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Am Anfang war das Ende
Andrea stand im Flur, ihre verkrampften Schultern schmerzten und die Augen brannten. Sie schaute auf Pauls Koffer unter der Garderobe und eine Träne rollte an der Nase entlang, bis sie sich zwischen den Lippen verlor.
Die Gedanken rasten.
Alleinerziehend.
Zwei Töchter.
Die viele Arbeit, die jetzt auf sie zu kam um alles bezahlen zu können und – oh Gott, der Kindergarten.
Sie musste das klären.
Tara schaffte den Weg, mit ihren zwölf Jahren alleine, aber Elin?
Andrea musste sich darum kümmern, sollte mit den Erziehern sprechen oder mit ihrer Mutter. Musste dafür sorgen, dass Elin abgeholt wird oder länger dableiben konnte.
Sie musste …
Andrea ging in die Küche, ließ sich auf den erstbesten Stuhl fallen und legte den Kopf in die Hände.
Zuallererst musste sie es Elin erzählen. Die Kleine würde es doch gar nicht verstehen, wie sollte sie auch, Andrea verstand es ja selber noch nicht.
Es kam so plötzlich. Es war doch nur eine Idee, eine wütende Aussage in einem der vielen Gespräche zwischen ihr und Paul. In letzter Zeit stritten sie öfter oder zumindest immer dann, wenn Paul mal zu Hause war. Sie stritten über seinen Job, durch den er viel auf Schulungen und Tagungen war und sie mehrere Tage alleine war. Alleine mit einer siebenjährigen die wahnsinnig viel aufmerksam brauchte und einer Zwölfjährigen die mitten in der Pubertät steckt. Es gab Streitigkeiten über die Erziehung. Paul ist der Meinung, Andrea ist zu weich und lässt zu viel durchgehen. Klar er hat gut reden, für Tara ist er der Held. Logisch, dass sie auf ihn hört, dafür aber umso weniger auf Andrea. In solchen Situationen hatte sie ihre ganz eigene Art mit dem Stress und den Problemen umzugehen aber auch darüber stritten sie. Durch das Streiten werden die Tagungen mehr und die Zeit der Unterstützung zu Hause weniger.
Bis zu diesem Tag, als er die, im Affekt gesponnen Idee, ohne weitere Vorwarnung in die Tat umsetzte.
Andrea putzte sich die Nase, ging ins Wohnzimmer und öffnete die Minibar. Der Schrank war ein Erbstück ihres Opas. Früher hatte man das. Auf die Innenseite der Klappe war ein Spiegel geklebt, der mit grünem Samt ausgekleidete Innenraum wirkte dadurch größer. Sie fand ihn schrecklich hässlich, aber gehörte eben zur Familie und deswegen brachte sie es nicht übers Herz ihn abzugeben.
Sie nahm einen Scotch und ließ sich auf die Couch fallen.
Scotch! Sie mochte dieses Zeug doch gar nicht. Aber sie mochte so vieles nicht, was sie in den letzten Jahren getrunken hatte, um die Last auf ihren Schultern leichter werden zu lassen.
Es tut mir leid, hatte er gesagt, so war das nicht geplant. Andrea lachte auf.
“Na klar, geplant”, sagte sie zu seinem Fernsehsessel und leerte ihr Glas mit einem Schluck, „wir sprachen von einer Pause, einer eventuellen Pause. Es war überhaupt nicht richtig ausgesprochen.“ Sie schenkte sich nach. „Und jetzt? Hast du mich gegen eine Jüngere ausgetauscht.”
Sie schrie.
„Ach nein, nicht wegen ihr, natürlich nur wegen der neuen Stelle, weil die ja gerade zu so einer passenden Zeit durch die Tür geflattert kam. Pah", in Richtung Sessel winkte sie ab.
Noch ein Glas Scotch. Sie verzog das Gesicht, aber die Last wurde leichter.
“Seit Monaten”, sie trinkt einen Schluck und wendet sich an den Sessel, “seit Monaten schläfst du mit einer anderen und erzählst mir, wir kriegen das schon wieder hin? Nichts kriegen wir wieder hin.”
Der Sessel blieb stumm, wie Andrea, als Paul ihr alles gestanden hatte. Was sollte sie darauf auch sagen? Sie hatte ihn einfach nur angeschaut.
“Um die Kleine kümmere ich mich”, sagte sie nach einem tiefen Atemzug, “aber du sagst es Tara, das bist du ihr schuldig.”
Seine Antwort war kurz und knapp wie sein Geständnis: “Klar, mach ich.”
Als sie das vierte Glas Scotch zum Mund führte, hielt sie inne.
Elin.
In einer Viertelstunde musste sie vom Kindergarten abgeholt werden. Mit einem Blick aufs Glas holte sie ihr Handy aus der Hosentasche und tippte eine Nummer.
“Mama, du musst Elin heute abholen.”
“Andrea? Bist du schon wieder betrunken?”
“Nein, aber ich arbeite dran.”
“Es ist kurz vor drei?”
“Eben, deswegen musst du Elin abholen. Ich darf nicht mehr fahren.”
“Kind, was ist denn …”
“Mama, bitte. Hol sie einfach ab, ja?” Andreas Stimme wurde brüchig und dünn.
“Na klar, ich fahr sofort los.”
“Danke.”
Jetzt hatte sie Zeit. Zeit, sich Gedanken zu machen, was sie Elin und ihrer Mutter erzählte und vor allem, wie sie es ihnen erzählen würde.
Was hatte sie sich dabei gedacht? Am helllichten Tag Alkohol!
So konnte sie unmöglich vor ihre Tochter treten.
Sie stellte das Glas, aus dem nicht einmal ein Schluck fehlte, auf den Esstisch und ging ins Badezimmer.
Eine kalte Dusche musste helfen. Und am besten eine komplette Tube Zahnpasta.
*
“Super Spatz, das sieht klasse aus, vorsichtig weiter, dann schaffst du es.”
Tara hing an der Wand und blickte sich suchend um.
“Linker Fuß schräg nach oben. Da ist ein großer, da hast du einen stabilen Stand.”
Paul stand unten und sicherte seine Tochter.
Hier oben war Tara frei. Hier oben zählt nur das Ende der Route, sicherer Stand und stabile, kräftige Finger. Hier wurde ihre ganze Konzentration gefordert, da blieb keine Zeit, sich um doofe Schulkameraden oder eine vermasselte Mathearbeit zu sorgen.
“Papa, ich kann nicht mehr.”
“Komm schon. Du schaffst das. Es fehlen nur noch gute eineinhalb Meter.”
"Ich glaub nicht. Meine Arme sind schon ganz schlapp.”
Mit fester Stimme sagte sie erst das Kommando "Zu!" und anschließend "Ab!"
“Alles klar.”
Tara ließ von der Wand ab und griff an den Achterknoten vor ihrem Bauch. Am Boden angekommen, legte sie den Klettergurt ab und plumpste auf die erstbeste Bank.
Paul setzte sich neben sie und reichte ihr eine Wasserflasche.
“Du warst heute richtig gut.”
“Danke, dafür kriege ich jetzt nicht mal mehr die Flasche auf.” Tara lachte und hielt sie ihrem Vater hin.
“Du warst trotzdem super. Du hast es einen Meter höher geschafft als beim letzten Mal.”
“Ich habe ja auch den besten Coach der Welt.” Taras Augen leuchteten.
“Ja, das ist so eine Sache, es ist, nun ja, also.«
Tara legte den Kopf schief. Stammelte ihr Vater etwa? Suchte er wirklich nach Worten? Wusste er nicht, was er sagen sollte? Sie spürte ihr Herz in der Brust, es klopfte so schnell, als wäre Sie gerade einen Marathon gelaufen. Langsam wanderten ihre Brauen zusammen, während sie ihren Vater weiter anschaute.
“Papa?”
“Es ist so”, er nahm ihre Hand, umschloss sie mit seinen, doch sagte nichts.
Was sollte das? Wieso sagte er denn nichts? Wieso sitzt er denn nur da und schaut auf die Hände? Auch Tara konnte nichts sagen und schaute immer noch starr auf ihren Vater. Das Zögern, das Wegschauen, das passte nicht zusammen. Das war doch nicht er.
„Papa?“ Ganz leise, flüsternd, als befürchte sie, eine Explosion zu verursachen, wenn sie lauter sprechen würden.
“Ich werde nach Stuttgart ziehen. Ich habe da einen neuen Job.”
“Ziehen? Ich dachte, du musst nur wieder auf so eine Job-Veranstaltung wie die letzten Male?” Fragend schaute sie ihren Vater an. Suchte etwas in seinem Blick, was alles in einen schlechten Scherz verwandelte. Ziehen war endgültig. Ziehen war dauerhaft. Oma und Opa waren weggezogen und jetzt kamen sie kaum noch zu Besuch. Das konnte Papa doch nicht wirklich meinen. Sie konnte doch nicht weg, was war mit der Schule, mit ihren Freunden? „Ich will nicht nach Stuttgart.“ Tara schob die Unterlippe vor und verschränkte die Arme vor der Brust.
“Spätzchen, ich werde alleine gehen. Mama, Elin und du, ihr bleibt hier.”
Alleine! Das Wort hallte ihn ihren Ohren nach, wie das Pfeifen einer Silvesterrakete. Alleine hieß, er war weg. Weg von zu Hause, weg von ihr. Sie wollte was sagen, doch das Pfeifen in ihren Ohren Betäubte jeden klaren Gedanken und so saß sie einfach nur da und ihr Mund ging immer nur auf und zu, wie bei einem Fisch.
Paul schaute auf seine Füße und knibbelte an seinen Fingernägeln.
“Sieh mal”, begann er, doch stockte gleich wieder. Er legte die Hände vor sein Gesicht und atmete schwer.
Tara starrte ihn immer noch stumm an. Das Pfeifen in ihrem Kopf wich Hitze, ihre Gedanken sortierten sich wieder und da platze es aus ihr heraus. Mitten in der Kletterhalle und es war ihr völlig egal, ob alle sie hören konnten.
“Du verlässt uns?” Sie sprang auf und stellte sich vor ihn.
"Mäuschen, bitte”, Paul deutete mit den Händen an, dass sie leiser sprechen sollte.
“Einfach so? Ist das dein Ernst?” Sie dachte gar nicht daran, leiser zu sprechen. Ihr Papa wollte sie verlassen.
Alleine lassen.
Mit einer Mutter, die mit ihr überfordert war und einer kleinen Schwester, die immer den Vorrang hatte, weil sie ja ach so klein und hilflos ist. Wer sollte sich denn jetzt um sie kümmern? Wer ging mit ihr klettern? Mit wem sollte sie auf der Couch rangeln? Mit Mama ging so was doch gar nicht. Sie hatte doch nie Zeit für sie.
Taras Kopf wurde immer roter. Das war so unfair. Papa war so unfair. Hitze in ihrem Kopf und ein Dröhnen sorgte dafür, dass die Geräusche um sie herum klangen, als wären sie in eine dicke Decke gewickelt worden.
“Es tut mir leid, aber Mama und ich, na ja, wie soll ich dir das sagen, das funktioniert einfach nicht mehr.” Es brach ihm das Herz, ihr so wehzutun.
“Du lässt mich einfach im Stich?" Ihre Augen füllten sich mit Tränen. “Hauptsache du bist glücklich? Völlig egal wie es mir damit geht?”
“Glaub mir, ich habe mir wirklich lange Gedanken gemacht, was man machen könnte und Mama und ich haben oft geredet.”
„Und wieso hat mit mir nie einer geredet? Ich bin doch kein Baby mehr.“
Er hob den Kopf und schaute in die enttäuschten Augen seiner Tochter, dann versuchte er, ihre Hand zu nehmen, doch Tara wich zurück.
“Du hast doch immer behauptet, wir sind Kumpels und müssen ehrlich zueinander sein, uns vertrauen können.” Sie hatte ihre Stimme gesenkt und eine Träne kullerte ihr über die Wange. Tara wischte sie beiläufig weg, ohne den Blick von ihrem Vater zu nehmen.
Enttäuschung, Verzweiflung, Wut. All das schienen ihre grünen Augen noch heller leuchten zu lassen. Ein Elternteil ist zu wenig für zwei Kinder. Zwei Kinder, zwei Elternteile, sonst zieht einer den Kürzeren und in diesem Fall war es Tara, die den Kürzeren ziehen würde.
“Ich will nach Hause.” Mehr sagte sie nicht, als sie ihre Jacke nahm und Richtung Ausgang ging.
Paul wischte sich noch einmal mit den Händen durchs Gesicht, packe die restlichen Sachen zusammen und ging hinter ihr her.
Tara saß auf dem Beifahrersitz und schaute aus dem Fenster. Sie hatte den Rücken zu ihrem Vater gedreht und ließ die Bäume und Wiesen an ihr vorbeiziehen als würden sie gar nicht existieren. Alles schien grau in grau mit einander zu verschmelzen. Auf dem Hinweg hatten sie sich noch über das traumhafte Spätsommerwetter unterhalten, über die ersten Blätter, die sich orange und rot färbten, während die Sonne alles in einen gold-gelben Glanz hüllte. Jetzt sagte keiner der beiden ein Wort, das Einzige, was zu hören war, war das schwere Atmen von Paul und Bill Haley, der um die Uhr rockte. Ein dicker, weißlicher Nebel schien sich über die Felder aus zu breiten. Schien geradewegs auf Tara zuzuschleichen, als wollte er sie verschlucken und nie wieder frei geben. Unbemerkt löste sich eine dicke Träne und rollte ihr über die Wange. Sie wischte sie nicht weg.
“Schönes Leben noch", sagte Tara, als sie zu Hause angekommen waren und stapfte Richtung Haustür. Sie schaute ihren Vater nicht an.
*
Tara riss die Tür auf und stürmte geradewegs in ihr Zimmer. Andrea stand im Flur, schaute ihrer Tochter hinterher und zuckte zusammen, als die Zimmertür ins Schloss knallte.
»Und wie lief’s?”, fragte sie, als Paul im Hauseingang erschien.
“Ist das jetzt dein Ernst?”
“Nein, ich denke, ich weiß auch so, dass du unserer Tochter das Herz gebrochen hast.”
“Andrea bitte, fang jetzt nicht so an.”
“Wartet nicht jemand in Stuttgart auf dich?” Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf die Koffer im Flur.
“Willst du das wirklich?”
“Du bist doch derjenige, der geht.” Sie blieb ruhig und gefasst, als wäre ihr das alles egal aber ihre Augen sagten etwas anderes.
“Ja, aber doch nicht so. Wir waren uns doch einig, dass uns ein Abstand guttut.“ Er kam näher, Andrea wich zurück.
„Wir haben darüber gesprochen, ob das eine Möglichkeit ist, und dann kamst du mit deiner neuen um die Ecke.“ Ihre Stimme wurde mit jedem Wort brüchiger. So hatte sie sich das vor 14 Jahren nicht vorgestellt.
„Aber du warst doch dafür, dass ich mich bewerbe.“
„Ich meinte nicht den neuen Job.“ Mit festem Blick schaute sie ihn an.
„Ach so“, Pauls senkte den Blick und knetet seine Hände, „Du hast recht, das war nicht fair. Wir haben über eine Pause geredet und ich habe scheiße gebaut. Aber ich hätte die Stelle auch angenommen, wenn Sandra nicht wäre.“ Er schaute zu Andrea, versuchte irgendwas in ihrem Blick zu finden, was die Situation vielleicht erträglicher machen konnte. Sie blickte regungslos durch ihn hin durch, den Namen erneut zu hören, machte alles noch wirklicher. Vielleicht hatte sie gehofft, dass es alles nur ein böser Scherz war, eine fiese Rache für die vielen Streitigkeiten und die vielen unachtsam gesagten Worte von ihr, doch das war es wohl nicht. Sie war bewegungsunfähig und hatte das Gefühl, ihr wurden die Stimmbänder raus gerissen, nur ein leises, ersticktes Krächzen kam aus ihrem Hals.
Paul nutze die Chance, ging einen Schritt auf die zu und fasste sie an den Schultern.
„Und die Idee, mit der neuen Stelle, fandest du gut, dass jeder ein bisschen mehr Raum für sich hat und man so vielleicht merk, was einem wirklich wichtig ist. Nachdenken können, befreit vom streitlastigem Alltag.
„Ist das dein Ernst?“ Sie riss die Hände in die Höhe. „Du bist befreit. Ich sitze immer noch hier und werde jeden Tag an dich erinnert. Nichts mit befreit nachdenken.“ Sie schaute ihm fest in die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust.
"Andrea …", er setzte an, hielt einen Moment inne und senkte den Kopf, als er wieder hoch schaute, hatte sich seine Miene verdunkelt.
„Du hast wieder getrunken!“
Sie riss die Augen auf, ihr Mund öffnete sich leicht, ging dann aber sofort wieder zu. Sie drehte den Kopf weg, ertrug seinen durchbohrenden Blick nicht. Was maß er sich an, sie deswegen zu verurteilen.
An diesem Tag.
An dem Tag, wo er ihr nicht nur gesagt hat, dass er sich trennen will - von wegen Pause - sondern zu dem noch gesteht, seit Monaten eine Affäre zu haben.
„Ja und? Was geht es dich noch an, was ich tue.“
„Was es mich angeht? Du bist mir doch nicht von heute auf morgen egal und wie oft habe ich dir gesagt, dass das so nicht geht. Du hast Kinder, du hast Verantwortung, wenn das nicht klappt, dann …“ Er musste sich zügeln nicht loszuschreien.
„Was ist dann? Sprich dich ruhig aus.“ Andrea konnte sich nur schwer zügeln und wurde immer lauter.
„Du musst dir helfen lassen, sonst werde ich die Kinder zu mit holen.“
„Versuch das und du wirst mich kennenlernen. Meine Kinder kriegst du nicht.“
„Es sind unsere und wenn du so weiter machst, sind sie bei dir nicht gut aufgehoben.“
Andrea schnappt nach Luft. Wut kriecht ihr die Kehle hoch, doch oben angekommen ist nur ein leises Wimmern zu hören. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie dreht sich weg, will nicht, dass er sie so sieht. Nicht mehr. Früher hätte sie sich in seinen Arm gerettet jetzt fühlte sie sich einsam.
„Andrea. Wie oft haben wir darüber gesprochen? Und dann wunderst du dich, dass ich gehe?“ Er ging einen Schritt auf sie zu, wollte sie an den Schultern zu sich umdrehen, doch sie wand sich unter seinen Händen weg und funkelte ihn an.
„Und wie oft habe ich versucht, dir zu erklären, wieso ich das tue? Aber es interessiert dich nicht, du willst es nicht verstehen.“
„Das ist doch keine Lösung, du musst dir helfen lassen, aber du stellst auf stur und flüchtest dich in lahme Ausreden. Ich habe dir meine Hilfe angeboten. So oft habe ich dir meine Hilfe angeboten und immer gab es irgendeinen ach so wichtigen Grund dafür aber Hilfe, nein, die brauchst du nicht.“
Eine Zeit lang standen sie im Flur vor einander und schwiegen sich an. Andreas Kopf war rot. Sie hörte ihr Blut rauschen, doch ihre Atmung war ruhig, zu ruhig. Wie der Wind der kurz vor einem Sturm noch einmal abebbt, um seine Kräfte zu sammeln.
„Verschwinde, Paul. Verschwinde zu deiner Sandra.“
„Ja flüchten, das kannst du. Dich aus der Situation ziehen, bloß keine Verantwortung übernehmen. So wie immer. Es ist wirklich besser, wenn ich gehe. Mit dir diskutieren macht keinen Sinn.“
Andrea reagierte nicht, sie verschränkte die Arme wieder vor der Brust, stand ihm gegenüber und deutete mit einer Kopfbewegung auf seine Koffer.
"Wo ist Elin?", fragte er, „ich will mich noch verabschieden.“
“In ihrem Zimmer.”
Paul drängte sich an Andrea vorbei, die nur widerwillig Platz in dem schmalen Flur machte und klopfte vorsichtig an Elins Tür.
“Möhrchen? Darf ich rein kommen?” Vergeblich wartete er auf eine Antwort. Langsam öffnete er die Tür. Elin lag auf ihrem Bett und schlief. Den Stofffuchs im Arm, gerötete Wangen, tiefe Augenringe, die ein so junges Mädchen nicht haben sollte. Pauls Augen wurden glasig. Das hatte er nicht gewollt.
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
“Es tut mir sehr leid, Möhrchen. Ich versuche, es wieder gut zu machen, versprochen.”
“Versprich ihr nichts, was du nicht halten kannst und jetzt lass sie, bevor du sie noch weckst.” Andrea war in der Tür aufgetaucht. Sie sah abgespannt aus. Ihre Haut war fahl und es wirkte so, als wäre das ein oder andere Fältchen auf ihrer Stirn dazu gekommen.
Paul stand auf und folgte ohne weiteren Kommentar ihrem Wunsch, das Zimmer zu verlassen.
Als er wieder zur Haustür gehen wollte, blieb er an Taras Zimmer stehen.
„Tara? Spätzchen? Können wir noch einmal reden bevor ich fahren?“
„Verschwinde endlich, ich will dich nie wieder sehen.“
Er schreckte von der Tür zurück, schaute Andrea mit großen Augen an. Mit dieser Reaktion hatte er wohl nicht gerechnet. Langsam ging er zu seinen Koffern, bliebt stehen und seufzte, dann drehte er sich zu Andrea um.
“Ich würde mich freuen wenn wir irgendwa…"
"Sag es nicht.” Andrea wendete den Blick ab und hob die Hand.
"Es ist nur …” Paul blickte sie an. Es hatte keinen Sinn, diesen Satz zu Ende zu bringen und weiter mit ihr zu streiten. „Ich hoffe wirklich, dass du dein Problem in den Griff bekommst. Es täte mir leid dir die Mädchen weg zunehmen. Bitte lass dir helfen.“
Andrea schaute ihn an, sagte aber kein Wort, verzog keine Miene in ihrem Gesicht. In ihren Augen lag Kälter und Paul bekam eine Gänsehaut.
Ohne einen weiteren Kommentar nahm er seine Koffer und ging zu seinem Auto.
Kurz danach fiel die Haustür ins Schloss.