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Am anderen Ende der Welt (Rewrite)

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07.05.2004
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Am anderen Ende der Welt (Rewrite)

Er kam mit dem Regen, mit einem Wolkenbruch, in mein Leben.
Ich flüchtete mich unter eine große Buche. Atemlos kam ich unter dem Baum an und da stand er und sah mich an. Seine Augen waren von einem so intensiven Blau, als kämen sie direkt aus einem Malkasten.
„Ich heiße Jano“, sagte er.
„Matilda“, antwortete ich und gab ihm meine Hand.
Ich mochte, wie seine sich anfühlte. Ganz warm und ein bisschen rau.
„Kaffee?“, fragte er. „Er ist zu stark und viel zu süß, aber so mag ich ihn.“
Er wartete meine Antwort nicht ab, goss mir Kaffee aus der Thermoskanne in einen Becher und reichte ihn mir. Unsere Finger berührten sich.
„Danke“, flüsterte ich und konnte nicht aufhören ihn anzusehen.
„Ich gehe hier oft spazieren, aber ich habe dich noch nie gesehen“, sagte ich.
„Ich bin nur noch selten hier“, antwortete er. „Aber wenn ich Zeit habe, gehe ich gerne an den Lech.“ Er deutete mit dem Kinn Richtung Angel. „Ich angle immer mit leerem Haken. Das ist gut zum Entspannen.“ Er grinste und zuckte mit den Achseln, als wollte er sich bei mir entschuldigen.
Ich fing an zu lachen. „Warum macht man denn sowas?“
„Weil man Mitleid mit den Fischen hat“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, frage ich mich gerade, warum ich dir das erzähle. Ich klinge wie ein kompletter Idiot.“
Eine Windbö peitschte uns den Regen ins Gesicht und wir rückten enger zusammen, unsere Köpfe waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
„Ganz und gar nicht“, sagte ich. Plötzlich wollte ich die Hand ausstrecken und ihm über das nasse Haar streichen.

Wir trafen uns noch am selben Abend in einer Bar.
Er saß schon da, als ich kam, war in die Karte vertieft. Bei meinem Anblick lächelte er. Ich lief ein bisschen zu hastig an seinen Tisch, verhaspelte mich bei der Begrüßung und spürte, wie ich rot anlief.
Wir redeten über alles und nichts. Tauschten Belanglosigkeiten aus. Wie alt bist du? Was arbeitest du? Er erzählte mir von seiner Arbeit als Tischler und dass er nie neue Dinge anfertigte, weil er so gut restaurieren konnte.
Ich hörte ihm gerne zu, mochte die Begeisterung, die aus seinen Worten sprach, liebte das Spiel seiner Hände, mit denen er seine Worte unterstrich. Ich sah ihn an und fand ihn wunderschön. Das dunkelblonde Haar. Die blauen Augen. Die Bartstoppeln an seinen Wangen. Das markante Kinn. Die sonnengebräunte Haut. Die muskulösen Arme.

Die Bar schloss, doch wir wollten uns noch nicht trennen. Wir liefen ziellos durch die Straßen. Ich sprach mit ihm über meine Arbeit im Kindergarten, unterhielt ihn mit lustigen Anekdoten und erzählte ihm von der kleinen Anne und ihrem Kampf gegen die Leukämie.
Es regnete noch immer, bald waren wir völlig durchnässt und ich zitterte. Er nahm meine Hand. Oder nahm ich seine?
Ich vergrub meine Finger in seinem Haar, presste meine Lippen auf seine und küsste ihn, wie ich noch niemals jemanden geküsst habe. Und dann gingen wir zu mir nach Hause.

„Was hast du mit mir gemacht?“, flüsterte er später. Wir lagen im Bett, er rückte ein Stück von mir ab, sah mich an und wirkte dabei, als wollte er eine schwierige Gleichung lösen.
„Was ist?“, fragte ich ihn.
„Wenn ich das wüsste“, sagte er. Er zeichnete mit den Fingern die Linie meiner Wange nach.
„So weich “, flüsterte er. Er drückte mich fest an sich und ich hatte das Gefühl, er wollte sich festhalten.
„Wir sollten irgendwohin fahren“, sagte er.
„Wohin denn?“
„Ich weiß nicht. Wie wär´s mit Köln?“ Er grinste.
„Bist du bescheuert? Das ist doch viel zu weit.“
„Komm schon. Übers Wochenende“, sagte er.
„Also gut“, antwortete ich.
„Dann lass uns aufstehen“, sagte er.
„Jetzt?“
„Jetzt.“

Im Auto redeten wir darüber, was wir uns ansehen wollten. Das Schokoladenmuseum. Den Dom. Manchmal legte er eine Hand auf meinen Schenkel und dann kribbelte es in meinem Bauch, als hätte ich zu viel Sekt getrunken. Jano liebte Fußball und wollte das Rhein-Energie-Stadion sehen und dann hielt er mir einen langen Vortrag über den FC und die Fortuna.

Letztendlich haben wir nichts von alldem gemacht. Das einzige, was wir von Köln sahen, war das Zimmer unseres Hotels.

***

Es war unglaublich laut. Wir waren so viele, sie nur wenige.
Die Demonstranten hatten Trillerpfeifen dabei, schlugen auf Trommeln und brüllten. Wir drängten uns in einer engen Gasse in der Altstadt zusammen. Ich widerstand der Versuchung, mir die Ohren zuzuhalten.
Yasemin versuchte mir etwas zu sagen, doch ich konnte sie nicht verstehen.
Nazis raus. Nazis raus. Die Masse brüllte, ich brüllte mit.
Die Braunen waren nicht viele, vielleicht zwanzig Leute. Sie standen dicht gedrängt da, viele mit dem Rücken zu uns. Die Kundgebung der NPD begann. Ein Redner sprach in ein Mikrofon, ich konnte sehen, dass sich seine Lippen bewegten, aber ich konnte kein Wort hören. Und das war gut. Deshalb waren wir hier.
Ich war oft auf diesen Demos. Ich fand es wichtig, dass die Nazis nicht ungestört durch unsere Stadt laufen und ihren Müll verbreiten konnten. Ich fand es wichtig, ein Zeichen zu setzen.
Die Demos entwickelten stets ihre eigene Dynamik. Die Menge heizte sich gegenseitig auf und was dabei herauskam, war der pure Hass.
Manchmal erschrak ich über mich selbst. Manchmal, da wollte ich den Braunen bloß noch an die Gurgel. Alle wollten das. Und es waren nur Absperrungen und Polizeiketten, die uns davon abhielten.
Und genau so war es auch an diesem Tag.

Und dann sah ich ihn. Jano.
Ich glaube, er entdeckte mich im gleichen Moment. Unsere Blicke trafen sich. Ich konnte meinen Namen auf seinen Lippen lesen. Die Geräusche traten in den Hintergrund. Ich spürte einen Druck auf der Brust und hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die Erde kippte und ich klammerte mich an Yasemin fest.
Sie schrie mich an. Ich sah, dass Jano sich in Richtung der Absperrung bewegte. Die Polizisten hielten ihn fest, er redete auf sie ein, doch sie schüttelten den Kopf und drängten ihn zurück.
Ich verlor ihn aus den Augen, Yasemin schob mich vor sich her, aus der Menschenmenge heraus.

Wir liefen ein Stück die Straße entlang, ich ließ mich auf den Gehweg gleiten.
„Was ist los mit dir?“, fragte Yasemin.
Mir wurde übel und ich musste mich übergeben. Irgendwann war mein Magen leer.
Yasemin reichte mir ein Taschentuch.
„Komm, ich bringe dich nach Hause.“
Sie stand auf, ging ein paar Schritte weit. „Yasemin?“, rief ich und sie blieb stehen, sah mich fragend an.
„Ich habe Jano gesehen“, sagte ich.
„Echt?“ Sie lächelte. „Geht´s dir wieder gut? Wollen wir ihn suchen?“
Ich wollte ihr alles sagen, aber die Worte waren zu groß und kamen nicht heraus. Yasemin kapierte nichts und als sie es dann verstand, wurde ihr Mund zu einem kleinen, schmalen Strich.
„Er steht auf der anderen Seite“, stellte sie fest.
Ich nickte.
Sie sah mich lange an, sagte kein Wort. Und auch ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Hast du das gewusst?“, fragte sie schließlich.
„Natürlich nicht.“ Langsam stand ich auf, meine Beine fühlten sich noch weich an.
„Das gibt´s doch nicht! Habt ihr euch nie unterhalten?“
Sie war um Freundlichkeit bemüht, aber das letzte Wort warf sie mir vor die Füße.
„Nicht über sowas.“
„Klar“, sagte sie langgezogen. „Ist ja auch nicht wichtig.“
Sie übertünchte das Giftige in ihren Worten mit einem Lächeln und ich hatte keine Lust mehr auf Erklärungen.

Zu Hause verkroch ich mich in meinem Bett, zog mir die Decke über den Kopf. In meinem Kopf ging ich all unsere Begegnungen durch. Ich fand Bilder und Worte. Ich zerteilte die Worte, setzte sie neu zusammen und fand trotzdem keine Hinweise. Ich hoffte auf einen Irrtum, doch ich glaubte nicht daran.

Irgendwann am Abend klingelte es an meiner Tür. Es war Jano.
Er stürmte die Treppen hoch, stand schwer atmend vor mir. Er war blass.
„Ich muss mit dir reden“, sagte er.
Er kam auf mich zu und ich wollte ihn umarmen. Stattdessen verschränkte ich die Arme vor meiner Brust.
„Das kommt vielleicht ein bisschen zu spät, oder?“
„Können wir rein gehen? Das ist doch alles bescheuert, so zwischen Tür und Angel.“
„Mir ist gerade nicht nach einem gemütlichen Kaffeekränzchen!“, fauchte ich. „Warum hast du nie etwas gesagt?“
„Das hat sich doch nie ergeben. Und du hast nie danach gefragt!“
„Sorry, mein Fehler. Das habe ich wohl vergessen.“
„Matilda“, flüsterte er und kam einen Schritt auf mich zu. Ich wich noch weiter zurück, drückte mich an die Wand. Er stand ganz dicht vor mir. Ich war so wütend, wollte ihn anschreien, am liebsten auf ihn einprügeln. Und zugleich erregte mich seine Nähe und ich wurde noch wütender.
Er spürte den Umschwung sofort und presste seinen Mund auf meinen. Als ich seine Zunge in meinem Mund spürte, musste ich stöhnen, doch dann biss ich ihm fest auf die Lippe und schob ihn weg.
„Spinnst du?“ Er fasste mit seinen Fingern an die Lippe und zeigte mir das Blut darauf.
„Ich habe einen Nazi gevögelt“, sagte ich.
„Jetzt bin ich bloß noch der Nazi, oder was?“
„Du weißt gar nicht, was das für mich heißt.“
„Was heißt es denn?“
„Ich hasse Nazis. Den ganzen Faschismus. Eure Denkweise widert mich an. Diese idiotischen Argumente. Dieses Rassedenken. Wie krank ist das bitte, sich als Deutscher allen anderen überlegen zu fühlen? Und von eurer Vergangenheit will ich gar nicht erst anfangen, das ist ein Fass ohne Boden.“
„Matilda, lass uns bitte in Ruhe reden. Bitte.“
„Warum denn reden? Lass uns doch einfach wieder ficken, das können wir am besten! Wenigstens eine Sache, die uns verbindet.“
„Ich kann eine Bettgeschichte von etwas anderem unterscheiden. Du anscheinend nicht.“
Er drehte sich um und riss die Tür auf.
„Bitte bleib“, hörte ich mich sagen und hielt ihm am Arm fest.
„Fass mich nicht an!“
Ich zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Er atmete mehrmals tief aus und ein.
„In Ordnung“, sagte er schließlich „Aber dann lass uns in Ruhe reden. Bitte.“

Ich zögerte, nickte dann.
Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns auf dem Sofa möglichst weit auseinander.
„Warum … bist du so einer?“
Er seufzte. „Was für einer bin ich denn, Matilda?“
„Du glaubst an ein menschenverachtendes System. Du denkst, du bist besser, weil du Deutscher bist. Am Ende hast du noch eine Hakenkreuzfahne in deiner Bude hängen.“ Meine Stimme überschlug sich fast.
„Habe ich nicht.“
„Woher soll ich das wissen? Du hast mich ja nie zu dir eingeladen und jetzt weiß ich auch warum.“
Ich sprang auf und ging im Zimmer hin und her. „Wahrscheinlich bestreitest du, dass der Holocaust je stattgefunden hat.“
„Es gibt viele Gründe, warum ich so denke, wie ich denke!“
„Zum Beispiel?“
„Ganz ehrlich, Matilda – fühlst du dich hier noch zu Hause? Wir verlieren unsere deutsche Identität. Nennt ihr St. Martin in deinem Kindergarten auch Sonne-Mond-und-Sterne-Fest, damit ihr ja keinem einzigen Türken ans Bein pinkelt? Diese ganzen Kanaken, die scheißen echt auf unsere Kultur. Die finden hier alles zum Kotzen und sind nur scharf auf die Sozialleistungen. Viele sagen das sogar ganz offen, aber wir schieben denen trotzdem weiterhin die Kohle in den Arsch.“
„Wenn du nicht in einem normalen Tonfall redest, höre ich dir gar nicht mehr zu.“
Jano war inzwischen auch aufgestanden und lief herum. Sein Kopf war ganz rot geworden und er untermalte seine Worte mit Gesten.
„Wir leben in einem Land, in dem es inzwischen schon verboten ist, sich überhaupt mal Gedanken zu machen oder auch nur den Anflug einer Kritik zu äußern.“
„Das ist doch Blödsinn.“
„Hör mir mal zu!“, fuhr er mich an. „Stell dir vor, dich lädt jemand zu sich nach Hause ein. Du freust dich darüber, du bringst vielleicht ein kleines Geschenk mit. Du überreichst es dem Gastgeber, dann ziehst du dir die Schuhe aus. Der Gastgeber zeigt dir seine Wohnung, du siehst dir höflich alles an. Du möchtest vielleicht rauchen, aber du weißt, dass dein Gastgeber das nicht möchte, also tust du es nicht. Oder?“
„Darum geht es doch gar nicht.“
„Darum geht es sehr wohl! Also, würdest du dich daran halten?“
„Ja, aber …“
„Und die Türken, die hier herkommen, die halten sich nicht an unsere Regeln. Denen ist das alles völlig egal. Im Gegenteil: Die scheißen uns hier an die Wände und irgendwie finden das alle ganz in Ordnung.“
„Jano“, unterbrach ich ihn. „So einfach ist das nicht.“
„So einfach ist das eben schon. Ich habe das so satt. Hier merkt doch schon gar niemand mehr, was eigentlich läuft. Für alles und jeden wird eine Entschuldigung gefunden. Wenn irgendein Kanake hier ne Frau vergewaltigt, dann ist mir scheißegal, ob er als Kind mal verprügelt worden ist! Würde mich bloß mal interessieren, ob du auch so tolerant wärst, wenn es dich selbst betrifft. Wenn so ein Türke zum Beispiel deine Schwester vergewaltigt. Würdest du das dann auch noch entschuldigen?“
„Nein, das würde ich nicht. Aber ich würde auch nicht daraus schließen, dass alle Türken potentielle Vergewaltiger sind.“
„Nein, alle nicht. Aber wenn du dir mal die Statistiken ansiehst, dann wird auch ziemlich schnell klar, wo hier das Problem liegt.“
„Komm mir jetzt bloß nicht mit sowas. Ich habe keine Lust, mir irgendwas Pseudowissenschaftliches anzuhören.“
Er kam auf mich zu, stand ganz dicht vor mir und ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
„Warum nicht? Weil ich recht habe? Weil dir das nicht gefällt? Weil dir nichts mehr einfällt?“
„Weißt du – wir könnten hier stundenlang darüber reden und ich würde dich trotzdem nicht verstehen. Und du würdest mich wahrscheinlich auch nicht verstehen. Das zwischen uns ist einfach unüberbrückbar. Das ist ja nicht so, als hätten wir eine kleine Meinungsverschiedenheit. Es ist nicht so, als hättest du einfach nur ein Hobby mit dem ich nichts anfangen kann! Du glaubst an eine völlig andere Welt und ich kann das nicht ignorieren. Das zwischen uns geht einfach nicht.“
Seine Schultern sackten nach vorne und er starrte mich an. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Viele. Ich erwiderte seinen Blick. Irgendwann erhärteten sich seine Gesichtszüge.
„Wie du meinst.“
Er stand auf und ging. Ich hörte, wie er die Tür aufriss und sie wieder zuwarf. Und dann war ich allein.

Ich versuchte, ihn zu vergessen.
Es hätte leicht sein sollen, weil ich ihn noch nicht so lange kannte – aber das war es nicht.
Wieder und wieder schlich er sich in meine Gedanken.
Ich versuchte, ihn zu hassen, rief mir seine Worte ins Gedächtnis und dachte an all das, was zu seinem Weltbild gehörte. Ich konnte den Nazi hassen, aber nicht ihn.
Ich funktionierte. Ging zur Arbeit. Spielte mit den Kindern. Traf mich mit Freunden. Lachte, wenn ich lachen musste. Alles andere schloss ich tief in mir ein.

Yasemin war die einzige, die wusste, was passiert war. Sie war froh, dass ich ihn los war und verständnislos, was meine Trauer anging.
„Du hast dich nicht wirklich in ihn verliebt. Das war nur eine Illusion, Matilda.“
„Und wenn es genau andersherum ist?“, fragte ich. „Wenn ich mich in ihn verliebt habe und das Drumherum die Illusion ist?“

Einige Wochen später klingelte es an meiner Tür. Es war Jano.
Er war ganz blass, abgemagert und unter seinen Augen hingen dicke Ringe. Ich konnte nicht anders, ich fiel ihm in die Arme. Drückte ihn so fest an mich, dass es schmerzte. Und so blieben wir ganz lange stehen. Und dann drängte Jano mich ins Schlafzimmer.
Danach fühlte ich mich schmutzig.
„Wir haben einfach keine Gemeinsamkeiten und Sex reicht einfach nicht aus. Worüber sollen wir uns unterhalten? Wo sollen wir miteinander hingehen?“, fragte ich.
„Welche Partei wählst du?“
„Jano, ich hab keine Lust …“
„Welche Partei wählst du?“
„Die Grünen“, antwortete ich.
„Und … redest du deshalb nur über die Energiewende? Interessierst du dich nur für Umweltschutz?“
„Das ist etwas anderes.“
„Warum ist es etwas anderes?“
„Weil ich finde, dass rechts sein nicht nur eine Partei, sondern eine Lebenseinstellung ist. Wenn du sagst, dass du Atomenergie toll findest, werde ich dir widersprechen, aber ich könnte damit leben. Aber wenn du irgendwelchen rassistischen Scheiß von dir gibst, kann ich das nicht.“
„Vielleicht gibt es ein paar Themen, über die wir einfach nicht reden.“
„Das geht nicht, Jano. Es geht nicht darum, ob wir darüber reden. Du wirst an diese Dinge glauben – egal ob wir davon reden oder nicht. Das ist alles so absurd. Meine beste Freundin ist Türkin – wie findest du das?“
„Ich finde da gar nichts.“
„Magst du sie kennenlernen?“
„Nicht unbedingt“, sagte er.
„Siehst du nicht, wie komisch das ist? Sie ist meine beste Freundin und du willst sie nicht kennenlernen.“
„Viele Männer können die beste Freundin ihrer Freundin nicht leiden.“
Es hätte mir egal sein sollen, aber das Wort „Freundin“ brachte mich für einen Moment aus dem Tritt. Ein Lächeln stieg in mir auf, doch ich verschloss es ganz tief in mir.
„Aber du weißt nicht, ob du sie leiden kannst. Du schließt aufgrund ihrer Nationalität aus, sie leiden zu können. Das ist ein großer Unterschied.“
„Ich schließe es nicht aus. Wenn es dir wichtig ist, kann ich sie treffen. Ich nehme an, sie ist ganz nett.“
„Die meisten Türken sind ganz nett.“
„Das mag ja alles sein, aber die sind einfach anders als wir. Die sind darauf aus, hier eine neue Weltordnung zu schaffen. Die wollen, dass irgendwann alle Muslime sind. Die wollen uns ausrotten. Und hier haben sie´s ja auch wirklich leicht, weil…“
„Hör bloß auf mit sowas. Das sind Verschwörungstheorien.“
„Das sind keine Verschwörungstheorien! Die haben genügend Prediger, die das ganz offen verkünden.“
„Ich kann nicht fassen, dass ich so ein Gespräch mit dir führe. Ich habe darauf keine Lust.“
„Gut, dann lassen wir das.“
Ich setzte mich plötzlich auf. „Vielleicht wäre es gut, wenn du sie kennenlernst, Jano. Yasemin ist wirklich toll. Ihre ganze Familie ist toll. Sie laden mich oft zum Essen ein. Die sind so gastfreundlich. Du wirst sie auch mögen. Vielleicht hast du auch einfach schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kenne auch ein paar Türken, die totale Idioten sind.“
Die Worte sprudelten aus mir heraus und Jano sah mich aus halbgeschlossenen Augen an.
„Aber die meisten sind wirklich total nett, du wirst schon sehen. Wir können dir helfen, Jano. Ich habe mich informiert. Es gibt Stellen, an die du dich wenden kannst, wenn du aussteigen möchtest. Das ist nicht einfach, aber es geht. Ich helfe dir.“
Jano setzte sich auf. „Du checkst es nicht, oder? Ganz ehrlich, Matilda, ich hab doch auch nicht versucht, dich politisch umzubiegen. Oder?“
„Nein.“
„Warum machst du es dann? Ich bin kein Idiot, Matilda. Ich habe mir meine Meinung über lange Jahre gebildet. Du wirfst mir Vereinfachung vor, aber in Wirklichkeit tust du nichts anderes! Denkst du wirklich, ich bin rechts geworden, weil ich mal nen dämlichen Türken kennengelernt habe? Denkst du, ich werfe alles über Bord, weil ich mal bei der Mutter deiner Freundin Lahmacun esse?“
„Ich weiß nicht, was ich noch denken soll. Du musst doch sehen, wie verkehrt das alles ist.“
Ich nahm seine Hand in meine, drückte sie fest.
„Ich bin kein doofer kleiner Nazi, der mal ein paar Türken in seinem Viertel verkloppt. Damit habe ich nichts am Hut. Ich will eine neue Politikordnung schaffen, in den Menschen ein neues politisches Bewusstsein wecken! Ich will für mein Land das Beste.“
Obwohl ich wusste, dass es kindisch war, presste ich mir die Hände auf die Ohren. Sanft zog er sie von dort fort.
„Wir müssen nicht darüber reden, Matilda. Nicht mehr heute. Bitte gib uns noch eine Chance. Lass es uns versuchen. Bitte“, flüsterte er.
Ich zögerte. Ich wollte ihn und wollte ihn gleichzeitig nicht.
„Also gut“, sagte ich.

Und wir gaben unser Bestes. Wir gingen raus, gingen in den Zoo, lachten über die Schimpansen und fütterten die kleinen Enten. Wir liefen Hand in Hand am Lech entlang. Wir genossen das Haut an Haut.
Er zeigte mir seine akkurat aufgeräumte Wohnung und zog mich danach oft mit dem Chaos in meinen vier Wänden auf.
Wir fanden immer Gesprächsthemen. Jano wollte wissen, warum die Frauenwelt so fasziniert von einem Vampir namens Edward Cullen war. Er nahm mich mit ins Stadion und erklärte mir die Abseitsregel.
Diskussionen waren für ihn wie kleine Ringkämpfe und ich verlor fast immer gegen ihn.
Einmal nahm Jano mich mit in die Werkstatt und zeigte mir, woran er arbeitete. Er führte mich zu einem alten Sekretär aus Nussholz, den er gerade restaurierte. Er strich mit seinen Fingerspitzen über das Holz, erklärte mir, woher das Stück kam und was getan werden musste. Er erklärte mir die Details, seine Augen leuchteten und ich war stolz auf ihn.
Wir gingen allen Stolperfallen aus dem Weg und weil wir nie wussten, wo sie versteckt sein könnten, war unsere Welt zu zweit am Sichersten.

Eine Weile ging alles gut.
Wenn wir zusammen waren, war Jano für mich einfach Jano. Doch sobald ich allein war, kamen die Zweifel in mir hoch. Ich fragte mich, was er wohl tat. Mit wem er sich traf. Ob er nur rechtsgerichtet dachte oder ob er auch richtige Scheiße baute. Einmal wachte ich nachts schweißgebadet auf – in meinem Traum hatte Jano eine Dönerbude in Brand gesteckt. Und ich hatte ihn vor meinen Freunden verteidigt.
Unterstützte ich diese Ideologie nicht schon, indem ich mit ihm zusammen war? Indem ich nicht mit ihm darüber sprach? Indem ich nicht versuchte, ihn zu überzeugen?

Es war schön in unserem Kokon. Aber je mehr Zeit verging, desto stärker fühlte ich, dass es eben doch nur ein Kokon war. Ich wollte hinaus.
„Wir treten auf der Stelle“, sagte ich eines Abends zu ihm.
Er seufzte und sah mich an, als sei ich ein kleines Kind, das gerade eine Vase zerbrochen hatte.
„Wie meinst du das?“
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dich kenne und dann fällt mir wieder auf, dass ich fast gar nichts über dich weiß.“
„Du weißt mehr über mich als die meisten anderen Menschen. Denk doch mal an den leeren Angelhaken.“ Er lachte.
„Sowas meine ich nicht.“
„Was meinst du dann?“
Ich überlegte einen Moment. „Ich kenne keinen einzigen deiner Freunde.“
„Ich glaube nicht, dass du meine Freunde mögen würdest.“
„Warum?“
„Du weißt, warum du sie nicht mögen würdest und normalerweise meidest du das Thema, also fang jetzt bitte nicht damit an.“
„Aber das ist doch total unnormal!“
„Ach, Matilda! Wir kennen uns doch noch gar nicht so lange. Lass uns das einfach auf später verschieben.“
Das Thema arbeitete in mir und so beschloss ich eines Abends, ihn einfach unangekündigt zu besuchen.

Er öffnete seine Wohnungstür nur einige Zentimeter weit und spähte ins Treppenhaus.
„Ich bin´s“, sagte ich lahm.
Er blickte über eine Schulter in den dunklen Flur hinein. „Es ist gerade ein bisschen schlecht“, sagte er.
Meine Mundwinkel zuckten, aber das Begrüßungslächeln klebte noch immer in meinem Gesicht.
„Ich war gerade in der Ecke. Ist auch wirklich gar kein Problem, wir sehen uns dann morgen oder so.“
Plötzlich hörte ich Schritte.
„Was ist? Kommst du wieder?“‘ Ein junger Mann tauchte hinter dem Türspalt auf, sah mich und grinste.
„Ist sie das, Jano?“
„Das ist Matilda“, sagte Jano. „Sie wollte gerade gehen.“ Er öffnete seinen Mund kaum zum Sprechen, seine Kieferknochen bebten.
„Ein paar Minuten wird sie schon Zeit haben, oder? Wir sind schon gespannt auf sie.“
Jano atmete ein paar Mal tief aus und ein, schließlich öffnete er die Tür. Mein Blick blieb auf seinem T-Shirt hängen. „White is my favorite Colour“ stand darauf. Ich verdrehte die Augen
„Was?“, fragte er mürrisch. „Du bist schließlich einfach vorbei gekommen.“
„Ich kann auch gehen“, flüsterte ich.
Er schüttelte nur den Kopf und bedeutete mir, Stefan zu folgen. Der sah aus wie ein typischer Nazi: Glatze, Springerstiefel und ein Pullover der Marke Consdaple, auf dem etwas abgebildet war, dass wie der Reichsadler aussah.
In der Küche saßen noch zwei weitere Personen, ein pickliger Junge und eine Frau, die komplett in schwarz gekleidet war. Ich wollte die Piercings in ihrem Gesicht zählen, doch es waren so viele, dass es mir nicht gelang.
„Das ist Janos Freundin“, sagte Stefan.
Der Picklige grinste, die Frau sah mich nur ganz kurz an und raffte ein paar Unterlagen auf dem Tisch zusammen.
Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Die Männer musterten mich unverhohlen und ich fühlte mich wie nackt in meinem rotgepunkteten Kleid.
Jano warf den beiden einen Blick zu und sie sahen schnell in eine andere Richtung.
Das Schweigen zog sich in die Länge. „Wir arbeiten an einer Rede“, sagte er schließlich.
„Aha“, sagte ich.
„Was heißt Aha?“, fragte der Picklige. „Hast du was dagegen?“
„Bernd!“, fuhr Jano ihn an. Der Picklige lief rot an und hob entschuldigend die Hände.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und wünschte mich weit fort. „Was hört ihr da für Musik?“
„Das ist Frank Reinnike“, sagte die Frau. „Ein deutscher Liedermacher.“
„Deutscher Liedermacher“, - das klang so komisch, dass ich mich fast darüber lustig gemacht hätte. Aber ich ließ es dann. Die Musik klang nach Schlager, irgendwie ansprechend und überhaupt nicht so, wie ich mir rechte Musik vorstellte.
„Tja also – ich will euch auch gar nicht mehr länger bei der Arbeit stören. Ich gehe nur nochmal kurz um´s Eck, dann bin ich schon wieder weg.“

In der Toilette atmete ich tief durch und presste meinen Kopf gegen die kühlen Fliesen.
Dann starrte ich mein Spiegelbild an und wünschte mir, es könnte mir irgendeinen Rat geben. Stattdessen sah ich nur eine junge Frau mit rotem Gesicht und einem albernen Kleid. Ich schämte mich. Warum hatte ich ihnen nicht gleich meine Hilfe beim Schreiben der Rede angeboten?
„Jano ist nicht nett“, sagte ich leise. Mein Spiegelbild gab keine Antwort.

Als ich aus der Toilette kam, stand die Frau vor mir. Ich lächelte ihr zu, wollte mich an ihr vorbei schieben, doch sie versperrte mir mit einem Schritt den Weg.
„Auf dich war ich ja echt gespannt“, sagte sie und lächelte. Trotz des Lächelns sah sie aus, als wollte sie sich jeden Moment auf mich stürzen.
„Dich hab ich mir ja echt ganz anders vorgestellt“, sagte sie schließlich. „Ich hab gedacht, wenn da mal eine kommt, die den halten kann, dann muss sie echt das Superweib schlechthin sein.“ Sie lachte laut auf und ich bekam eine Gänsehaut. „Und stattdessen kommt da so ein Mädchen in ihrem beschissenen Kinderkleidchen.“
Sie kam noch näher. „Und ich reiß mir hier jahrelang den Arsch auf, dass der Wichser mich mal wieder anlächelt. Früher war ich ihm wenigstens zum Bumsen gut genug.“
Plötzlich riss sie ihr T-Shirt hoch, präsentierte mir den Blick auf ihren Bauch. Eine große Narbe in Form eines J schlängelte sich über ihren Bauch, rund um den Nabel.
„Ich habe den Arsch echt geliebt“, sagte sie. „Scheiße, ich liebe den Arsch immer noch.“
Sie starrte mich an. „Wir hatten mal sowas wie eine Beziehung. Ich hab ihn politisch immer unterstützt und er hat immer gesagt, wie wichtig das ist. Und dann kommt so eine wie du.“
Ihre Mundwinkel zitterten. „Lass ihn einfach in Ruhe“, zischte sie.

„Was ist hier los?“, konnte ich plötzlich Janos Stimme hören. Er tauchte hinter uns auf und sah uns an.
„Was soll die Scheiße schon wieder, Simone?“, schrie er, kam ein paar schnelle Schritte auf sie zu und schüttelte sie an der Schulter. Ihr Kopf flog hin und her als säße sie in einer Achterbahn. Sie begann zu schluchzen.
„Verpiss dich einfach! Ich kann dich nicht mehr ertragen!“ Er schob sie vor sich her und drängte sie Richtung Ausgang. Sie ließ sich auf den Boden fallen. Wie ein Hund kniete sie vor ihm und blickte zu ihm hoch. „Bitte nicht, Jano“, flehte sie.
Er gab ihr noch einmal einen kräftigen Stoß und sie kippte um.
Sie knallte mit dem Kopf auf den Boden und das unschöne Geräusch riss mich aus meiner Erstarrung.
„Lass sie in Ruhe“, schrie ich ihn an.
Jano fuhr herum und sah mich so erstaunt an, als hätte er meine Anwesenheit komplett vergessen.
Simone lag noch immer auf dem Boden und schluchzte.
„Wir werden jetzt gehen“, schrie ich ihn an.
„Was ist denn hier los?“, fragte Stefan, der plötzlich hinter Jano auftauchte.
„Ihr seid echt komplette Vollidioten!“ In diesem Moment war mir alles egal.
„Komm“, sagte ich zu Simone. „Wir gehen.“
Sie rappelte sich mühsam auf und schluchzte so sehr, dass sie kaum gehen konnte.
„Matilda“, hörte ich Janos Stimme. Doch ich zeigte ihm nur noch den ausgestreckten Mittelfinger.

„Wenn du reden möchtest, können wir irgendwohin gehen“, sagte ich zu Simone als wir draußen waren.
„Glaub bloß nicht, dass ich auf eine wie dich gewartet habe“, sagte sie und ging davon.

Einen Moment lang stand ich ratlos da. Ich wünschte mir, ich hätte Jano niemals kennengelernt. Der Augenblick verstrich und ich beschloss, in eine Kneipe zu gehen.
In Filmen landet man immer in einer Spelunke, in der es einen mitfühlenden Barkeeper gibt, dem man seine Lebensgeschichte erzählen kann. Mein Barkeeper beachtete mich kaum und als ich ein Gespräch beginnen wollte, winkte er nur ab und lief woanders hin.
Ich bestellte mir einen Schnaps, kippte ihn schnell herunter und gleich den zweiten hinterher. Und den dritten. Und den vierten. Irgendwann wurde mir wieder warm im Bauch. Fünf Schnäpse später fing ich an zu weinen, der Barkeeper erbarmte sich und bestellte mir ein Taxi.

Ich wankte auf das Haus zu und mühte mich mit dem Haustürschlüssel ab. Plötzlich war Jano hinter mir.
„Du!“, schrie ich ihn wütend an und begann wieder zu weinen. Er sagte nichts, nahm mir den Schlüssel aus der Hand und öffnete die Tür.
Als ich kotzend über der Kloschüssel hing, hielt er mir die Haare aus dem Gesicht.


Am nächsten Morgen stritten wir.
„Ich bin gestern durchgedreht, Matilda. Das tut mir leid. Aber die nervt mich schon seit Jahren. Ich will die loswerden, aber dann bettelt sie mich wieder an. Du kannst dir das nicht vorstellen. Bei mir sind dann einfach ein paar Sicherungen durchgebrannt.“
„Passiert dir das öfter?“, fragte ich ihn. Meine Stimme klang giftig.
Er schüttelte den Kopf, fixierte einen Punkt an der Wand hinter mir.
„Das war gestern einfach zu viel. Dass die schon wieder da war, dass du dann einfach aufgetaucht bist. Diese komische Szene.“
Mein Kopf tat weh. Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn. Ich wollte ihm so gern glauben und zugleich wollte ich es nicht.
„Ich kann das nicht mehr, Jano.“
„Du hast ja auch recht“, sagte er schließlich. „Wir müssen auch mal einen Schritt weitergehen. Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht meine Eltern kennenlernen möchtest?“
Immer wenn er mich so anblickte, so von unten herauf, sah er aus wie ein kleiner Junge.
Ich versuchte, in mir ein bisschen Stärke zu finden. Wenigstens genug, ihm zu sagen, er solle verschwinden. Aber da war nichts Starkes, sondern nur mein dummes Herz, das in seiner Gegenwart Saltos schlug.

Janos Eltern wohnten im Allgäu und er schlug vor, den Besuch mit einer Wanderung zu verbinden. Im Auto versuchte er immer wieder, ein Gespräch anzufangen, aber da meine Antworten nur kurzsilbig waren, gab er es bald auf.
In meinem Kopf arbeitete es. Was wusste ich schon von ihm? Wieder und wieder dachte ich daran, wie er diese Simone behandelt hatte. Ich fragte mich, woher sie sich kannten. Was zwischen ihnen gelaufen war. Warum sie immer noch an ihm hing. Ich dachte an seine Freunde und das beinahe unterwürfige Verhalten, das sie ihm gegenüber an den Tag legten.

Die vielen Gedanken bereiteten mir Kopfschmerzen und ich war froh, als Jano den Parkplatz in Oberstauffen ansteuerte. Er hatte eine Rundwanderung über den Gipfel des Denneberg ausgesucht. Wir liefen schweigend los, mir fiel einfach nicht ein, was ich sagen sollte und ich fragte mich, ob die Wanderung eine gute Idee war. Während wir den Serpentinenweg hochliefen, geriet ich bald außer Atem. Ich warf einen Blick auf Jano, er sah immer noch frisch aus und sein Atem ging kaum schneller.
„Was ist los? Machst du schon schlapp?“, neckte er mich.
„Ich hab mit einer kleinen Wanderung und nicht mit einer verdammten Bergtour gerechnet.“
Je höher wir kamen, desto mehr genoss ich unseren Ausflug. Die Aussicht war grandios und sie Sonne schien.
„Schau“, sagte Jano plötzlich. „Da ist Eisenhut.“
Er bückte sich und zeigte auf eine blaue Pflanze. Ich wollte sie anfassen, doch er hielt meine Hand fest. „Nicht“, sagte er. „Die ist sehr giftig.“
Er schulterte seinen Rucksack ab und zog ein vergilbtes Buch hervor. Er öffnete es und zeigte mir eine erstaunlich detaillierte Bleistiftzeichnung eines Eisenhuts.
„Schau, das habe ich vor ein paar Jahren gezeichnet. Die Blätter passen nicht richtig, sie sind in Wirklichkeit viel weniger spitz. Würde es dich stören, wenn ich das nochmal male.“
„Nur zu“, sagte ich. Er setzte sich auf die Wiese und ich ließ mich neben ihm nieder. Er zeichnete mit gerunzelter Stirn, sah immer wieder auf die Pflanze und dann auf das Papier. Und ich versuche wieder einmal, diesen Jano mit dem anderen Jano in Einklang zu bringen.
Irgendwann war er fertig und zeigte mir seine Zeichnung. Sie war wunderschön. Ich nahm ihm das Buch aus der Hand und blättere darin. Überall diese Bleistiftzeichnungen. Manche sahen noch sehr ungelenk aus und schienen schon sehr alt zu sein.
„Ein altes Hobby“, sagte er. „Ich war früher oft mit meinem Vater hier. Er ist begeisterter Bergsteiger und kennt sich mit der Pflanzenwelt hier im Allgäu aus wie kein anderer. Die meisten Leute finden, dass ich mich gut auskenne, aber gegen ihn weiß ich fast nichts.“
Plötzlich küsste er mich und in diesem Augenblick war ich einfach nur glücklich.

„Hitler war doch auch begeisterter Bergsteiger“, sagte ich irgendwann später.
Er blieb stehen und sah mich an. „Und?“
„Nichts.“
„Ich hab´s nicht so mit Hitler“, sagte er. „Ich bin keiner dieser Idioten, die noch in der Vergangenheit kleben. Mir ist das heute wichtig.“
Seine Worte schmiegten sich wie ein warmer Mantel um mich und ich kuschelte mich darin ein. Er dachte national, aber das hieß ja nicht, dass er sonst was machte. Vielleicht war er trotzdem einer von den Guten.

Janos Mutter hatte drei Kuchen gebacken. Sie konnte kaum stillsitzen, huschte immer wieder um uns herum, schenkte Kaffee nach und war in Sorge, dass uns irgendetwas fehlte.
Wir saßen uns im Wohnzimmer gegenüber. Ich fühlte mich unbehaglich, das Haus war so sauber, dass ich fürchtete durch meine bloße Anwesenheit alles durcheinander zu bringen.
Janos Vater wollte alles über mich wissen – woher ich kam, wo ich arbeitete, wie lange ich dort arbeitete, was meine Eltern machten.
Ich kam gar nicht auf die Idee, die Antworten zu verweigern. Janos Vater war ein großer Mann mit akkurat gescheiteltem Haar. Seine Stimme war laut und ich hatte sofort Respekt vor ihm.
Irgendwann fing Jano an zu lachen und sagte: „Komm Papa, lass jetzt gut sein.“
Sein Vater grinste und sagte: „Nichts für ungut, tut mir leid, wenn ich übertrieben habe.“ Dann fragte nach unserer Bergwanderung und erzählte selbst ein paar Anekdoten aus seinen Bergsteigertagen. Er konnte wunderbar erzählen, wir hörten im alle zu und er bestritt den Hauptteil der Unterhaltung allein.
„Margit, bitte richte eine kleine Brotzeit her“, sagte er irgendwann später und Janos Mutter sprang sofort auf und lief in die Küche.
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, atmete ich erst einmal kräftig durch.

„Wie fandst du es?“, fragte Jano mich im Auto.
„Anstrengend. Aber deine Eltern sind nett. Erzähl mir ein wenig von deinem Vater. Er ist ein interessanter Mann.“
„Ich habe immer viel mit meinem Vater gemacht. Wir waren in den Bergen, manchmal sogar mehrere Tage. Oder er hat mich mit zum Angeln genommen. Dafür habe ich schon damals nicht viel übrig gehabt, aber das Drumherum fand ich toll. Das Lagerfeuer und die Grillwürstchen. Er war Lehrer an meiner Realschule. Das hab ich manchmal ganz schön gehasst. Der hat ja immer alles mitbekommen. Er war ziemlich streng. Rauchen oder sowas hat er nie geduldet. Ich schätze, er war früher ein ziemlich guter Lehrer, aber in den letzten Jahren war´s wohl nicht mehr so toll – da gab´s mal richtig Ärger, weil er manche Sachen einfach nicht akzeptieren konnte. Smartphones und sowas. Ich glaube, die Kinder waren alle froh, als er dann endlich in Pension ging.“
Er schwieg einen Moment und ich konnte sehen, wie es in seinem Gesicht arbeitete. Dass er die Schüler verstehen konnte und zugleich so etwas wie Mitleid mit seinem Vater hatte.
„Er war damals nicht so begeistert, dass ich Schreiner werden wollte und dann gab´s Endlosdiskussionen, dass ich doch lieber das Abi nachholen und was Vernünftiges lernen soll. Damit ich später mal meine Familie ernähren kann und sowas. Aber irgendwann hat er´s dann schon akzeptiert. Weißt du, er ist ein guter Vater, aber ich bin froh, dass ich ein paar Kilometer zwischen uns gebracht habe.“
„Und deine Mum?“
Er zuckte mit den Schultern. „Meine Mum ist einfach meine Mum. Immer besorgt. Immer am Machen.“
„Hat dein Vater dich jemals geschlagen?“, fragte ich ihn. Ich merkte schon im selben Moment, wie dumm meine Frage war.
„Was kommst du jetzt mit so einer Scheiße?“, fragte er mich. „Fühlst du dich besser, wenn er mich geschlagen hat? Soll ich dir erzählen, dass er mich vergewaltigt hat? Dass er ständig blau war und abwechselnd mich und meine Mutter verprügelt hat? Wäre das gut für dich? Würdest du dich dann weniger für mich schämen?“
Tränen schossen in meine Augen und ich starrte aus dem Fenster. War ich in Wirklichkeit diejenige, die ein vereinfachtes Weltbild hatte?

Wir wechseln bis zum Ende der Fahrt kein Wort mehr. Gelegentlich spähte ich zu ihm herüber, aber sein Gesicht ließ keine Emotionen erkennen – es sah aus wie eingefroren.
Schließlich hielt er vor meiner Wohnung an. „Ich bin die nächsten Tage nicht da“, sagte er. „Ich fahre nach Dresden.“
Es sollte harmlos klingen, aber ich wusste, was er meinte. In Dresden sollte in den nächsten Tagen eine Nazidemo zum Gedenken an die Bombennächte stattfinden. Yasemin hatte vorgeschlagen, die Gegenveranstaltungen zu besuchen.
Ich schloss einen Moment die Augen. „Bitte fahre nicht“, flüsterte ich.
„Ich werde fahren“, sagte er. „Ich werde eine Rede halten.“
Seine Worte schlugen irgendwo in meiner Bauchgegend auf und ich fühlte einen Stich.
„Bitte Jano“, sagte ich nochmal.. „Hör auf damit. Lass uns beide aufhören. Du fährst nicht, ich fahre nicht.“
„Du fährst auch?“
„Nicht, wenn du hier bleibst.“
Er schüttelte nochmal den Kopf.
„Dann…“, sagte ich müde „…sehen wir uns dort.“

Natürlich sahen wir uns nicht. Wie hätte ich Jano auch unter ein paar tausend Menschen ausmachen sollen?
Yasemin und liefen seit Stunden durch die Straßen. Meine Beine taten weh und ich hatte Hunger. Zuerst hatten wir an verschiedenen Aktionen teilgenommen, hatten Reden angehört. Irgendwann hieß es, dass die Nazis losgelaufen seien und wir eilten durch die Stadt, um sie irgendwo abzufangen. Um möglichst laut zu schreien, um sie zu stören. Irgendjemand wollte eine Sitzblockade organisieren, es hieß, Claudia Roth wolle sich auch beteiligen. Wir eilten durch die Stadt, suchten nach Schleichwegen, um der Polizei zuvor zu kommen. Doch egal, wohin wir liefen – die Straßen waren überall abgesperrt.
Im Grunde war es wie immer, doch mein Herz war woanders. Immer, wenn wir einen Blick auf die Nazis erhaschten, dann suchte ich nach Jano. Immer, wenn die anderen Beschimpfungen brüllten, kam kein Wort über meine Lippen. Die Nazis hatten für mich ein Gesicht bekommen.

Irgendwann später liefen wir eine enge Gasse, am anderen Ende standen Polizisten und versperrten den Durchgang. Ich sah, wie sie hektisch gestikulierten, sie brüllten „Zurück, zurück“.
„Lass uns umdrehen“, schrie Yasemin. Wir drehten uns um, doch hinter uns waren so viele Leute, dass kein Durchkommen war.
Plötzlich verlor einer der Polizisten die Nerven und stieß ein Mädchen so hart zurück, dass sie auf den Boden fiel. In diesem Moment geriet alles außer Kontrolle.
Die Menschen brüllten, alle drückten nach vorne. Ich versuchte, Yasemins Hand zu nehmen, doch wir wurden auseinander gerissen. Ein Polizist strauchelte, die Menschen drängten durch die Absperrungen und plötzlich befanden wir uns mitten in der Nazidemo. Vor mir hieb jemand mit seiner Fahne auf einen anderen ein. Leute gingen aufeinander los, ich wusste nicht mehr wer Freund oder Feind war. Mir wurde übel, ich versuchte aus dem Gedränge herauszukommen, doch es war unmöglich. Plötzlich flogen Steine durch die Luft, ich spürte einen stechenden Schmerz am Auge und dann wurde die Welt schwarz.

Als ich aufwachte, wusste ich im ersten Moment nicht, wo ich war. Es dauerte einige Minuten, bis ich die Kulisse einordnen konnte – ein Krankenhaus. Ich setzte mich auf, doch dann fuhr ein Schmerz durch meinen ganzen Kopf und ich ließ mich wieder in die Kissen gleiten.
„Matilda“, hörte ich Yasemin sagen. Sie nahm meine Hand.
„Was ist passiert?“, fragte ich sie.
„Du hast einen Stein gegen den Kopf bekommen und bist umgekippt.“ Ich versuchte, sich anzusehen, doch das Licht blendete in meinen Augen und es dauerte einen Moment, bis ich sie sehen konnte. Sie sah ganz verheult aus, auf ihrer Wange klebten Reste von Wimperntusche. „Das war gar nicht so einfach, dich da rauszubekommen. Irgendein Typ hat mir dann geholfen und dann waren sofort Sanis da.“
Ich fasste mir mit der Hand an die Stirn und konnte einen dicken Verband spüren.
„Du hattest eine Platzwunde am Kopf und direkt über deiner Augenbraue musste genäht werden. Es war Glück, dass es nicht dein Auge getroffen hat.“ Erst jetzt konnte ich sehen, dass ihre Hände zitterten. „Sowas habe ich noch nie erlebt.“
„Hast du einen Spiegel?“, fragte ich sie.
Sie nickte, kramte in ihrer Handtasche herum und reichte mir einen kleinen Spiegel. Ich sah schrecklich aus. Meine Lippe war ganz dick, auf meiner Wange waren große Kratzer und meine Augenbraue war mit großen Stichen genäht worden.
„Oh Mann“, flüsterte ich. „Ich muss meine Eltern anrufen“, sagte ich.
„Hab ich schon“, sagte Yasemin.
In diesem Moment ging die Tür auf und Jano kam herein.
Yasemin sah ihn feindselig an und drehte ihm dann den Rücken zu. „Das Arschloch hat so oft auf deinem Handy angerufen, dass ich irgendwann rangegangen bin. Und er hat nicht eher Ruhe gegeben, bis er wusste, wo du bist.“
Ich freute mich, Jano zu sehen und gleichzeitig war er auch der letzte Mensch, den ich jetzt brauchte.
„Ich hab gesagt, er soll sich verpissen“, zischte sie. Die anderen Leute in unserem Zimmer drehten sich zu uns herum und starrten uns an. „Scheiß Nazi“, fauchte sie.
In meinem Kopf drehte sich alles. „Yasemin, bitte!“ Sie sah uns abwechselnd an und sagte schließlich. „Ich geh mal raus, dann muss ich wenigstens seine doofe Fresse nicht sehen.“
Jano nahm meine Hand. Einen Augenblick lang genoss ich seine Berührung.
„Ich hab von der Schlacht gehört“, sagte er. „Und dann hab ich gleich versucht, dich zu erreichen.“
Der Schmerz aus meinem Kopf war jetzt irgendwo in der Herzgegend zu spüren.
„Siehst du nicht wie absurd unsere Situation ist?“, fragte ich ich ihn.
„Das war ein Unfall.“
„Für mich war das ein Zeichen.“ Trotzig wischte ich ein paar Tränen fort, die in meinem Augenwinkel hingen. „Es geht nicht. Ganz egal, wie sehr wir es wollen.“
„Matilda, du bist verletzt, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt…“
„Doch…“, fuhr ich ihn an „… jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt. Bitte lass mich in Ruhe, Jano.“
„Meinst du das ernst?“
„Ja“, sagte ich. Er ging und ich fing an zu weinen.

Einige Wochen später klingelte es spät abends an der Tür. Als ich Janos polternde Schritte im Treppenhaus hörte, breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich versuche, dieses Lächeln, zusammen mit all meinen Gefühlen, ganz weit fort zu schieben. Ich durfte jetzt nicht nachgeben.
„Matilda“, keuchte er. Ich schrak zusammen. Jano war schweißüberströmt, sein Pullover war mit Blut bespritzt. „Bitte lass mich rein.“
Ich dachte nicht nach, öffnete die Tür und er ging an mir vorbei.
„Was ist los?“, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf, schloss einen Moment die Augen. „Hast du Schnaps da?“
Ich nickte, ging in die Küche und schenkte ihm ein Glas ein. Er stürzte es schnell herunter, hielt es mir danach nochmal hin und ich goss nach.
Plötzlich umklammerte er mich ganz fest, vergrub sein Gesicht in meinem Pullover. Ich sog seinen vertrauten Geruch ein. Er fing an zu schluchzen und ich strich ihm über das Haar.
„Ich wollte das nicht“, sagte er immer wieder.
„Was wolltest du nicht? Bitte sag es mir.“
Irgendwann begann er zu erzählen. Von den Schwarzen, der ihm und seinen Freunden über den Weg gelaufen war. Sie hatten ihm ein paar Neckereien hinterhergerufen. Dann sei der Typ durchgedreht und hätte sie beschimpft. Er sei auf sie losgegangen. Jano hätte ihm nur eine Abreibung verpassen wollen, aber dann sei alles außer Kontrolle geraten. Sie hätten zu dritt auf ihn eingeprügelt und am Ende sei er leblos am Boden gelegen. Jano wisse nicht, ob er noch am Leben sei.
Ich streichelte ihm immer noch über sein Haar.
„Ich liebe dich“, sagte er plötzlich.
„Ich liebe dich auch“, sagte ich.
„Lass uns weggehen.“
„Du musst dich erst einmal beruhigen“, sagte ich. „Komm, ich lass dir ein Bad ein.“ Er sah zu, wie ich sein Bad vorbereitete, er ließ zu, dass ich ihn auszog und stieg dann gehorsam in die Badewanne. Ich holte uns ein Bier, dann setzte ich mich auf den Boden neben der Wanne. Ich hielt seine Hand. Ich wollte nicht, dass dieser Moment zu Ende ging. Doch irgendwann stieg er aus der Wanne und ging ins Bett.

Irgendwann schlief er ein. Ich sah ihn an. Das vertraute Gesicht. Die langen Schatten, die seine Wimpern auf die Wange warfen. Die Hände, mit denen er diese schönen Zeichnungen angefertigt hatte. Mein ganzer Körper vibrierte und ich hauchte ihm einen Kuss auf die Schulter. Dann stand ich auf und rief die Polizei.

 

Hallo ihr alle,

so, hier bin ich wieder. Ich hab die letzten Jahre an der Überarbeitung dieser Geschichte aus dem Jahre anno dazumal gearbeitet. ;)
Nein, nur Spaß. Aber ich habe so ziemlich die längste Schreibkrise durchlebt, die die Welt jemals gesehen hat. Mal schauen, wie ihr es findet und ob ich´s noch einigermaßen kann. :)

Viele Grüße
die Bella

 

Hallo Bella!

Dieser Text hat einen sehr melodramatischen Stil, wie man ihn vielleicht von Johannes Mario Simmel kennt oder vielleicht von französischen Filmen aus den 60er und 70er Jahren z.B. von Lelouch. Ich finde, man kann heutzutage durchaus wieder in so einem Stil schreiben, aber ich bin dennoch nicht recht glücklich mit dem Text. Das Problem ist, dass dieser Jano einfach ein netter, attraktiver Junge oder Mann ist, dem das Etikett "Nazi" aufgeklebt wird, damit die Liebesgeschichte Spannung erhält, damit die Ich-Erzählerin in diesen spannenden Zwiespalt gerät.

Die Geschichte aber grenzt Janos "böse" Seite aus. Und da muss etwas sein, was nicht stimmt bei ihm, er ist erwachsen, hat einen Beruf , er muss wissen, was es bedeutet, dieser Ideologie anzuhängen. Einmal gibt er ein Statement zu seiner politischen Einstellung ab, aber das, was er da sagt, würden sicher viele Deutsche auch unterschreiben, ohne Nazis zu sein. Das genügt mir nicht als Antwort auf die Frage, warum er auf der anderen Seite steht. Niemals versucht sie, ihn zu überzeugen, niemals ist die Rede davon, dass er seine politische Einstellung ändern könnte, damit das nicht zwischen ihnen steht. Das heißt, der Fokus liegt einfach auf der Liebesgeschichte, deren Süße etwas Salz braucht, damit sie spannend wird, es könnte auch irgendetwas anderes sein, was von ihrer Seite her nicht akzeptabel wäre, zum Beispiel könnte sie entdecken, dass er kriminell ist und seine alten Möbel irgendwo stiehlt. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema "rechte Ideologie" findet nicht statt. Oder besser gesagt, diese Thematik und die Liebesgeschichte durchdringen sich nicht.
Schade finde ich auch, dass du keine persönliche Sprache findest, dass du oft Allerweltsredewendungen verwendest. Und schade finde ich auch, dass du den Sex ausblendest.

Heute Nacht habe ich wieder von ihm geträumt und wache glücklich auf.
Und dann begreife ich, dass er nicht da ist.
Immer, wenn das passiert, tut es danach umso mehr weh. Immer dann wünsche ich mir, dass ich nie wieder von ihm träume.
Ich bin kein gläubiger Mensch und doch bete ich manchmal darum, dass ich ihn endlich vergessen kann. Aber es gelingt mir nie.
Yasemin sagt, dass ich es gar nicht wirklich will. Sie sagt, dass es nur mein Kopf ist, der sich das wünscht und mein Herz eine andere Sprache spricht.
Die Geschichte beginnt mit diesem großen melodramatischen Akkord, eine Frau will ihren Geliebten vergessen, aber sie kann nicht. Ein Spannungsbogen wird begonnen, man will wissen, warum er nicht bei ihr sein darf oder kann, und dann kommt die Nazisache und man weiß, ach so deswegen! Aber dann kommt noch das dramatische Ende mit dem Unfall, das Schicksal entscheidet sozusagen für sie und lässt ihn bei einem Unfall sterben. Ich find das zuviel und genau dieses Ende führt auch von der eigentlichen Problematik weg, der eigentliche Konflikt bleibt so ungelöst, die Liebe bleibt sozusagen rein und unangetastet, aber Liebe ist nicht so, sie ist immer auch "schmutzig", wir lieben jemanden ja einfach nicht nur so. In dieser Hinsicht würd ich es spannend finden, wenn die Protagonistin unsicher werden würde wegen ihrer eigenen politischen Einstellung, dass sie sich fragt, ob sie genau auch das Nazistische an ihm liebt!
Ich presse meine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe
„Jano“, flüstere ich. Das Wort zersplittert, teilt sich in tausend Bilder und ich finde eine ganze Welt dahinter. Herbst, ein blauer Himmel, er und ich. Ich und er. Weihnachtsmarkt, heißer Glühwein, verbrannte Finger. Dampfnudeln und warme Lippen, die nach Vanille schmecken. Kaminfeuer, Schatten an der Wand und heiße Schokolade. Sex. Und ein Scherbenhaufen.
Ja, das ist halt genau dieses Bittersüße: Dieses Glück zusammen und dann am Ende dieser kleine Widerhaken, der die schönen Bilder davor noch mehr strahlen lässt. Es ist kitschig und ein bisschen trivial. Eine völlig neuartige Liebesgeschichte zu schreiben, neue Bilder dafür zu finden, ist natürlich sehr schwer, aber man sollte es versuchen. Das Wort "Sex" find ich sehr störend dabei, es scheint gewaltsam eingeschoben, weil es ja dazugehört. Um dann später trotzdem später verschämt geheim gehalten zu werden.
Er kam mit dem Regen in mein Leben.
Simmel!
„Ganz und gar nicht“, sagte ich. Plötzlich wollte ich die Hand ausstrecken und ihm über das nasse Haar streichen – ich glaube das war der Moment, an dem ich mich in ihm verliebt habe.
Komma, falsche Präposition und falscher Kasus: Ich glaube, das war der Moment, in dem ich mich in ihn verliebt habe.
Er saß schon da, als ich kam, war in die Karte vertieft. Er lächelte, als er mich sah und ich spürte Schmetterlinge in meinem Bauch flattern.
Ja, wie oft müssen die noch flattern?
Wir redeten über alles und nichts. Tauschten Belanglosigkeiten aus. Wie alt bist du? Was arbeitest du? Er erzählte mir von seiner Arbeit als Tischler, von den Restaurationen der alten Möbel. Ich hörte ihm gerne zu, mochte die Begeisterung, die aus ihm sprach, liebte das Spiel seiner Hände, mit denen er seine Worte unterstrich. Ich sah ihn an, verlor mich in seinen Augen und fand ihn wunderschön. Das dunkelblonde Haar. Die blauen Augen. Die Bartstoppeln an seiner Wange. Das markante, vielleicht zu markante, Kinn. Die sonnengebräunte Haut. Die muskulösen Arme. Mein Herz flog ihm entgegen.
"in den Augen verlieren", "mein Herz flog ihm entgegen" - du solltest dich wirklich um eine eigenständige Sprache bemühen.
Es regnete noch immer, bald waren wir völlig durchnässt und ich zitterte. Er nahm meine Hand. Oder nahm ich die seine?
In traurigen Liebesgeschichten muss es immer regnen, oder? Aber damit hab ich kein Problem, ich mag das.
„Was hast du mit mir gemacht?“, flüsterte er später. Wir lagen im Bett, er streichelte mein Gesicht. Ich hätte ihm die gleiche Frage stellen können. Ich verstand nicht, verstehe bis heute nicht, wie ich mich so schnell in ihn verlieben konnte. Ausgerechnet ich, die von Freunden manchmal „Eisprinzessin“ genannt wurde, weil ich immer alle abblitzen ließ. Und dann passierte mir das. Dann passierte mir Jano.
Ja, das ist auch wieder so was Typisches für derartige Liebesgeschichten: Auch in gewissem Sinn ein tiefer Fall, zuerst die Unnahbare, aber dann zack trifft es sie wie ein Schlag und sie ist verloren. Mir wird grad klar, dass ich beginne, Anzeichen für Trivialität aufzuzählen.

Wir konnten nicht voneinander lassen, sahen uns beinahe täglich. Die Wohnung verließen wir nie. Wir verließen ja kaum das Bett. Wir haben zu wenig geredet, zu viel gefühlt. Unsere Blicke ersetzten die Worte und mit unseren Körpern erfanden wir eine eigene Sprache.
Das ist mir eigentlich auch zu sehr so die typisch romantische Schiene, ein bisschen würd ich halt schon gerne wissen, wie so ein Rechter im Bett ist, wie er seine Faszination für sie bewahren kann, durch das, was er mit ihr im Bett macht.
Wir waren in unserem Kokon, weitab von der Welt. Weitab von allem, was unser normales Leben ausmachte. Wenn wir zusammen waren, dann gab es nur uns. Und ich dachte, das könnte ewig so weitergehen.
Es ist leider so Allerweltssprache, so darf man über die Liebe sprachen, so muss sie sein, ich würde aber lieber was Unerhörtes lesen, sowohl vom Stil als auch vom Inhalt her. Er macht ja verdammt nochmal nie was falsch, er ist ja der ideale Mann, abgesehen davon, dass er halt ein Nazi ist.
Wir haben nicht viele Möglichkeiten, deswegen küsse ich ihn.
Das ist ein guter Satz!
Er dringt mich in die Wohnung
drängt
Die Menge heizte sich gegenseitig auf und was dabei herauskam war der pure Hass.
Komma: herauskam, war
Irgendwann war mein Magen komplett entleert.
Irgendwann war mein Magen leer.
Einen kleinen Moment, ehe ich mir selbst so viele Fragen stellen musste.
das klingt ungelenkt, Vorschlag: ehe ich mich den Fragen stellen musste
wie feinselig meine Stimme klang.
feindselig
„Sollen wir ein gemütliches Kaffeekränzchen machen, oder was“, fauche ich ihn an. „Warum hast du nie ein Wort gesagt?“
fauchte
Er stand auf und ging. Ich hörte, wie er die Tür öffnete. Hörte, wie er sie wieder schloss. Und dann war ich allein.

Es tat weh.

Ja, das ist nur eine Kleinigkeit vielleicht, aber auch die Art, wie du hier das "Es tat weh" absetzt ... das ist so eine betonte Melodramatik.
Wir redeten lange. Redeten über uns. Über ihn. Über mich. Aber nicht über Politik. Wir beschlossen, es miteinander zu versuchen. Ich hatte Zweifel, doch ich fegte sie beiseite. Ich musste es versuchen.
Ja, also das kann ich nicht ganz glauben. Worüber zur Hölle reden sie denn da, das würde ich schon sehr gerne wissen. Es ist ja nicht so, dass das Politische ein völlig abgegrenzter Bereich ist, das muss ja schon ein großen Teil seiner Identität ausmachen, das reicht doch in fast alle Bereiche hinein ... also da gehst du zu leichtfertig darüber hinweg.
Aber jetzt nannten wir das, was wir hatten „Beziehung“.
Komma: hatten, "Beziehung".
Seine Augen leuchteten vor Begeisterung, als er mir erklärte was zu tun war.
Komma: erklärte, was zu tun war
Auch er trug einen Pullover von Consdaple.
Constaple oder Consdaple?
Ich suchte den, den ich kannte in seinem Blick.
Komma: kannte, in seinem ...
Ich mag das danach, wenn Jano in meinen Armen döst
groß: Danach
„Nein, darfst du nicht! Du hast dich einfach nur unmöglich verhalten.“
eigentlich nicht, oder? Er hat nichts getan und nichts gesagt.
Ich sah ihn an, sah den Schmerz in seinen Augen und begriff in diesem Moment, dass ich ihn liebte. Dass ich ihn über alles liebte. Egal, wer er war oder woran er glaubte.
Nein, also, ich meine, sowas ist immer nur eine Behauptung, man kann jemanden nicht abseits von dem lieben, was er ist und woran er glaubt. Das ist die Lüge, auf der die Geschichte basiert, und weil´s eine Lüge ist, ist diese Basis brüchig.
Er sah mich bittend an, ich möchte so gerne einfach Nicken, vergessen was war, aber ich konnte es nicht.
falsche Zeit und klein: Ich wollte so gerne einfach nicken

„Hat dein Vater dich jemals geschlagen?“, fragte ich ihn. Ich merkte schon im selben Moment, wie dumm meine Frage war. Aber ich wollte so gerne erklären, so gerne verstehen.
Er sprang auf. „Ich frage dich, ob du meinen Eltern treffen willst und du kommst mit so einer Scheiße! Fühlst du dich besser, wenn er mich geschlagen hat? Soll ich erzählen, dass er mich vergewaltigt hat. Dass mein Vater ständig blau war und abwechselnd mich und meine Mutter verprügelt hat? Wäre das gut für dich? Magst du das deinen Freunden erzählen, damit du dich nicht so sehr für mich schämen musst?“
Ich zuckte zusammen und er fing an zu lachen. „Du schämst dich für mich. Das ist es. Du könntest vielleicht noch mit alledem leben, aber ich bin dir peinlich. Herzlichen Dank auch.“
Der stärkste Moment der Geschichte, er deckt sie auf: Im Grunde ist es ihr egal, dass er ein Nazi ist, aber vor ihren Freunden schämt sie sich dafür. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
Es ist morgen, er küsst mich und dann geht er.
groß: Morgen
Plötzlich höre ich das Kreischen von Bremsen. Einen lauten Knall. Ich renne auf den Balkon. Da liegt er. Ich renne nach unten, falle fast. Um ihn herum hat sich eine Menschenmenge versammelt. Er liegt auf dem Boden. Blut dringt aus seinen Ohren.
„Jano“, schluchze ich. Ich bette seinen Kopf auf meinen Schoß. Er versucht ein Lächeln, er will irgendetwas sagen, aber er schafft es nicht.
„Ich liebe dich“, flüstere ich. Er lächelt und schließt die Augen.
Wie schon gesagt, das Ende geht gar nicht, löst den Konflikt in ein Nichts auf. Durch dieses Ende, das allem ausweicht, kann diese große Liebe ihre Überhöhung finden, wie sie bezeichnend ist für einen trivialen Text.

Obwohl das jetzt natürlich eine harte Kritik war, solltest du dich nicht abschrecken lassen, du hast eine ordentliche Geschichte geschrieben mit einer ordentlichen Struktur. Das ist mehr, als ich im Moment schaffe. ;)

Gruß
Andrea

 
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Hallo Bella, ich las den Anfang deiner Geschichte, dachte, oh nee, nicht schon wieder Liebe. Ich kann grad das nicht mehr hören. Und dann bin ich doch hängen geblieben.
Das lag 1. daran, dass du gut schreibst, und dass du 2. so ein Rätsel aufgebaut hast, dass das Mädchen den Jano nicht will, obwohl sie ihn so liebt. Das hat mich trotz momentaner Gefühls- und Liebesaversionen dann doch bei der Stange gehalten. Und das kannst/sollst du unbedingt deiner Geschichte "anlasten". Und dann war ich begeistert, weil du 3. ein tolles Thema hast. Romeo und Julia auf Politisch. Und deinen Mut in allen Ehren, den Jano so einen normalen Rechten sein zu lassen, mit ohne Vergewaltigungs- und Saufvater und schlechter Kindheit, sondern einen Mann, der bei den Rechten ist wegen seiner politischen Denkweise. Ich finde nämlich immer, dass diese Kindheits- und Losererklärung für rechtes Gedankengut eine ziemliche Verharmlosung ist und den politischen background der NPD nicht ernst nimmt. In dem Zusammenhang: Ich las neulich ein Buch, ich glaube, es war von Huisken, ich bin aber nicht mehr sicher, der hat Leuten politische statements unterschiedlichster Parteien vorgelegt und die Leute hatten die größten Schwierigkeiten, die rechten Zitate rauszufinden unter all den CDU-, SPD- und Grünen-Zitaten. Aber das nur am Rande, gibt einem aber doch ganz schön zu denken, wie vereinheitlicht Wahlpropaganda u. a. Gedankengut ist.
Also jedenfalls ein großes Lob von mir, eine Liebe vor diesen politischen Hintergrund zu stellen.
Ich finde deine Geschichte auch sprachlich schön, und alles spannend gemacht mit den Rückblicken und der eingestreuten Gegenwart. Wenn ich auch sagen muss, dass es am Anfang (bisher nur so ein vages Gefühl, das auch an meinem momentanen Geschmack liegen kann) ein paar Stellen gab, die ein wenig Richtung sentimental gingen. Ist aber eine Kleinigkeit. Müsste ich mir noch genauer anschauen.

Was mir leider gar nicht gut gefiel, das war der Schluss. Also der kam mir vor, als wolltest du unbedingt einen Akzent setzen, der außerhalb der Beziehungsentwicklung liegt, der "das Problem" löst. Aber ich finde, das braucht es gar nicht. Dieses Ende bricht so richtig raus aus der Geschichte, es ist unpassend aus meiner Sicht. Probier mal, wie sich das anhört, wenn du einfach hier schon aufhörst. Auch wenn es bestimmt bessere Lösungen gibt für ein Ende, aber ich finde es viel besser als das jetzige:

Wir stehlen uns einzelne Stunden. Einzelne Nächte.
Es ist morgen, er küsst mich und dann geht er.
Und ich nehme mir vor, dass ich ihn nie wieder sehen will. Bis zum nächsten Mal. Schon während ich noch seine Schritte auf der Treppe höre, steigen mir Tränen in die Augen. Ich wünsche mir, er wäre anders. Aber er ist es nicht.

Nachträglich eingefügt:
Das was Andrea hier schreibt, das finde ich toll, das fasst es hervorragend zusammen, was mir auch nicht am Ende gefällt. Ich bin es zu praktisch angegangen, Andrea hat es erklärt:
Aber dann kommt noch das dramatische Ende mit dem Unfall, das Schicksal entscheidet sozusagen für sie und lässt ihn bei einem Unfall sterben. Ich find das zuviel und genau dieses Ende führt auch von der eigentlichen Problematik weg, der eigentliche Konflikt bleibt so ungelöst, die Liebe bleibt sozusagen rein und unangetastet, aber Liebe ist nicht so, sie ist immer auch "schmutzig", wir lieben jemanden ja einfach nicht nur so. In dieser Hinsicht würd ich es spannend finden, wenn die Protagonistin unsicher werden würde wegen ihrer eigenen politischen Einstellung, dass sie sich fragt, ob sie genau auch das Nazistische an ihm liebt!

Und dann gab es später, wenn die beiden über ihre unterschiedlichen politischen Vorstellungen reden, ein paar Stellen, da hatte ich das Gefühl, dass das ein bisschen vordergründig und zu oberflächlich kommt, so als wäre der Dialog eben nur Informationstransportmittel.

Ich wollte dir einfach mal sagen, dass ich es ein tolles, interessantes Thema finde.
Und du hast mich auch ein bisschen enttäuscht - nee, das war jetzt eine kleine Uzerei, du hast mich natürlich nicht in echt enttäuscht, sondern nur dahingehend, dass ich deinen Text anlas und dachte, oh, eine neue Userin, und meine Fresse, schreibt die gut. Ist ja super, wie die das macht. Und dann musste ich über mich selbst lachen, als ich deine Erklärung am Ende las. Und ich bemerkte, dass da Veteranin steht. Meine Güte, da merke ich dann schon, dass ich doch noch gar nicht so lange da bin.

Ich habe jetzt deine alte Geschichte nicht mehr lesen können, auch nicht die Kritik von damals oder wie du früher geschrieben hast. Ich mach das aber sicherlich noch und melde mich dann noch mal.
Erst mal wollte ich dir ein Dankeschön sagen für deine Geschichte und dafür, an Liebe und sonstige Emotion mal nicht nur mit überschwänglicher Stilistik ranzugehen, sondern sie mit einer gesellschaftlichen Problematik zu verbinden. So überschwänglicher Gefühlkram ist momentan halt grad nicht mein Geschmack, da kamst du genau richtig.
Ich habs gespannt und mit großem Interesse gelesen. Und es hat mir richtig gut gefallen.
Sehr schön und echt gerne gelesen.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Andrea,
vielen Dank für die Kritik. Puh, so ein bisschen schlucken musste ich schon, aber ich war ja selbst nicht so wirklich zufrieden, übrigens vor allem auch mit dem Ende nicht. Alles in allem war ich schon froh, dass ich überhaupt mal wieder was geschrieben habe.
Tja, insgesamt ist die Geschichte genau so unrund wie die Version vor einigen Jahren. Aber du hast mir ein paar gute Tipps gegeben, z. B. auch den Ansatzpunkt, dass es gerade auch seine dunkle Seite ist, die ihn fasziniert. Oder was er eben auch an ihr findet. Ich schätze, ich muss da noch mehr recherchieren und von der reinen Liebesgeschichte wegkommen. Schad
e finde ich, dass es auch sprachlich so platt rüberkommt, aber wenn man es so vor Augen geführt bekommt...muss ich dir natürlich recht geben.
Also nochmal: Danke für deine Hilfe.
LG, Bella

 

Hallo Novak,
vielen Dank für deine Kritik.
Ach, ich wollte schon früher immer etwas anderes schreiben als Liebesgeschichten, aber irgendwie habe ich es nie so richtig geschafft.
Ich freue mich natürlich besonders, dass ich dich mit dieser Geschichte fesseln konnte, auch wenn das Thema (im Moment) nicht so ganz deins ist.
Ich habe die erste Version dieser Geschichte 2004 oder 2005 geschrieben. Das Thema fasziniert mich immer noch. Was noch so ein bisschen fehlt, ist die Tiefe, vor allem die von Jano.
Aber immerhin scheint der Grundgedanke schon rüber gekommen zu sein - dass es eben nicht so einfach ist, dass Rechtsradikalismus eben nicht nur mit ein, zwei Sachen zu erklärt. Tatsächlich habe ich ihn aber zu wenig "rechts" dargestellt. Ich hab einfach nur gesagt, dass er es ist und fertig. Das ist in sich nicht stimmig und ich muss da definitiv noch nacharbeiten.
Übrigens interessant, dass du das mit den Wahlzitaten ansprichst - das ist auch mein Eindruck, das rechtes Gedankengut inzwischen wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich erschreckend.

Mit der Senitmentalität hast du sicherlich recht. Das hat ja auch Andrea schon angesprochen. Da ist es mal wieder mit mir duchgegangen. Ich muss sagen, dass ich das ganz gerne mache und es auch ganz gerne lese, aber da kann man´s leicht mal übertreiben.

Der Schluss ist doof, das sehe ich jetzt ein. Das war so eine Kurzschlussreaktion. Ich muss mir da noch irgendwas einfallen lassen, aber so ist es blöd. Ich schätze, ich hab´s mir da ein bisschen einfach gemacht.

Also alles in allem bin ich froh, dass es dir gefallen hat... Aber es gibt noch einiges zu tun. :)

Für mich selbst bin ich froh, dass ich nach so lange Zeit überhaupt mal wieder etwas geschrieben habe. Das habe ich echt gebraucht und auch wenn´s jetzt noch nicht so der allergrößte Wurf war, so hat´s einfach gut getan, mal wieder nen Zugang gefunden zu haben.

LG
Bella

 

Hi Bella!

Es ist ein super gutes Thema, aber es geht nie ans Eingemachte in deinem Text. Es wirkt von der Sprache echt sehr abgenudelt, ich hab kaum Vergleiche oder Sätze, wo ich dachte, das ist jetzt frisch. Trotzdem sind deine Beschreibungen schon oft sehr treffend, es ist eigentlich gut aufgezogen, dem Konflikt wird der Weg gut bereitet, aber dann fehlt der Mut, das umzusetzen. Es ist natürlich auch schwer, du müsstest ja, um es zuzuspitzen, Argumente finden, die Jano dazu bringen, ein "Nazi" zu sein und das müssten dann Argumente sein, die der Leser nachvollziehen kann, nicht gutheißen, aber doch verstehen, von der Logik her. Da wird's dann immer kritisch, wenn man da nicht ganz tief in so ein Thema will, wenn man Angst hat, sich die Finger zu verbrennen, kann man an so einem Thema eigentlich nur scheitern.
Aber es ist bestimmt auch toll, nach langer Pause eine ordentliche Geschichte hinzubekommen. Die ist ja echt nicht schlecht, da steckt halt nur viel mehr Potenzial drin, weil das Thema interessant ist. Du hättest einen tückischen Jano gebraucht, der schlaue Sätze sagt und sie schleichend infiziert, bis sie selbst nicht mehr weiß, ob es ganz falsch ist, so zu denken. Das wäre spannend gewesen. Also kennst du "Er ist wieder da"? Da kommt Hitler wieder zurück, wacht auf und ist irgendwie ganz menschlich. Er sagt viele Dinge, die man selbst vielleicht ähnlich sieht, übers Fernsehen und so und dann ist er auch noch ständig unfreiwillig komisch. Das Buch zeigt so bisschen, wie man doch, obwohl man sogar schon die grauenhafte Geschichte kennt, manche Sachen für klug hält, die er von sich gibt und dann wundert es einen auch weniger, dass die Leute, die nicht die Zukunft kannten, an seinen Lippen hingen. Das wiederum führt eventuell zu einer höheren Wachsamkeit (Es könnte auch mir passieren, denkt man vielleicht) Also: Der Jano müsste ein richtiger Typ sein, der nicht nur ein markantes Kinn hat, damit kann ich jetzt eh weniger anfangen, das macht mir nicht klar, warum sie ihn so liebt. Er ist eine Abziehfigur und mir persönlich völlig gleichgültig. Was ich meine: Du musst da eben mehr Mut haben, vielleicht auch mal in die Scheiße zu greifen.

Ich habs ja trotzdem fertig gelesen und das heißt, es war nicht schlecht geschrieben, auf keinen Fall. Ich glaube auch, dass du jetzt noch viel rausholen könntest, wenn die Geschichte nochmal überarbeitest. Weniger: "Es tut weh" und mehr Charakter für Jano. Und natürlich ein anderes Ende bitte.

 

Hallo Bella,

als ich den Anfang las, dachte ich: Oje, das wird eine typische Frauengeschichte. Ich hätte da aufgehört zu lesen, wollte mich aber für Deinen Kommentar revanchieren und auch was zu Deinem Text schreiben, weil ich weiß, wie wichtig das ist, Feedback von außen zu bekommen.

Dann kam der Break mit der Demo, und ab diesem Punkt wurde es für mich spannend. Natürlich ist eine feine Sache, wenn eine Geschichte plötzlich an Dramatik gewinnt. Wenn man andererseits aber davon ausgeht, dass viele Leser nach den ersten Sätzen entscheiden, ob sie weiterlesen wollen, wird auch klar, dass Dein Konzept problematisch ist.

Ich gehe mal die einzelnen Punkte durch, die mir aufgefallen sind:

Plot/ Idee – Vom Grundsatz her ist das schon spannend, denn die Frage, ob sich eine Humanistin in einen Nazi verlieben kann, läuft ja darauf hinaus, was der Autor dem Nazi-Sein so für Attribute unterstellt. Einerseits ist da das schlichte Image vom Rechtsradikalen: dumm oder zumindest historisch ungebildet und verblendet, aggressiv, feindselig allem gegenüber, das seinen Vorstellungen und Werten widerspricht.

Tja, Jano also. Es ist schon lustig, dass Dein Nazi einen slawischen Namen hat. Aber das wird wohl vorkommen.

Wir können uns unter einem überzeugten Rechtsradikalen kaum einen offenen, humorvollen, klugen, charmanten, liebevollen Menschen vorstellen. Und doch gibt es das. Ich finde also die Grundidee Deiner Geschichte plausibel.

Du hast geschildert, dass die beiden sich primär im Bett aufhalten. Was ich mir trotzdem nicht vorstellen kann, ist, dass diese Nazi-Überzeugungen im Verlauf von einigen Wochen nicht irgendwie sichtbar werden. Und da liegt der Haken.

„Wir leben in einem demokratischen Land“, schreie ich. „Ich bin stolz darauf. Du kannst das nicht vergleichen.“ Der Konflikt zwischen der Welt, die Matilda verkörpert und der von Jano liegt meiner Ansicht nach nicht in der Frage, wer von den beiden an ein demokratisches System glaubt. Sokrates und Aristoteles waren Feinde der Demokratie, und auch heute gibt es für einige Menschen gute Gründe, gegen Demokratie zu sein. Der springende Punkt liegt wirklich darin, ob man Humanist ist oder nicht.

Die Auflösung des Plots scheint mir ein Hilfskonstrukt zu sein, denn das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Ich bin kein Fan von dem Ende.

Stilistik – Schmetterlinge im Bauch, herumfliegende Herzen, azurblaue Augen; ich wundere mich dass Dir als Forumsveteranin solche Beschreibungen rausrutschen. Ich glaube, das kann man nicht machen, ohne sich dem Kitsch-Vorwurf auszusetzen. Versuch es lieber etwas nüchterner. Die Möglichkeiten hast Du ja dazu.

Fazit: Von einigen übersüßen Formulierungen abgesehen, finde ich Deine Sprache angenehm zu lesen. Das Thema ist brisant und spannend, aber Deine Lösung dieses Konflikts scheint mir noch etwas unausgereift. Vielleicht gehst Du da noch mal etwas tiefer.

Grüße Achillus

 

Hallo Hr. Lollek,

vielen Dank für deine Kritik.
Ich freue mich, dass dir das Thema gefällt. Mit der abgenudelten Sprache hast du natürlich recht. So ne richtige Entschuldigung habe ich dafür jetzt auch nicht, aber ich habe halt echt seeehr lange nichts mehr geschrieben und mir scheint es, ich muss mich da auch erst mal wieder so ein bisschen herantasten.

Ich habe, dank eurer Ideen, auch schon sehr viele Ideen für die Überarbeitung bzw. ich habe auch schon damit angefangen.
Das Thema ist wirklich nicht einfach, weil ich diese ganze rechte Denke für mich wirklich nachvollziehen kann. Aber wer über ein solches Thema wagt, wird wohl in den sauren Apfel beißen. Ich bin mir insgesamt noch nicht ganz sicher, ob ich Jano insgesamt eher ein bisschen böser mache oder ob ich es so aufziehen werde, wie du es schreibst - dass er sie so ein bisschen einlullt und sie letztendlich ihre eigene Einstellung überdenkt. Da bin ich mir noch nicht ganz schlüssig.
Ich werde auch diesen ganzen Konflikt rund um seine rechte Gesinnung stärker herausarbeiten, das ist im Moment tatsächlich nur gestreift und insofern wundert es natürlich nicht, dass du Jano auch als eine Abziehfigur wahrnimmst.
Und ... ich hab schon ein anderes Ende im Kopf, mit dem ich weitaus zufriedener bin, als mit dem derzeitigen. Weiß wirklich nicht, was mich da geritten hat.

"Er ist wieder da" habe ich übrigens noch nicht gelesen. Ich hab´s aber schon auf dem Reader. Ich überlege mir, ob ich es gleich noch lesen soll oder aber die Überarbeitung ohne das Buch machen soll, weil ich mich beim Schreiben sonst vielleicht zu stark daran orientiere.

Also nochmals - vielen Dank für deine hilfreichen Argumente. Ihr habt mir da wirklich viele tolle Ideen und Ansatzpunkte mit auf den Weg gegeben.

LG
die Bella

 

Hallo Achillus,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Ich sehe, was das Problem mit dem Anfang ist. Ich habe ihn jetzt etwas geändert, aber ich schätze, dass es immer noch nach typischer Frauengeschichte klingt. Mal sehen, ob mir noch etwas einfällt, um es gleich spannender zu machen. So ganz weg will ich davon allerdings nicht.

Dein Kommentar hat mir auch sehr gut gezeigt, an welchen Ecken meine Geschichte noch nicht stimmt. Ich schätze, ich habe es mir da etwas einfach gemacht. Ich arbeite noch an der neuen Fassung und da habe ich einiges ganz anders gemacht und es wird auch länger dadurch. Ich wollte allerdings nicht dieses typische Klischee bedienen. Diese Idee gefällt mir eigentlich ganz gut.

Und das Ende wird in der neuen Version ganz anders ... versprochen!

Für die lahmen Beschreibungen möchte ich mich entschuldigen. Ich schätze, ich muss da auch erst wieder so ein bisschen warm werden.
Ich hatte nur zuletzt, in meiner aktiven Zeit vor vier, fünf Jahren, so viel an meinen Texten herumgefeilt, damit nur ja alles ausgefallen etc. klingt, dass ich irgendwann schlichtweg nicht mehr schreiben konnte. Ich habe wirklich den Spaß verloren, weil ich mitunter mehrere Tage brauchte, um einen kleinen Absatz zu schreiben. Damit mir sowas nicht wieder passiert, finde ich es für mich ... angenehmer, erst mal so zu schreiben, wie´s kommt Ich bessere dann lieber nach. Aber ich schätze, in dieser Geschichte ist da einfach noch zu viel abgeschmacktes hängen geblieben.

Vielen Dank für deine Ratschläge!

Liebe Grüße
Bella

 

Hallo ihr Lieben,

ich habe meine Geschichte jetzt umfassend überarbeitet. Von der ersten Version ist, ehrlich gesagt, gar nicht so wirklich viel übrig geblieben.
Ich hoffe, ich habe das mit dem Ende jetzt besser gelöst.

Tja, wäre schön, wenn der eine oder andere nochmal die Zeit findet, die überarbeitete Version zu lesen.

Danke und liebe Grüße
die Bella

 

„Ich habe einen Nazi gevögelt“

Liebe Bella,

eine Liebesgeschichte, die es in sich hat, Matilda, die in diesen ambivalenten, geheimnisvollen Nazi verschossen ist, wie er auf der einen Seite Parolen schwingt, und auf der anderen Pflanzen zeichnet und Tische schleift, dieser politische Disput, der sich zwischen sie schiebt, wie ein Schiefer, der sie auseinander treibt, „unüberbrückbar“ schreibst du treffend und ich muss sagen, ich mochte die Geschichte, ich fand sie spannend und anregend, weil es doch ein interessantes Setting ist, das es zwar schon gab, das aber oftmals sehr oberflächlich abgehandelt wird. Hier geht das schon in die Tiefe.

Ich komme gleich mal zu den unangenehmen Dingen: Großteils mag ich das Gefühlsleben der Figur, da ist es ehrlich, echt, aber vor allem am Anfang, dieses blinde Verliebtsein kommt für mich gestelzt und künstlich vor, aber wie gesagt, nur am Anfang, vielleicht da noch einmal drüber. Weil sie reden über fischfreundliches Angeln und trinken überzuckerten Kaffee und dann sind sie verliebt und alles ist toll, hm, vielleicht das das die Anfangsphase ist, sie schlafen miteinander, treffen sich, und Matilda spürt, dass da mehr ist, und dann trifft sie ihn auf der Demo. Das ist schön eingefädelt von dir. Die politische Beleuchtung der Geschichte ist nicht plump, aber auch nicht wirklich tiefer als die allgemeine Meinung, da hätten mich ein paar Argumente gefreut, die man nicht so oft hört, die vielleicht gar nicht stimmen, er bringt ja nur „nachvollziehbare“ Argumente und versteckt seine ideologischen Gedanken, aber warum? Aber gut, das ist echt ein verdammt schwieriges Thema und ich finde, dir ist es sehr gut gelungen, unbefangen darüber zu schreiben, das ist schon ein großer Gewinn, es ist auch nicht schlecht, was du über die politischen Gesinnungen schreibst, aber ich finde, da könnte man noch bisschen tiefer, bisschen über das Allgemeine hinaus. Zwischenzeitlich habe ich da auch die Kraft von Matildas türkischer Freundin vermisst, als sie sich da entschließt, wieder mit Jano zu treffen, da hört man gar nichts mehr von ihr. Wenn man sich so lange trifft, stolpert man sich doch zwangsläufig mal über den Weg, oder nicht? Ich kann die Zeitspanne auch fast gar nicht einschätzen. An was hast du da gedacht?

Sprachlich fand ich es gut, nicht überwältigend, aber flüssig zu lesen, an einigen Stellen hast du sehr schöne Beschreibungen, Umschreibungen und Bilder gefunden. Ich weiß nicht, ich hab immer so komische Erwartungen an die Sprache eines Textes. Werte da mein Urteil nicht zu hoch, aber insgesamt hat mir der Stil und deine Sprache gefallen!

Ein paar Anmerkungen:

Seine Augen waren von einem so intensiven Blau, als kämen sie direkt aus einem Malkasten.
Ich lasse eine meiner Figuren ja auch die Augäpfel in Farbe tunken, aber ich denke, dass das bei dir hier die falsche Reihenfolge hat. Ich hätte mir so etwas in der Art gewünscht: „Seine Augen waren von einem so intensiven Blau, als könnte man damit ganze Bilder malen.“

Unsere Augen trafen sich.
Sind es die Augen oder die Blicke?

„Matilda“, antwortete ich und gab ihm meine Hand.
Ich mochte, wie seine sich anfühlte.
Vorschlag: Ich mochte, wie sich seine anfühlte.

Ich klinge wie ein kompletter Idiot.
Warum nicht nur „Idiot“?

Eine Windbö peitschte uns den Regen ins Gesicht und wir rückten enger zusammen. Ganz eng standen wir zusammen, unsere Köpfe waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Statt „eng“ „nah“.

Plötzlich wollte ich die Hand ausstrecken und ihm über das nasse Haar streichen – ich glaube das war der Moment, an dem ich mich in ihm verliebt habe.
Man verliebt sich nicht „an“ Momenten, sondern „in“ Momenten, außerdem „ihn“ statt „ihm“, aber das kann ich dir nicht abnehmen, du weißt, ich bin selbst Fan von Diabetes-Romantik, aber so funktioniert Liebe nicht. Dieses exakte Benennenkönnen von Ort und Stelle des Verliebens …

Er saß schon da, als ich kam, war in die Karte vertieft.
Das ist die erste Geschichte, die ich von dir kommentiere, ich habe diese Unart, ständig Vorschläge und Umstellungen zu machen, das sind aber alles tatsächlich nur Vorschläge, keine Forderungen, und auch wenn sie fordernd oder besserwisserisch oder böse klingen mögen, sind sie ganz gegenteilig gemeint. Lies es dir einfach durch und entscheide selbst, was du besser findest: „Als ich kam, saß er schon da und war in die Karte vertieft.“

Ich lief ein bisschen zu hastig an seinen Tisch
Warum „seinen“ Tisch. Das ist doch nur irgendein Tisch und bald auch ihrer.

Er erzählte mir von seiner Arbeit als Tischler und dass er nie neue Dinge anfertigte, weil er so gut restaurieren konnte.
Das hat mir gut gefallen. Der Satz sagt viel.

Die Bartstoppeln an seiner Wange.
Singular => halbes Gesicht …?

Das markante, vielleicht zu markante, Kinn.
Das sagt mir überhaupt nichts. Keine Ahnung, was ich mir darunter vorstellen soll. Markant ist ja keine objektive Eigenheit, sondern eine subjektive Einschätzung und wenn die Erzählerin es für sie zu markant findet, tja, was sagt mir das?

Das dunkelblonde Haar. Die blauen Augen. Die Bartstoppeln an seiner Wange. Das markante, vielleicht zu markante, Kinn. Die sonnengebräunte Haut. Die muskulösen Arme.
Das ist halt eine Klischeebeschreibung, die mich absolut kalt lässt. Wenn du einer Freundin das von einem Typen erzählst, zuckt sie bestimmt mit den Achseln und sagt: Na und? Vermutlich wolltest du hier den Arier beschreiben.

ihrem Kampf gegen die Leukämie
Vielleicht besser ohne Artikel. „ihrem Kampf gegen Leukämie“

Oder nahm ich die seine?
„die“ kann man streichen

„Dann lass uns aufstehen“, sagte er.
„Jetzt?“
„Jetzt.“
Dann lass uns aufstehen? Wäre da „Dann lass uns aufbrechen!“ nicht stimmiger?

Und dann warf ich ein paar Sachen in meine Reisetasche und wir fuhren einfach los.
Er hat halt nix dabei.

dann kribbelte es in meinem Bauch, als hätte ich zu viel Sekt getrunken.
Überschneller und übermäßiger Sektgenuss führt zu einem sehr unangenehmen Gefühl, deswegen finde ich das Bild hier nicht so stimmig.

Jano liebte Fußball und wollte das Rhein-Energie-Stadion sehen und dann hielt er mir einen langen Vortrag über den FC und die Fortuna.
Ich habe keine Ahnung von Fußball, aber kann man den Artikel nicht auch rauskicken?

Die Menge heizte sich gegenseitig auf und was dabei herauskam war der pure Hass.
KOMMA nach „herauskam“. Und schau echt mal, wohin du überall die Artikel packst.

Yasemin kapierte nichts und als sie es dann verstand, wurde ihr Mund zu einem kleinen, schmalen Strich.
Erst kapiert sie nichts, dann versteht sie, ist mir hier zu plump. Wie kommt sie darauf?

Ich war so wütend, wollte ihn anschreien, am Liebsten auf ihn einprügeln.
„liebsten“

Und von eurer Vergangenheit will ich gar nicht erst anfangen, dass ist ein Fass ohne Boden.“
… das ist ein Fass …

„Warum denn reden? Lass uns doch einfach wieder ficken, das können wir am besten! Wenigstens eine Sache, die uns verbindet.“
„Ich kann eine Bettgeschichte von etwas anderem unterscheiden. Du anscheinend nicht.“
Er drehte sich um und riss die Tür auf.
„Bitte bleib“, hörte ich mich sagen und hielt ihm am Arm fest.
„Fass mich nicht an!“
Ich zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Er atmete mehrmals tief aus und ein.
„In Ordnung“, sagte er schließlich „Aber dann lass uns in Ruhe reden. Bitte.“
Als sie wütend sagt, „lass uns doch ficken“, das finde ich gut, da ist sie bitterböse und mies, aber irgendwie auch interessant, der Rest ist nicht nachvollziehbar für mich, das ist sehr unrealistisch dargestellt. Stell dir mal die Situation vor! Er hat Scheiße gebaut, sie ist wütend und trotzig, und sie sagt etwas gegen ihn und er will sofort abhauen und dann rennt sie ihm hinterher wie ein armseliges Hündchen, na, entweder sind das beides blasse, charakterlose Menschen oder die Szene hier ist falsch.

Viele sagen das sogar ganz offen, aber wir schieben denen trotzdem weiterhin die Kohle in den Arsch“
ArschPUNKT“

Jano war inzwischen auch aufgestanden und lief herum.
Die laufen also beide wirr durchs Zimmer?

„Hast du die Geschichte von dem Asylbewerber gelesen?“, fragte er. „Von diesem verfluchten Islamisten, der „Allah lebt“ auf die Kirchenwand gesprüht hat?“
Vielleicht ALLAH LEBT und ohne Anführungszeichen.

Ganz ehrlich – es wäre das Normalste auf der Welt, das der postwendend wieder in sein Heimatland geschickt wird!
dass
Postwendend habe ich noch nie gelesen, ich weiß nicht, ob das hier der richtige Ausdruck ist.

Sein Kopf war ganz rot geworden und er untermalte seine Worte mit Gesten. Es erschreckte mich, dass er bei diesem Thema mit der gleichen Hingabe sprach, die er auch für seine Arbeit aufbrachte.
Das fand ich gut, dass du hier die Parallele zum ersten Date aufbaust und er mit der gleichen Faszination spricht. Ich habe diese Parallele allerdings schon mit „untermalte seine Worte mit Gesten“ verstanden, dann kommt halt noch so ein erklärender Beisatz, so als Vorschlag für spätere Geschichten auch: Das mit reinweben, wenn du diese Gesten und diese Hingabe beschreibst, nicht benennst. Und wenn zwei ähnliche Beschreibungen im Text liest, ist das eine subtile Parallele, die auch mehr wirkt, finde ich.

„Nein, alle nicht. Aber wenn du dir mal die Statistiken ansiehst, dann wird auch ziemlich schnell klar, wo hier das Problem liegt.“
Da frage ich mich auch immer, wer solche Statistiken aufstellt und dann auch noch veröffentlicht. Ah, interessant, im März wurden 37,8% von Türken vergewaltigt, im Juni waren es schon 41,2%. Verrückt.

Ich konnte den Nazi hassen, aber nicht ihn.
Starker Satz!

Danach fühlte ich mich schmutzig, schämte mich, dass mein Körper den Sieg gegen den Verstand davon getragen hatte.
Vorschlag: Danach fühlte ich mich schmutzig und schämte mich.
Das andere ist umständlich und eigentlich auch unnötig.

„Welche Partei, wählst du?“
Ohne KOMMA.

„Warum machst du es dann? Ich bin kein Idiot, Matilda. Ich habe mir meine Meinung über lange Jahre gebildet. Du wirfst mir Vereinfachung vor, aber in Wirklichkeit tust du nichts anderes! Denkst du wirklich, ich bin rechts geworden, weil ich mal nen dämlichen Türken kennengelernt habe? Denkst du, ich werfe alles über Bord, weil ich mal bei der Mutter deiner Freundin Lahmacun esse?“
Auch stark der Dialog.

Wir genossen dass Haut an Haut.
Da ist irgendetwas falsch.

Er strich mit seinen Fingerspitzen über das Holz, erklärte mir woher das Stück kam und was getan werden musste.
KOMMA nach mir: erklärte mir, woher …

Wir gingen allen Stolperfallen aus dem Weg und weil wir nie wussten, wo sie versteckt sein könnten, war unsere Welt zu zweit am Sichersten.
Das „könnten“ ist glaube ich hier falsch. Und ich verstehe den ganzen Satz nicht.

„Aber das ist doch total unnormal!“
„Ach Matilda! Wir kennen uns doch noch gar nicht so lange. Lass uns das einfach auf später verschieben.“
Das Thema arbeitete in mir und so beschloss ich eines Abends, ihn einfach unangekündigt zu besuchen.
„Ach, Matilda!“

„White is my favorite Colour“ stand darauf. Ich verdrehte die Augen
Nach Augen fehlt ein Punkt. Außerdem: Sollte das nicht in Deutsch drauf stehen???

Glatze, Springerstiefel und ein Pullover der Marke Consdaple, auf dem etwas abgebildet war, dass wie der Reichsadler aussah.
Kennt sie die Marke wirklich? Also da muss man sich schon ein bisschen mit der Szene auseinandersetzen, oder?

Die Männer musterten mich unverhohlen und ich fühlte mich wie nackt in meinem rotgepunkteten Kleid.
„Schöne“ Szene! Aber bei der ganzen Wohnungsszene frage ich mich: Die ist da das erste Mal in seiner Wohnung und interessiert sich gar nicht für die Einrichtung, Mädels – ja das ist jetzt kollektiv – fahren doch da total drauf ab. Auch andersherum interessiert man sich doch zumindest kurz dafür, wie es aussieht. Auch der Leser fragt sich das, ich mich auch. Wie richtet ein Nazi seine Wohnung ein?

„Ich habe den Arsch echt geliebt“, sagte sie. „Scheiße, ich liebe den Arsch immer noch.“
Sie starrte mich an. „Wir hatten mal sowas wie eine Beziehung. Ich hab ihn politisch immer unterstützt und er hat immer gesagt, wie wichtig das ist. Und dann kommt so eine wie du.“
Ihre Mundwinkel zitterten. „Lass ihn einfach in Ruhe“, zischte sie.
Ich weiß nicht, wie ich das finden soll. Es ist schon ein bisschen flach, aber auch irgendwie cool gemacht von dir, diese politische Konformität der Liebe wegen. Doch, das ist gut!

Ich bestellte mir einen Schnaps, kippte ihm schnell herunter und gleich den zweiten hinterher.
„ihn“ Akkustativ.

Fünf Schnäpse später fing ich an zu weinen, der Barkeeper erbarmte sich und bestellte mir ein Taxi.
Vorschlag: Fünf Schnäpse später fing ich an zu weinen. Der Barkeeper bestellte mir ein Taxi.

„Du hast ja auch recht“, sagte er schließlich. „Wir müssen auch mal einen Schritt weitergehen. Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht meine Eltern kennenlernen möchtest?“
Sehr geil. Da musste ich schmunzeln.

Aber da war nichts Starkes, sondern nur mein dummes Herz, das in seiner Gegenwart Saltos schlug.
Süß und gut, das ist irgendwie echt.

Die meisten Leute finden, dass ich mich gut auskenne, aber gegen ihn weiß ich fast nichts.“
So verschwommen ausgedrückt:
„Die meisten Leute finden, dass ich mich gut auskenne, aber verglichen mit ihm, weiß ich fast nichts.“

Ich fühlte mich unbehaglich, das Haus war so sauber, dass ich fürchtete durch meine bloße Anwesenheit alles durcheinander zu bringen.
Sehr gut!

Dann fragte nach unserer Bergwanderung und erzählte selbst ein paar Anekdoten aus seinen Bergsteigertagen. Er konnte wunderbar erzählen, wir hörten im alle zu und er bestritt den Hauptteil der Unterhaltung allein.
ihm

„Ich habe immer viel mit meinem Vater gemacht. Wir waren in den Bergen, manchmal sogar mehrere Tage. Oder er hat mich mit zum Angeln genommen. Dafür habe ich schon damals nicht viel übrig gehabt, aber das Drumherum fand ich toll. Das Lagerfeuer und die Grillwürstchen. Er war Lehrer an meiner Realschule. Das hab ich manchmal ganz schön gehasst. Der hat ja immer alles mitbekommen. Er war ziemlich streng. Rauchen oder sowas hat er nie geduldet. Ich schätze, er war früher ein ziemlich guter Lehrer, aber in den letzten Jahren war´s wohl nicht mehr so toll – da gab´s mal richtig Ärger, weil er manche Sachen einfach nicht akzeptieren konnte. Smartphones und sowas. Ich glaube, die Kinder waren alle froh, als er dann endlich in Pension ging.“
Er schwieg einen Moment und ich konnte sehen, wie es in seinem Gesicht arbeitete. Dass er die Schüler verstehen konnte und zugleich so etwas wie Mitleid mit seinem Vater hatte.
Das ist sehr authentisch muss ich sagen.

„Was kommst du jetzt mit so einer Scheiße?“, fragte er mich. „Fühlst du dich besser, wenn er mich geschlagen hat? Soll ich dir erzählen, dass er mich vergewaltigt hat? Dass er ständig blau war und abwechselnd mich und meine Mutter verprügelt hat? Wäre das gut für dich? Würdest du dich dann weniger für mich schämen?“
Krass! Gut!

„Dann…“, sagte ich müde „…sehen wir uns dort.“
Warum immer die drei Punkte? Soll ich da beim Lesen echt eine Pause machen? Ich denke mir das doch. Wenn sie bleiben sollen, dann bitte mit LEERZEICHEN.

Natürlich sahen wir uns nicht. Wie hätte ich Jano auch unter ein paar tausend Menschen ausmachen solle?
sollen
Ich dachte, er hält eine Rede, dumme Schlussfolgerung, finde ich.

Die Nazis hatten für mich ein Gesicht bekommen.
Ehrlich!

Irgendwann schlief er ein. Ich sah ihn an. Das vertraute Gesicht. Die langen Schatten, die seine Wimpern auf die Wange warfen. Die Hände, mit denen er diese schönen Zeichnungen angefertigt hatte. Mein ganzer Körper vibrierte und ich hauchte ihm einen Kuss auf die Schulter. Dann stand ich auf und rief die Polizei.
Hammer! Richtig geiles Ende!

Ja, das Ende fasst ihre Gefühle wunderbar zusammen und schließt ein Händchenhalten von Herz und Verstand nicht aus. Eine doch wunderbare Liebesgeschichte über zwei Gleichfühlende, aber Andersdenkende, die nicht bis in die Schlagstockspitze souverän daher kommt, aber doch mit einer ähnlichen Wucht zuschlägt.

Glaub mir, ich bin grad wieder in einer hübsches Prüfungsphase, wenn ich sie sprachlich und inhaltlich nicht besonders ansprechend gefunden hätte, hätte ich nicht weitergelesen, aber ich hab weitergelesen, und das sogar sehr gern.

Beste Grüße
markus.

 

Hallo Markus,

vielen Dank nochmals für deinen ausführlichen Kommentar.

Ich freue mich sehr, dass meine Kurzgeschichte dir größtenteils gefallen hat. Das Lob empfinde ich auch deshalb als schön, weil ich wirklich sehr viel daran gearbeitet habe. Die erste Version habe ich nach einer langen Schreibpause geschrieben. Die Protagonisten wurden bemängelt, die Sprache und das Ende. Die Kritik war absolut gerechtfertigt, aber ich war nach dieser Schreibpause so erleichtert, überhaupt etwas geschrieben zu haben.
Das Thema als solches lag mir sehr am Herzen und ich bin froh, dass ich mich nochmals so ausführlich damit beschäftigt habe. Ich hab mehrere Stunden nur Dokumentationen angesehen und Sachen über Neonazis gelesen. Ich habe mir sogar "rechte Musik" angehört. Meine Güte. Am Ende hatte ich schon Angst, dass mir bald alle Accounts gesperrt werden. ;)
Ich habe es selbst als Manko empfunden, dass Janos Argumente zu sehr ... nachvollziehbar sind. Leider fällt es mir sehr schwer, etwas anderes zu schreiben. Einerseits mag ich meinen Helden immer noch zu sehr und andererseits müsste ich NOCH tiefer in die Thematik einsteigen, um so etwas schreiben zu können.
Ja, vielleicht sollte ich das noch tun... Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das noch im Rahmen einer Kurzgeschichte ist. Ich werde das aber für mich mal auf dem Schirm behalten. Vielleicht bietet sich das einfach auch mal für eine längere Sache an.

Du schreibst, der Anfang kommt für dich gestelzt rüber. Nun, ich nehme an, dass ist so ein typisches Beispiel von "Kill your Darlings". Ich lieeeebe den Anfang. Ich habe die Geschichte auch von jemandem testlesen lassen und da kam der gleiche Kritikpunkt. Da muss jetzt wirklich ernsthaft drüber nachdenken.

Zwischenzeitlich habe ich da auch die Kraft von Matildas türkischer Freundin vermisst, als sie sich da entschließt, wieder mit Jano zu treffen, da hört man gar nichts mehr von ihr. Wenn man sich so lange trifft, stolpert man sich doch zwangsläufig mal über den Weg, oder nicht? Ich kann die Zeitspanne auch fast gar nicht einschätzen. An was hast du da gedacht?

Treffer! Ja, ich hatte da sogar eine Szene, in der es zu einer direkten Konfrontation zwischen Jano und Matilda kommt. Dann fand ich sie zu konstruiert und ich habe sie wieder gestrichen. Da muss ich mir auch noch was überlegen.

Sprachlich habe ich noch Raum nach oben, aber immerhin klang es jetzt im Vergleich zur ersten Version nicht mehr "ausgenudelt". Dieses ganze Schreibwergzeug setzt auch ein bisschen Rost an, wenn es länger nicht verwendet wird.

Das ist halt eine Klischeebeschreibung, die mich absolut kalt lässt. Wenn du einer Freundin das von einem Typen erzählst, zuckt sie bestimmt mit den Achseln und sagt: Na und? Vermutlich wolltest du hier den Arier beschreiben.

Ach Mann, was haben nur alle gegen diese Beschreibung? ;) Mir gefällt er so. Ich werde mir was überlegen. Ich habe ein Bild vor Augen, aber ich hab es wohl nicht so richtig in die Geschichte transportieren können.

Er hat halt nix dabei.

Schon wieder erwischt. Ich hatte zuerst noch geschrieben, dass sie noch seine Sachen holen, aber dann fand ich es zu umständlich und hab´s wieder gelöscht.

Und schau echt mal, wohin du überall die Artikel packst.

Mir fällt das gar nicht auf, nicht mal durch deinen Hinweis. Ich frage mich gerade, ob ich diese Marotte beim Sprechen auch habe. Muss ich mich mal umhören.

Da frage ich mich auch immer, wer solche Statistiken aufstellt und dann auch noch veröffentlicht. Ah, interessant, im März wurden 37,8% von Türken vergewaltigt, im Juni waren es schon 41,2%. Verrückt.

Die NPD. ;)

Außerdem: Sollte das nicht in Deutsch drauf stehen???

Ich habe diese Pullover im Netz tatsächlich nur mit englischer Aufschrift gefunden.

Kennt sie die Marke wirklich? Also da muss man sich schon ein bisschen mit der Szene auseinandersetzen, oder?

Im Prinzip ja. Aber da steht wirklich das Wort direkt drauf und wenn man´s mal gehört hat, ist es auch leicht erkennbar.

Aber bei der ganzen Wohnungsszene frage ich mich: Die ist da das erste Mal in seiner Wohnung und interessiert sich gar nicht für die Einrichtung, Mädels – ja das ist jetzt kollektiv – fahren doch da total drauf ab. Auch andersherum interessiert man sich doch zumindest kurz dafür, wie es aussieht. Auch der Leser fragt sich das, ich mich auch. Wie richtet ein Nazi seine Wohnung ein?

Auf Kg.de bzw. Wortkrieger.de kommt man mit Schlampigkeiten nicht davon. Die beschämende Antwort ist, dass ich mir selbst nicht sicher war, wie es bei ihm aussieht und ich mich deshalb darum herum mogeln wollte. Aber da muss ich nochmal ran.

Vielen Dank auch für die vielen Anmerkungen und Vorschläge zur Sprache. Ich werde sie größtenteils umsetzen.

Ich lasse die Geschichte ein paar Tage Ruhen, dann werde ich mich auch nochmal intensiv mit deinen Vorschlägen zur inhaltlichen Umgestaltung auseinandersetzen. Du hattest da wirklich tolle Ideen, aber ich muss mir noch überlegen, was ich wie einbauen könnte.

Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass dir die zweite Hälfte besser gefallen hat. Das war auch der Teil, der mir beim Schreiben leichter von der Hand gegangen ist. Den Rest habe ich manchmal Satz für Satz mühsam zusammengestückelt und da gibt´s dann wohl auch noch mehr Ecken und Kanten.

Viele Grüße
Bella

 

Hey Bella,

endlich habe auch ich deinen Text gelesen :). Ich wollt schon so lange ... naja, jetzt würden die faulen Ausreden kommen. Thema sagt mir sehr zu. Finde ich einen schönen Konflikt, in den Du die Prota da schickst. Mir gefällt auch, dass er eben nicht so ein Dummnazi ist, sondern einer von den wirklich gefährlichen, weil er wahrscheinlich wirklich viele Leute erreichen kann, weil er im Jetzt denkt und nicht in der Vergangenheit lebt. Solche Leute sind sau gefährlich und genau das spiegelt sich ja irgendwie auch in der Prot. wieder. Sie kann ihn eben nicht hassen, wie die Leute in Springerstiefeln die mit blöden Parolen um sich werfen. Aber! und da komme ich gleich zu Punkt eins, was mir nicht so recht behagt, am Ende tut er genau das, er wird so ein Dummnazi. Ich hab gelesen, Du hast das Ende schon beackert, der Unfall von früher, das stelle ich mir auch gruselig als Ende vor, insofern gut, dass er weg ist, aber dass jetzige, schon gut wenn sie da die Polizei ruft, aber ich nehme es dem Typen einfach nicht ab. Sein Ziel ist nicht Aggression gegen Einzelne, der hat viel größeres im Sinn, der braucht keine Negativschlagzeilen für sein Ziel. Also, ich fand das einen Bruch in der Figur, dass er da so handelt.
Ich glaub, du willst unbedingt das Ende der Beziehung von außen bewirken, weil sie zu schwach ist, es selbst herbeizuführen. Für mich braucht es aber gar kein abgeschlossenens Ende. Wenn er da vor der Tür steht und sie dahinterhockt und mit sich ringt, nicht aufzumachen und es gelingt ihr, und sie feiert das als Sieg und dann kommt gleich die Frage hinterher, ob sie beim nächsten mal auch stark genug sein wird - also so ein offenes Ende würde es auch vollkommen tun und wäre eben stäreker, weil es nicht durch außen reguliert wird, sondern weil es beim Thema bleibt, ihren Kampf darstellt.

Zweites Ding ist der Anfang. Also, die Geschichte lebt auch wunderbar ohne die pompösen Worte am Anfang. Meine Meinung. Ich mags nicht, wenn ein Text so melodramtisch eröffnet wird. So tiefduseliges Zeug. Wer braucht das denn? Aber ich lese das öfter, also scheinen es auch einige zu mögen.

Drittes Ding - die Länge. Also, ich habe so gar nichts gegen lange Geschichten, aber die hat schon Längen. Diese ganzen politischen Diskussionen, in jedem Wort aufgeführt und dann bekomme ich nicht mal neue Argumente, sondern nur das zu lesen, was man ohnehin schon weiß, ich denke, da könnte man gut Einstriche machen. Wie es anfängt und wie die Gefühle sind, wenn es aus dem Dialog wieder raus geht. Darum geht es doch, um ihre Gefühle. Das die Grünen grün sind und die Braunen braun, das muss, glaub ich, nicht dargestellt werden. Will sagen, eine Diät würde aus meiner Sicht stellenweise gut tun ;).
Generell finde ich den Aufbau und die gewählten Szenen aber toll. Besonders der Besuch bei den Eltern und wie sie ihn fragt, ob sein Vater ihn geschlagen hat und seine Reaktion darauf. Die Frage, wie können wir wirklich zusammensein, wenn wir einen Teil unserer Persönlichkeit ausgrenzen, die Frage nach den Freunden. Die schaffen sich da ja ihren eigenen Käfig und der beengt eben auch auf Dauer. Da sind viele Dinge drin, die mit gefallen haben. Sprich, für Aufbau und Auswahl gibts von mir die volle Punktzahl :).

Und zu guter Letzt, aber das ist kein wirkliches Manko, mehr so ein - da liegt noch Potential drin, ist die Sprache, Die ist so brav und anständig und richtig und ... ja richtig eben. Ein bisschen mehr Leben kann man ihr schon geben. Mehr starke Verben, ein paar mehr Vergleiche, bisschen Pep, spannende Wortkombinationen. Sprich, man kommt gut und flüssig durch, aber es gibt kaum Momente wo ich dachte, wow, schön gesagt.

Habe ich wirklich gern gelesen. Ich glaube gern, dass da viel Arbeit drinsteckt, merkt man auch. Thema ganz nach meinem Geschmack, sauber umgesetzt. Also, da steckt sehr viel Positives drin, auch wenn mein Kommentar nach viel Negativem klingt. Aber das sind nach meinem Empfinden nur Schönheitsfehler. Und es ist auch nur mein Empfinden.

Beste Grüße, Fliege

 
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Hallo Bella,

ich schreibe dir mal mit, was mir so beim Lesen auffällt - habe auch keine Vorkommentare gelesen, also ein ganz unmittelbarer Leseeindruck.

Ich weiß, dass es richtig war. Im Kopf weiß ich das ja alles. Aber in meinem Herzen, da ist es noch lange nicht angekommen.

Heute Nacht habe ich wieder von ihm geträumt und bin glücklich aufgewacht.
Wenn das passiert, tut es danach umso mehr weh und ich wünsche mir, dass ich nie wieder von ihm träume.

Okay, du versuchst hier den Leser zu ködern ... gut, die Story steht auch in Romantik, aber in meinem Herzen, da ist es noch lange nicht angekommen klingt schon sehr sehr schmalzig. Dieser Vergleich Kopf-Herz ... mhm ... hat man halt auch schon oft gehört, aber gut, vllt fällt dir was besseres dafür ein

Er kam mit dem Regen, mit einem Wolkenbruch, in mein Leben.
Ehrlich gesagt finde ich das einen viel schöneren Einstiegssatz, so aus dem Bauch heraus.

Seine Augen waren von einem so intensiven Blau, als kämen sie direkt aus einem Malkasten.
Finde ich etwas ungeschickt ausgedrückt; vllt sowas wie: Seine Augen leuchteten so, wie das Blau aus einem Malkasten. (ist nur ein Vorschlag, musst du natürlich nicht übernehmen)

„Ich heiße Jano“, sagte er.
„Matilda“, antwortete ich und gab ihm meine Hand.
Also Jano finde ich einen gut gewählten Namen ... aber Matilda? Heieiei, wenn ich Matilda lese, habe ich irgendwie ein ziemlich unästhetisches Mädchen vor Augen ;)

Eine Windbö peitschte uns den Regen ins Gesicht und wir rückten enger zusammen. Ganz eng standen wir zusammen, unsere Köpfe waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Hier wird dreimal erwähnt, dass sie eng nebeneinander sind; vllt kannst du da was kürzen

Plötzlich wollte ich die Hand ausstrecken und ihm über das nasse Haar streichen – ich glaube das war der Moment, an dem ich mich in ihm verliebt habe.
Ach schö. Mir hat das Gespräch der beiden gefallen, das las sich sehr authentisch, gar nicht gekünstelt oder so

Wir redeten über alles und nichts. Tauschten Belanglosigkeiten aus. Wie alt bist du? Was arbeitest du? Er erzählte mir von seiner Arbeit als Tischler und dass er nie neue Dinge anfertigte, weil er so gut restaurieren konnte.
Ich hörte ihm gerne zu, mochte die Begeisterung, die aus seinen Worten sprach, liebte das Spiel seiner Hände, mit denen er seine Worte unterstrich. Ich sah ihn an und fand ihn wunderschön. Das dunkelblonde Haar. Die blauen Augen. Die Bartstoppeln an seiner Wange. Das markante, vielleicht zu markante, Kinn. Die sonnengebräunte Haut. Die muskulösen Arme.
Die Bar schloss, doch wir wollten uns noch nicht trennen. Wir liefen ziellos durch die Straßen. Ich sprach mit ihm über meine Arbeit im Kindergarten, unterhielt ihn mit lustigen Anekdoten und erzählte ihm von der kleinen Anne und ihrem Kampf gegen die Leukämie.
Das hätte mir ehrlich gesagt als Szene besser gefallen! So wie du das schon geschrieben hast, als sie sich unter dem Baum kennenlernen, schön szenisch; ich finde, es ist wichtig, dass man den Leser direkt bei Momenten teilhaben lässt, wie sich die zwei hier ineinander verlieben und wie aufgeregt sie sind, einfach, dass der Leser das auch spürt und genauso erschüttert wie die Prot ist, wenn es auseinandergeht (ich schätze einfach mal, dass das passieren wird -> Köder am Anfang)

Oder nahm ich die seine?
Puh, ich finde, das klingt sehr hochgestochen; Oder nahm ich seine? passt doch viel schöner in die restliche Erzählstimme, oder?

Wir lagen im Bett, er rückte ein Stück von mir ab, sah mich an und wirkte dabei, als wollte er eine schwierige Gleichung lösen.
Das mti der Gleichung finde ich gut!

dann kribbelte es in meinem Bauch, als hätte ich zu viel Sekt getrunken.
Das ist auch gut

Letztendlich haben wir nichts von alldem gemacht. Das einzige, was wir von Köln sahen, war das Zimmer unseres Hotels.
Also gut, der Absatz, der hier endet ist schon sehr sehr süß ... aber okay, das ist in Romantik gepostet, es ist eine Liebesgeschichte, bis jetzt finde ich sie angenehm zu lesen, auch nicht unoriginell, irgendwie hat das mit den beiden was.

Yasemin versuchte mir etwas zu sagen, doch ich konnte sie nicht verstehen.
Nazis raus. Nazis raus. Die Masse brüllte, ich brüllte mit.
Heilige Scheiße, wo sind wir denn jetzt? Das hätte ich nun mal gar nicht erwartet. Sehr gut.

Und dann sah ich ihn. Jano.
Heieiei! Ja sehr schön, dass die Story diese Wendung nimmt, ehrlich, würde sie weiter so süß vor sich herlaufen, hätte ich sie wahrscheinlich als Abklatsch von zig anderen Liebesgeschichten eingeordnet. Diese Wendung gefällt mir echt sehr gut. Bin gespannt, wie es weitergeht.

Die Erde kippte und ich klammerte mich an Yasemin fest.
Yasemin, diesen Namen, den finde ich auhc sehr gut gewählt, da hat man sofort so ein Demotyp vor Augen, orientalisch, aber auch schon so deutsch, dass man sich gegen Naziaufmärsche organisiert. Ich hoffe du weißt, was ich meine. Fand den Namen auf jeden Fall gut gewählt.

Mir wurde übel und ich musste mich übergeben. Irgendwann war mein Magen leer.
Bei solchen Beschreibungen würde ich mir überlegen (gerade wenn ein Ich-Erzähler die erzählende Instanz ist), nicht noch mehr Sinneseindrücke dem Leser zu geben, einfach, um ihn direkt teilnehmen zu lassen: Kotze stinkt scharf, schmeckt widerwärtig, sieht grün aus, sowas in die Richtung ... wenn du Lust dazu hast


zog mir die Decke über den Kopf. In meinem Kopf ging ich all
Ich fand Bilder und Worte. Ich zerteilte die Worte,
würde ein bisschen auf Wortdopplungen achten, das passiert dir ab und zu mal ... liest sich einfach nicht schön, wenn man es hätte vermeiden können

„Matilda“, flüsterte er und kam einen Schritt auf mich zu.
Oh Mann, ich mag den Namen einfach nicht, es wäre so schön, wenn sie einen schönen Namen hätte;)

Ich war so wütend, wollte ihn anschreien, am Liebsten auf ihn
am liebsten

Und zugleich erregte mich seine Nähe und ich wurde noch wütender.
und das machte mich noch wütender, oder?

Er spürte den Umschwung sofort und presste seinen Mund auf meinen.
Das liest sich nicht schön. Würde es wegstreichen oder anders formulieren

„Ich hasse Nazis. Den ganzen Faschismus. Eure Denkweise widert mich an. Diese idiotischen Argumente. Dieses Rassedenken. Wie krank ist das bitte, sich als Deutscher allen anderen überlegen zu fühlen? Und von eurer Vergangenheit will ich gar nicht erst anfangen, dass ist ein Fass ohne Boden.
Also ich würde den zweiten Teil wegstreichen; da klingt irgendwie ziemlich viel Autor durch, finde ich, einfach, weil das nicht zu dieser Situation passt, finde ich

sagte er schließlich „Aber dann lass uns in Ruhe reden. Bitte.“
Punkt fehlt

Viele sagen das sogar ganz offen, aber wir schieben denen trotzdem weiterhin die Kohle in den Arsch“
wieder

es wäre das Normalste auf der Welt, das der
dass

„Wie du meinst.“
Er stand auf und ging. Ich hörte, wie er die Tür aufriss und sie wieder zuwarf. Und dann war ich allein.
Ja, mhm, das Streitgespräch, das sie gerade geführt haben ... mhm ... ich weiß gerade nicht, was ich davon halten soll. Einerseits wirkt es schon authentisch, andererseits ist mir da irgendwie zuviel Moralin drin, das liest sich fast wie aus einer Geschichte, die man Schülern zum Lesen gibt. Ich weiß nicht. Ich meine, ihre beiden Positionen sind schon gut durchgekommen, das Hin- und Her im Gespräch wirkt auch natürlich, aber diese Diskussion über Ausländer ist sehr oberflächlich ... vllt sagt mir die Szene auch nicht so zu, weil mich diese Diskussionen einfach selber anwidern, diese Phrasen, die da ausgetauscht werden, habe ich halt schon tausendmal gehört. Aber gut, in der Geschichte musste es auf so ein Gespräch hinauslaufen, nicht negativ gemeint, aber sie müssen sich ja austauschen, wenn sowas passiert

Danach fühlte ich mich schmutzig, schämte mich, dass mein Körper den Sieg gegen den Verstand davon getragen hatte.
würde den letzten Teil wegstreichen, das weiß man als Leser schon

„Welche Partei, wählst du?“
„Jano, ich hab keine Lust …“
„Welche Partei wählst du?“
„Die Grünen“, antwortete ich.
„Und … redest du deshalb nur über die Energiewende? Interessierst du dich nur für Umweltschutz?“
„Das ist etwas anderes.“
„Warum ist es etwas anderes?“
Das Gespräch find eihc echt gut. Das geht weg von diesem typischen Streit: Ausländer sind scheiße! - Nee, sind sie nicht!

„Aber die meisten sind wirklich total nett, du wirst schon sehen. Wir können dir helfen, Jano. Ich habe mich informiert. Es gibt Stellen, an die du dich wenden kannst, wenn du aussteigen möchtest. Das ist nicht einfach, aber es geht. Ich helfe dir.“
Ich weiß nicht - aussteigen? Davon war doch davor nie die Rede? Ich würde das Matilda nicht sagen lassen

„Warum machst du es dann? Ich bin kein Idiot, Matilda. Ich habe mir meine Meinung über lange Jahre gebildet. Du wirfst mir Vereinfachung vor, aber in Wirklichkeit tust du nichts anderes! Denkst du wirklich, ich bin rechts geworden, weil ich mal nen dämlichen Türken kennengelernt habe? Denkst du, ich werfe alles über Bord, weil ich mal bei der Mutter deiner Freundin Lahmacun esse?“
Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich am ersten Streitgespräch zwischen den beiden nicht mochte: Die Argumente des Nazis. Die sind so klischeehaft gewesen - Ausländer nehmen Arbeitsplätze weg, behandeln Deutschland scheiße - das stellt man sich immer so vor, hat man schon hundertmal gehört, und genauso sagt Jano es dann auch. Aber hier zeigst du eine ganz individuelle Person, die wirklich von der rechten Ideologie überzeugt ist - und so stelle ich mir auch diesen Typ von Nazi vor, dass er nicht nur drei dumme Parolen im Kopf hat, sondern ein für sie schlüssiges Konzept bieten kann, von wegen: Die Linken vereinfachen das Ausländerproblem! und so weiter. Das finde ich interessant zu lesen.
„Ich bin kein doofer kleiner Nazi, der mal ein paar Türken in seinem Viertel verkloppt. Damit habe ich nichts am Hut. Ich will eine neue Politikordnung schaffen, in den Menschen ein neues politisches Bewusstsein wecken! Ich will für mein Land das Beste.“
sowas meinte ich. Das ist echt gut, gibt ja in der rechten Szene immer mehr so Köder-Typen, die sich von der Gewalt "absagen", und einen auf intellektuell machen. Und das ködert viele.

Wir genossen dass Haut an Haut.
das

Eine Weile ging alles gut.
Wenn wir zusammen waren, war Jano für mich einfach Jano. Doch sobald ich allein war, kamen die Zweifel in mir hoch. Ich fragte mich, was er wohl tat. Mit wem er sich traf.
Ich finde das einen herrlichen inneren Konflikt der Prot - dieses Verliebtsein in Jano, und der Hass auf Nazis. Ist irgendwie echt nachvollziehbar, und bringt Spannung in die Geschichte

Ich verdrehte die Augen
Punkt

Der sah aus wie ein typischer Nazi: Glatze, Springerstiefel und ein Pullover der Marke Consdaple, auf dem etwas abgebildet war, dass wie der Reichsadler aussah.
unterstrichenes würde ich streichen, das merkt man schon, dass er wie ein Naziklischee aussieht

pickliger Junge
pickeliger

Ihr Kopf flog hin und her als säße sie in einer Achterbahn.
den Vergleich mag ich

Er gab ihr noch einmal einen kräftigen Stoß und sie kippte um.
Sie knallte mit dem Kopf auf den Boden und das unschöne Geräusch riss mich aus meiner Erstarrung.
„Lass sie in Ruhe“, schrie ich ihn an.
Da wird der süße Jano endlich mal zum echten Nazijano.

Einen Moment lang stand ich ratlos da. Ich wünschte mir, ich hätte Jano niemals kennengelernt. Der Augenblick verstrich und ich beschloss, in eine Kneipe zu gehen.
In Filmen landet man immer in einer Spelunke, in der es einen mitfühlenden Barkeeper gibt, dem man seine Lebensgeschichte erzählen kann.
Das dachte ich auhc gerade. Für mich ist das noch ein sehr kindliches Mädchen, sie trägt ein Pünktchenkleid, kann mit ihrer Verliebtheit nicht umgehen und sogar nachdem sie Simone angestaucht hat, versucht sie ihr noch zu helfen - und dann geht sie in eine Bar? Das passt nicht so zur Prot, fand ich; aber gut, sie merkt selbst bald, dass Bars nicht zu ihr passen, von daher gesehen ist das wieder stimmig

Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn. Ich wollte ihm so gern glauben und zugleich wollte ich es nicht.
Gefühlsachterbahn wäre besser, ansonsten ist das Bild bisschen schief, finde ich

„Ich hab´s nicht so mit Hitler“, sagte er. „Ich bin keiner dieser Idioten, die noch in der Vergangenheit kleben. Mir ist das heute wichtig.“
Diese Aussagen finde ich interessant. Das ist so diese Art von 'Intellektueller-Nazi', wie ich schon schrieb. Die verstecken ihre Ideologie ziemlich gut, aber im Endeffekt sind sie nicht besser als prügelnde Glatzen. Ich finde, das kommt schön in deiner Geschichte heraus; ja, die Figur des Jano finde ich gut gewählt von dir, sie würde sich nicht in einen besoffenen Glatzkopf mit Hakenkreuztattoo verlieben können.

fürchtete durch
fürchtete, durch

wir hörten im alle zu
ihm

„Meine Mum ist einfach meine Mum. Immer besorgt. Immer am Machen.“
Finde es interessant, dass der Mum sagt und nicht Mutter - Mum ist ja englisch. Gewollt?

Tränen schossen in meine Augen und ich starrte aus dem Fenster. War ich in Wirklichkeit diejenige, die ein vereinfachtes Weltbild hatte?
Hey, also diese Szene bei Janos Eltern fand ich wirklich gut. Die gibt der Figur Tiefe, man kann irgendwie richtig verstehen, wieso er sich zu diesem völkischen Denken hingezogen fühlt - er bewundert seinen Vater, der mit strenger Hand herrscht, seine Landschaft liebt und so. Das gefällt ihm schon, aber gleichzeitig will er auch anders als sein Vater sein.

Die Nazis hatten für mich ein Gesicht bekommen.
Würde ich rausstreichen! Das checkt der Leser schon selbst, das hat mehr Wirkung, wenn es nicht dasteht, finde ich

sie brüllten „Zurück, zurück“.
sie brüllten: „Zurück, zurück."

Ich versuchte, sich anzusehen,
sie

Mein ganzer Körper vibrierte und ich hauchte ihm einen Kuss auf die Schulter. Dann stand ich auf und rief die Polizei.
Hui, was für ein Ende. Echt spannend. Bricht er aus der rechten Szene aus, schickt sie ihn weg, oder verpfeift sie ihn? Letzteres. Sie bleibt sich also doch treu. Sehr schön.


Also, nachdem ich meinen Kommentar nochmal durchgelesen habe finde ich, dass er viel negativer klingt, als er eigentlich soll. Ich fand deine Geschichte echt gut, hat sich flüssig und spannend gelesen, zum Ende hin wird es immer spannender, der innere Konflikt der Prot ist gut zu fassen und das Ende ist nicht vorhersehbar. Du hast ein paar überflüssige Schreibfehler drin, würde die ausbessern. Ein paar Dinge habe ich dir mitgeschrieben, kommt auf dich an, ob du sie umsetzen willst, sind bloß subjektive Eindrücke von mir. Die Figur des Jano fand ich gut gewählt; macht einen auf intellektuell, wie es viele in der Szene machen, aber im Endeffekt versteckt sich hinter dieser Ideologie immer Gewalt, so schön man sie sich auch redet. Hat mir gut gefallen, ab und zu sind ein paar sprachliche Schwächen drin, so Wortwiederholungen oder schiefe Sätze, aber gut. Der Umstand, dass sich das Mädchen so in Jano verliebt, dass sie ihre politische Überzeugung über Bord schmeißt, ich weiß nicht ... das zeichnet sie sehr naiv. Ist das überhaupt ihre Überzeugung? So wirklich, bis ins Mark? Ich weiß es nicht, wäre es ihre Überzeugung, hätte sie ihn sofort abserviert. So kam es mir so vor - auch von ihrer Argumentation im ideologischen Streitgespräch her -, dass sie so eine ist, die schreit: Nazis sind scheiße!, aber das macht sie halt, weil es irgendwie cool ist oder so? Ich finde es schade, dass mir das manchmal so vorkam, ich hätte gerne im Text Dinge gelesen, die sie als überzeugte Antifaschisten zeichnen, eine, die viel über ihre Überzeugung nachgedacht hat und die gekonnt argumentieren kann. Ich hoffe du verstehst, was ich meine, so kommt mir die Prot einfach noch sehr jung vor. Aber gut, wie gesagt, ich habe die Story echt gerne gelesen, hat mir gut gefallen, aber wenn du noch ein bisschen herumschraubst, könntest du noch ein bisschen mehr rausholen, glaube ich! Ich hoffe, du kannst was mit meiner Kritik anfangen.

Grüße!

 

Hallo Fliege, hallo Zigga,

vielen Dank für eure Kommentare. Das freut mich sehr.
Schön finde ich auch, dass euch das Thema zugesagt hat.

@ Fliege

Ich wollte Jano auch nicht als einen Dummnazi darstellen. Ich denke, dass das es grob vereinfachend ist, wenn wir denken, dass die sowieso alle total hohl sind.
Die ganzen Reportagen, die ich da so gesehen habe ... die sind teilweise echt gruselig. Da sind Leute dabei, die echt was auf dem Kasten haben. Es gibt in manchen Städten sogar schon NPD-Familienfeste - da kommen dann "ganz normale" Leute mit ihren Kids, weil dort wirklich was geboten ist etc. - klar, die machen das auch um Mitglieder zu "fangen", aber es waren eben auch viele Leute dort, die gar nix mit der NPD zu tun haben, einfach nur das Fest toll fanden und denen das politische Drumherum ganz egal war.

Du bemängelst, dass er am Ende ein Dummnazi wird - ich muss da ehrlich gesagt nochmal intensiv darüber nachdenken. Ich hab es eigentlich so gesehen, dass er sich einfach teilweise nicht im Griff hat. Ich hatte das ja auch schon in der Szene mit seiner Exfreundin gezeigt (was ja in dem Fall kein Nazi-Ding war) und das "passiert" ihm eben am Ende wieder.
Ich überlege mir das auf jeden Fall nochmal.

Meine Intention war auch nicht, das Ende von außen zu bewirken, sondern vielmehr sie in diesen Konflikt zu setzen. Sie liebt ihn - immer noch - und verrät ihn trotzdem. Sie tut das Richtige, aber es fühlt sich für sie nicht so an.
Aber ich werde auch darüber nochmal nachdenken. Danke dir für den Hinweis.

Auch über den Anfang werde ich mir Gedanken machen. Das Melodramatische ist, glaube ich, noch aus der aller-aller-allerersten Version übrig geblieben. Ich mochte das eine Zeit lang sehr gerne. Naja, zugegeben: Ich mag´s immer noch irgendwie, aber vielleicht war´s hier dann doch zu viel.

Du sprichst nun auch die politischen Diskussionen an. Interessant - sowohl du als auch M.Glass und Zigga äußern sich dazu. Die Meinungen gehen da zwar etwas auseinander, aber irgendwas gefällt euch allen nicht und das nehme ich jetzt mal als Beweis dafür, dass es einfach noch nicht ganz rund ist. Ich war selbst auch nicht so ganz zufrieden. Da wird noch was Neues kommen, aber im Moment ist noch kein Geistesblitz in der Nähe.

Ich danke dir jedenfalls vielmals für deine Anmerkungen und Tipps.

@ Zigga

auch bei dir möchte ich mich sehr für deinen Kommentar und die mühevolle Textarbeit bedanken. Ich finde es toll, dass hier im Forum so aufmerksam gelesen wird. Ich weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt.

Schade, dass dir der Name meiner Protagonistin nicht gefällt. Aber kennst du das - da wachsen einem die Protagonisten so ans Herz. Ich könnte die jetzt unmöglich anders nennen. Ich hab sie mir optisch aber so vorgestellt, wie das Mädel aus "Coyote Ugly" - vielleicht hilft dir das irgendwie. ;)

Diese Wendung gefällt mir echt sehr gut. Bin gespannt, wie es weitergeht.

Super, das ist gut.

Ich werde auch über die Wortdoppelungen nachdenken, obwohl ich sagen muss, dass sie oftmals absichtlich sind. Nicht immer natürlich. Vielleicht hab ich´s damit auch übertrieben, das muss ich mir nochmal kritisch ansehen.

Also ich würde den zweiten Teil wegstreichen; da klingt irgendwie ziemlich viel Autor durch, finde ich, einfach, weil das nicht zu dieser Situation passt, finde ich

*lach* Also ja - das hast du gut erkannt. Da ist es so ein bisschen mit mir durchgegangen.

Das Streitgespräch ist bisher bei allen Lesern auf Ablehnung gestoßen. Ich muss mir da dringend etwas anderes einfallen lassen. Leider habe ich noch keine Idee, aber ich werde mir da auf jeden Fall etwas überlegen.

Ich weiß nicht - aussteigen? Davon war doch davor nie die Rede? Ich würde das Matilda nicht sagen lassen

Hm, du hast wahrscheinlich recht. Ich habe mir gedacht, dass sie darüber nachdenkt und sich das einfach vorstellt. Aber dann muss ich sie entweder so darüber nachdenken lassen, dass er Leser davon weiß oder diesen Satz weglassen.

Die sind so klischeehaft gewesen - Ausländer nehmen Arbeitsplätze weg, behandeln Deutschland sowas meinte ich. Das ist echt gut, gibt ja in der rechten Szene immer mehr so Köder-Typen, die sich von der Gewalt "absagen", und einen auf intellektuell machen. Und das ködert viele.

Ich muss hier nochmal auf diese ganzen Dokumentationen zurückkommen - ich war wirklich erstaunt, dass es da echt viele Leute zu geben scheint, die wirklich klug rüberkommen. Das hat mich auch so ein bisschen entsetzt. Ich kann das dann nicht so nachvollziehen, dass jemand - der ja offenbar nicht doof ist - an diese Dinge glauben kann. Ich meine - man kann sich zwar "dumm", aber nicht "schlau" stellen. Mich interessiert das wirklich, WARUM die diese Einstellung haben. Aber ich hab´s nicht so wirklich herausfinden können.

Da wird der süße Jano endlich mal zum echten Nazijano.

Das finde ich super, dass das an der Stelle so rübergekommen ist. Dass er eben auch die andere Seite hat.

Finde es interessant, dass der Mum sagt und nicht Mutter - Mum ist ja englisch. Gewollt?

Gut gemerkt. Ganz klar: Nicht gewollt.

Hey, also diese Szene bei Janos Eltern fand ich wirklich gut. Die gibt der Figur Tiefe, man kann irgendwie richtig verstehen, wieso er sich zu diesem völkischen Denken hingezogen fühlt - er bewundert seinen Vater, der mit strenger Hand herrscht, seine Landschaft liebt und so. Das gefällt ihm schon, aber gleichzeitig will er auch anders als sein Vater sein.

Wow, das finde ich super, dass das so rübergekommen ist. Genau darauf wollte ich hinaus. Dass er eben an diesen konservativen Werten hängt etc.

Vielen Dank für´s Fehlersuchen. Das werde ich selbstverständlich ausbessern. Danke auch für die Textanmerkungen. Einige habe ich schon umgesetzt, über manch andere werde ich noch nachdenken.

Dein Feedback war definitiv sehr hilfreich, denn du hast mir sehr schön - auf den Punkt - gezeigt, wo etwas funktioniert und was noch überarbeitungswürdig ist.
Bei Kurzgeschichten habe ich manchmal so ein Gefühl, dass ich jetzt damit "durch" bin - also auch dann, wenn sie noch verbesserungsfähig ist. Ich will das dann einfach irgendwann mal abhaken. Aber das Thema ist mir wirklich wichtig und deshalb denke ich, dass ich sie mir nochmal vornehmen werde. Wahrscheinlich nicht sofort, aber ich ein paar Wochen habe ich da sicherlich wieder Lust drauf. Aber wer weiß - vielleicht kommt ja vorher schon DIE Idee. :)

Viele Grüße
Bella

 

Hi Bella,

noch kurz, weil ich die anderen Kommentare durchgelesen habe:

Das Streitgespräch ist bisher bei allen Lesern auf Ablehnung gestoßen. Ich muss mir da dringend etwas anderes einfallen lassen. Leider habe ich noch keine Idee, aber ich werde mir da auf jeden Fall etwas überlegen.
Ich muss hier nochmal auf diese ganzen Dokumentationen zurückkommen - ich war wirklich erstaunt, dass es da echt viele Leute zu geben scheint, die wirklich klug rüberkommen. Das hat mich auch so ein bisschen entsetzt. Ich kann das dann nicht so nachvollziehen, dass jemand - der ja offenbar nicht doof ist - an diese Dinge glauben kann. Ich meine - man kann sich zwar "dumm", aber nicht "schlau" stellen. Mich interessiert das wirklich, WARUM die diese Einstellung haben. Aber ich hab´s nicht so wirklich herausfinden können.
Fliege hat geschrieben, dass sie es schlecht findet, dass sich Jano zum Schluss wie ein Dummnazi verhält, und das kann ich nur unterschreiben. Ich glaube, bei der Figur des Jano kannst du noch am meisten herausholen, der ist irgendwie wackelig gezeichnet; einerseits gelingt es dir gut, ihn ein paar rechtsradikale Argumete sagen zu lassen, die ich so noch nicht gehört habe, er lehnt Hitler ab, etc., aber andererseits läuft er dann pöbelnd durch die Straßen oder verprügelt seine Exfreundin so aus Jux heraus? Ich glaube, bei einem wie Jano braucht es sehr sehr viel Provokation, dass er seine Aggressivität vor anderen/ nicht Gleichgesinnten zeigt. Das ist eben das Paradoxe und auch die Schwäche dieser Figur. Wenn du was rausholen willst, infomiere dich doch noch mehr über solche 'rechtsradikal-intellektuelle' Argumente, die von Köderern genutzt werden, schmeiß die billigen Ausländer-raus-Parolen aus den Streitgesprächen raus, die sind für den Leser langweilig, weil man sie bis zum Abwinken kennt, und lasse Jano so weit provoziert werden, bis er fast platzt, und dann kann er Aggressivität zeigen. Wäre jetzt mein Vorschlag.

Grüße

 

Hallo Bella

Er kam mit dem Regen, mit einem Wolkenbruch, in mein Leben.

Ein anmutiger Satz, da glaubt man zu verstehen, warum sie ihn nicht vergessen kann.

Plötzlich wollte ich die Hand ausstrecken und ihm über das nasse Haar streichen.

Einem Wildfremden! Das vage Bild, das ich mir von ihr aufbaute, fiel wieder in sich zusammen. - Aber wie sich dann in der Bar zeigte, musste sie sich Hals über Kopf in ihn verknallt haben.

Der Bruch mit den Erwartungen des Lesers kommt dann unerwartet, lässt ihn erst etwas verdutzt aufmerken. Zum Teufel, wie fügen sich Rechtsextremismus und Romantik da zusammen. Natürlich ein Vorurteil, warum sollte eine politische Gesinnung gleich welcher Couleur bei einem Menschen nicht auch Gefühle zulassen, selbst wenn die Denkweise ansonsten nicht zartbesaitet ist.

Die Auseinandersetzung zwischen den Beiden wirken im Disput dann durchaus authentisch. Wenngleich sich immer differenzierte Argumente einbringen lassen, sie müssen scheitern, da sich zwei höchst unterschiedliche Lebensauffassungen gegenüberstehen.

Ich konnte den Nazi hassen, aber nicht ihn.

Dies erinnert mich an ein altbekanntes Problem. Paare finden sich zuweilen über interkulturelle Grenzen hinweg zusammen, sehen nur die Attraktion, die unterschiedlichen Auffassungen in Alltagsfragen lassen sie dann aber scheitern, manchmal höchst dramatisch. Mein warnender Ausruf oben, einem Wildfremden, hatte dieses Risiko vorabgenommen.

Dann stand ich auf und rief die Polizei.

Für mein Empfinden etwas spät, da ein Mann auf der Strasse lag, für den Hilfe vielleicht noch lebensnotwendig gewesen wäre. – Als Ende der Geschichte rundet es sich aber gelungen ab.

Ich finde es eine sehr intensive Geschichte, die die mögliche Tragik einer Beziehung einfühlsam und gut durchdacht widerspiegelt. Vor einer Welt, in der die Gesinnungen oder die Glaubensvorstellungen mit irrwitziger Gewalt eskalieren können, hat sie eine hohe Plausibilität. Beim Lesen dachte ich mir, die Figuren und die Ideologien sind austauschbar, doch die Verhaltensweisen würden sich weitgehend gleichbleiben. Zugleich war es recht spannend, zu lesen.


Noch ein paar Kleinigkeiten, bei denen ich im Lesefluss stockte:

Irgendwann erhärteten sich seine Gesichtszüge.

Hier hätte ich eher verhärteten gewählt. In der nuancierten Differenz sehe ich diesbezüglich einen andern Gehalt, der auch transparent wird, wenn man die Synonyme dazu heranzieht. Erhärten ist eine Bekräftigung, während Verhärten demgegenüber eine Erstarrung zum Ausdruck bringt.

Yasemin und […] liefen seit Stunden durch die Straßen.

Hier ging ein ich schamvoll verloren. Na bei den Tausenden Demonstranten beider Seiten, die sich da in Dresden bedrängten, nicht verwunderlich. ;)

Ich versuchte, sich anzusehen, doch das Licht blendete in meinen Augen und es dauerte einen Moment, bis ich sie sehen konnte.

sie

In meinem Kopf drehte sich alles. „Yasemin, bitte!“ Sie sah uns abwechselnd an und sagte schließlich. „Ich geh mal raus, dann muss ich wenigstens seine doofe Fresse nicht sehen.“

Sprecherwechsel = Zeilenschaltung. Im übrigen Text hast Du Dich strikt daran gehalten.

Gern gelesen, auch wenn Parteipolitik gleich welcher Couleur mir keine bevorzugte Lektüre ist.

Ich habe keine andern Kommentare gelesen. Wenn meine Anmerkungen zu diesen Doppelspurigkeiten aufweisen, dann hoffentlich in der positiven Resonanz.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

vielen Dank für das Lesen und Kommentieren meiner Kurzgeschichte. Dass es dir gefallen hat, finde ich natürlich besonders schön.

Der Bruch mit den Erwartungen des Lesers kommt dann unerwartet, lässt ihn erst etwas verdutzt aufmerken. Zum Teufel, wie fügen sich Rechtsextremismus und Romantik da zusammen. Natürlich ein Vorurteil, warum sollte eine politische Gesinnung gleich welcher Couleur bei einem Menschen nicht auch Gefühle zulassen, selbst wenn die Denkweise ansonsten nicht zartbesaitet ist.

Das war auch für mich ein bisschen spannend an dieser Geschichte. Irgendwie schließt man ja aus, dass Rechte da "ganz normal" sind. Aber klar - die verlieben sich aus, heiraten oder bekommen Kinder.

Paare finden sich zuweilen über interkulturelle Grenzen hinweg zusammen, sehen nur die Attraktion, die unterschiedlichen Auffassungen in Alltagsfragen lassen sie dann aber scheitern, manchmal höchst dramatisch.

Ja, ich denke, dass man das auch oftmals unterschätzt. Also gerade auch bei diesen interkulturellen Beziehungen. In der ersten Phase der Verliebtheit ist das meistens egal, aber dann tauchen eben doch sehr viele Probleme auf.

Dann stand ich auf und rief die Polizei. Für mein Empfinden etwas spät, da ein Mann auf der Strasse lag, für den Hilfe vielleicht noch lebensnotwendig gewesen wäre. – Als Ende der Geschichte rundet es sich aber gelungen ab.

Danke für den Hinweis. Ich habe mir eigentlich gedacht, dass sie weiß, dass Hilfe kam oder er definitiv gefunden wird. Aber ich hab´s ja schließlich nicht geschrieben.

Danke auch für die Textanmerkungen. Deine Vorschläge gefallen mir ganz gut, d.h. ich werde sie übernehmen und die Fehler korrigiere ich natürlich sowieso.

Viele Grüße
Bella

 

Hallo Bella,
wollte mich auch unbedingt noch mal melden, nachdem du deine Geschichte überarbeitet hast. Ich finde das für mich selbst auch immer wichtig, dass ich auch Meldungen von Leuten kriege, die den Vergleich zwischen den beiden Fassungen haben.

Also mal als erstes: Hast du gut gemacht. Das Schöne der ersten Fassung ist geblieben und die Überarbeitungsstellen sind deutlich besser geworden. Ich hab die Geschichte echt noch mal richtig gerne gelesen. Jano ist farbiger geworden und dadurch ist die ganze Geschichte tiefer geworden. Auch das Ende finde ich jetzt deutlich besser. Ich persönlich hätte auch nicht gegen einen offenen Schluss gehabt, aber das ist wirklich Geschmackssache und es spricht ja auch einiges für so einen knalligeren Schluss.

Ich habe nur noch zwei inhaltliche Sachen und eine sprachliche, aber das sind jetzt auch nur Eindrücke, und vor allem: Meckern auf hohem Niveau und vieles auch Geschmackssache.

1. und 2. Das Gespräch zwischen Jano und der Icherzählerin im zweiten Teil. Also das Gespräch über Zuwanderung und Ausländer. Dass du eine politische Auseinandersetzung zwischen den beiden brauchst, das ist schon klar, aber es ist mir zu lang und von den Argumenten her auch zu wiederholend. Ich würde das kürzen. Und vor allem naja, seine Argumentation ist so ein bisschen sehr bekannt, es greift sie zu wenig an, ich hätte es gut gefunden, da kommt mal was richtig Neues, was sie ein bisschen in die Zwickmühle bringt. Du zeichnest die beiden ja später auch so, dass sie ihm nicht besondern viel entgegensetzen kann. Da hätte ich es einfach toll gefunden, wenn sie da zwar nicht gesinnungsmäßig aber argumentationsmäßig wirklich ins Schleudern gekommen wäre. Aber das könnte viel viel kürzer sein als das Gespräch, in dem sich halt auch einiges wiederholt.

Hier dagegen finde ich es gut gemacht, da packt er sie nämlich an ihren eigenen Denkschablonen an.

Jano setzte sich auf. „Du checkst es nicht, oder? Ganz ehrlich, Matilda, ich hab doch auch nicht versucht, dich politisch umzubiegen. Oder?“
„Nein.“
„Warum machst du es dann? Ich bin kein Idiot, Matilda. Ich habe mir meine Meinung über lange Jahre gebildet. Du wirfst mir Vereinfachung vor, aber in Wirklichkeit tust du nichts anderes! Denkst du wirklich, ich bin rechts geworden, weil ich mal nen dämlichen Türken kennengelernt habe? Denkst du, ich werfe alles über Bord, weil ich mal bei der Mutter deiner Freundin Lahmacun esse?“
„Ich weiß nicht, was ich noch denken soll. Du musst doch sehen, wie verkehrt das alles ist.“
Ich nahm seine Hand in meine, drückte sie fest.
„Ich bin kein doofer kleiner Nazi, der mal ein paar Türken in seinem Viertel verkloppt. Damit habe ich nichts am Hut. Ich will eine neue Politikordnung schaffen, in den Menschen ein neues politisches Bewusstsein wecken! Ich will für mein Land das Beste.“

Was mir da noch einfällt, er könnte ja zum Beispiel auch irgendwann den Vorwurf machen, dass den demokratischen Hütern der Meinungsfreiheit nicht Besseres einfällt, als die NPD zu verbieten. Wo bleibt da Meinungsfreiheit? Auch das ist ein Argument von so einem Rechtgerichteten, das eine junge Frau ins Schleiudern bringen könnte.

Dass sie ihn davor einfach so überfällt mit dem Angebot, ihm zu helfen, das fanden andere ja nicht so gut, mir gefällt es gerade, weil das ihre Vorurteile so schön zeigt: Nazis sind keine Leute mit einer bestimmten politischen Botschaft, sondern arme Opfer, die nur aus "Versehen" (Familienverhältnisse, Arbeitslosigkeit ...) in eine rechte Propagandamaschine geraten sind, die man also einfach nur retten braucht. Und gerade das macht sie ja auch si wunderbar angreifbar.

Was mir überzogen vorkam, das ist seine Gewalt gegen das andere Mädchen, ich hätte es viel viel viel viel besser gefunden, er hätte die so rausgeschmissen, aber ein paar sehr verletzende Sachen gesagt, Dinge, die so richtig unter die Haut gehen. Also so eine richtig gute, verletzende fiese Rhethorik. Hätte ihn für mich abgründoger gemacht. Aber ich denke auch, das ist ganz schön schwierig, sich da was Passendes einfallen zu lassen und ich denke, es hat auch viel mit meinem Geschmack zu tun.

Und 3. das Sprachliche, nur eine Kleinigkeit, ich meine den Anfang. Ich weiß ja, du willst so einen kleinen Rahmen schaffen, der den Leser neugierig macht. Find ich auch gut. Aber den Beginn mit dem Herzen, das mag ich einfach nicht, das ist schon so dolle benutzt.
Und gerade so am Anfang finde ich es wichtig, ein schönes Bild zu erzeugen. Sonst ist mir das manchmal eher wurscht, du hast eine klare Sprache, das ist alles verständlich und nach vorne geschrieben. Hier steht die Geschichte im Vordergrund, da passen allzuviele Bildervielleicht auch nicht immer.

Also ich hab es wie gesagt noch mal sehr gerne gelesen, fand das einfach spannend und anregend, wie du das gemacht hast. Ja, hat mir (trotz der zwei inhaltlichen Kritikpunkte) verdammt gut gefallen. Spannend gemacht und halt mal was ganz anderes.
Also denn bis zum nächsten Lesen, lass es dir gut gehen.

 

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