollte: „Na gut.“

Es funktioniert und es gibt keine Nebenwirkungen. Wir brauchen aber mehr Tests.
Wenn sie noch Tests brauchen, ist es vermutlich noch zu früh zu behaupten, es gäbe keine Nebenwirkungen, oder?

„Mr. Curtis, nach der Behandlung, für Sie übrigens komplett kostenlos, werden Sie alle ihre traumatischen Gefühle vergessen, die Sie während des Buschfeuers gehabt haben.“ Mr. Broderick beugte sich nach vorn. „Sie werden überhaupt nie wieder Angst haben.“
Ich glaube traumatische Gefühle entwickeln sich erst nach dem Erlebnis.
Und mit diesem Satz: Sie werden überhaupt nie wieder Angst haben. ploppte in mir die Hoffnug auf eine überraschende Wendung am Ende auf.
Alles Bisherige geschah schon recht fix. Aber jetzt huschen die Ereignise beinahe Sätzeweise vorüber. Damit will ich sagen, das geht alles verdammt fix und bietet kaum Raum sich auf irgendetwas einzustimmen und so berürt es kaum. Weder sein Überlebenskampf kann überzeugen und noch weniger die überschwengliche Freude gegen Ende in der Bar. Und dann kommt auch irgendwie nichts mehr um die Ecke, worauf ich gehofft hatte. Hm, weiß nicht, hat mich nicht wirklich überzeugt.

Alles aber wie immer nur meine unbedeutende Meinung. Nimm was dir sinnvoll erscheint.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sturek

Ich finde deine Geschichte interessant und die Idee dahinter sehr gut. Nur die Umsetzung überzeugt mich nicht ganz. Der Dialog am Anfang gefällt mir gut, wir tauchen direkt in die Geschichte ein. Aber mir ist aufgefallen, dass für den Protagonisten immer nur der Nachnamen verwendet wird. Hat das einen bestimmten Grund? Ich finde, das distanziert den Leser vom Protagonisten.

Wie auch schon in anderen Kommentaren erwähnt, läuft die Geschichte sehr schnell. Es beginnt mit einem Gespräch am Frühstückstisch zwischen Liz und Jeff und dann wird in wenigen Sätzen erwähnt, dass Liz eine Depression bekommt und geht. Die Schnelligkeit hierbei finde ich ok, weil der relevante Teil der Geschichte erst danach kommt, mit dem Feuer und Jeffs Umgang damit. Aber auch dieser Teil ist viel zu schnell, irgendwie abgehackt und vor allem zu distanziert. Es berührt den Leser leider gar nicht.

Du beschreibst zwar, was der Protagonist alles macht, aber nie, wie er sich dabei führt. Zum Beispiel erwähnst du, dass er Verbrennungen an Ellenbogen und Knien erleidet. Wenn du also beschreibst, wie er über den Steinboden robbt, könntest du erwähnen, wie heiß der ansonsten kalte Boden war. Oder dass Jeff kaum Luft bekam, wegen des Rauches …

In einem Punkt macht das distanzierte Erzählen Sinn: Nach dem Feuer ist der Protagonist traumatisiert, durch Dissoziation versucht er das zu bewältigen. Er bleibt für sich und kapselt sich von seinen Gefühlen ab. Das darf auch die Erzählung gern widerspiegeln. Aber sobald der Journalist mit dem Protagonisten spricht, triggert das Feuerzeug eine Panikattacke. Ab hier sollte die Erzählung wieder genauer sein, weniger sprunghaft. Der Alptraum ist dagegen sehr gut beschrieben, vor allem was der Alptraum im Protagonisten auslöst. Das hat mir gefehlt, als das Feuer tatsächlich tobte.

Der Teil, wo Mr. Broderick auftaucht gefällt mir gut. Aber als Psychologe überzeugt er mich nicht ganz. Er hat ja nicht einmal einen Doktortitel. Er testet ein neues Medikament, arbeitet er also für einen Pharmakonzern? Ein Psychologe würde sonst nicht mit Medikamenten arbeiten, das tun Psychiater.

Mr. Curtis, nach der Behandlung, für Sie übrigens komplett kostenlos, werden Sie alle ihre traumatischen Gefühle vergessen, die Sie während des Buschfeuers gehabt haben.“ Mr. Broderick beugte sich nach vorn. „Sie werden überhaupt nie wieder Angst haben.“
So würde sich ein Psychologe auch eher nicht ausdrücken.

Außerdem stört mich, dass der Protagonist „nur“ eine Angststörung hat, Angst vor Feuer. Nach so einem Erlebnis wäre eine Posttraumatische Belastungsstörung einleuchtend. Dass Mr. Broderick versucht, diese über die Amygdala weg zu medizinieren funktioniert, denke ich, trotzdem.

Auch nicht ganz plausibel ist, dass der Protagonist nach nur 2 Wochen Behandlung wieder zu Hause ist. Und die Behandlung sogar zum Teil wirkt. Solche Medikamente brauchen oft länger, um überhaupt eine Wirkung zu zeigen. Tests auf Nebenwirkungen schon erst recht. Hat der Protagonist die Behandlung abgebrochen? Am Schluss scheint es jedenfalls, als hätte er noch immer Angst, aber einen Weg gefunden, damit umzugehen. Das Ende ist für mich auch abgehackt. Warum wählt er die Nummer von Liz? Was hat er jetzt vor?


Noch zwei Kleinigkeiten:

Die Sonne fiel schon über das Gemüsebeet her, doch da gab es nichts mehr, das der Mühe lohnte.
Die Sonne fällt nicht über etwas her, sie greift ja nichts an. "Die Sonne fiel schon auf das Gemüsebeet".
Bin nicht sicher, aber sollte es nicht heißen „das die Mühe wert war“?

Als Zufluchtsort wählte er die Werkstatt aus, da es dort kaum brennbares Material gab.
Ich stell mir irgendwie vor, dass es in einer Werkstatt besonders viel Holz gibt. Plausibler, wäre vielleicht etwas wie ein Keller.


Hoffe mein Kommentar ist hilfreich :)
Viele Grüße,
Eva

 

Hallo @Sammis und @Eva Cat

Vielen Dank für euer Feedback. Wenn ich euch richtig interpretiere, hat die Story einen durchwachsenen Eindruck auf euch gemacht. Ich bin mit der Geschichte selbst nicht so glücklich und hatte gehofft, hier noch Hinweise für Verbesserungsmöglichkeiten zu bekommen. Ich wurde nicht enttäuscht. :)

@Sammis

Alles aber wie immer nur meine unbedeutende Meinung.
Nun staple mal nicht so tief. Ich finde deine Hinweise sehr nützlich. Die Kritikpunkte kann ich nachvollziehen. Allerdings bin ich der Meinung, dass es nicht immer einen überraschenden Knalleffekt am Ende geben muss. Hier hatte ich tatsächlich in einer früheren Version die „Heilung“ von Curtis nur als „retardierendes Moment“ eingesetzt (Der Leser kann noch hoffen, dass es gut ausgeht), bevor als Wendepunkt der endgültige Absturz kam. Aber das wollte ich meinem Protagonisten nicht zumuten. Dafür habe ich ihm das halbwegs versöhnliche Ende zu sehr gegönnt. Eine Möglichkeit für einen Wendepunkt am Ende ohne Absturz ist mir bis jetzt nicht eingefallen.

Die Abschlussszene in der Bar könnte ich natürlich weniger euphorisch gestalten. Aber dass die Gäste sich über die Genesung von Curtis freuen ist wiederum doch nachvollziehbar, finde ich. Das Ganze spielt sich in einer Kleinstadt im ländlichen Australien ab, die Leute haben mitbekommen, wie arg es Curtis getroffen hat, haben ihn auch bewundert für seinen Überlebenskampf und nehmen überhaupt mehr Anteil am Leben der anderen als zum Beispiel in einer Großstadt. Mal sehen.

richtete sich für das Schlimmste ein oder bereitete sich auf das Schlimmste vor, glaube ich
richtete sich auf das Schlimmste ein, hört sich für mich richtig an.
Als Zufluchtsort wählte er die Werkstatt aus, da es dort kaum brennbares Material gab.
Das kling eigenartig. Aus was war die Werkstatt im Gegensatz zu den übrigen Gebäuden erbaut worden?
Ich habe mir das so vorgestellt, dass die Werkstatt in einem gemauerten Extra-Gebäude untergebracht war. Im Gegensatz zum Haus wurde da kein Holz zum Bauen verwendet.
Wieso verbrannte er sich Ellbogen und Knie? Robbte er durchs Feuer, hätte man das vorher doch voreher erwähnen sollen, oder?
Weil er die Ellenbogen und Knie besonders beansprucht hat, um über den heißen Boden zu robben.
Ist das Grauwerden der Haare eine zuerwartende Folge bei solch einem Ereignis?
Ich denke ja. Es gibt ja auch diese Legenden, dass Leute nach Schock-Erlebnissen plötzlich völlig weiße Haare hatten. Das stimmt wohl so nicht, aber in den Köpfen der Leute ist es drin.
Dass sie ihn sehen kann ist zwar möglich, klingt bei all dem aber irgendwie unpassend.
Dann schreibe ich eben "Smartphone" statt "Handy", damit es klarer wird. In der heutigen Zeit sehr wahrscheinlich.
Wenn sie noch Tests brauchen, ist es vermutlich noch zu früh zu behaupten, es gäbe keine Nebenwirkungen, oder?
Ja, die Nebenwirkungen füge ich noch ein.
„Mr. Curtis, nach der Behandlung, für Sie übrigens komplett kostenlos, werden Sie alle ihre traumatischen Gefühle vergessen, die Sie während des Buschfeuers gehabt haben.“ Mr. Broderick beugte sich nach vorn. „Sie werden überhaupt nie wieder Angst haben.“
Ich glaube traumatische Gefühle entwickeln sich erst nach dem Erlebnis.
Auch wieder richtig. Also werde ich das umändern. Ich schreibe: „... die sie während des Buschfeuers entwickelt haben."
Alles Bisherige geschah schon recht fix. Aber jetzt huschen die Ereignise beinahe Sätzeweise vorüber.
Ab hier passiert ja auch nicht mehr viel. Das Ende wird eingeläutet.
Weder sein Überlebenskampf kann überzeugen und noch weniger die überschwengliche Freude gegen Ende in der Bar.
Den Überlebenskampf sollte ich also noch ausschmücken? Mal überlegen. Oder kam er dir zu unwahrscheinlich vor? Na jedenfalls werde ich da nochmal drüber gehen.

@Eva Cat

Schön, dass du dich hier einbringst und ich danke dir.
Zu deinen Anmerkungen:

Aber mir ist aufgefallen, dass für den Protagonisten immer nur der Nachnamen verwendet wird. Hat das einen bestimmten Grund? Ich finde, das distanziert den Leser vom Protagonisten.
„Curtis“ klingt einfach markanter als "Jeff". Aber das wäre tatsächlich eine Möglichkeit. Ich könnte mir ja einen anderen Vornamen überlegen.
... mit dem Feuer und Jeffs Umgang damit. Aber auch dieser Teil ist viel zu schnell, irgendwie abgehackt und vor allem zu distanziert. Es berührt den Leser leider gar nicht. Du beschreibst zwar, was der Protagonist alles macht, aber nie, wie er sich dabei führt.
Generell wollte ich hier diesen distanzierten Erzählton, weil er mir passend schien zum Protagonisten und dem Umfeld. Das Mitfühlen mit ihm ist natürlich wichtig, aber das sollte mehr durch die Reaktionen und die Ereignisse ausgelöst werden. Hmm, hat wohl nicht geklappt. Aber als er mit dem Feuer kämpft, funktioniert er wie eine Maschine. Die Angst kommt erst hinterher. In dieser Szene wollte ich vor allem seine Sturheit zeigen, dass er sich nicht unterkriegen lässt und versucht, sein Heim zu verteidigen. Ich werde aber versuchen, die Szene noch etwas auszuschmücken.
Der Teil, wo Mr. Broderick auftaucht gefällt mir gut. Aber als Psychologe überzeugt er mich nicht ganz. Er hat ja nicht einmal einen Doktortitel. Er testet ein neues Medikament, arbeitet er also für einen Pharmakonzern? Ein Psychologe würde sonst nicht mit Medikamenten arbeiten, das tun Psychiater.
Aha. Hier habe ich nur gefährliches Halbwissen. Glücklicherweise kenne ich diese Spezialisten nur vom Erzählen. Wird noch überarbeitet.
Nach so einem Erlebnis wäre eine Posttraumatische Belastungsstörung einleuchtend. Dass Mr. Broderick versucht, diese über die Amygdala weg zu medizinieren funktioniert, denke ich, trotzdem.
Die Grenzen sind da bestimmt fließend.
Die Behandlung mit Propanolol gegen Angststörung gibt es tatsächlich. Und sie wirkt auch. In einer Studie, allerdings schon etwas älter, wurde Versuchsteilnehmern drei Wochen lang die Substanz verabreicht. Das hat schon gereicht. Falls es dich interessiert, einfach mal Propanolol und Amygdala googeln.
Natürlich müsste da noch nachkontrolliert werden. Mal sehen, ob ich das noch irgendwie einbaue.
Am Schluss scheint es jedenfalls, als hätte er noch immer Angst, aber einen Weg gefunden, damit umzugehen. Das Ende ist für mich auch abgehackt. Warum wählt er die Nummer von Liz? Was hat er jetzt vor?
Du hast es schon formuliert. So ungefähr habe ich mir das gedacht. Das Mittel hat nur begrenzt geholfen. Ein leben ohne Angst gibt es nicht. Er muss lernen, mit seiner Angst zu leben, und sich auch auf die neuen Lebensumstände einstellen. Vielleicht ruft er Liz an, um ihr zu sagen, dass er die Farm verkauft.

Ich hab mal gelernt, dass die klassische Kurzgeschichte ein offenes Ende haben soll. Et voilà, hier ist es.

Die Sonne fiel schon über das Gemüsebeet her, doch da gab es nichts mehr, das der Mühe lohnte.
Die Sonne fällt nicht über etwas her, sie greift ja nichts an. "Die Sonne fiel schon auf das Gemüsebeet".
Bin nicht sicher, aber sollte es nicht heißen „das die Mühe wert war“?
Ich habe die böse Sonne personifiziert, um schon auf die Dürre hinzuweisen. „Der Mühe“ kann man auch sagen. Ich mag solche etwas ungewöhnlichen Formulierungen. „Es ist der Mühe wert“ sagt man eher, wenn etwas würdig ist, sich darum zu bemühen. Und im Gemüsebeet gibt es nur noch vertrocknete Strünke.

Danke nochmal an euch beide.

Grüße
Sturek

 

Hallo Sturek,

stimmt schon, den Knall am Ende braucht es nicht zwingend. Dein Satz: Sie werden überhaupt nie wieder Angst haben. beflügelte meine Fantasie und ich dachte an so etwas wie: Wenn er gar keine Angst mehr hat, fürchtet er sich vor keinem Bären mehr oder vor einem drohenden Absturz aus großer Höhe und dergleichen. Also gesunde Angst als Schutz. Und das würde ihm letztlich zum Verhängnis werden.
Geschichten ohne Höhepunkt scheinen ja zunehmend beliebter zu werden. Sie stellen klar auch höhere Anforderungen an den Autor. Wenn es gut gemacht ist, bereiten sie auch mir Freude. Dennoch hoffe ich stets auf etwas mehr. Is halt so.

Die Freude der anderen Gäste kann ich schon nachvollziehen. War mir nur etwas zu euphorisch.
Würde den Überlebenskampf nicht noch weiter ausformulieren. Eher in Vage ziehen. So nach dem Moto: Keine Ahnung, wie ich da rausgekommen bin.

Noch was anderes. Hatte bereits beim erstmaligen Lesen und Kommentieren deiner Geschichte jede Menge Bilder und ein paar Ideen im Kopf. Und auch jetzt tut sich da was. Spricht ja durch aus für dich und deine Art zu erzählen. Worauf ich hinaus möchte: Wäre es okay, wenn ich deine Grundidee verwende und gucke, was ich draus basteln kann?

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis

Danke für deine Rückmeldung. Ich lasse mir deine Anmerkungen nochmal durch den Kopf gehen.

Worauf ich hinaus möchte: Wäre es okay, wenn ich deine Grundidee verwende und gucke, was ich draus basteln kann?
Mach ruhig. Ich freue mich, wenn meine Story dich zum Basteln angeregt hat. Natürlich würde mich dann das Ergebnis interessieren.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek

Die Grenzen sind da bestimmt fließend.
Die Behandlung mit Propanolol gegen Angststörung gibt es tatsächlich. Und sie wirkt auch. In einer Studie, allerdings schon etwas älter, wurde Versuchsteilnehmern drei Wochen lang die Substanz verabreicht. Das hat schon gereicht. Falls es dich interessiert, einfach mal Propanolol und Amygdala googeln.
Natürlich müsste da noch nachkontrolliert werden. Mal sehen, ob ich das noch irgendwie einbaue.
Aha. Hier habe ich nur gefährliches Halbwissen. Glücklicherweise kenne ich diese Spezialisten nur vom Erzählen. Wird noch überarbeitet.
Entschuldige, ich bin hier wohl etwas pingelig, weil ich selbst Psychologie studiert habe :D
deshalb finde ich deine Geschichte auch so spannend.
Es stimmt, wenn du schreibst, dass Jeff eine Angststörung hat. Das ist ein Überbegriff, der sowohl einfache Phobien, wie eine Angst vor Feuer, als auch PTBS enthält.
die Symptome, die du beschreibst, sind eindeutig PTBS. Das Feuer vom Feuerzeug ist ein Trigger. Für Aussenstehende, die Leute im Pub also, würde es wahrscheinlich aussehen wie eine Angst vor Feuer. Du musst in der Geschichte PTBS gar nicht erwähnen, ich finde nur, dass Mr. Broderick nicht von Angst vor Feuer sprechen sollte, so als wäre das Jeffs Problem. Er spricht ja später auch von traumatischen Gefühlen, ihm ist also schon klar, dass Jeff nicht einfach nur Angst vor Feuer hat.
Ich finde es gar nicht so wichtig, dass das Medikament in der Geschichte auch in der richtigen Welt existiert. Sowas darf man, denke ich, durchaus erfinden. Interessehalber habe ich Propanolol gegoogelt und gelesen, dass es bei PTBS eingesetzt wird :thumbsup:

Was den Psychologen angeht, das ist tatsächlich Mekern auf hohem Niveau. Es ist nicht so wichitg, ob Mr. Broderick Psychiater oder Psychologe ist und ob er als Psychologe einen Doktortitel hat (Psychiater haben den aber immer ;)). Er könnte ja auch an einer Studie mitarbeiten, bei der das neue Medikament getestet wird, und in seiner Funktion als Therapeut, betreut er die Probanden.
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Psychologen keine Medikamente verabreichen/verschreiben dürfen. In der Geschichte klang es für mich so, als würde Mr. Broderick das machen.

Viele Grüße,
Eva

 

Hallo @Eva Cat

Hallo Eva Cat

Du bist aber pingelig. ;) Nein, im Ernst, ich versuche schon, so weit wie möglich bei den Fakten zu bleiben. Ich bin dir deswegen sehr dankbar, dass du mich aufgrund deines Fachwissens auf Fehler aufmerksam machst. Der Psychologe ist jetzt ein Psychiater, dann habe ich ein Pharmaunternehmen erwähnt, mit dem das Institut von Mr. Broderick zusammenarbeitet. Und das mit der Angst vor Feuer ist gestrichen.

Mit dem Doktortitel wird im angelsächsischen Raum ohnehin viel laxer umgegangen als bei uns. Deswegen denke ich, kann ich darauf verzichten, ihn zu erwähnen.

Die Szene, in der er gegen das Feuer kämpft, habe ich jetzt ausführlicher dargestellt. Das hattest du ja in deinem ersten Kommentar angemerkt. Hoffentlich ist das so aus Sicht einer Psychologin plausibel.

Grüße
Sturek

 

So, ich habe jetzt die Story komplett überarbeitet, in wesentlichen Punkten erweitert und den Schluss neu gestaltet. Dadurch ist der Plot hoffentlich klarer geworden.

 

Hallo @Sturek,

ein schöner Plot, leider für viele Leute unschöne Realität.

David Curtis saß mit seiner Frau auf der Veranda ihres Farmhauses am Frühstückstisch. Es gab Müsli mit Beeren und Joghurt. Die Sonne fiel schon über das Gemüsebeet her, doch da gab es nichts mehr, das der Mühe lohnte.
Dieser Einschub mit der Sonne kommt so unvermittelt. Zumal dann wieder das Frühstück erwähnt wird.

David schob seine Schüssel weg.
„Schon satt?“, fragte Liz.
„Das Zeug macht doch nicht satt. Rührei mit Speck. Das nenne ich Frühstück.“
„Du weißt, deine Cholesterin-Werte.“
David seufzte und griff nach der Zeitung.
Ich denke, hier ist eine gute Stelle für den 'Wettereinschub': 'Griff nach der Zeitung, ein Blick aus dem Fenster ...'
Das passt dann auch zum weiteren Gesprächsthema.

„Wir schuften uns hier ab, ackern sechzehn Stunden am Tag, und wofür? Nicht mehr lange und alles gehört der Bank“, versuchte sie es nochmals, wusste aber schon die Antwort.
Hier hat es mich gewundert, dass der (geringe) Restwert der Farm kein Argument von David ist.

Die Natur trank gierig und nach ein paar Monaten war die vorherrschende Farbe in der Gegend Spinatgrün.
"in der Gegend" - ist 'Farbe der Gegend' treffender? 'spinantgrün'

David umklammerte das Smartphone so fest, das die Sehnen seiner kräftigen Hand hervortraten. Einem ersten Impuls folgend, wollte er es auf den Boden werfen und darauf herumtrampeln. Er bezwang sich und legte nach ein paar belanglosen Worten auf. Von da an rief er Liz immer seltener an.

Das ist so ein entscheidender Einschnitt in seinem Leben: Es fehlt mir eine tiefergehende Beschreibung seiner Emotionen.

Als er so auf dem Boden lag, nach Luft rang und das Wüten der Feuersbrunst hörte, fand die Angst endlich doch einen Weg zu ihm. Er hatte mal ein Bild von einem Brandopfer in der Zeitung gesehen.
"fand die Angst endlich doch einen Weg zu ihm": Das klingt so gemütlich, behäbig. Wird er nicht von der Angst übermannt oder überrollt, erschüttert?


Wie ein Soldat im Krieg unter feindlichem Beschuss robbte er los, unter Zuhilfenahme der Ellenbogen und Knie und immer dicht über dem Boden, während Glutnester als rasende Feuerbälle rings um ihn her einschlugen und funkenstiebend zerbarsten
Hier empfinde ich das ähnlich: "unter Zuhilfenahme" eines Spatens lässt sich ein normgerechtes Loch graben - so schreibt man im Amtsdeutsch.

Sauerstoff gab es nur mit einer reichlichen Portion Rauch als Zugabe.
Er rang nach Luft, würgte, kämpfte gegen den quälenden Hustenreiz – der Rauch drang gnadenlos in seine Lungen?
(Später, als Rückblende, beschreibst du die Situation viel intensiver).

Jetzt bin ich an einer Stelle meiner Kritik, an der ich hinterfragen muss, ob meine Hinweise objektiv hilfreich sind oder ob ich deine Geschichte zu sehr durch meine stilistische Brille betrachte. Also – das sollen nur Anregungen unter Vorbehalt sein, dem Autor gehört der Text!


„Mr. Curtis, nach der Behandlung, für Sie übrigens komplett kostenlos, werden Sie alle ihre traumatischen Gefühle vergessen, die Sie während des Buschfeuers entwickelt haben.“
David seufzte und schließlich sagte er: „Na gut, was hab ich schon zu verlieren dabei.“

Würde er nicht wissen wollen, was ihn erwartet, wenn er auf das Angebot eingeht? Schließlich hängt er sehr an der Gegend.

Eines Abends wollte es der Barman wissen.
Diese Szene ist ansprechend beschrieben, das Herantasten des Barmanns an den Kranken, die Zuwendung der anderen Gäste, die Schutzwälle, eigentlich Grenzen, die David früher um sich gebaut hatte, sind aufgelöst.
Ich hatte zwar erwartet, dass es irgendein Problem mit dem Medikament gibt, aber es ist besser, wenn ein Text nicht den Standardablauf beschreibt.

Spät machte sich David auf den Heimweg.
Klar, man erwartet eigentlich immer etwas eher Spektakuläres, aber so eine Geschichte mit Deflationsfokus, gut gemacht wie hier, hat auch ihren Reiz (eigentlich ist es schon etwas Besonderes, wenn jemand einigermaßen gesund wird, doch man sieht das gerne als Alltagsnormalität an).

Wie erwähnt kommt mir das Seelenleben des Farmers manchmal zu kurz; eine Beschreibung von Liz' Gefühlswelt im 'Exil' vermisse ich nicht, du konzentrierst dich halt auf David. Wichtig ist, dass sie wieder zurückkommt.

War angenehm zu lesen,

lG,


Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon

danke für dein Feedback und die wertvollen Hinweise. Der Plot hat offenbar für dich funktioniert und das freut mich. Daran habe ich am längsten überlegt und hatte auch schon in die Richtung gedacht, auf die du in deinen Anmerkungen anspielst. Das Medikament hat ungeahnte Nebenwirkungen. Das Fehlen der Angst wirkt sich verhängnisvoll aus und so weiter. Dann habe ich den Fokus lieber auf David und Liz gelegt und ein unspektakuläres, aber dafür glückliches Ende gewählt.

Zu deinen Anmerkungen:

Dieser Einschub mit der Sonne kommt so unvermittelt. Zumal dann wieder das Frühstück erwähnt wird.
Stimmt. Ich habe jetzt die Sonne vor das Müsli geholt.
"in der Gegend" - ist 'Farbe der Gegend' treffender? 'spinantgrün'
Habe ich übernommen.
David umklammerte das Smartphone so fest, das die Sehnen seiner kräftigen Hand hervortraten. Einem ersten Impuls folgend, wollte er es auf den Boden werfen und darauf herumtrampeln. Er bezwang sich und legte nach ein paar belanglosen Worten auf. Von da an rief er Liz immer seltener an.
Das ist so ein entscheidender Einschnitt in seinem Leben: Es fehlt mir eine tiefergehende Beschreibung seiner Emotionen.
Ich finde, hier soll sich der Leser selbst vorstellen, was in dem Kopf von David vor sich geht. Im Übrigen sehe ich David eher als Typ, der versucht, seine Gefühle zu unterdrücken.
"fand die Angst endlich doch einen Weg zu ihm": Das klingt so gemütlich, behäbig. Wird er nicht von der Angst übermannt oder überrollt, erschüttert?
Ich habe jetzt geschrieben: kroch die Angst endlich doch in ihn hinein.
Hier empfinde ich das ähnlich: "unter Zuhilfenahme" eines Spatens lässt sich ein normgerechtes Loch graben - so schreibt man im Amtsdeutsch.
Gutes Beispiel für Amtsdeutsch :D "...drückte sich mit Ellenbogen und Knien vorwärts, immer dicht …" ist hoffentlich besser.
Sauerstoff gab es nur mit einer reichlichen Portion Rauch als Zugabe.
Er rang nach Luft, würgte, kämpfte gegen den quälenden Hustenreiz – der Rauch drang gnadenlos in seine Lungen?
Die Formulierung habe ich 1:1 übernommen. Danke.
Würde er nicht wissen wollen, was ihn erwartet, wenn er auf das Angebot eingeht? Schließlich hängt er sehr an der Gegend.
Er sieht die Chance, von seiner schrecklichen Angst befreit zu werden, und überlegt nicht lange. Er kann doch wieder zurück auf seine Farm.
Wie erwähnt kommt mir das Seelenleben des Farmers manchmal zu kurz
Ich glaube, du hast recht, und deine stilistische Brille täuscht dich nicht. Ich wollte einen distanzierten Erzählton ausprobieren, der zu dem Protagonisten passt. Da habe ich es wohl oft übertrieben. Einige Stellen, die du genannt hast, habe ich jetzt nachgebessert.

Nochmals danke!

Österliche Grüße
Sturek

 

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