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Am anderen Ende der Welt (Rewrite)

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07.05.2004
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Am anderen Ende der Welt (Rewrite)

Er kam mit dem Regen, mit einem Wolkenbruch, in mein Leben.
Ich flüchtete mich unter eine große Buche. Atemlos kam ich unter dem Baum an und da stand er und sah mich an. Seine Augen waren von einem so intensiven Blau, als kämen sie direkt aus einem Malkasten.
„Ich heiße Jano“, sagte er.
„Matilda“, antwortete ich und gab ihm meine Hand.
Ich mochte, wie seine sich anfühlte. Ganz warm und ein bisschen rau.
„Kaffee?“, fragte er. „Er ist zu stark und viel zu süß, aber so mag ich ihn.“
Er wartete meine Antwort nicht ab, goss mir Kaffee aus der Thermoskanne in einen Becher und reichte ihn mir. Unsere Finger berührten sich.
„Danke“, flüsterte ich und konnte nicht aufhören ihn anzusehen.
„Ich gehe hier oft spazieren, aber ich habe dich noch nie gesehen“, sagte ich.
„Ich bin nur noch selten hier“, antwortete er. „Aber wenn ich Zeit habe, gehe ich gerne an den Lech.“ Er deutete mit dem Kinn Richtung Angel. „Ich angle immer mit leerem Haken. Das ist gut zum Entspannen.“ Er grinste und zuckte mit den Achseln, als wollte er sich bei mir entschuldigen.
Ich fing an zu lachen. „Warum macht man denn sowas?“
„Weil man Mitleid mit den Fischen hat“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, frage ich mich gerade, warum ich dir das erzähle. Ich klinge wie ein kompletter Idiot.“
Eine Windbö peitschte uns den Regen ins Gesicht und wir rückten enger zusammen, unsere Köpfe waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
„Ganz und gar nicht“, sagte ich. Plötzlich wollte ich die Hand ausstrecken und ihm über das nasse Haar streichen.

Wir trafen uns noch am selben Abend in einer Bar.
Er saß schon da, als ich kam, war in die Karte vertieft. Bei meinem Anblick lächelte er. Ich lief ein bisschen zu hastig an seinen Tisch, verhaspelte mich bei der Begrüßung und spürte, wie ich rot anlief.
Wir redeten über alles und nichts. Tauschten Belanglosigkeiten aus. Wie alt bist du? Was arbeitest du? Er erzählte mir von seiner Arbeit als Tischler und dass er nie neue Dinge anfertigte, weil er so gut restaurieren konnte.
Ich hörte ihm gerne zu, mochte die Begeisterung, die aus seinen Worten sprach, liebte das Spiel seiner Hände, mit denen er seine Worte unterstrich. Ich sah ihn an und fand ihn wunderschön. Das dunkelblonde Haar. Die blauen Augen. Die Bartstoppeln an seinen Wangen. Das markante Kinn. Die sonnengebräunte Haut. Die muskulösen Arme.

Die Bar schloss, doch wir wollten uns noch nicht trennen. Wir liefen ziellos durch die Straßen. Ich sprach mit ihm über meine Arbeit im Kindergarten, unterhielt ihn mit lustigen Anekdoten und erzählte ihm von der kleinen Anne und ihrem Kampf gegen die Leukämie.
Es regnete noch immer, bald waren wir völlig durchnässt und ich zitterte. Er nahm meine Hand. Oder nahm ich seine?
Ich vergrub meine Finger in seinem Haar, presste meine Lippen auf seine und küsste ihn, wie ich noch niemals jemanden geküsst habe. Und dann gingen wir zu mir nach Hause.

„Was hast du mit mir gemacht?“, flüsterte er später. Wir lagen im Bett, er rückte ein Stück von mir ab, sah mich an und wirkte dabei, als wollte er eine schwierige Gleichung lösen.
„Was ist?“, fragte ich ihn.
„Wenn ich das wüsste“, sagte er. Er zeichnete mit den Fingern die Linie meiner Wange nach.
„So weich “, flüsterte er. Er drückte mich fest an sich und ich hatte das Gefühl, er wollte sich festhalten.
„Wir sollten irgendwohin fahren“, sagte er.
„Wohin denn?“
„Ich weiß nicht. Wie wär´s mit Köln?“ Er grinste.
„Bist du bescheuert? Das ist doch viel zu weit.“
„Komm schon. Übers Wochenende“, sagte er.
„Also gut“, antwortete ich.
„Dann lass uns aufstehen“, sagte er.
„Jetzt?“
„Jetzt.“

Im Auto redeten wir darüber, was wir uns ansehen wollten. Das Schokoladenmuseum. Den Dom. Manchmal legte er eine Hand auf meinen Schenkel und dann kribbelte es in meinem Bauch, als hätte ich zu viel Sekt getrunken. Jano liebte Fußball und wollte das Rhein-Energie-Stadion sehen und dann hielt er mir einen langen Vortrag über den FC und die Fortuna.

Letztendlich haben wir nichts von alldem gemacht. Das einzige, was wir von Köln sahen, war das Zimmer unseres Hotels.

***

Es war unglaublich laut. Wir waren so viele, sie nur wenige.
Die Demonstranten hatten Trillerpfeifen dabei, schlugen auf Trommeln und brüllten. Wir drängten uns in einer engen Gasse in der Altstadt zusammen. Ich widerstand der Versuchung, mir die Ohren zuzuhalten.
Yasemin versuchte mir etwas zu sagen, doch ich konnte sie nicht verstehen.
Nazis raus. Nazis raus. Die Masse brüllte, ich brüllte mit.
Die Braunen waren nicht viele, vielleicht zwanzig Leute. Sie standen dicht gedrängt da, viele mit dem Rücken zu uns. Die Kundgebung der NPD begann. Ein Redner sprach in ein Mikrofon, ich konnte sehen, dass sich seine Lippen bewegten, aber ich konnte kein Wort hören. Und das war gut. Deshalb waren wir hier.
Ich war oft auf diesen Demos. Ich fand es wichtig, dass die Nazis nicht ungestört durch unsere Stadt laufen und ihren Müll verbreiten konnten. Ich fand es wichtig, ein Zeichen zu setzen.
Die Demos entwickelten stets ihre eigene Dynamik. Die Menge heizte sich gegenseitig auf und was dabei herauskam, war der pure Hass.
Manchmal erschrak ich über mich selbst. Manchmal, da wollte ich den Braunen bloß noch an die Gurgel. Alle wollten das. Und es waren nur Absperrungen und Polizeiketten, die uns davon abhielten.
Und genau so war es auch an diesem Tag.

Und dann sah ich ihn. Jano.
Ich glaube, er entdeckte mich im gleichen Moment. Unsere Blicke trafen sich. Ich konnte meinen Namen auf seinen Lippen lesen. Die Geräusche traten in den Hintergrund. Ich spürte einen Druck auf der Brust und hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die Erde kippte und ich klammerte mich an Yasemin fest.
Sie schrie mich an. Ich sah, dass Jano sich in Richtung der Absperrung bewegte. Die Polizisten hielten ihn fest, er redete auf sie ein, doch sie schüttelten den Kopf und drängten ihn zurück.
Ich verlor ihn aus den Augen, Yasemin schob mich vor sich her, aus der Menschenmenge heraus.

Wir liefen ein Stück die Straße entlang, ich ließ mich auf den Gehweg gleiten.
„Was ist los mit dir?“, fragte Yasemin.
Mir wurde übel und ich musste mich übergeben. Irgendwann war mein Magen leer.
Yasemin reichte mir ein Taschentuch.
„Komm, ich bringe dich nach Hause.“
Sie stand auf, ging ein paar Schritte weit. „Yasemin?“, rief ich und sie blieb stehen, sah mich fragend an.
„Ich habe Jano gesehen“, sagte ich.
„Echt?“ Sie lächelte. „Geht´s dir wieder gut? Wollen wir ihn suchen?“
Ich wollte ihr alles sagen, aber die Worte waren zu groß und kamen nicht heraus. Yasemin kapierte nichts und als sie es dann verstand, wurde ihr Mund zu einem kleinen, schmalen Strich.
„Er steht auf der anderen Seite“, stellte sie fest.
Ich nickte.
Sie sah mich lange an, sagte kein Wort. Und auch ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Hast du das gewusst?“, fragte sie schließlich.
„Natürlich nicht.“ Langsam stand ich auf, meine Beine fühlten sich noch weich an.
„Das gibt´s doch nicht! Habt ihr euch nie unterhalten?“
Sie war um Freundlichkeit bemüht, aber das letzte Wort warf sie mir vor die Füße.
„Nicht über sowas.“
„Klar“, sagte sie langgezogen. „Ist ja auch nicht wichtig.“
Sie übertünchte das Giftige in ihren Worten mit einem Lächeln und ich hatte keine Lust mehr auf Erklärungen.

Zu Hause verkroch ich mich in meinem Bett, zog mir die Decke über den Kopf. In meinem Kopf ging ich all unsere Begegnungen durch. Ich fand Bilder und Worte. Ich zerteilte die Worte, setzte sie neu zusammen und fand trotzdem keine Hinweise. Ich hoffte auf einen Irrtum, doch ich glaubte nicht daran.

Irgendwann am Abend klingelte es an meiner Tür. Es war Jano.
Er stürmte die Treppen hoch, stand schwer atmend vor mir. Er war blass.
„Ich muss mit dir reden“, sagte er.
Er kam auf mich zu und ich wollte ihn umarmen. Stattdessen verschränkte ich die Arme vor meiner Brust.
„Das kommt vielleicht ein bisschen zu spät, oder?“
„Können wir rein gehen? Das ist doch alles bescheuert, so zwischen Tür und Angel.“
„Mir ist gerade nicht nach einem gemütlichen Kaffeekränzchen!“, fauchte ich. „Warum hast du nie etwas gesagt?“
„Das hat sich doch nie ergeben. Und du hast nie danach gefragt!“
„Sorry, mein Fehler. Das habe ich wohl vergessen.“
„Matilda“, flüsterte er und kam einen Schritt auf mich zu. Ich wich noch weiter zurück, drückte mich an die Wand. Er stand ganz dicht vor mir. Ich war so wütend, wollte ihn anschreien, am liebsten auf ihn einprügeln. Und zugleich erregte mich seine Nähe und ich wurde noch wütender.
Er spürte den Umschwung sofort und presste seinen Mund auf meinen. Als ich seine Zunge in meinem Mund spürte, musste ich stöhnen, doch dann biss ich ihm fest auf die Lippe und schob ihn weg.
„Spinnst du?“ Er fasste mit seinen Fingern an die Lippe und zeigte mir das Blut darauf.
„Ich habe einen Nazi gevögelt“, sagte ich.
„Jetzt bin ich bloß noch der Nazi, oder was?“
„Du weißt gar nicht, was das für mich heißt.“
„Was heißt es denn?“
„Ich hasse Nazis. Den ganzen Faschismus. Eure Denkweise widert mich an. Diese idiotischen Argumente. Dieses Rassedenken. Wie krank ist das bitte, sich als Deutscher allen anderen überlegen zu fühlen? Und von eurer Vergangenheit will ich gar nicht erst anfangen, das ist ein Fass ohne Boden.“
„Matilda, lass uns bitte in Ruhe reden. Bitte.“
„Warum denn reden? Lass uns doch einfach wieder ficken, das können wir am besten! Wenigstens eine Sache, die uns verbindet.“
„Ich kann eine Bettgeschichte von etwas anderem unterscheiden. Du anscheinend nicht.“
Er drehte sich um und riss die Tür auf.
„Bitte bleib“, hörte ich mich sagen und hielt ihm am Arm fest.
„Fass mich nicht an!“
Ich zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Er atmete mehrmals tief aus und ein.
„In Ordnung“, sagte er schließlich „Aber dann lass uns in Ruhe reden. Bitte.“

Ich zögerte, nickte dann.
Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns auf dem Sofa möglichst weit auseinander.
„Warum … bist du so einer?“
Er seufzte. „Was für einer bin ich denn, Matilda?“
„Du glaubst an ein menschenverachtendes System. Du denkst, du bist besser, weil du Deutscher bist. Am Ende hast du noch eine Hakenkreuzfahne in deiner Bude hängen.“ Meine Stimme überschlug sich fast.
„Habe ich nicht.“
„Woher soll ich das wissen? Du hast mich ja nie zu dir eingeladen und jetzt weiß ich auch warum.“
Ich sprang auf und ging im Zimmer hin und her. „Wahrscheinlich bestreitest du, dass der Holocaust je stattgefunden hat.“
„Es gibt viele Gründe, warum ich so denke, wie ich denke!“
„Zum Beispiel?“
„Ganz ehrlich, Matilda – fühlst du dich hier noch zu Hause? Wir verlieren unsere deutsche Identität. Nennt ihr St. Martin in deinem Kindergarten auch Sonne-Mond-und-Sterne-Fest, damit ihr ja keinem einzigen Türken ans Bein pinkelt? Diese ganzen Kanaken, die scheißen echt auf unsere Kultur. Die finden hier alles zum Kotzen und sind nur scharf auf die Sozialleistungen. Viele sagen das sogar ganz offen, aber wir schieben denen trotzdem weiterhin die Kohle in den Arsch.“
„Wenn du nicht in einem normalen Tonfall redest, höre ich dir gar nicht mehr zu.“
Jano war inzwischen auch aufgestanden und lief herum. Sein Kopf war ganz rot geworden und er untermalte seine Worte mit Gesten.
„Wir leben in einem Land, in dem es inzwischen schon verboten ist, sich überhaupt mal Gedanken zu machen oder auch nur den Anflug einer Kritik zu äußern.“
„Das ist doch Blödsinn.“
„Hör mir mal zu!“, fuhr er mich an. „Stell dir vor, dich lädt jemand zu sich nach Hause ein. Du freust dich darüber, du bringst vielleicht ein kleines Geschenk mit. Du überreichst es dem Gastgeber, dann ziehst du dir die Schuhe aus. Der Gastgeber zeigt dir seine Wohnung, du siehst dir höflich alles an. Du möchtest vielleicht rauchen, aber du weißt, dass dein Gastgeber das nicht möchte, also tust du es nicht. Oder?“
„Darum geht es doch gar nicht.“
„Darum geht es sehr wohl! Also, würdest du dich daran halten?“
„Ja, aber …“
„Und die Türken, die hier herkommen, die halten sich nicht an unsere Regeln. Denen ist das alles völlig egal. Im Gegenteil: Die scheißen uns hier an die Wände und irgendwie finden das alle ganz in Ordnung.“
„Jano“, unterbrach ich ihn. „So einfach ist das nicht.“
„So einfach ist das eben schon. Ich habe das so satt. Hier merkt doch schon gar niemand mehr, was eigentlich läuft. Für alles und jeden wird eine Entschuldigung gefunden. Wenn irgendein Kanake hier ne Frau vergewaltigt, dann ist mir scheißegal, ob er als Kind mal verprügelt worden ist! Würde mich bloß mal interessieren, ob du auch so tolerant wärst, wenn es dich selbst betrifft. Wenn so ein Türke zum Beispiel deine Schwester vergewaltigt. Würdest du das dann auch noch entschuldigen?“
„Nein, das würde ich nicht. Aber ich würde auch nicht daraus schließen, dass alle Türken potentielle Vergewaltiger sind.“
„Nein, alle nicht. Aber wenn du dir mal die Statistiken ansiehst, dann wird auch ziemlich schnell klar, wo hier das Problem liegt.“
„Komm mir jetzt bloß nicht mit sowas. Ich habe keine Lust, mir irgendwas Pseudowissenschaftliches anzuhören.“
Er kam auf mich zu, stand ganz dicht vor mir und ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
„Warum nicht? Weil ich recht habe? Weil dir das nicht gefällt? Weil dir nichts mehr einfällt?“
„Weißt du – wir könnten hier stundenlang darüber reden und ich würde dich trotzdem nicht verstehen. Und du würdest mich wahrscheinlich auch nicht verstehen. Das zwischen uns ist einfach unüberbrückbar. Das ist ja nicht so, als hätten wir eine kleine Meinungsverschiedenheit. Es ist nicht so, als hättest du einfach nur ein Hobby mit dem ich nichts anfangen kann! Du glaubst an eine völlig andere Welt und ich kann das nicht ignorieren. Das zwischen uns geht einfach nicht.“
Seine Schultern sackten nach vorne und er starrte mich an. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Viele. Ich erwiderte seinen Blick. Irgendwann erhärteten sich seine Gesichtszüge.
„Wie du meinst.“
Er stand auf und ging. Ich hörte, wie er die Tür aufriss und sie wieder zuwarf. Und dann war ich allein.

Ich versuchte, ihn zu vergessen.
Es hätte leicht sein sollen, weil ich ihn noch nicht so lange kannte – aber das war es nicht.
Wieder und wieder schlich er sich in meine Gedanken.
Ich versuchte, ihn zu hassen, rief mir seine Worte ins Gedächtnis und dachte an all das, was zu seinem Weltbild gehörte. Ich konnte den Nazi hassen, aber nicht ihn.
Ich funktionierte. Ging zur Arbeit. Spielte mit den Kindern. Traf mich mit Freunden. Lachte, wenn ich lachen musste. Alles andere schloss ich tief in mir ein.

Yasemin war die einzige, die wusste, was passiert war. Sie war froh, dass ich ihn los war und verständnislos, was meine Trauer anging.
„Du hast dich nicht wirklich in ihn verliebt. Das war nur eine Illusion, Matilda.“
„Und wenn es genau andersherum ist?“, fragte ich. „Wenn ich mich in ihn verliebt habe und das Drumherum die Illusion ist?“

Einige Wochen später klingelte es an meiner Tür. Es war Jano.
Er war ganz blass, abgemagert und unter seinen Augen hingen dicke Ringe. Ich konnte nicht anders, ich fiel ihm in die Arme. Drückte ihn so fest an mich, dass es schmerzte. Und so blieben wir ganz lange stehen. Und dann drängte Jano mich ins Schlafzimmer.
Danach fühlte ich mich schmutzig.
„Wir haben einfach keine Gemeinsamkeiten und Sex reicht einfach nicht aus. Worüber sollen wir uns unterhalten? Wo sollen wir miteinander hingehen?“, fragte ich.
„Welche Partei wählst du?“
„Jano, ich hab keine Lust …“
„Welche Partei wählst du?“
„Die Grünen“, antwortete ich.
„Und … redest du deshalb nur über die Energiewende? Interessierst du dich nur für Umweltschutz?“
„Das ist etwas anderes.“
„Warum ist es etwas anderes?“
„Weil ich finde, dass rechts sein nicht nur eine Partei, sondern eine Lebenseinstellung ist. Wenn du sagst, dass du Atomenergie toll findest, werde ich dir widersprechen, aber ich könnte damit leben. Aber wenn du irgendwelchen rassistischen Scheiß von dir gibst, kann ich das nicht.“
„Vielleicht gibt es ein paar Themen, über die wir einfach nicht reden.“
„Das geht nicht, Jano. Es geht nicht darum, ob wir darüber reden. Du wirst an diese Dinge glauben – egal ob wir davon reden oder nicht. Das ist alles so absurd. Meine beste Freundin ist Türkin – wie findest du das?“
„Ich finde da gar nichts.“
„Magst du sie kennenlernen?“
„Nicht unbedingt“, sagte er.
„Siehst du nicht, wie komisch das ist? Sie ist meine beste Freundin und du willst sie nicht kennenlernen.“
„Viele Männer können die beste Freundin ihrer Freundin nicht leiden.“
Es hätte mir egal sein sollen, aber das Wort „Freundin“ brachte mich für einen Moment aus dem Tritt. Ein Lächeln stieg in mir auf, doch ich verschloss es ganz tief in mir.
„Aber du weißt nicht, ob du sie leiden kannst. Du schließt aufgrund ihrer Nationalität aus, sie leiden zu können. Das ist ein großer Unterschied.“
„Ich schließe es nicht aus. Wenn es dir wichtig ist, kann ich sie treffen. Ich nehme an, sie ist ganz nett.“
„Die meisten Türken sind ganz nett.“
„Das mag ja alles sein, aber die sind einfach anders als wir. Die sind darauf aus, hier eine neue Weltordnung zu schaffen. Die wollen, dass irgendwann alle Muslime sind. Die wollen uns ausrotten. Und hier haben sie´s ja auch wirklich leicht, weil…“
„Hör bloß auf mit sowas. Das sind Verschwörungstheorien.“
„Das sind keine Verschwörungstheorien! Die haben genügend Prediger, die das ganz offen verkünden.“
„Ich kann nicht fassen, dass ich so ein Gespräch mit dir führe. Ich habe darauf keine Lust.“
„Gut, dann lassen wir das.“
Ich setzte mich plötzlich auf. „Vielleicht wäre es gut, wenn du sie kennenlernst, Jano. Yasemin ist wirklich toll. Ihre ganze Familie ist toll. Sie laden mich oft zum Essen ein. Die sind so gastfreundlich. Du wirst sie auch mögen. Vielleicht hast du auch einfach schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kenne auch ein paar Türken, die totale Idioten sind.“
Die Worte sprudelten aus mir heraus und Jano sah mich aus halbgeschlossenen Augen an.
„Aber die meisten sind wirklich total nett, du wirst schon sehen. Wir können dir helfen, Jano. Ich habe mich informiert. Es gibt Stellen, an die du dich wenden kannst, wenn du aussteigen möchtest. Das ist nicht einfach, aber es geht. Ich helfe dir.“
Jano setzte sich auf. „Du checkst es nicht, oder? Ganz ehrlich, Matilda, ich hab doch auch nicht versucht, dich politisch umzubiegen. Oder?“
„Nein.“
„Warum machst du es dann? Ich bin kein Idiot, Matilda. Ich habe mir meine Meinung über lange Jahre gebildet. Du wirfst mir Vereinfachung vor, aber in Wirklichkeit tust du nichts anderes! Denkst du wirklich, ich bin rechts geworden, weil ich mal nen dämlichen Türken kennengelernt habe? Denkst du, ich werfe alles über Bord, weil ich mal bei der Mutter deiner Freundin Lahmacun esse?“
„Ich weiß nicht, was ich noch denken soll. Du musst doch sehen, wie verkehrt das alles ist.“
Ich nahm seine Hand in meine, drückte sie fest.
„Ich bin kein doofer kleiner Nazi, der mal ein paar Türken in seinem Viertel verkloppt. Damit habe ich nichts am Hut. Ich will eine neue Politikordnung schaffen, in den Menschen ein neues politisches Bewusstsein wecken! Ich will für mein Land das Beste.“
Obwohl ich wusste, dass es kindisch war, presste ich mir die Hände auf die Ohren. Sanft zog er sie von dort fort.
„Wir müssen nicht darüber reden, Matilda. Nicht mehr heute. Bitte gib uns noch eine Chance. Lass es uns versuchen. Bitte“, flüsterte er.
Ich zögerte. Ich wollte ihn und wollte ihn gleichzeitig nicht.
„Also gut“, sagte ich.

Und wir gaben unser Bestes. Wir gingen raus, gingen in den Zoo, lachten über die Schimpansen und fütterten die kleinen Enten. Wir liefen Hand in Hand am Lech entlang. Wir genossen das Haut an Haut.
Er zeigte mir seine akkurat aufgeräumte Wohnung und zog mich danach oft mit dem Chaos in meinen vier Wänden auf.
Wir fanden immer Gesprächsthemen. Jano wollte wissen, warum die Frauenwelt so fasziniert von einem Vampir namens Edward Cullen war. Er nahm mich mit ins Stadion und erklärte mir die Abseitsregel.
Diskussionen waren für ihn wie kleine Ringkämpfe und ich verlor fast immer gegen ihn.
Einmal nahm Jano mich mit in die Werkstatt und zeigte mir, woran er arbeitete. Er führte mich zu einem alten Sekretär aus Nussholz, den er gerade restaurierte. Er strich mit seinen Fingerspitzen über das Holz, erklärte mir, woher das Stück kam und was getan werden musste. Er erklärte mir die Details, seine Augen leuchteten und ich war stolz auf ihn.
Wir gingen allen Stolperfallen aus dem Weg und weil wir nie wussten, wo sie versteckt sein könnten, war unsere Welt zu zweit am Sichersten.

Eine Weile ging alles gut.
Wenn wir zusammen waren, war Jano für mich einfach Jano. Doch sobald ich allein war, kamen die Zweifel in mir hoch. Ich fragte mich, was er wohl tat. Mit wem er sich traf. Ob er nur rechtsgerichtet dachte oder ob er auch richtige Scheiße baute. Einmal wachte ich nachts schweißgebadet auf – in meinem Traum hatte Jano eine Dönerbude in Brand gesteckt. Und ich hatte ihn vor meinen Freunden verteidigt.
Unterstützte ich diese Ideologie nicht schon, indem ich mit ihm zusammen war? Indem ich nicht mit ihm darüber sprach? Indem ich nicht versuchte, ihn zu überzeugen?

Es war schön in unserem Kokon. Aber je mehr Zeit verging, desto stärker fühlte ich, dass es eben doch nur ein Kokon war. Ich wollte hinaus.
„Wir treten auf der Stelle“, sagte ich eines Abends zu ihm.
Er seufzte und sah mich an, als sei ich ein kleines Kind, das gerade eine Vase zerbrochen hatte.
„Wie meinst du das?“
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dich kenne und dann fällt mir wieder auf, dass ich fast gar nichts über dich weiß.“
„Du weißt mehr über mich als die meisten anderen Menschen. Denk doch mal an den leeren Angelhaken.“ Er lachte.
„Sowas meine ich nicht.“
„Was meinst du dann?“
Ich überlegte einen Moment. „Ich kenne keinen einzigen deiner Freunde.“
„Ich glaube nicht, dass du meine Freunde mögen würdest.“
„Warum?“
„Du weißt, warum du sie nicht mögen würdest und normalerweise meidest du das Thema, also fang jetzt bitte nicht damit an.“
„Aber das ist doch total unnormal!“
„Ach, Matilda! Wir kennen uns doch noch gar nicht so lange. Lass uns das einfach auf später verschieben.“
Das Thema arbeitete in mir und so beschloss ich eines Abends, ihn einfach unangekündigt zu besuchen.

Er öffnete seine Wohnungstür nur einige Zentimeter weit und spähte ins Treppenhaus.
„Ich bin´s“, sagte ich lahm.
Er blickte über eine Schulter in den dunklen Flur hinein. „Es ist gerade ein bisschen schlecht“, sagte er.
Meine Mundwinkel zuckten, aber das Begrüßungslächeln klebte noch immer in meinem Gesicht.
„Ich war gerade in der Ecke. Ist auch wirklich gar kein Problem, wir sehen uns dann morgen oder so.“
Plötzlich hörte ich Schritte.
„Was ist? Kommst du wieder?“‘ Ein junger Mann tauchte hinter dem Türspalt auf, sah mich und grinste.
„Ist sie das, Jano?“
„Das ist Matilda“, sagte Jano. „Sie wollte gerade gehen.“ Er öffnete seinen Mund kaum zum Sprechen, seine Kieferknochen bebten.
„Ein paar Minuten wird sie schon Zeit haben, oder? Wir sind schon gespannt auf sie.“
Jano atmete ein paar Mal tief aus und ein, schließlich öffnete er die Tür. Mein Blick blieb auf seinem T-Shirt hängen. „White is my favorite Colour“ stand darauf. Ich verdrehte die Augen
„Was?“, fragte er mürrisch. „Du bist schließlich einfach vorbei gekommen.“
„Ich kann auch gehen“, flüsterte ich.
Er schüttelte nur den Kopf und bedeutete mir, Stefan zu folgen. Der sah aus wie ein typischer Nazi: Glatze, Springerstiefel und ein Pullover der Marke Consdaple, auf dem etwas abgebildet war, dass wie der Reichsadler aussah.
In der Küche saßen noch zwei weitere Personen, ein pickliger Junge und eine Frau, die komplett in schwarz gekleidet war. Ich wollte die Piercings in ihrem Gesicht zählen, doch es waren so viele, dass es mir nicht gelang.
„Das ist Janos Freundin“, sagte Stefan.
Der Picklige grinste, die Frau sah mich nur ganz kurz an und raffte ein paar Unterlagen auf dem Tisch zusammen.
Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Die Männer musterten mich unverhohlen und ich fühlte mich wie nackt in meinem rotgepunkteten Kleid.
Jano warf den beiden einen Blick zu und sie sahen schnell in eine andere Richtung.
Das Schweigen zog sich in die Länge. „Wir arbeiten an einer Rede“, sagte er schließlich.
„Aha“, sagte ich.
„Was heißt Aha?“, fragte der Picklige. „Hast du was dagegen?“
„Bernd!“, fuhr Jano ihn an. Der Picklige lief rot an und hob entschuldigend die Hände.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und wünschte mich weit fort. „Was hört ihr da für Musik?“
„Das ist Frank Reinnike“, sagte die Frau. „Ein deutscher Liedermacher.“
„Deutscher Liedermacher“, - das klang so komisch, dass ich mich fast darüber lustig gemacht hätte. Aber ich ließ es dann. Die Musik klang nach Schlager, irgendwie ansprechend und überhaupt nicht so, wie ich mir rechte Musik vorstellte.
„Tja also – ich will euch auch gar nicht mehr länger bei der Arbeit stören. Ich gehe nur nochmal kurz um´s Eck, dann bin ich schon wieder weg.“

In der Toilette atmete ich tief durch und presste meinen Kopf gegen die kühlen Fliesen.
Dann starrte ich mein Spiegelbild an und wünschte mir, es könnte mir irgendeinen Rat geben. Stattdessen sah ich nur eine junge Frau mit rotem Gesicht und einem albernen Kleid. Ich schämte mich. Warum hatte ich ihnen nicht gleich meine Hilfe beim Schreiben der Rede angeboten?
„Jano ist nicht nett“, sagte ich leise. Mein Spiegelbild gab keine Antwort.

Als ich aus der Toilette kam, stand die Frau vor mir. Ich lächelte ihr zu, wollte mich an ihr vorbei schieben, doch sie versperrte mir mit einem Schritt den Weg.
„Auf dich war ich ja echt gespannt“, sagte sie und lächelte. Trotz des Lächelns sah sie aus, als wollte sie sich jeden Moment auf mich stürzen.
„Dich hab ich mir ja echt ganz anders vorgestellt“, sagte sie schließlich. „Ich hab gedacht, wenn da mal eine kommt, die den halten kann, dann muss sie echt das Superweib schlechthin sein.“ Sie lachte laut auf und ich bekam eine Gänsehaut. „Und stattdessen kommt da so ein Mädchen in ihrem beschissenen Kinderkleidchen.“
Sie kam noch näher. „Und ich reiß mir hier jahrelang den Arsch auf, dass der Wichser mich mal wieder anlächelt. Früher war ich ihm wenigstens zum Bumsen gut genug.“
Plötzlich riss sie ihr T-Shirt hoch, präsentierte mir den Blick auf ihren Bauch. Eine große Narbe in Form eines J schlängelte sich über ihren Bauch, rund um den Nabel.
„Ich habe den Arsch echt geliebt“, sagte sie. „Scheiße, ich liebe den Arsch immer noch.“
Sie starrte mich an. „Wir hatten mal sowas wie eine Beziehung. Ich hab ihn politisch immer unterstützt und er hat immer gesagt, wie wichtig das ist. Und dann kommt so eine wie du.“
Ihre Mundwinkel zitterten. „Lass ihn einfach in Ruhe“, zischte sie.

„Was ist hier los?“, konnte ich plötzlich Janos Stimme hören. Er tauchte hinter uns auf und sah uns an.
„Was soll die Scheiße schon wieder, Simone?“, schrie er, kam ein paar schnelle Schritte auf sie zu und schüttelte sie an der Schulter. Ihr Kopf flog hin und her als säße sie in einer Achterbahn. Sie begann zu schluchzen.
„Verpiss dich einfach! Ich kann dich nicht mehr ertragen!“ Er schob sie vor sich her und drängte sie Richtung Ausgang. Sie ließ sich auf den Boden fallen. Wie ein Hund kniete sie vor ihm und blickte zu ihm hoch. „Bitte nicht, Jano“, flehte sie.
Er gab ihr noch einmal einen kräftigen Stoß und sie kippte um.
Sie knallte mit dem Kopf auf den Boden und das unschöne Geräusch riss mich aus meiner Erstarrung.
„Lass sie in Ruhe“, schrie ich ihn an.
Jano fuhr herum und sah mich so erstaunt an, als hätte er meine Anwesenheit komplett vergessen.
Simone lag noch immer auf dem Boden und schluchzte.
„Wir werden jetzt gehen“, schrie ich ihn an.
„Was ist denn hier los?“, fragte Stefan, der plötzlich hinter Jano auftauchte.
„Ihr seid echt komplette Vollidioten!“ In diesem Moment war mir alles egal.
„Komm“, sagte ich zu Simone. „Wir gehen.“
Sie rappelte sich mühsam auf und schluchzte so sehr, dass sie kaum gehen konnte.
„Matilda“, hörte ich Janos Stimme. Doch ich zeigte ihm nur noch den ausgestreckten Mittelfinger.

„Wenn du reden möchtest, können wir irgendwohin gehen“, sagte ich zu Simone als wir draußen waren.
„Glaub bloß nicht, dass ich auf eine wie dich gewartet habe“, sagte sie und ging davon.

Einen Moment lang stand ich ratlos da. Ich wünschte mir, ich hätte Jano niemals kennengelernt. Der Augenblick verstrich und ich beschloss, in eine Kneipe zu gehen.
In Filmen landet man immer in einer Spelunke, in der es einen mitfühlenden Barkeeper gibt, dem man seine Lebensgeschichte erzählen kann. Mein Barkeeper beachtete mich kaum und als ich ein Gespräch beginnen wollte, winkte er nur ab und lief woanders hin.
Ich bestellte mir einen Schnaps, kippte ihn schnell herunter und gleich den zweiten hinterher. Und den dritten. Und den vierten. Irgendwann wurde mir wieder warm im Bauch. Fünf Schnäpse später fing ich an zu weinen, der Barkeeper erbarmte sich und bestellte mir ein Taxi.

Ich wankte auf das Haus zu und mühte mich mit dem Haustürschlüssel ab. Plötzlich war Jano hinter mir.
„Du!“, schrie ich ihn wütend an und begann wieder zu weinen. Er sagte nichts, nahm mir den Schlüssel aus der Hand und öffnete die Tür.
Als ich kotzend über der Kloschüssel hing, hielt er mir die Haare aus dem Gesicht.


Am nächsten Morgen stritten wir.
„Ich bin gestern durchgedreht, Matilda. Das tut mir leid. Aber die nervt mich schon seit Jahren. Ich will die loswerden, aber dann bettelt sie mich wieder an. Du kannst dir das nicht vorstellen. Bei mir sind dann einfach ein paar Sicherungen durchgebrannt.“
„Passiert dir das öfter?“, fragte ich ihn. Meine Stimme klang giftig.
Er schüttelte den Kopf, fixierte einen Punkt an der Wand hinter mir.
„Das war gestern einfach zu viel. Dass die schon wieder da war, dass du dann einfach aufgetaucht bist. Diese komische Szene.“
Mein Kopf tat weh. Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn. Ich wollte ihm so gern glauben und zugleich wollte ich es nicht.
„Ich kann das nicht mehr, Jano.“
„Du hast ja auch recht“, sagte er schließlich. „Wir müssen auch mal einen Schritt weitergehen. Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht meine Eltern kennenlernen möchtest?“
Immer wenn er mich so anblickte, so von unten herauf, sah er aus wie ein kleiner Junge.
Ich versuchte, in mir ein bisschen Stärke zu finden. Wenigstens genug, ihm zu sagen, er solle verschwinden. Aber da war nichts Starkes, sondern nur mein dummes Herz, das in seiner Gegenwart Saltos schlug.

Janos Eltern wohnten im Allgäu und er schlug vor, den Besuch mit einer Wanderung zu verbinden. Im Auto versuchte er immer wieder, ein Gespräch anzufangen, aber da meine Antworten nur kurzsilbig waren, gab er es bald auf.
In meinem Kopf arbeitete es. Was wusste ich schon von ihm? Wieder und wieder dachte ich daran, wie er diese Simone behandelt hatte. Ich fragte mich, woher sie sich kannten. Was zwischen ihnen gelaufen war. Warum sie immer noch an ihm hing. Ich dachte an seine Freunde und das beinahe unterwürfige Verhalten, das sie ihm gegenüber an den Tag legten.

Die vielen Gedanken bereiteten mir Kopfschmerzen und ich war froh, als Jano den Parkplatz in Oberstauffen ansteuerte. Er hatte eine Rundwanderung über den Gipfel des Denneberg ausgesucht. Wir liefen schweigend los, mir fiel einfach nicht ein, was ich sagen sollte und ich fragte mich, ob die Wanderung eine gute Idee war. Während wir den Serpentinenweg hochliefen, geriet ich bald außer Atem. Ich warf einen Blick auf Jano, er sah immer noch frisch aus und sein Atem ging kaum schneller.
„Was ist los? Machst du schon schlapp?“, neckte er mich.
„Ich hab mit einer kleinen Wanderung und nicht mit einer verdammten Bergtour gerechnet.“
Je höher wir kamen, desto mehr genoss ich unseren Ausflug. Die Aussicht war grandios und sie Sonne schien.
„Schau“, sagte Jano plötzlich. „Da ist Eisenhut.“
Er bückte sich und zeigte auf eine blaue Pflanze. Ich wollte sie anfassen, doch er hielt meine Hand fest. „Nicht“, sagte er. „Die ist sehr giftig.“
Er schulterte seinen Rucksack ab und zog ein vergilbtes Buch hervor. Er öffnete es und zeigte mir eine erstaunlich detaillierte Bleistiftzeichnung eines Eisenhuts.
„Schau, das habe ich vor ein paar Jahren gezeichnet. Die Blätter passen nicht richtig, sie sind in Wirklichkeit viel weniger spitz. Würde es dich stören, wenn ich das nochmal male.“
„Nur zu“, sagte ich. Er setzte sich auf die Wiese und ich ließ mich neben ihm nieder. Er zeichnete mit gerunzelter Stirn, sah immer wieder auf die Pflanze und dann auf das Papier. Und ich versuche wieder einmal, diesen Jano mit dem anderen Jano in Einklang zu bringen.
Irgendwann war er fertig und zeigte mir seine Zeichnung. Sie war wunderschön. Ich nahm ihm das Buch aus der Hand und blättere darin. Überall diese Bleistiftzeichnungen. Manche sahen noch sehr ungelenk aus und schienen schon sehr alt zu sein.
„Ein altes Hobby“, sagte er. „Ich war früher oft mit meinem Vater hier. Er ist begeisterter Bergsteiger und kennt sich mit der Pflanzenwelt hier im Allgäu aus wie kein anderer. Die meisten Leute finden, dass ich mich gut auskenne, aber gegen ihn weiß ich fast nichts.“
Plötzlich küsste er mich und in diesem Augenblick war ich einfach nur glücklich.

„Hitler war doch auch begeisterter Bergsteiger“, sagte ich irgendwann später.
Er blieb stehen und sah mich an. „Und?“
„Nichts.“
„Ich hab´s nicht so mit Hitler“, sagte er. „Ich bin keiner dieser Idioten, die noch in der Vergangenheit kleben. Mir ist das heute wichtig.“
Seine Worte schmiegten sich wie ein warmer Mantel um mich und ich kuschelte mich darin ein. Er dachte national, aber das hieß ja nicht, dass er sonst was machte. Vielleicht war er trotzdem einer von den Guten.

Janos Mutter hatte drei Kuchen gebacken. Sie konnte kaum stillsitzen, huschte immer wieder um uns herum, schenkte Kaffee nach und war in Sorge, dass uns irgendetwas fehlte.
Wir saßen uns im Wohnzimmer gegenüber. Ich fühlte mich unbehaglich, das Haus war so sauber, dass ich fürchtete durch meine bloße Anwesenheit alles durcheinander zu bringen.
Janos Vater wollte alles über mich wissen – woher ich kam, wo ich arbeitete, wie lange ich dort arbeitete, was meine Eltern machten.
Ich kam gar nicht auf die Idee, die Antworten zu verweigern. Janos Vater war ein großer Mann mit akkurat gescheiteltem Haar. Seine Stimme war laut und ich hatte sofort Respekt vor ihm.
Irgendwann fing Jano an zu lachen und sagte: „Komm Papa, lass jetzt gut sein.“
Sein Vater grinste und sagte: „Nichts für ungut, tut mir leid, wenn ich übertrieben habe.“ Dann fragte nach unserer Bergwanderung und erzählte selbst ein paar Anekdoten aus seinen Bergsteigertagen. Er konnte wunderbar erzählen, wir hörten im alle zu und er bestritt den Hauptteil der Unterhaltung allein.
„Margit, bitte richte eine kleine Brotzeit her“, sagte er irgendwann später und Janos Mutter sprang sofort auf und lief in die Küche.
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, atmete ich erst einmal kräftig durch.

„Wie fandst du es?“, fragte Jano mich im Auto.
„Anstrengend. Aber deine Eltern sind nett. Erzähl mir ein wenig von deinem Vater. Er ist ein interessanter Mann.“
„Ich habe immer viel mit meinem Vater gemacht. Wir waren in den Bergen, manchmal sogar mehrere Tage. Oder er hat mich mit zum Angeln genommen. Dafür habe ich schon damals nicht viel übrig gehabt, aber das Drumherum fand ich toll. Das Lagerfeuer und die Grillwürstchen. Er war Lehrer an meiner Realschule. Das hab ich manchmal ganz schön gehasst. Der hat ja immer alles mitbekommen. Er war ziemlich streng. Rauchen oder sowas hat er nie geduldet. Ich schätze, er war früher ein ziemlich guter Lehrer, aber in den letzten Jahren war´s wohl nicht mehr so toll – da gab´s mal richtig Ärger, weil er manche Sachen einfach nicht akzeptieren konnte. Smartphones und sowas. Ich glaube, die Kinder waren alle froh, als er dann endlich in Pension ging.“
Er schwieg einen Moment und ich konnte sehen, wie es in seinem Gesicht arbeitete. Dass er die Schüler verstehen konnte und zugleich so etwas wie Mitleid mit seinem Vater hatte.
„Er war damals nicht so begeistert, dass ich Schreiner werden wollte und dann gab´s Endlosdiskussionen, dass ich doch lieber das Abi nachholen und was Vernünftiges lernen soll. Damit ich später mal meine Familie ernähren kann und sowas. Aber irgendwann hat er´s dann schon akzeptiert. Weißt du, er ist ein guter Vater, aber ich bin froh, dass ich ein paar Kilometer zwischen uns gebracht habe.“
„Und deine Mum?“
Er zuckte mit den Schultern. „Meine Mum ist einfach meine Mum. Immer besorgt. Immer am Machen.“
„Hat dein Vater dich jemals geschlagen?“, fragte ich ihn. Ich merkte schon im selben Moment, wie dumm meine Frage war.
„Was kommst du jetzt mit so einer Scheiße?“, fragte er mich. „Fühlst du dich besser, wenn er mich geschlagen hat? Soll ich dir erzählen, dass er mich vergewaltigt hat? Dass er ständig blau war und abwechselnd mich und meine Mutter verprügelt hat? Wäre das gut für dich? Würdest du dich dann weniger für mich schämen?“
Tränen schossen in meine Augen und ich starrte aus dem Fenster. War ich in Wirklichkeit diejenige, die ein vereinfachtes Weltbild hatte?

Wir wechseln bis zum Ende der Fahrt kein Wort mehr. Gelegentlich spähte ich zu ihm herüber, aber sein Gesicht ließ keine Emotionen erkennen – es sah aus wie eingefroren.
Schließlich hielt er vor meiner Wohnung an. „Ich bin die nächsten Tage nicht da“, sagte er. „Ich fahre nach Dresden.“
Es sollte harmlos klingen, aber ich wusste, was er meinte. In Dresden sollte in den nächsten Tagen eine Nazidemo zum Gedenken an die Bombennächte stattfinden. Yasemin hatte vorgeschlagen, die Gegenveranstaltungen zu besuchen.
Ich schloss einen Moment die Augen. „Bitte fahre nicht“, flüsterte ich.
„Ich werde fahren“, sagte er. „Ich werde eine Rede halten.“
Seine Worte schlugen irgendwo in meiner Bauchgegend auf und ich fühlte einen Stich.
„Bitte Jano“, sagte ich nochmal.. „Hör auf damit. Lass uns beide aufhören. Du fährst nicht, ich fahre nicht.“
„Du fährst auch?“
„Nicht, wenn du hier bleibst.“
Er schüttelte nochmal den Kopf.
„Dann…“, sagte ich müde „…sehen wir uns dort.“

Natürlich sahen wir uns nicht. Wie hätte ich Jano auch unter ein paar tausend Menschen ausmachen sollen?
Yasemin und liefen seit Stunden durch die Straßen. Meine Beine taten weh und ich hatte Hunger. Zuerst hatten wir an verschiedenen Aktionen teilgenommen, hatten Reden angehört. Irgendwann hieß es, dass die Nazis losgelaufen seien und wir eilten durch die Stadt, um sie irgendwo abzufangen. Um möglichst laut zu schreien, um sie zu stören. Irgendjemand wollte eine Sitzblockade organisieren, es hieß, Claudia Roth wolle sich auch beteiligen. Wir eilten durch die Stadt, suchten nach Schleichwegen, um der Polizei zuvor zu kommen. Doch egal, wohin wir liefen – die Straßen waren überall abgesperrt.
Im Grunde war es wie immer, doch mein Herz war woanders. Immer, wenn wir einen Blick auf die Nazis erhaschten, dann suchte ich nach Jano. Immer, wenn die anderen Beschimpfungen brüllten, kam kein Wort über meine Lippen. Die Nazis hatten für mich ein Gesicht bekommen.

Irgendwann später liefen wir eine enge Gasse, am anderen Ende standen Polizisten und versperrten den Durchgang. Ich sah, wie sie hektisch gestikulierten, sie brüllten „Zurück, zurück“.
„Lass uns umdrehen“, schrie Yasemin. Wir drehten uns um, doch hinter uns waren so viele Leute, dass kein Durchkommen war.
Plötzlich verlor einer der Polizisten die Nerven und stieß ein Mädchen so hart zurück, dass sie auf den Boden fiel. In diesem Moment geriet alles außer Kontrolle.
Die Menschen brüllten, alle drückten nach vorne. Ich versuchte, Yasemins Hand zu nehmen, doch wir wurden auseinander gerissen. Ein Polizist strauchelte, die Menschen drängten durch die Absperrungen und plötzlich befanden wir uns mitten in der Nazidemo. Vor mir hieb jemand mit seiner Fahne auf einen anderen ein. Leute gingen aufeinander los, ich wusste nicht mehr wer Freund oder Feind war. Mir wurde übel, ich versuchte aus dem Gedränge herauszukommen, doch es war unmöglich. Plötzlich flogen Steine durch die Luft, ich spürte einen stechenden Schmerz am Auge und dann wurde die Welt schwarz.

Als ich aufwachte, wusste ich im ersten Moment nicht, wo ich war. Es dauerte einige Minuten, bis ich die Kulisse einordnen konnte – ein Krankenhaus. Ich setzte mich auf, doch dann fuhr ein Schmerz durch meinen ganzen Kopf und ich ließ mich wieder in die Kissen gleiten.
„Matilda“, hörte ich Yasemin sagen. Sie nahm meine Hand.
„Was ist passiert?“, fragte ich sie.
„Du hast einen Stein gegen den Kopf bekommen und bist umgekippt.“ Ich versuchte, sich anzusehen, doch das Licht blendete in meinen Augen und es dauerte einen Moment, bis ich sie sehen konnte. Sie sah ganz verheult aus, auf ihrer Wange klebten Reste von Wimperntusche. „Das war gar nicht so einfach, dich da rauszubekommen. Irgendein Typ hat mir dann geholfen und dann waren sofort Sanis da.“
Ich fasste mir mit der Hand an die Stirn und konnte einen dicken Verband spüren.
„Du hattest eine Platzwunde am Kopf und direkt über deiner Augenbraue musste genäht werden. Es war Glück, dass es nicht dein Auge getroffen hat.“ Erst jetzt konnte ich sehen, dass ihre Hände zitterten. „Sowas habe ich noch nie erlebt.“
„Hast du einen Spiegel?“, fragte ich sie.
Sie nickte, kramte in ihrer Handtasche herum und reichte mir einen kleinen Spiegel. Ich sah schrecklich aus. Meine Lippe war ganz dick, auf meiner Wange waren große Kratzer und meine Augenbraue war mit großen Stichen genäht worden.
„Oh Mann“, flüsterte ich. „Ich muss meine Eltern anrufen“, sagte ich.
„Hab ich schon“, sagte Yasemin.
In diesem Moment ging die Tür auf und Jano kam herein.
Yasemin sah ihn feindselig an und drehte ihm dann den Rücken zu. „Das Arschloch hat so oft auf deinem Handy angerufen, dass ich irgendwann rangegangen bin. Und er hat nicht eher Ruhe gegeben, bis er wusste, wo du bist.“
Ich freute mich, Jano zu sehen und gleichzeitig war er auch der letzte Mensch, den ich jetzt brauchte.
„Ich hab gesagt, er soll sich verpissen“, zischte sie. Die anderen Leute in unserem Zimmer drehten sich zu uns herum und starrten uns an. „Scheiß Nazi“, fauchte sie.
In meinem Kopf drehte sich alles. „Yasemin, bitte!“ Sie sah uns abwechselnd an und sagte schließlich. „Ich geh mal raus, dann muss ich wenigstens seine doofe Fresse nicht sehen.“
Jano nahm meine Hand. Einen Augenblick lang genoss ich seine Berührung.
„Ich hab von der Schlacht gehört“, sagte er. „Und dann hab ich gleich versucht, dich zu erreichen.“
Der Schmerz aus meinem Kopf war jetzt irgendwo in der Herzgegend zu spüren.
„Siehst du nicht wie absurd unsere Situation ist?“, fragte ich ich ihn.
„Das war ein Unfall.“
„Für mich war das ein Zeichen.“ Trotzig wischte ich ein paar Tränen fort, die in meinem Augenwinkel hingen. „Es geht nicht. Ganz egal, wie sehr wir es wollen.“
„Matilda, du bist verletzt, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt…“
„Doch…“, fuhr ich ihn an „… jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt. Bitte lass mich in Ruhe, Jano.“
„Meinst du das ernst?“
„Ja“, sagte ich. Er ging und ich fing an zu weinen.

Einige Wochen später klingelte es spät abends an der Tür. Als ich Janos polternde Schritte im Treppenhaus hörte, breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich versuche, dieses Lächeln, zusammen mit all meinen Gefühlen, ganz weit fort zu schieben. Ich durfte jetzt nicht nachgeben.
„Matilda“, keuchte er. Ich schrak zusammen. Jano war schweißüberströmt, sein Pullover war mit Blut bespritzt. „Bitte lass mich rein.“
Ich dachte nicht nach, öffnete die Tür und er ging an mir vorbei.
„Was ist los?“, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf, schloss einen Moment die Augen. „Hast du Schnaps da?“
Ich nickte, ging in die Küche und schenkte ihm ein Glas ein. Er stürzte es schnell herunter, hielt es mir danach nochmal hin und ich goss nach.
Plötzlich umklammerte er mich ganz fest, vergrub sein Gesicht in meinem Pullover. Ich sog seinen vertrauten Geruch ein. Er fing an zu schluchzen und ich strich ihm über das Haar.
„Ich wollte das nicht“, sagte er immer wieder.
„Was wolltest du nicht? Bitte sag es mir.“
Irgendwann begann er zu erzählen. Von den Schwarzen, der ihm und seinen Freunden über den Weg gelaufen war. Sie hatten ihm ein paar Neckereien hinterhergerufen. Dann sei der Typ durchgedreht und hätte sie beschimpft. Er sei auf sie losgegangen. Jano hätte ihm nur eine Abreibung verpassen wollen, aber dann sei alles außer Kontrolle geraten. Sie hätten zu dritt auf ihn eingeprügelt und am Ende sei er leblos am Boden gelegen. Jano wisse nicht, ob er noch am Leben sei.
Ich streichelte ihm immer noch über sein Haar.
„Ich liebe dich“, sagte er plötzlich.
„Ich liebe dich auch“, sagte ich.
„Lass uns weggehen.“
„Du musst dich erst einmal beruhigen“, sagte ich. „Komm, ich lass dir ein Bad ein.“ Er sah zu, wie ich sein Bad vorbereitete, er ließ zu, dass ich ihn auszog und stieg dann gehorsam in die Badewanne. Ich holte uns ein Bier, dann setzte ich mich auf den Boden neben der Wanne. Ich hielt seine Hand. Ich wollte nicht, dass dieser Moment zu Ende ging. Doch irgendwann stieg er aus der Wanne und ging ins Bett.

Irgendwann schlief er ein. Ich sah ihn an. Das vertraute Gesicht. Die langen Schatten, die seine Wimpern auf die Wange warfen. Die Hände, mit denen er diese schönen Zeichnungen angefertigt hatte. Mein ganzer Körper vibrierte und ich hauchte ihm einen Kuss auf die Schulter. Dann stand ich auf und rief die Polizei.

 
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Hallo Novak,

vielen Dank für deine erneute Rückmeldung. Das war für mich auch besonders spannend - eben weil du die erste Version schon kanntest.

Es freut mich, dass dir die Überarbeitung gefallen hat. Ich war letztendlich auch einigermaßen ("einigermaßen", denn wann ist man je völlig zufrieden?) zufrieden.
Ich habe in den letzten Tagen auch nochmal über das Ende nachgedacht. Ich verstehe eure Anmerkungen, aber mir persönlich gefällt dieser Schluss jetzt doch am Besten. Mir war es wichtig, sie vor eine richtige Entscheidung bzw. einen richtigen inneren Konflikt zu stellen.

Bezüglich der Dialoge (ja, es ist wirklich etwas ausgenudelt und bringt nicht so viel Neues) muss ich mir noch etwas überlegen. Leider hatte ich immer noch keine gute Idee und inzwischen habe ich auch mit einer neuen Geschichte begonnen, so dass ich diese hier erst einmal zurückgestellt habe. Aber ich spüre irgendwie, dass ich mit dieser Kurzgeschichte immer noch nicht ganz fertig bin. Es wäre schon schön, wenn sie eben auch argumentativ noch mehr zu bieten hat. Aber kommt Zeit, kommt Rat. :)

Dass sie ihn davor einfach so überfällt mit dem Angebot, ihm zu helfen, das fanden andere ja nicht so gut, mir gefällt es gerade, weil das ihre Vorurteile so schön zeigt: Nazis sind keine Leute mit einer bestimmten politischen Botschaft, sondern arme Opfer, die nur aus "Versehen" (Familienverhältnisse, Arbeitslosigkeit ...) in eine rechte Propagandamaschine geraten sind, die man also einfach nur retten braucht. Und gerade das macht sie ja auch si wunderbar angreifbar.

Ja, genau so habe ich mir das gedacht. :)

Was mir überzogen vorkam, das ist seine Gewalt gegen das andere Mädchen, ich hätte es viel viel viel viel besser gefunden, er hätte die so rausgeschmissen, aber ein paar sehr verletzende Sachen gesagt, Dinge, die so richtig unter die Haut gehen. Also so eine richtig gute, verletzende fiese Rhethorik. Hätte ihn für mich abgründoger gemacht. Aber ich denke auch, das ist ganz schön schwierig, sich da was Passendes einfallen zu lassen und ich denke, es hat auch viel mit meinem Geschmack zu tun.

Ok, ich verstehe was du damit meinst. Das ist auch ein interessanter Ansatz, den ich im Kopf behalten werde.

Und 3. das Sprachliche, nur eine Kleinigkeit, ich meine den Anfang. Ich weiß ja, du willst so einen kleinen Rahmen schaffen, der den Leser neugierig macht. Find ich auch gut. Aber den Beginn mit dem Herzen, das mag ich einfach nicht, das ist schon so dolle benutzt.
Und gerade so am Anfang finde ich es wichtig, ein schönes Bild zu erzeugen. Sonst ist mir das manchmal eher wurscht, du hast eine klare Sprache, das ist alles verständlich und nach vorne geschrieben. Hier steht die Geschichte im Vordergrund, da passen allzuviele Bildervielleicht auch nicht immer.

Ja, der Anfang gefällt mir inzwischen auch nicht mehr so richtig. Muss ich mir auch was überlegen. Insgesamt muss ich aber gestehen, dass ich nicht so der "Bilderschreiber" bin. Klar, in meiner ersten Version, da hab ich so viele ausgelatschte Vergleiche gehabt (fliegende Herzen etc.) - das geht natürlich auch nicht. Vielleicht ist es so etwas wie mangelndes Sprachvermögen, aber irgendwie liegt mir das nicht so richtig. Ich glaube, weil ich so etwas auch nie denke. Wenn ich z. B. jemanden schreien höre, dann denke ich nicht "oh, das klingt, als würde jemand gevierteilt werden", sondern dann denke ich vielleicht, dass der Schrei "verzweifelt", "erschrocken" etc. geklungen hat. Womöglich fehlt mir auch die Phantasie für sowas.

Danke liebe Novak!

Bis bald und liebe Grüße
Bella

 

Hallo Bella!

Ich habe diese Geschichte wegen des Copywrites noch einmal gelesen. Ich hab die damals ja ziemlich hart kritisiert und nicht mitbekommen, dass du sie nochmals überarbeitet hast. Das ist ja eine ziemlich runde Sache geworden, es ist nuancenreicher, die "andere" Seite von Jano ist mehr in die Geschichte eingearbeitet, so weit ich mich an die alte Fassung erinnern kann.

Ob ich diese Geschichte allerdings als Vorlage nehme, weiß ich noch nicht. :)

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

danke, für die erneute Rückmeldung, das ist lieb von dir.
Ich habe damals ziemlich lange mit dieser Geschichte gekämpft und deshalb freut es mich, dass sie dir nach der Überarbeitung besser gefällt.
Vor einigen Tagen habe ich sie selbst, nach Jahren, wieder gelesen. Und da dachte ich mir, dass ich irgendwie IMMER NOCH NICHT ganz mit dieser Gesichte durch bin. Inzwischen bin ich ja auch fünf Jahre älter und kann einige eurer Anmerkungen auch besser nachvollziehen bzw. finde selbst, dass da eigentlich mehr drin ist.
Wer weiß, vielleicht nehme ich sie mir irgendwann nochmal vor.

Liebe Grüße
von Bella

 

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