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Am Yerinat

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19.05.2015
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Am Yerinat

Die Frühlingssonne der Taiga lacht auf Agafja herab. Bald werden auf den Wiesen die Blumen blühen und zeigen wird die Schöpfung, dass es Gott gefällt. Sie blinzelt und hört auf das Flüstern der Geister im Wind, der Ahnen, der Toten. In der Nacht war das Bärenjunge mit seiner Mama zu Besuch. Der grelle Blitz der Signalpistole hat sie in die Wälder zurückgejagt.

Agafja schlägt das Kreuz, kniet, berührt mit der Stirn das Polster, das vor der Ikone liegt, steht auf, beginnt von vorne, zählt mit, sieben Wiederholungen müssen es werden. Man muss sich rein halten um der Seele willen, damit die Gebete zum Himmel steigen, kein Unglück passiert. Nüsse, Honig, die Früchte der Erde, der Sträucher und Bäume sind an den Fastentagen erlaubt. Sie betrachtet das Bild der Brüder, schwarzweiß, aber sie erkennt ihre Blicke, ihr Lächeln. Die Gräber liegen nebeneinander, einfache Holzkreuze, oben der Balken im rechten Winkel, unten schräg, wie es die alte Kirche vorschreibt. Man hat ihr ein Foto geschickt. Sie sind in der Fremde begraben, weit weg.

An den Samstagen geht sie zum Fluss, um zu fischen. Sie holt das Netz aus dem Schuppen, den Köcher, die Köder, hat den Eimer dabei. Beim Schließen der Tür bricht ein Stück Holz vom Rahmen. Sie zieht den Splitter heraus, Blut quillt aus der Wunde. Dann steckt sie den Finger in den Mund und leckt daran, schmeckt sich selbst, all das, was in ihr fließt, die Flüssigkeit, die alles zusammenhält. Um die Blutung zu stillen, reißt sie etwas Gras aus, kaut es, spuckt auf den Finger. Die Mutter hätte die Wunde mit Kräuterpaste eingerieben. Agafja betrachtet ihre Hände, die Erdreste, die sich unter den Nägeln gesammelt haben.

Der Yerinat wird Schmutz und Blut entfernen, wie er Körper und Seelen reinigt. Die Sonne steht noch nicht hoch. Am Himmel wandern ein paar Wolken. Der Fluss führt das Schmelzwasser der Berge, reißt Bäume, Äste, die Kadaver ertrunkener Tiere mit sich. Wo die Strömung am stärksten ist, kräuselt sich das Wasser. Wenn man zu den Bergen schaut, erkennt man, dass hier viel mehr und viel höhere Häuser stehen als in allen Städten der Welt. Agafja hat gesehen, was sie Zivilisation nennen, und ist zurückgekommen nach Kharkassien.

Als sie die Senke am Ufer erreicht, hört sie einen Sokol rufen, sieht seinen Schatten auf der anderen Uferseite über den Bäumen segeln, riecht das Wasser des Yerinat. Vielleicht bekommt sie einen Hecht oder einen Taimen zu fassen, ein paar Rotaugen werden es gewiss.

Ihre Brüder holten die besten Fische aus dem Fluss. Es ist lange her, mehr als fünfzig Jahre, vielleicht war's im Sommer des Jahres 7472 nach Adam, als die Sonnentage bis in den Herbst anhielten. Sie sieht Dmitri vor sich, wie er ins Wasser stürmt, sich dem fließenden Wasser entgegenstemmt, das Netz auswirft. Er hat damals die Wette mit Savin gewonnen. Die Brüder sprachen tagelang von nichts anderem, als von dem Plan, den Fluss zu durchschwimmen, heimlich, denn es war verboten. Nur der Vater durfte auf die andere Seite. Als Kinder hatten sie sich vorgestellt, dass dort Einhörner durch das Gras sprängen und Riesenschmetterlinge in allen Farben flögen, es einen Baum gäbe, dessen Wurzeln die Welt umspannten und der Geist der Mutter über die Wiesen und Bäume segelte. Eines Tages zeigte Dmitri zum Fluss und sagte, dass es ein guter Tag sei, den Fluss zu besiegen. Savin lachte ihn aus.

„Das schaffst du nie.“
„Wetten, dass ich es schaffe, wetten. Ich bin stärker als der Fluss und winke dir von der anderen Seite aus zu.“
„Nimm doch das Floß und setz über, ist viel einfacher.“
„Du wirst schon sehen, ich schwimme wie ein Fisch.“
„Du stinkst jedenfalls wie einer.“
„Na warte!“
„Keiner darf auf die andere Seite. Der Vater hat’s verboten.“
„Was soll da schon besonderes sein?“
„Der Teufel, wer weiß.“
Agafja schrie Dmitri an: „Und wenn du doch nicht so stark bist, die Strömung dich mitreißt, was dann?“
„Ach, lass mich, du bist ein Mädchen, hast keine Ahnung von gar nichts. Ich bin ein Mann, der Fluss kann mir nichts.“
„Und wenn doch?“
„Ihr sichert mich, dann kann gar nichts passieren.“

Dmitri hatte einen kräftigen Oberkörper, wuchernde Haare auf Brust und Rücken, Arme wie die Äste, Beine wie die Stämme der großen Eschen, die verborgen im Wald wuchsen. Er streifte das Leinenhemd ab. Agafja hatte es mit einem Sud aus Käfer- und Lausblut gefärbt, schwarz, wie er es sich gewünscht hatte. Dmitri stand in Unterhosen da und machte sich bereit, kreiste mit dem Becken, beugte die Knie. Savin knotete das Seil um seinen Bauch. Dmitri warf sich mit einem Schwung ins braune, aufgewühlte Wasser, bereit, den Widerstand des Stromes zu brechen, seine ganze Kraft dagegen zu setzen. Anfangs wurde er mitgezogen, mit einmal tauchte er unter, aber dann erschien sein Kopf wieder an der Oberfläche. Dmitri probierte es gegen die Strömung, aber er vermochte bloß auf der Stelle zu verharren und gab nach einigen Versuchen das Zeichen, dass er kapitulierte. Savin zog Dimitri heraus. Als er aus den Fluten stieg, perlten die Tropfen auf seiner Haut ab, das Haar war zerzaust, er schüttelte sich, grinste und die Worte sprudelten aus ihm heraus:
„Kein guter Tag heute. Ein Krampf, kaum war ich losgeschwommen. Eiskaltes Wasser. Habe ich nicht erwartet.“
Savin schwieg, klopfte ihm dann auf die Schultern und sagte: „Du hast es versucht, das ist schon was. Sobald der Yerinat weniger Wasser führt, die Fische so weit oben schwimmen, dass man sie sieht, schwimmen wir zusammen rüber. Ich will wissen, was es auf der anderen Seite gibt.“
Dmitri schüttelte die Hand des Bruders: „Abgemacht, Savin. Wär‘ doch gelacht, wenn wir beide das nicht schaffen.“

Sie sprachen nicht mehr davon, bis es Sommer wurde, der Pegel des Yerinat sank, sodass man bis zum Grund schauen, Soma beobachten konnte, die sich im Schlamm eingruben. Außerdem war der Vater in den Bergen.
Dmitri und Savin steckten ihre Messer und das Kreuz in den umgeschnallten Beutel, falls der Teufel ihnen begegnen würde. Auf der Haut der Brüder spiegelte sich die Sonne, als sie losliefen und in das Wasser glitten. Sie kraulten um die Wette. Dmitri setzte sich ab, der Fluss plätscherte laut, als wollte er Beifall leisten. Nachdem er aus dem Wasser gestiegen war, winkte er Agafja zu, grinste über beide Ohren und streckte seinem Bruder die Hände entgegen, als dieser das Ufer erreichte. Dmitri hatte gewonnen, Savin auf gewisse Weise auch. Agafja hörte sie singen, beten und im Wald verschwinden und wartete lange, bis sie wieder erschienen.

Irgendwann waren sie zurückgeschwommen, ganz langsam, denn der Yerinat ist ein Freund. Sie erzählten, dass sie eine Weile die Gegend erkundet, weder Riesenschmetterlinge noch Einhörner gefunden haben. Nichts sei anders, hier und dort. Kaum waren sie zurück, da zog Savin etwas aus dem Beutel: „Ich besuche die Mama“, sagte er und lief zum Grab unweit des Stalls. Er legte einen kleinen Ast und ein paar Eschenblätter auf den Grabstein, der von Lapislazulieinsprengseln durchzogen ist, als wären es Wurzeln. Agafja hörte ihn weinen und der Mutter erzählen, dass er den Baum entdeckt, von dem sie erzählt habe und sein Laub sie wärmen und beschützen werde.

In der Nacht heulen die Wölfe, aber den Yerinat durchschwimmen sie nicht.
Agafja war mit dem Floß seither einige Mal auf der anderen Seite, ohne etwas Besonderes zu finden, auch den Baum nicht. Sie blickt zum Himmel, zieht die Schuhe aus, watet durch den Schlamm und wirft das Netz in die Fluten.

 
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Moin @Isegrims ,

lange nichts mehr voneinander gehört, da dachte ich ... :-)

Ich habe viele kleine Stellen rausgepickt. Das hat sich so sehr angeboten. Der Kommentar nimmt deshalb auch nicht die ganze Story in Angriff, sondern Textstellen.
Du schreibst natürlich schön, das weißt du ja. Trotzdem sage ich es gerne nochmal. Es ist ja, finde ich, auch eine Herausforderung, Stories mit historischem oder kulturellem Background zu schreiben. Du machst das seit langem und ich finde das eine gute Sache. Die Lazurit-Geschichte war das letzte, was ich von dir las. Das hier gefällt mir besser. Vielleicht, weil ich es problemlos verstehe. Gemütlich, ja, ja, ich weiß.
Konstruktiv: Bei Historik gibt es, denke ich, immer die Möglichkeit noch genauer zu werden, noch gründlicher zu recherchieren – vor allem: ohne dass es recherchiert wirkt. Ich finde du machst vieles gut und irgendwann hast du dann vielleicht auch mal einen Lektor dafür.

Sie zieht den Splitter heraus, steckt ihn in den Mund und leckt daran, schmeckt, was in ihr fließt, Eisen, Flüssigkeit, die alles zusammenhält.

nee. Das mit dem Eisen ist so ein halber Irrtum, über den du, denke ich, auch Bescheid weißt. Das muss sie dann hier, finde ich, nicht sagen. Dass es nach Eisen schmeckt, geht auf eine Reaktion mit Hautfetten zurück. Es "fließt" kein Eisen in ihr. Würde ab "schmeckt" streichen. Da geht nichts verloren.

reißt etwas Gras aus,

wo raus. Das Bild fehlt

und stillt den Fluss des Blutes

Fluss ist hier nicht das optimale Wort, finde ich. Die Doppeldeutigkeit (Fließen/Fluss als Gewässer) schafft hier eine Unschärfe. Ich lese das und es stellt sich mir so etwas wie ein Kippbild ein. Dadurch entsteht einfach nichts Konkretes


Würde das übersetzen. Das ist so ein wissenschaftlich geprägter geographischer Begriff in meinen Ohren. Oder irre ich mich und die Leute sagen das so? Weißt du es?

In der Nacht war die Bärenmutter mit ihrem Baby zu Besuc

Baby finde ich unpassend. Junges. Dann hast du mit "Jungen" ein Problem, weil es nach "Junge" klingt. Finde ich aber wesentlich akzeptabler als "Baby"

Die Sonne steht nicht sehr hoch

Wie hoch?

die Leichen ertrunkener Tiere mit sich

Leichen ist, finde ich, nicht das richtige Wort. Vielleicht ("aufgeblähte" etc.) Kadaver.

dass hier viel mehr und viel höhere Häuser stehen als in allen Städten der Welt

wirklich: "als in allen Städten"?
Eher: in den großen Städten der Welt.
Oder, wenn du es wirklich so sagen willst: ... in allen Städten der Welt zusammen

Agafja hat gesehen, was sie Zivilisation nennen

was sie eine Großstadt nennen.

weil: mit wem verkehrt sie denn, der "Zivilisation" sagt. Das ist wieder so ein fast wissenschaftlicher (hier soziologischer) Begriff, der dem etwas Analytisches und darin Recherchiertes gibt – deswegen schreibe ich diese Stellen, die mir da auffallen, auch alle raus.

Vielleicht bekommt sie einen Hecht zu fassen, ein paar Rotaugen oder Brassen werden es gewiss.

Es wundert mich, dass ich all diese Fische kenne. Oft haben die Leute in den Regionen ihre ganz eigenen Namen für die Fische; wie man auch hier alte Synonyme für bestimmte Fischsorten hat (frag mich jetzt nicht:D)


Floß

Floss und paddle rüber

und setz über

„Du wirst schon sehen, ich schwimme wie ein Fisch.“
„Du stinkst wie ein Fisch.“

...
"Du stinkst jedenfalls wie einer"

fänd ich smoother

„Du stinkst wie ein Fisch.“
„Ich werd’s dir zeigen.“

"Du stinkst jedenfalls wie einer."
"Na warte!"

Dieser lange Satz "Ich werd's dir zeigen" klingt etwas hölzern, finde ich.

„Keiner darf auf die andere Seite. Der Vater hat’s verboten:“

wozu Doppelpunkt am Ende?

hast keine Ahnung vor gar nichts.

von

--

Ich finde, das liest sich gut. Weiter so!

LG
Carlo

 

Lieber @Carlo Zwei ,

nee. Das mit dem Eisen ist so ein halber Irrtum
Doch. Genau wie Metalle auch nach etwas schmecken könnten bzw. riechen, wenn sie feucht sind: Da reagieren Stoffe / Bestandteile mit Sauerstoff und das macht den metallischen Geschmack oder Geruch aus. Der 'halbe Irrtum' bezieht sich wohl darauf, dass das Blut im ungeöffneten Körper keinen Metallgeschmack hätte. Alle Situationen, in denen man was riecht oder schmeckt hat ja aber mit Wunden = Sauerstoffkontakt zu tun.

;) Sorry, lieber @Isegrims , fürs Reingrätschen.

Euch beiden ein schönes Wochenende,
Katla

 

Hey @Katla ,

ja, ist ja richtig – et schmeckt nach Eisen und gebundenes Eisen ist auch drin. Deswegen fließt dir aber immer noch kein Eisen durchs Blut und irgendwie ja doch auch schon, eben gebundenes und auch nicht sehr viel. Es fällt mir schwer das richtig auszudrücken. Es geht mir nicht darum, ob man das jetzt wissenschaftlich verteidigen kann oder nicht, sondern, dass ich da auf mehreren Ebenen den Autoren rauszulesen meine, was für mich der Konstruktion nicht gut tut. Es ist eine Kleinigkeit. Dennoch glaube ich, dass beim Recherchierten, Historischen, kulturell Rekonstruierten es gerade um solche Kleinigkeiten geht und darum, den Grad der gewünschten Authentizität zu bemessen und die Konstruktion sinnvoll zu strukturieren – das heißt für mich in diesem Fall, den Autor etwas rauszunehmen. Den allerdings in so einem Detail wahrzunehmen oder nicht, ist sicher eine Frage subjekter Leshaltung. Deswegen.

LG und dir auch ein schönes Wochenende
Carlo

 

@Carlo Zwei Ah, danke, da hatte ich den Ansatz deiner Kritik missverstanden.

Ich fands übrigens grad passend, weil ja die Prota eben keine Wissenschaftlerin ist (nicht mal ein besonders moderner, rationaler Mensch), sondern ein extrem mystisches Weltbild hat, in dem die Welt stark symbolisch / mythisch betrachtet und interpretiert wird.

Liebe Grüße, :-)
Katla

 

Nur ganz kurz zwei, drei kleine Anmerkungen,

lieber Isegrims,

(vor allem Konj. I + II betreffend), Nichte wird heut Volljährig und da werd ich mich morgen sicherlich arbeitsunfähig schreiben …

(Ich bedauer inzwischen, dass die Biographie Witicos - „Crazy Horse“-, die ich bei der ersten Erzählung – sein Leben auf die Zeit als Krieger beschränkt und das Brauchtum und andere Eigenheiten an den sieben Ratsfeuern weitestgehend ausblendet. Aber zurück in die mutmaßliche Urheimat aller native Nations ...

Agafja hat gesehen, was sie Zivilisation nennenKOMMA und ist zurückgekommen nach Kharkassien.

Also stellten sie sich vor, dass dort Einhörner durch das Gras sprängen und Riesenschmetterlinge in allen Farben flögen, es einen Baum gäbe, dessen Wurzeln die Welt umspannten und der Geist der Mutter über die Wiesen und Bäume flöge.
Da spricht m. E. der Autor als Zensor – das „dass“ lässt eigentlich den Indikativ zu

Außerdem war der Vater in den Bergen, um zu jagenKOMMA und würde nicht vor der Abenddämmerung zurückkommen.
Statt des Konj. II besser Indikativ „wird“ - an sich in seiner binären Wertigkeit – entweder es wird oder eben nicht - unbestimmt genug. Da einfache Futur kommt auch ohne konjunktiefen Zweifel aus.

Hier allerdings ist an sich die klassische als-ob-Situation

Dmitri setzte sich ab, der Fluss plätscherte laut, als wolle er Beifall leisten.
Und somit Konj. Irrealis, als wollte er ...

Agafja war mit dem Floss seither einige Mal drüber gewesen, ohne …
Ausgerechnet die sinnvolle Einrichtung der Reformation in der Trennung von doppel-s und ß, kurzsilibig (Fluss) im Unterschied des betont langsilibigen, betonten Silbe (Fuß) ... sollte nicht danebengehen.

Gern gelesen und bis bald

Friedel

 

Einiges habe ich schon verändert, auch Stellen, die von @Carlo Zwei und @Friedrichard und @Katla erwähnt wurden, aber ich möchte noch mal drüber schlafen, bin mir zum Beispiel noch unsicher, wie es wirkt, den Falken Sokol zu nennen, die Rotaugen Plotva, was die russischen Bezeichnungen sind. Deshalb antworte ich euch später (vielen liebe Dank, das sind sehr wertvolle Anmerkungen!) und gehe zunächst auf das ein, was @Morphin geschrieben hat.

Ein Fragment aus dem Opus. Ich könnte ja stundenlang weiterlesen. Die Erzählung ist so wie das auf dem Rücken liegen, den wandernden Wolken zusehen, dies und das denken, eine Fliege summt am rechten Ohr vorbei. Der Haferstängel steckt im Mund und wird weichgekaut und der Schatten des Birkenhains zieht über dich hinweg.
Ach, was für ein schönes Bild! Und wenn die Geschichte diese Empfindungen hervorzurufen vermag, dann bin ich mit der Erzählung auf einem guten Weg.
Ich hab die Geschichte ausgeschnitten, weil sie sich angeboten hat, um herauszufinden, ob es gelingt, die Stimmung zu transportieren, die Landschaft, über die ich schreibe, Agafjas Leben, ihre Erinnerungen, dass alles mit allem verbunden ist eben.
In der Tat lese ich Aitmatow heraus. Und der ist für mich ein ganz Großer. Der vollendete Erzähler am Lagerfeuer. Die Nacht kann gar nicht lang genug sein.
Oha, Aitmatov, Dschamilja, das ist ein Vergleich... wenn der Erzählstrang um Agafja dies annähernd erreicht, dann kann's was werden. Ein ganz Großer, ja.
Doch Du hast es sicher hier eingestellt, um zu sehen, wie es wirkt oder ob es noch Untiefen hat. Der folgende Abschnitt hat aus meinem Empfinden heraus gegenüber den vorherigen Sätzen noch Unebenheiten.
Ich habe den Abschnitt verändert.
Im ersten Satz ... ist er ein Freund, weil sie NUN schon hindurchgeschwommen sind? Oder weil er nach dem Schmelzwasser nun einen niedrigen Pegel hat?
Der Yerinat ist ein Freund, war es immer, dadurch, dass die Brüder ihn durchschwommen haben, wurde die Freundschaft vertieft. Habe ich auch so markiert: ist ein Freund.
Das ist mir dazu eingefallen. Aber hab nur ein wenig rumgesponnen. Ich bin auf jeden Fall ein Leser deines Werkes. Weil ich gerne auf dem Rücken liege, Hafer im Mund und den Wolken zusehe.
dann freue ich mich, dir bald mehr Sommer bieten zu können!

Liebe Grüße aus dem dem Sommerabend
Isegrims

 

Danke dir für den detaillierten Kommentar, @Carlo Zwei, der bringt dem Text was!
Einiges habe ich übernommen und entsprechend geändert, darauf gehe ich hier nicht weiter ein, zu denen, über die ich noch nachdenke bzw eine andere Auffassung habe, nehme ich Stellung.

Du schreibst natürlich schön, das weißt du ja. Trotzdem sage ich es gerne nochmal. Es ist ja, finde ich, auch eine Herausforderung, Stories mit historischem oder kulturellem Background zu schreiben. Du machst das seit langem und ich finde das eine gute Sache. Die Lazurit-Geschichte war das letzte, was ich von dir las. Das hier gefällt mir besser. Vielleicht, weil ich es problemlos verstehe.
Na super, dass die Geschichte fließt. Ich habe ja manchmal den Impuls reinzupacken, was geht. Bei diesem Text (und dem, was ich mit dem Erzähltstrang über Agafja innerhalb des Romans vorhabe oder schon geschrieben habe) kam es mir auf Unmittelbarkeit an und Leichtigkeit an.
vor allem: ohne dass es recherchiert wirkt. Ich finde du machst vieles gut und irgendwann hast du dann vielleicht auch mal einen Lektor dafür.
ja, ein Lektor, vielleicht bin ich bald soweit den halbfertigen Gesamttext irgendwo vorzulegen. Deinen Einwand nehme ich ernst. Ich habe einiges recherchiert, aber das geht mehr.
nee. Das mit dem Eisen ist so ein halber Irrtum, über den du, denke ich, auch Bescheid weißt. Das muss sie dann hier, finde ich, nicht sagen. Dass es nach Eisen schmeckt, geht auf eine Reaktion mit Hautfetten zurück.
es geht um den subjektiven Eindruck der Erzählerin. Auch wenn sie als Einsiedlerin lebt, kennt sie doch Metall und schmeckt es auch.
Würde das übersetzen. Das ist so ein wissenschaftlich geprägter geographischer Begriff in meinen Ohren. Oder irre ich mich und die Leute sagen das so? Weißt du es?
mm, Taiga heißt auf russisch: тайга, also tayga, ist also ein gebräuchlicher Ausdruck:)

Baby finde ich unpassend. Junges.
nee, das habe ich bewusst so gesetzt, Agafja mag Babys, hätte selbst gerne Kinder gehabt
wirklich: "als in allen Städten"?
Eher: in den großen Städten der Welt.
das ist fast ein Originalzitat aus einer Doku über Agafja Lykowa. Und genabgenommen stimmt es auch.
was sie eine Großstadt nennen.
bin ich nicht sicher, aber Zivilisation als Begriff kennt sie.
in dem Wald ganz in der Nähe ihrer Klause ist zB ein Raketenstück aus Baikanur gelandet.
weil: mit wem verkehrt sie denn, der "Zivilisation" sagt. Das ist wieder so ein fast wissenschaftlicher (hier soziologischer) Begriff, der dem etwas Analytisches und darin Recherchiertes gibt –
Es wundert mich, dass ich all diese Fische kenne. Oft haben die Leute in den Regionen ihre ganz eigenen Namen für die Fische; wie man auch hier alte Synonyme für bestimmte Fischsorten hat
habe ich geändert, nachdem ich bei Aitmatov nachgelesen habe, wie die Übersetzerin das macht, aber sicher bin ich mir noch nicht, wie sich das liest
Ich finde, das liest sich gut. Weiter so!
dankeschön:Pfeif:

und danke dir, @Katla für die fundierte Erklärung eines Sinneseindruckes.

Der 'halbe Irrtum' bezieht sich wohl darauf, dass das Blut im ungeöffneten Körper keinen Metallgeschmack hätte. Alle Situationen, in denen man was riecht oder schmeckt hat ja aber mit Wunden = Sauerstoffkontakt zu tun.
und riechen und schmecken sind ohnehin sehr subjektiv, was man bei Wein- oder Whiskey-Proben sehr gut erleben kann.
Deswegen fließt dir aber immer noch kein Eisen durchs Blut und irgendwie ja doch auch schon, eben gebundenes und auch nicht sehr viel.
ist auch nicht wichtig, ob es wirklich Eisen ist, wenn es so schmeckt oder Menschen glauben, dass es so schmeckt.
das heißt für mich in diesem Fall, den Autor etwas rauszunehmen. Den allerdings in so einem Detail wahrzunehmen oder nicht, ist sicher eine Frage subjekter Leshaltung. Deswegen.
es gibt natürlich immer einen Autor, aber klar, der Hinweis ist wichtig
Ich fands übrigens grad passend, weil ja die Prota eben keine Wissenschaftlerin ist (nicht mal ein besonders moderner, rationaler Mensch), sondern ein extrem mystisches Weltbild hat, in dem die Welt stark symbolisch / mythisch betrachtet und interpretiert wird.
empfinde ich auch so, Agafja lebt in ihrer Welt.

Liebe Grüße, sehr wertvoll!
Isegrims

 

Hallo @Isegrims,

ich glaube nicht, dass ich viel zusammenbekomme, aber ich versuche es mal ...

Zuerst ein paar Stolperstellen:

Man muss den Körper reinhalten

Ich denke, das müsste rein halten heißen. So, wie es da steht, hält er ihn rein, im Sinne von ... herein. Denke ich. Lese ich so.

Als sie die Senke am Ufer erreicht, hört sie einen Sokol rufen, sieht seinen Schatten auf der anderen Uferseite über den Bäumen segeln. Vielleicht bekommt sie einen Schuka oder einen Taimen zu fassen, ein paar Plotva werden es gewiss.

Hier bin ich mir nicht ganz sicher, ob mir das gefällt, ob mir da Falke, etc. nicht gereicht hätte. So, in der Menge vor allem (Sokol, Schuka, Taimen, Plotva) fühlt sich das für mich wie ... ich weiß nicht, wie: Das sind Tiere, die es dort gibt, in der Fremde! an. Für mich sind das aber nur Wörter, die ich nicht kenne, da entstehen keine Bilder. Was schade ist, denn alles andere, was du bis hier her geschrieben hast, fand ich wunderbar bildhaft.

Das ist lange her, mehr als zwanzig Jahre, muss im Jahr 7499 nach Adam stattgefunden haben.

Interessante Satzkonstruktion, für mich persönlich aber eher ein Stolperstein.

Den nächsten Absatz finde ich super, da blitzt der Isegrims durch, den ich damals kennengelernt habe, hier:

Also stellten sie sich vor, dass dort Einhörner durch das Gras sprängen und Riesenschmetterlinge in allen Farben flögen, es einen Baum gäbe, dessen Wurzeln die Welt umspannten und der Geist der Mutter über die Wiesen und Bäume flöge.

und der Dialog danach fließt wie ... der Yerinat. Punkt.

aber er vermochte bloß auf der Stelle zu verharren

Hm ... Vielleicht bin ich da gerade überempfindlich, aber einfacher gefiele mir hier besser.

und gab nach einigen Versuchen das Zeichen, dass er aufgab.

Auch hier eventuell wieder überempfindlich, aber wenn es ohne gab-gab ginge ...

Soma beobachten konnte, die sich im Schlamm eingruben.

Hier hab ich auch erst Mal keine Ahnung, was Soma sind, es erschließt sich aber aus dem Kontext, deshalb kann ich wunderbar damit Leben. Da funktioniert das also mit dem "Erzeugen der Fremde".

Dmitri und Savin steckten ihre Messer und das Kreuz, falls der Teufel ihnen begegnen würde in den Beutel, den sie umschnallten.

Ich vermute, nach "würde" könnte/sollte man ein Komma setzen, aber so oder so reißt der Satz mich in seiner Komposition ein bisschen raus, erscheint mir zu verschachtelt. Vielleicht einfach "in den umgeschnallten Beutel", dann wäre es ein Einschub weniger? Keine Ahnung.

Dmitri setzte sich ab, der Fluss plätscherte laut, als wollte er Beifall leisten. Nachdem er aus dem Wasser gestiegen war, winkte er Agafja zu,

Habe ich anfangs so gelesen, als würde der Fluss Agafja zuwinken

dass er den Baum entdeckt, von dem sie erzählt habe und das sein Laub sie wärmen und beschützen werde.

Da fehlt was - "dass er den Baum entdeckt", heißt das dann ja bloß. Wenn ich gerade nicht danebenlese ...

Ja, wie schon gesagt, schaffe ich es nicht, viel zu dem Text zu sagen. Falls dir die Rückmeldung weiterhilft: Ich habe ihn sehr gerne gelesen, ich habe die Fremde geatmet, das hat für mich wunderbar funktioniert. Ich habe das als ein großes, stimmiges Bild empfunden, die Story selbst hat mich ... na, sie hat mich nicht gefesselt, aber sie war eine stimmige Ergänzung (hoffe, das klingt nicht doof, soll es nicht), die sich wunderbar in dieses autenthisch wirkende, mit schöner Sprache gezeichnete Bild eingefügt hat. Vielleicht hätte ich mir stärker ausgearbeitete Protagonisten gewünscht, vielleicht sind sie mir ein bisschen zu sehr im Rauschen des Yerinat untergegangen. Aber so oder so: Danke für die Geschichte!

(Ich habe gerade in den anderen Kommentaren von Aitmatow gelesen, und ja, ganz fern ist der hier nicht ...)

Bas

 

Lieber @Isegrims ,
beim Gathering 2018 im Taunus war es, da standen wir auf eurer schönen Terrasse und blickten hinüber zu den Schrebergärten. Du hast mich auf eine alte Frau aufmerksam gemacht, die dort jeden Tag für viele Stunden herkam, um im Garten zu arbeiten. Ich erinnere mich nicht mehr genau an die isegrimsche Ausdrucksweise, aber ich hatte das Gefühl, dass diese immer gleiche, einfache und naturnahe Lebensweise dich sehr berührte. Daran musste ich denken, als ich diesen Text las.
Es ist ein sehr ruhiger Text. Wenn es überhaupt einen Konflikt in dem Sinne gibt, geht er gut aus, wenn auch mit der leisen Enttäuschung der Brüder, dass "nichts anders sei, hier und dort". Da huschen so mehrere Themen vorbei. Der Drang der Brüder Unbekanntes zu erforschen, Agafja, die tatsächlich weit weg in der "Zivilisation" war, aber unbeeindruckt zurückgekehrt ist, denn "wenn man zu den Bergen schaut, erkennt man schnell, dass hier viel mehr und viel höhere Häuser stehen als in allen Städten der Welt."
Ich verstehe das so, dass das hier eine herausgelöste Geschichte aus einem größeren Werk über Agafja ist , die du ja schon in einer anderen Geschichte als Protagonistin hattest. Was mich beschäftigt, ist die Überlegung, ob es für eine abgeschlossene Geschichte Sinn machen würde, den frühen Tod der Brüder noch mit hineinzunehmen, denn damit käme ja noch einmal das Element der Zivilisation mit hinein. Es gibt da jetzt so eine dunkle Unterströmung in der Geschichte, Agafja lebt dort allein, sie erinnert sich, aber das ist sehr schwach als Motiv, könnte genausogut sein, dass die Brüder noch woanders leben.

Dmitri stand in Unterhosen da und machte sich bereit, kreiste mit dem Becken, beugte die Knie.
Erinnert mich irgendwie an so Charly Chaplin - Filme.:D
Irgendwann sind sie zurückgeschwommen, ganz langsam, denn der Yerinat ist ein Freund.
evtl. "waren sie zurückgeschwommen"?

Er legte einen kleinen Ast und ein paar Eschenblätter auf den Grabstein, der von Lapislazulieinsprengseln durchzogen ist, als wären es Wurzeln. Agafja hörte ihn weinen und der Mutter erzählen, dass er den Baum entdeckt, von dem sie erzählt habe und das sein Laub sie wärmen und beschützen werde.
zuviel hineininterpretiert vielleicht, aber mit den Lapislazuli evtl. noch einmal das Motiv, dass der "Schatz" direkt vor der Haustür liegt?
Agafja war mit dem Floß seither einige Mal drüber gewesen, ohne etwas Besonderes zu finden, auch den Baum nich
drüben? drüber, über den Fluss, vielleicht, aber so richtig passt das für mich nicht.

Ich habe das gerne gelesen.

Liebe Grüße von Chutney

 

Lieber @Isegrims

Nüsse, Honig, die Früchte der Erde, der Sträucher und Bäume, sind erlaubt.
Das letzte Komma muss weg, oder? Ist ja eine Aufzählung, kein Einschub.
An Donnerstagen und Freitagen ist Fisch verboten. Man muss den Körper rein halten um der Seele willen, damit die Gebete zum Himmel steigen und kein Unglück passiert. Nüsse, Honig, die Früchte der Erde, der Sträucher und Bäume, sind erlaubt. An Sonntagen muss man ruhen. Deshalb geht Agafja an den Samstagen zum Fluss, um zu fischen.
Ich fand das irgendwie unglücklich, diesen Einstieg. Du versuchst, den Leser an eine Lebenswelt heranzuführen, die recht ursprünglich ist, religiös geprägt, naturverbunden. Aber was ich als Info mitnehme, ist, dass wenn man am Donnerstag und Freitag nicht fischen darf und am Sonntag ruhen muss, es sich aufdrängt, dass man samstags fischen geht. Also dieses logische Ausschlussverfahren mit einem abschliessenden "Deshalb" macht mir den ganzen Zauber kaputt.
Sie holt das Netz aus dem Schuppen, den Köcher, die Köder, hat den Eimer dabei. Beim Öffnen der Tür
Ich hätte: "beim Schliessen" erwartet. Sie war ja schon im Schuppen und hat das Netz geholt, oder?
Beim Öffnen der Tür splittert ein Stück Holz vom Rahmen, dringt in ihren Finger ein.
Kann weg, m.E.
Blut quillt aus der Wunde.
Hm. Was für ein Splitter, wenn das Blut bereits quillt, wenn er noch im Finger steckt!
Sie zieht den Splitter heraus, steckt ihn in den Mund und leckt daran
Echt? Am Splitter lecken? Nicht etwa am blutenden Finger? Finde ich sehr seltsam. Aber ja, man soll nicht von sich auf andere schliessen. :D
Dann bückt sie sich, reißt etwas Gras aus, kaut es, spuckt auf den Finger und wartet, bis die Blutung aufhört.
Ich denke, du kannst dich hier auf die relevanten Handlungen beschränken. Wenn sie Gras ausreisst, dann muss sie sich bücken.
Die Mutter hatte an den Wunden der Kinder geleckt.
Den Satz empfand ich als Fremdkörper im ersten Abschnitt, du warst nah bei der Figur und zoomst hier in einem Satz raus und dann wieder rein. Ich hätte eher so etwas wie: "hatte an ihren Wunden geleckt." Ich muss zudem sagen, dass ich das zweimal lesen musste, weil das so seltsam klingt und ja eigentlich besser zu Tieren passen würde. Also, wenn ich mir vorstelle, so richtig, wie die Mutter an den Wunden ihrer Kinder leckt, ich weiss nicht.
Agajfja betrachtet ihre Hände, die Erdreste, die sich unter den Nägeln gesammelt haben.
Woher kommen die? (Natürlich gibt es eine Antwort darauf, aber ich finde, es lenkt ab von dem, was jetzt geschieht. Für mich ein unnötiges Details, denn ihre Naturverbundenheit wird ja schon Satz für Satz gezeigt.
Bald werden auf den Wiesen die Blumen blühen, ihre Farben den Augen schmeicheln, die Schöpfung so zeigen, wie es Gott gefällt.
Geschmacksache, aber das ist mir zu lieblich.
Sie blinzelt und hört auf das Flüstern der Geister im Wind, der Ahnen, der Toten, ihrer Familie.
Und das ist mir etwas zu sehr geraunt. Ich hätte es da lieber reduzierter, dafür präziser. Das kommt hier eher so schlagwortartig daher.
In der Nacht war die Bärenmutter mit ihrem Baby zu Besuch.
Nachwuchs, vielleicht. Ich dachte zuerst, die Bärenmutter habe sich Agajfjas Baby geschnappt. :D
Der Fluss führt das Schmelzwasser der Berge mit sich, der Pegel ist niedrig. Weil er so schnell fließt, reißt er Bäume, Äste, die Kadaver ertrunkener Tiere mit sich.
Das ist irritierend, schnellfliessendes Schmelzwasser und dann ist der Pegel niedrig? Bei uns in der Schweiz läuft das anders.
Wo die Strömung am stärksten ist, kräuselt sich das Wasser, tanzt und lacht.
Vorher hat schon die Sonne gelacht. Wiederum zu lieblich für meinen Geschmack.
Wenn man zu den Bergen schaut, erkennt man schnell, dass hier viel mehr und viel höhere Häuser stehen als in allen Städten der Welt.
Das Bild kriege ich nicht auf die Reihe. Was für Häuser? Die Gipfel der Berge? Steinblöcke? Oder die Berge selbst? Also, wenn man da schaut, dann sieht man vielleicht zwanzig oder so, die bestimmt höher sind als Häuser, aber sicher nicht mehr als auch nur in einer Stadt.
Als sie die Senke am Ufer erreicht, hört sie einen Sokol rufen, sieht seinen Schatten auf der anderen Uferseite über den Bäumen segeln. Vielleicht bekommt sie einen Hecht oder einen Taimen zu fassen, ein paar Rotaugen werden es gewiss.
Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die einzelnen Bilder nicht so recht verknüpft sind. Hier zum Beispiel wollte ich das "vielleicht" mit dem Sokol in Verbindung bringen, habe es aber nicht geschafft. Wenn ein Vogel über den Fluss fliegen und Ausschau nach Fischen halten würde, dann ja, aber so: nein.
Ihre Brüder holten die besten Fische aus dem Fluss. Das ist lange her, mehr als zwanzig Jahre, muss im Jahr 7499 nach Adam stattgefunden haben.
Empfand ich als störend, weil eher vom Autor vermittelte Info. Sie würde doch einfach denken: vor zwanzig Jahren. Vielleicht würde sie sogar eher denken: vor langer Zeit.
Dennoch sieht sie Dmitri vor sich, wie er ins Wasser stürmt, sich gegen die Strömung stemmt, das Netz auswirft.
Man kann, glaube ich, sparsamer mit diesen logischen Verknüpfungen sein. Es ist zwanzig Jahre her. Sie sieht ihn vor sich. Die Leser denken: Krass, obwohl es zwanzig Jahre her ist? Muss eine relevante Szene sein. Das muss man den Lesern nicht vorkauen, m.E.
Also stellten sie sich vor, dass dort Einhörner durch das Gras sprängen und Riesenschmetterlinge in allen Farben flögen, es einen Baum gäbe, dessen Wurzeln die Welt umspannten und der Geist der Mutter über die Wiesen und Bäume flöge.
Da musste ich lachen. Dimitri wettet, dass er hart genug ist, durch den kalten Fluss zu schwimmen, obwohl es der Vater verboten hat, und dann stellt er sich Einhörner vor und Schmetterlinge, so wie bei den Teletubbies? Ich finde es schon reizvoll, da einen Gegensatz aufzubauen zwischen männlichem Vorhaben und kindlicher Vorstellungskraft, aber m.E. könnte man diesen Gegensatz etwas subtiler gestalten.
Die am Ufer zurückgebliebenen Geschwister fürchteten, dass er in einen Sog geraten war.
Umständlich, nimmt dem Geschehen die Dramatik.
Anfangs wurde er mitgezogen, dann tauchte er unter. Die am Ufer zurückgebliebenen Geschwister fürchteten, dass er in einen Sog geraten war. Aber dann
WW
aber er vermochte bloß auf der Stelle zu verharren und gab nach einigen Versuchen das Zeichen, dass er kapitulierte.
Ich dachte ...
Er hat die Wette mit Savin gewonnen.
er habe die Wette gewonnen? Dieser Satz ist übrigens der einzige der gesamten Erinnerung, der im Präsens steht. Mich hat es kurz rausgeworfen.
Abgemacht, Savin, so machen wir das.
Finde ich etwas förmlich bis hölzern, ich stelle mir da keine zwei Jungs vor, die miteinander sprechen.
Außerdem war der Vater in den Bergen, um zu jagen, und würde nicht vor der Abenddämmerung zurückkommen.
Wieder diese logischen Partikel. Vater war in den Bergen. Punkt. Keine Checkliste von Gründen nötig, m.E.
Dmitri und Savin steckten ihre Messer und das Kreuz in den umgeschnallten Beutel, falls der Teufel ihnen begegnen würde.
Auch hier könnte man sparsamer sein, mehr den Lesern überlassen.


Ich habe den Text gerne gelesen, aber für mich funktioniert das als Kurzgeschichte nicht so richtig. So what, habe ich mich gefragt. Viel angedeutet, der Tod der Mutter, der Baum am anderen Ende, aber nicht wirklich damit gearbeitet. Wo ist die Geschichte, wo die Relevanz des Erzählten? Als Teil eines grösseren Ganzen kann ich mir das aber sehr gut vorstellen, du erzählst einfühlsam und kraftvoll zugleich von einer fremden Lebenswelt, in die ich gerne noch tiefer eingetaucht wäre.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber @Friedrichard

(vor allem Konj. I + II betreffend), Nichte wird heut Volljährig und da werd ich mich morgen sicherlich arbeitsunfähig schreiben …
Nach einer halben Flasche Pinot Noir, ziemlich zügig zu selbstgepflückten Pilzen mit Semmelknödeln, bin ich derzeit auch kaum volljährig, wird sich aber wieder ändern - leider möchte ich fast sagen, womit wir den Konjunktiv streifen.
Ausgerechnet die sinnvolle Einrichtung der Reformation in der Trennung von doppel-s und ß, kurzsilibig (Fluss) im Unterschied des betont langsilibigen, betonten Silbe (Fuß) ... sollte nicht danebengehen.
äh, ja, die Reformation hat doch durcheinandergebracht, was als gewiss galt:schiel:

viele Herrjemine-da-steht-noch-ne-zweite-Flasche-Grüße
Isegrims

Hi @Bas
schön, was von dir zu lesen!

Hier bin ich mir nicht ganz sicher, ob mir das gefällt, ob mir da Falke, etc. nicht gereicht hätte. So, in der Menge vor allem (Sokol, Schuka, Taimen, Plotva) fühlt sich das für mich wie ... ich weiß nicht, wie: Das sind Tiere, die es dort gibt, in der Fremde! an. Für mich sind das aber nur Wörter, die ich nicht kenne, da entstehen keine Bilder. Was schade ist, denn alles andere, was du bis hier her geschrieben hast, fand ich wunderbar bildhaft.
Ich habe an der Stelle noch mal was verändert, nur noch den Sokol (ich mag die russische Bezeichnung für einen Falken) und den Taimen (recht großer Knochenfisch, fast eine Legende für Angler) mit den Originalbezeichnungen belassen. Für mich ist es sehr lehrreich, die richtige Mischung zwischen fremden und bekannten Bezeichnungen zu finden.
Hier hab ich auch erst Mal keine Ahnung, was Soma sind, es erschließt sich aber aus dem Kontext, deshalb kann ich wunderbar damit Leben. Da funktioniert das also mit dem "Erzeugen der Fremde".
an der Stelle habe ich die Bezeichnung des Fisches mit einem typischen Verhalten verbunden, gut, dass das klappt.
Ja, wie schon gesagt, schaffe ich es nicht, viel zu dem Text zu sagen. Falls dir die Rückmeldung weiterhilft: Ich habe ihn sehr gerne gelesen, ich habe die Fremde geatmet, das hat für mich wunderbar funktioniert. Ich habe das als ein großes, stimmiges Bild empfunden, die Story selbst hat mich ... na, sie hat mich nicht gefesselt, aber sie war eine stimmige Ergänzung (hoffe, das klingt nicht doof, soll es nicht), die sich wunderbar in dieses autenthisch wirkende, mit schöner Sprache gezeichnete Bild eingefügt hat.
danke für die Einschätzung, vor allem auch zur Wirkung, dass keine große Fallhöhe vorhanden ist, der Konflikt scheinbar klein ist, nur angedeutet wird, ist mit bewusst. Wahrscheinlich muss ich da nacharbeiten, um eine klassische Kurzgeschichte zu erzählen.

Ich habe die Anmerkungen zum Text selbst genutzt, die Stellen verändert, die du angesprochen hast.

Liebe Grüße und vielen Dank
Isegrims

Liebe @Chutney

beim Gathering 2018 im Taunus war es, da standen wir auf eurer schönen Terrasse und blickten hinüber zu den Schrebergärten. Du hast mich auf eine alte Frau aufmerksam gemacht, die dort jeden Tag für viele Stunden herkam, um im Garten zu arbeiten. Ich erinnere mich nicht mehr genau an die isegrimsche Ausdrucksweise, aber ich hatte das Gefühl, dass diese immer gleiche, einfache und naturnahe Lebensweise dich sehr berührte. Daran musste ich denken, als ich diesen Text las.
Die Glühwürmchen, die du mir gezeigt hast, berühren mich ebenso. Und erinnern mich an das Gathering.
Während der Hochphase der Seuche waren wir praktisch nur in Fischbach. Eine Zeitlang kam die alte Frau nicht und wir haben uns Sorgen gemacht. Aber jetzt kommt sie wieder, wie eh und je. Ich finde das schön. So wie ich es auch liebe, mit angenehmen Menschen auf der Terrasse zu sitzen, zu reden, zu trinken und zum Wald zu schauen.
Wenn es überhaupt einen Konflikt in dem Sinne gibt, geht er gut aus, wenn auch mit der leisen Enttäuschung der Brüder, dass "nichts anders sei, hier und dort". Da huschen so mehrere Themen vorbei. Der Drang der Brüder Unbekanntes zu erforschen, Agafja, die tatsächlich weit weg in der "Zivilisation" war, aber unbeeindruckt zurückgekehrt ist,
Die Hauptthematik huscht vorbei, gut, dass das durchkommt. Im Rahmen dieser Episode braucht es gar nicht deutlicher zu werden meine ich.
Was mich beschäftigt, ist die Überlegung, ob es für eine abgeschlossene Geschichte Sinn machen würde, den frühen Tod der Brüder noch mit hineinzunehmen, denn damit käme ja noch einmal das Element der Zivilisation mit hinein.
ja, das ist ein wichtiger Aspekt, das werde ich aufnehmen, auch nachdem ich gelesen habe, was @Peeperkorn schreibt, muss ich noch bisschen sacken lassen, habe aber eine Idee, wie ich das prägnanter gestalten kann.
zuviel hineininterpretiert vielleicht, aber mit den Lapislazuli evtl. noch einmal das Motiv, dass der "Schatz" direkt vor der Haustür liegt?
so ist es doch: was nutzt dir der Schatz vor der Haustür, wenn nicht mehr als hundert Kartoffeln für den Winter vorhanden sind, kaum Fisch geangelt werden kann und eine ganze Familie ernährt werden muss?

Ach, dein wertvoller Kommentar hat mich an ein paar schöne Tage erinnert
viele Grüße in den Norden
Isegrims

 

Vorneweg, lieber @Peeperkorn: der Text hat durch deinen Kommentar, bzw. durch die Änderungen, die ich aufgrund deiner Anmerkungen vorgenommen habe, sehr gewonnen. Ich glaube auch, dass man mit der neuen Fassung eine Kurzgeschichte liest.

Ich fand das irgendwie unglücklich, diesen Einstieg. Du versuchst, den Leser an eine Lebenswelt heranzuführen, die recht ursprünglich ist, religiös geprägt, naturverbunden. Aber was ich als Info mitnehme, ist, dass wenn man am Donnerstag und Freitag nicht fischen darf und am Sonntag ruhen muss, es sich aufdrängt, dass man samstags fischen geht.
Den Anfang habe ich komplett verändert, Textbestandteile verschoben und die Gebetshandlung geglättet.

Die Frühlingssonne der Taiga lacht auf Agafja herab. Bald werden auf den Wiesen die Blumen blühen, die Schöpfung so zeigen, wie es Gott gefällt. Sie blinzelt und hört auf das Flüstern der Geister im Wind, der Ahnen, der Toten, ihrer Familie. In der Nacht war die Bärenmutter mit ihrem Baby zu Besuch. Der grelle Blitz der Signalpistole hat sie in die Wälder zurückgejagt.

Agafja schlägt das Kreuz, kniet, berührt mit der Stirn das Polster, das vor der Ikone liegt, steht auf, beginnt von vorne, zählt mit, sieben Wiederholungen müssen es werden. Man muss sich rein halten um der Seele willen, damit die Gebete zum Himmel steigen, kein Unglück passiert. Nüsse, Honig, die Früchte der Erde, der Sträucher und Bäume sind an den Fastentagen erlaubt. Sie betrachtet das Bild der Brüder, schwarzweiß, aber sie erkennt ihre Blicke, ihr Lächeln. Die Gräber liegen nebeneinander, einfache Holzkreuze, oben der Balken im rechten Winkel, unten schräg, wie es die alte Kirche vorschreibt. Man hat ihr ein Foto geschickt. Sie sind in der Fremde begraben, weit weg.

Echt? Am Splitter lecken? Nicht etwa am blutenden Finger? Finde ich sehr seltsam. Aber ja, man soll nicht von sich auf andere schliessen.
:D
passiert, wenn man versucht, die Finger-Dopplung unbedingt zu vermeiden, hab's jetzt anders gelöst:
Beim Schließen der Tür splittert ein Stück Holz vom Rahmen, Blut quillt aus der Wunde. Sie zieht den Splitter heraus, steckt den Finger in den Mund und leckt daran
Den Satz empfand ich als Fremdkörper im ersten Abschnitt, du warst nah bei der Figur und zoomst hier in einem Satz raus und dann wieder rein. Ich hätte eher so etwas wie: "hatte an ihren Wunden geleckt."
auch die Stelle habe ich verändert, hast recht.

Woher kommen die? (Natürlich gibt es eine Antwort darauf, aber ich finde, es lenkt ab von dem, was jetzt geschieht.
na ja, die Erdreste finde ich unproblematisch, sie arbeitet mit den Händen in der Erde, trägt nicht durchgehend Handschuhe
Geschmacksache, aber das ist mir zu lieblich.
ein klein wenig habe ich die Stelle gekürzt
Und das ist mir etwas zu sehr geraunt. Ich hätte es da lieber reduzierter, dafür präziser. Das kommt hier eher so schlagwortartig daher.
auch hier habe ich was rausgenommen, aber die Richtung des Satzes beibehalten
Nachwuchs, vielleicht. Ich dachte zuerst, die Bärenmutter habe sich Agajfjas Baby geschnappt.
diese Unschärfe setze ich bewusst, um die Sehnsucht Agafjas zu zeigen
Das Bild kriege ich nicht auf die Reihe. Was für Häuser? Die Gipfel der Berge? Steinblöcke? Oder die Berge selbst? Also, wenn man da schaut, dann sieht man vielleicht zwanzig oder so, die bestimmt höher sind als Häuser, aber sicher nicht mehr als auch nur in einer Stadt.
ist beinahe ein Originalzitat aus einer Doku über Agafja, sie spricht über die Berge und die Städte und sagt in etwa, was ich wiedergebe. Ich mag dieses Bild, das man gar nicht unbedingt wörtlich nehmen muss, wenngleich: wenn man sich die Berge aufgefaltet vorstellt, dann passt es - ich denke auch rein physikalisch.
Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die einzelnen Bilder nicht so recht verknüpft sind. Hier zum Beispiel wollte ich das "vielleicht" mit dem Sokol in Verbindung bringen, habe es aber nicht geschafft. Wenn ein Vogel über den Fluss fliegen und Ausschau nach Fischen halten würde, dann ja, aber so: nein.
habe ich nachgearbeitet und die beiden Sätze anders verbunden
Empfand ich als störend, weil eher vom Autor vermittelte Info. Sie würde doch einfach denken: vor zwanzig Jahren. Vielleicht würde sie sogar eher denken: vor langer Zeit.
mm, das ist schon eine relevante Info, weil sie etwas über die Denkweise sagt. Ich habe sie jetzt anders verpackt:
Ihre Brüder holten die besten Fische aus dem Fluss. Es ist lange her, mehr als fünzig Jahre, vielleicht war's im Sommer des Jahres 7472 nach Adam, als die Sonnentage bis in den Herbst anhielten, dennoch sieht sie Dmitri vor sich, wie er ins Wasser stürmt, sich gegen die Strömung stemmt, das Netz auswirft. Er hat damals die Wette mit Savin gewonnen.

Da musste ich lachen. Dimitri wettet, dass er hart genug ist, durch den kalten Fluss zu schwimmen, obwohl es der Vater verboten hat, und dann stellt er sich Einhörner vor und Schmetterlinge, so wie bei den Teletubbies?
hier genauso: guter Einwand
Als Kinder hatten sie sich vorgestellt, dass dort Einhörner durch das Gras sprängen und Riesenschmetterlinge in allen Farben flögen, es einen Baum gäbe, dessen Wurzeln die Welt umspannten und der Geist der Mutter über die Wiesen und Bäume segelte.

Ich habe den Text gerne gelesen, aber für mich funktioniert das als Kurzgeschichte nicht so richtig. So what, habe ich mich gefragt. Viel angedeutet, der Tod der Mutter, der Baum am anderen Ende, aber nicht wirklich damit gearbeitet. Wo ist die Geschichte, wo die Relevanz des Erzählten?
Was ich zeigen will: wie sinnlos es aus Sicht Agafjas ist, fortzugehen, auf der anderen Seite etwas zu suchen. Ich glaube, das ist jetzt besser fokussiert.
Als Teil eines grösseren Ganzen kann ich mir das aber sehr gut vorstellen, du erzählst einfühlsam und kraftvoll zugleich von einer fremden Lebenswelt, in die ich gerne noch tiefer eingetaucht wäre.
das freut mich, gibt mir was mit für den Weg.

vielen vielen Dank, hat mir super geholfen!
Liebe Grüße
Isegrims

 

Lieber @Isegrims

Der Einstieg liest sich jetzt sehr viel besser, finde ich. Entscheidend für mich ist auch, dass du den Vorschlag von @Chutney aufgegriffen hast, den Tod der beiden Brüder an den Anfang zu stellen. Das färbt die Erinnerung, den ganzen Text auf eine ganz andere Weise ein als zuvor und da spüre ich jetzt noch stärker die Bedeutsamkeit des Erzählten.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber @Peeperkorn

Du hast vor einiger Zeit hier Erfahrungen beim Schreiben deines Romans geteilt. Ein Aspekt war nach meiner Erinnerung, dass du dir bewusst geworden bist, worin die Unterschiede der Gattungen bestehen. Ich habe das damals mit Interesse gelesen, bin aber schnell wieder in meine Isegrimsche Wird-schon-werden-Haltung verfallen.
Ein Unterschied besteht in den erzählerischen Dimensionen. (keine Ahnung, ob es dafür einen Fachbegriff gibt). Was ich meine: um ein Motiv zu etablieren hat man in einem Roman viel mehr Raum - und braucht diesen auch.
Den vorliegenden Anzug habe ich in der ersten Version beinahe ungefiltert aus dem bereits vorhandenen Textkonvolut ausgeschnitten, ohne darauf zu achten, dass ich nicht einfach die Gattung wechseln kann, ohne auf die spezifischen Kriterien zu achten. (Die ich ja durchaus kenne:)

Aus mehreren Gründen hat sich deshalb die Bearbeitung des Textes gelohnt, ein wichtiger Erkenntnisprozess für mich-

Der Einstieg liest sich jetzt sehr viel besser, finde ich.
das ist gut so
Entscheidend für mich ist auch, dass du den Vorschlag von @Chutney aufgegriffen hast, den Tod der beiden Brüder an den Anfang zu stellen. Das färbt die Erinnerung, den ganzen Text auf eine ganz andere Weise ein als zuvor und da spüre ich jetzt noch stärker die Bedeutsamkeit des Erzählten.
siehe oben, ich finde den Text jetzt auch intensiver, konzentrierter.

Danke dir (und @Chutney)
Liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo @Isegrims,

nur eine kurze Rückmeldung: Ja, jetzt ist alles deutlicher, der Plot nimmt einen größeren Stellenwert ein, alles wirkt dichter, die Überarbeitung hat sich also gelohnt.

In der Ursprungsversion habe ich die beiden "Szenen" kaum miteinander verknüpft, da war Agafja, die am Holz lutscht (ich denke, auch die Änderung ist sinnvoll, ich habe das zwar gekauft, dass sie am Holz statt am Finger lutscht, gleichzeitig hat sich das doch sehr mit meinen eigenen Erfahrungen gebissen und so wurde Agafja so ... fremd, zu fremd vielleicht, zu weit weg von mir und meiner Welt. Was so eine Kleinigkeit ausmachen kann ...) und dann war da eben die Geschichte der beiden Brüder. Die ich aber kaum als ihre Brüder wahrgenommen habe. Da lässt die neue Einleitung ja jetzt aber gar keine Fragen mehr offen. Und so gerne ich "kryptische" Verknüpfungen manchmal habe, so schön ist es dann manchmal auch, einfach zu wissen, was Sache ist.

Positiv aufgefallen ist mir außerdem die "Sokol"-Stelle, da klingt nach wie vor die Fremde durch, aber viel eleganter jetzt.

Ja, wie gesagt, nur eine kurze Rückmeldung, aber das Fazit lautet: Noch gerner gelesen.

Bas

 

Sie zieht den Splitter heraus, steckt den Finger in den Mund und leckt daran, schmeckt, was in ihr fließt, Eisen, Flüssigkeit, die alles zusammenhält.​

Auch ich nur kurz (keine bange, bin spätestens durch die ersten Steuerbescheide (nicht des eigenen!) sehr ernüchtert und erst mal auf der Baustelle aber zwo, drei kleinere Sachen vorweg ein kleiner Felddzug gegen den Aberglauben, Eisen (oder Metall überhaupt) röche,

lieber Isegrims (und, wenn ich schon mal dabei bin, @Katla)

und bevor noch genannt wird, Eisen schmeckte -nach was auch immer. Gut, tauche ich eine Gabel oder auch einen eisernen Nagel in Honig und ziehe ihn wieder raus aus der mehr oder weniger festen Schleckerei, wird sie/er nach Honig schmecken und ich darf es mir sogar einbilden, dass Eisen nach Honig schmeckte. Eine Erklärung in Laboren ist dennoch, dass man seinen eigenen Geruch wahrnimmt. Nun, einem Facharbeiter (nicht mehr und nicht weniger ist ein Chemielaborant wie ich, der zudem Januar 1981 das letzte Mal in einem Labor war und hernach bestenfalls gelegentlicher Angelegenheiten der Mitarbeitervertretung in einem Krankenhauslabor erledigte) – aber sowenig Münzgeld stinkt, so wenig riecht Metall an sich. Und das gilt auch fürs Schmecken.

Was wir mit dem Geruchssinn wahrnehmen bei Hautkontakt mit Eisen ist der eigene Körpergeruch und je doller einer schwitzt … Sicherheitshalber hab ich unter Spektrum.de nachgeschaut, Riecht Metall?

Hier nun lässt der Satz​


Die Frühlingssonne der Taiga lacht auf Agafja herab. Bald werden auf den Wiesen die Blumen blühen, die Schöpfung so zeigen, wie es Gott gefällt.
von seiner Konstruktion her am Ende von ...sonne, Taiga, Agafja, den Wiesen und Blumen, die Schöpfung eher ein „sie“, denn ein „es“ erwarten, wiewohl das „es“ idR als Satzsubjekt „Es werde Licht“ und „es irrt der Mensch …“ (aber zB,, Buber und Rosenzweig lassen die Schöpfung ohne Satz-Subjekt zu „Licht werde/Licht ward“) auftritt.

Schau'n wir mal ... Bis bald

Friedel

Mein J, hätt' ich fast ne Frage vergessen - gibt's im Russischen das "Baby" als Wort - und wäre nicht das Bärenjunge sinnvoller als die Vermenschlichung? Hierzulande fängt die Furcht vor Meister Petz ja schon mit seinem Namen an, auf dass er nicht gerufen werde ...

 

Hi Isegrims,

wie die anderen Kommentatoren fand ich den Text auch wirklich schön zu lesen, kenne aber den größeren Kontext nicht, den es offenbar gibt (?). Bezogen auf die Geschichte als Einzelstück kann ich deswegen nachvollziehen, dass @Peeperkorn am Inhalt was gefehlt hat, ohne das mich das selbst ernsthaft stören würde. Aber ein bisschen stört es mich doch, und das liegt womöglich an einem einzigen Detail. Agafja hat von ihren Lieben Abschied nehmen müssen, und ich frage mich: Was ist eigentlich passiert? Ist überhaupt etwas passiert oder waren sie halt irgendwann alt? Die Frage würde ich wahrscheinlich friedlich im Hintergrund schlummern lassen, aber dann kommt da dieses Datum:

im Sommer des Jahres 7472 nach Adam
Und jetzt werde ich das nicht mehr los: Was hat es damit auf sich, was ist das für eine Zeit, wie weit ist das von uns weg? Zivilistationszusammenbruch? Umweltkatastrophe? Irgendwas muss diese merkwürdige Zahl doch andeuten. Aber ich komm nicht drauf. Noch dazu ist Agafja allem Anschein nach russisch-orthodox, warum dann diese Zahl? Da muss doch irgendein Bruch sein ... Usw.
Also kurz: Wenn's keine Relevanz hat, würde ich das streichen. Wenn doch, verdeutlichen.

Hier

Bald werden auf den Wiesen die Blumen blühen, die Schöpfung so zeigen, wie es Gott gefällt.
finde ich ungefragt @Friedrichards Vorschlag - "wie sie Gott gefällt" - hübsch, stoße mich dann aber immer noch am - ich sag mal: unvermittelten funktionalen Umschwung zwischen "die Blumen" und "die Schöpfung": einmal ein Subjekt, das zweite Mal ein Objekt; am gleich aussehenden Artikel ist das aber nicht erkennbar, deswegen folge ich beim Lesen erst der Spur, dass wohl nach den Blumen auch die Schöpfung Subjekt sei (Muster: ... werde auf den Wiesen die Blumen blühen, die Schöpfung lachen sehen), und merke erst im Nachhinein, dass das nicht stimmt. Das könntest du vielleicht irgendwie glattbügeln. (Am wenigsten aufwändig wäre "und" statt Komma, da wäre etwas mehr Abstand zum Atemholen, aber ob das auch die beste Lösung ist?)

Ich erlaube mir, schon Gesagtes zu wiederholen:

Beim Schließen der Tür splittert ein Stück Holz vom Rahmen, Blut quillt aus der Wunde.
Find ich auch schwer vorstellbar, dass da gleich das Blut quillt. (Das ich obendrein einen Moment lang die Wunde in der Tür vor Augen habe, also die Stelle, aus der das Holz gebrochen ist, dürfte mein Fehler sein.)

Und auch hier hab ich Lust mich kurz einzumischen:

schmeckt, was in ihr fließt, Eisen
Das Eisen gefällt mir nämlich auch nicht. Dabei ist es mir sogar relativ unwichtig, ob Blut nun nach Eisen schmeckt oder nicht, ich find's vor allem abgedroschen. Schau mal nach, wie oft hier in den Geschichten Blut mit Eisen in Verbindung gebracht wird ... Ist der Vergleich wirklich so zwingend, dass sich die ständige Neuauflage lohnt?

Hier ist aus versehen ein "j" zu viel:

Agajfja

Hier
Der Fluss führt das Schmelzwasser der Berge mit sich, reißt Bäume, Äste, die Kadaver ertrunkener Tiere mit sich.
finde ich zwei mal "mit sich" nicht so gelungen. Ich kann es mir als absichtliches Stilmittel sogar halbwegs vorstellen, aber dann müsste das trotzdem einen Tick anders präsentiert sein, finde ich.

Dieses Bild

Wenn man zu den Bergen schaut, erkennt man schnell, dass hier viel mehr und viel höhere Häuser stehen als in allen Städten der Welt.
verstehe ich nicht ganz. Sind die Berge die Häuser? Kann sein, aber warum? Und wenn: Warum braucht es Zeit, das zu erkennen? Ist doch unmittelbar klar, dass die Berge höher sind. Also ich würde sagen, ohne "schnell" wäre es besser.

Diese russischen Wörter zwischendurch finde ich immer wieder passend, hier

hört sie einen Sokol rufen
aber nicht. Schreib doch einfach Falke. Beim

Taimen
dagegen passt es für mich, den akzeptiere ich als eigene Art (oder Unterart oder was auch immer), das wäre so-und-so-Forelle viel umständlicher.

Hier

als die Sonnentage bis in den Herbst anhielten, dennoch sieht sie Dmitri vor sich
finde ich "dennoch" nicht schön, hab gerade gesehen, dass ich da wieder mit @Peeperkorn einig bin, und finde die Verknüpfung ohne Umschweife überflüssig. Mit Umschweifen finde ich aber noch dazu, dass der Bezug des "dennoch" schon den einen oder anderen halben Satz zurückliegt, das spricht noch mehr fürs Streichen, weil es umso mehr aufhält.

Wiederum in meinen Augen abgedroschen:

Muskeln wie Berge, Beine wie Baumstämme
Ausgelutschte Bilder sind ja nicht gerade dein Markenzeichen, da bleibt genug Plastisches, wenn du das weglässt (oder, vielleicht noch schöner, verfeinerst).

Dann nochmal etwas, was mir praktisch schwer vorstellbar ist:

Dmitri probierte es quer zum Fluss, aber er vermochte bloß auf der Stelle zu verharren
Quer zum Fluss kommt er doch von der Stelle: Er treibt zumindest mit der Strömung ab. Er wird aber vermutlich sogar auch in in die Querrichtung vorwärtskommen, die Strömung verhindert das ja erstmal nicht. Weil er aber abgetrieben wird, ist das womöglich zu riskant. Dann würde es Sinn machen, dass er es gegen die Strömung versucht, und das klappt nicht. Also: Verstehe ich was falsch oder sollte es heißen: er probierte es gegen den Strom?

So weit ein paar Schnipsel von mir.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

nur eine kurze Rückmeldung: Ja, jetzt ist alles deutlicher, der Plot nimmt einen größeren Stellenwert ein, alles wirkt dichter, die Überarbeitung hat sich also gelohnt.
Lieben Dank, @Bas: die Überarbeitung hat sich gelohnt, ich lerne gerade einiges.
Da lässt die neue Einleitung ja jetzt aber gar keine Fragen mehr offen. Und so gerne ich "kryptische" Verknüpfungen manchmal habe, so schön ist es dann manchmal auch, einfach zu wissen, was Sache ist.
ich habe da anfangs gar nicht dran gedacht, dass ich eine klare Einleitung brauche, den Text habe ich aus einem größeren ausgeschnitten und nur rudimentär umgearbeitet.
Positiv aufgefallen ist mir außerdem die "Sokol"-Stelle, da klingt nach wie vor die Fremde durch, aber viel eleganter jetzt.
das ist gut, auch so eine Stelle, durch die ich was gelernt habe.
Ja, wie gesagt, nur eine kurze Rückmeldung, aber das Fazit lautet: Noch gerner gelesen.
:Pfeif:

Liebe Grüße, schön, dass du dich noch mal gemeldet hast!
Isegrims

Lieber Friedel

Auch ich nur kurz (keine bange, bin spätestens durch die ersten Steuerbescheide (nicht des eigenen!) sehr ernüchtert
nun ja, wer ist schon ganz nüchtern angesichts von Steuerbescheiden oder will es sein...
und bevor noch genannt wird, Eisen schmeckte -nach was auch immer.
im Grunde braucht die Textstelle den Eisengeschmack gar nicht, deshalb habe ich den auch gestrichen.
Was wir mit dem Geruchssinn wahrnehmen bei Hautkontakt mit Eisen ist der eigene Körpergeruch und je doller einer schwitzt …
und dass sie sich selbst, ihren Eigengeruch schmeckt, wird angeführt.
von seiner Konstruktion her am Ende von ...sonne, Taiga, Agafja, den Wiesen und Blumen, die Schöpfung eher ein „sie“, denn ein „es“ erwarten, wiewohl das „es“ idR als Satzsubjekt „Es werde Licht“ und „es irrt der Mensch
habe ich auch verändert, obwohl ich instinktiv dieses Bibelhafte: es werde Licht andeuten wollte. Lohnt sich nicht Missverständnisse zu erzeugen.
Mein J, hätt' ich fast ne Frage vergessen - gibt's im Russischen das "Baby" als Wort - und wäre nicht das Bärenjunge sinnvoller als die Vermenschlichung?
haha, ich habe die Stelle jetzt umgedreht: das Bärenjunge und seine Mama. Auf russisch heißt Mama nämlich Mama.

viele einigermaßen nüchterne Nachtgrüsse
Isegrims

Lieber @erdbeerschorsch

wie die anderen Kommentatoren fand ich den Text auch wirklich schön zu lesen, kenne aber den größeren Kontext nicht, den es offenbar gibt (?).

schön, wieder von dir zu lesen und vielen Dank für den präzisen Kommentar.

Über ein paar der von dir genannten Punkte muss ich nachdenken, drüber schlafen, deshalb antworte ich dir heute nicht mehr ausführlich. Ein paar Stellen habe ich bereits geändert.

Sommererdbeergrüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

ich:

von seiner Konstruktion her am Ende von ...sonne, Taiga, Agafja, den Wiesen und Blumen, die Schöpfung eher ein „sie“, denn ein „es“ erwarten, wiewohl das „es“ idR als Satzsubjekt „Es werde Licht“ und „es irrt der Mensch
Du:
habe ich auch verändert, obwohl ich instinktiv dieses Bibelhafte: es werde Licht andeuten wollte. Lohnt sich nicht Missverständnisse zu erzeugen.
ich schau auf jeden Fall mal nach, bester Isegrims weit & breit
- das "es" hat ja nun an der Stelle auch eine größere Wirkung als die Standardgrammatik je erzeugen kann. Ich weiß auch schon, bei wem ich schauen muss, der grammatisch radikalste Mensch jenseits des IdS/Leibniz Institutes für deutsche Sprache nebst Duden Redaktion: Karl Kraus.

Bis bald

Friedel

15:54 MESZ

Versuch einer Rehabilitation des ältesten ersten Satzes,

lieber @Isegrims :

"Die Frühlingssonne der Taiga lacht auf Agafja herab. Es werden bald auf den Wiesen die Blumen blühen und zeigen* wird die Schöpfung, dass es Gott gefällt."

* i. S. von "beweisen"


Dank des Projektes Gutenberg brauchte ich nicht alle Fackeln durchzuschauen. Hier die Hinweise zu Karl Kraus

Die Sprache

("Es"
Abdeckung des Subjekts)
Wien, 7. März 1921
und

Die Sprache

Subjekt und Prädikat

Subjekt und Prädikat

Nix zu danken, gern geschehn - auch schon aus reiner Neugier, ist ja auch schon satte zehn oder zwölf Jahre her, dass ich die Fackel in der Hand trug ...

Tschüss

Friedel

 

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