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Copywrite Am Achensee

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10.09.2016
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Am Achensee

Mein Thema heißt Reue. Darin ballt sich das Dilemma schön. Ich weiß, der Begriff hat eine gewisse Breite, aber ich denke, das Thema könnte die Leute interessieren. Man sieht es aus der Perspektive der Betroffenen. Immerhin leiden Menschen wie Sebb darunter. Ganz egal wie oft man ihnen erklärt, dass es Unsinn ist, sie geben sich die Schuld. Ob ich so etwas selbst einmal empfunden habe – ich weiß nicht. Trotzdem glaube ich, dass ich die Richtige dafür bin. Das klingt schon irre. Aber irgendwer muss diesen Menschen ja zuhören. Ich finde, Sebb sollte aufhören, die Sache am Achensee zu bereuen. Es war eben ein Unfall. So etwas passiert.

Es gibt zwei Dinge, die Sie sich über mich merken sollen. Ich möchte, dass Sie einen Eindruck von mir bekommen; denn das ist nie verkehrt. Ganz einfach: Seit ich vierzehn bin, liebe ich Orangenshampoos, das sind Shampoos mit Orangenduft, manchmal Bergamotte. Okay. Das zweite ist ein Lippenpiercing; linke Seite, untere Lippe; wegen Tom Kaulitz damals. Aber egal. Diese zwei Dinge bescheren mir noch heute wohlige Erinnerungen an die Zeit vor etwa zehn Jahren; etwas, das Sebb unmöglich haben kann.

Wie das so ist mit alten Erinnerungen. Man hat sie und pflegt man sie nicht, werden sie fadenscheinig. Sie zerbrausen wie eine Aspirintablette in einem Glas Wasser – auch das soll schon manche Kopfschmerzen gelöst haben. Nicht aber meine. Seit sechs Jahren haben Sebb und ich nicht mehr miteinander gesprochen; es war auch schwierig zuletzt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er noch zu irgendwem Kontakt suchte. Als mir neulich die Idee mit der Reue kam, habe ich ihn angerufen. Vielleicht ist mir die Idee auch nur gekommen, weil ich gern mal wieder mit ihm sprechen wollte. Seine Stimme am Telefon klang schmaler als früher, aber auch versöhnlich.

Der Wohnblock hat zehn Stockwerke und eine violette Eingangstür. Nachdem ich Rusiok auf dem Klingelbrett gefunden habe, drücke ich zwei Mal lang. Es dauert einen Moment, dann öffnet sich die Verriegelung mit einem Bzzz. Ein Geruch wie im Bällebad beim McDonalds; ich mag es. Im zweiten Stock steht er. Sein Haar ist dünn, seitlich oberhalb der Stirn an den Schläfen zeichnen sich hohe Knöchel wie Hörner ab, er lächelt breit und schmallippig.
Mein Befinden und Getränkewunsch. Gut und Leitungswasser, sage ich und schaue mich im Flur um. Ein Paar nicht mehr weiße Turnschuhe, eine zusammengeknüllte Jacke auf dem Fußboden. Ich werfe meine dazu, um ihm zu zeigen, dass ich mich wohlfühle. Er soll Vertrauen fassen, Pacing nennen wir das. Ich imitiere Sebbs Verhalten und der hat das Gefühl, dass ich ebenso wüst lebe wie er.
Sebb lässt mich in die Küche, zieht die Tür hinter sich zu, das Einlegeglas klirrt. Er zapft ein Glas Leitungswasser, reicht es mir. Immerhin Einbauküche, denke ich – nicht neu, das riecht man – aber immerhin. Einen Tisch gibt es auch und einen Baststuhl, auf den Sebb mich mit einem Kopfnicken komplimentiert. Die Arme verschränkt, an die Anrichte gelehnt schaut er mich an.
»Und, warst du nochmal in Audorf?«, frage ich und stelle das Glas vor mich hin.
Sebb schüttelt den Kopf.
»Bin neulich wieder zum Knoller«, sage ich. »Immer noch genauso nett wie früher.«
Sebb lächelt, aber ich weiß nicht, ob er es witzig findet.
»Meine Eltern wohnen wieder in Audorf. Die ham den Biergürtel dichtgemacht. Tja, die Zeiten sind wohl vorbei. Iss’ eben so kommert, nech?«
»Schon gut, Nina«, sagt Sebb. »Du bist doch wegen was anderem hier.«
»Ja«, sage ich.
Sebbs Beine sind angewinkelt, als hätte er einen Klumpfuß.
Aus meinem Rucksack ziehe ich ein frisches Blatt Papier und einen Kuli mit dem Uni-Logo.
»Mein Thema heißt Reue«, sage ich und schreibe es oben aufs Blatt.
Ich habe angekündigt, dass ich mit ihm über früher reden will, über den Achensee und über Onkel Achim und Tante Susanna. Das waren die Zieheltern, über die leiblichen spricht man besser nicht. Nur Tonja, die Tochter von Achim und Susanna, habe ich nicht extra erwähnt. Ich dachte, das wäre schon klar.
»Was bereust du denn?«, fragt er und schmunzelt.
»Nichts«, sage ich. »Es geht ja um dich.«

Ich sehe Sebb zu, wie er sich eine rote Gauloises ansteckt mit dem Klippfeuerzeug und erinnere mich an unsere erste Zigarette hinterm Achensee. Daran wie er meinte, dass er den Schmerz beim Einatmen mag. Das habe ich nie verstanden. Ich habe gehustet und ihm die Zigarette zurückgegeben.
»Für eine Facharbeit«, sagt er.
»Ein Essay.«
»Also Uni.«
Ich nicke und schüttel den Kopf. »Für eine Studentenzeitung. Aber keine Angst, du bist da nur eine Zahl in der Tabelle.«
Sebb lacht, als hätte ich etwas Witziges gesagt.

Die Arme verschränkt erzählt er, dass er seit seinem Umzug aus Audorf ein Leben aus dem Karton führe. Ich nicke konzentriert. Das wird einmal mein Job: konzentriertes, aufmerksames Nicken. Darin bin ich gut. Meistens wiederhole ich ein Satzfragment, als sei es eine Frage.
»Der Schmerz beim Einatmen«, sagt er.
»Beim Einatmen?«, frage ich.
»Achim hat es gehasst. Er meinte immer, Schwimmer dürften nicht rauchen. Naja, den Ehrgeiz hat er auch verloren. Eigentlich hab ich immer gemacht, was er gesagt hat. Er war ja so was wie mein Vater. Dachte ich zumindest …«
»Dachtest du?«, frage ich.
»Ja, ganz anders als Susanna. Die hat mich gehasst, immer nur geguckt, wie viel ich esse. Aber Achim war wie ein richtiger Vater.«
Ein richtiger Vater, schreibe ich aufs Blatt. Dann schreibe ich Reue wegen Tonja Fragezeichen und einen Doppelpunkt.

Es ist wichtig, dass man das Gespräch lenkt; aber erzwingen kann man nichts. Manchmal hilft es, eine Melodie zu summen, die dem Klienten bekannt ist und ihn an das Schlüsselereignis denken lässt. Am Ende soll Sebb das Gefühl haben, er wäre ganz von selbst darauf gekommen. Ich weiß, dass er das Lied Somewhere Road auf dem Handy hatte und es mir ständig vorsang, danach aber nie wieder. Während er von Achim spricht und wie sie am Achensee nach Steinen tauchten, summe ich den Refrain, ganz leise zwischen den Tönen. Man kann sagen, ich gebe die Melodie vor und er singt dazu.

»Zum Glück hat Susanna so viel gearbeitet, das hat mich gerettet. Halt bis Tonja kam …«
»Wieso?«, frage ich.
»Weil wir dann nicht mehr zum Achensee gefahren sind. Erst später wieder.«
Er klopft eine Zigarette aus der Packung, steckt sie mit dem Klippfeuerzeug an.
»Mochtest du sie eigentlich?«
»Klar, warum nicht? Sie war halt noch kein richtiger Mensch.«
»Wie meinst du das?«, frage ich.
»Naja, du weißt schon. Sie hat noch nicht richtig gesprochen und so.«
»Aber deswegen ist sie doch trotzdem ein Mensch«, sage ich.
»Ja.« Er bläst einen Kegel Qualm in meine Richtung. »Stimmt schon.«

Meine Eltern sahen es nie gern, dass wir uns am Achensee trafen, der alten Audorfer Grenze. Jeder kannte Sebbs Familie. Der ganze Dreck und ständig die Polizei im Drosselweg. Nach dem Skandal, über den man besser nicht spricht, blieb ihm nur noch der Onkel. Ich schätze, außer Achim und mir hatte Sebb niemanden mehr.
»Was würdest du machen, wenn ich dir ein Geheimnis verrate?«, fragt er.
»Kommt darauf an. Interessieren würde es mich.«
»Aber du kannst es nicht in der Zeitung bringen.« Er lacht, die Stirnhörner wippen. »Du weißt genau, wie es passiert ist, oder?«
»Du hast es mir erzählt.«
»Ja, und du hast wie immer nicht zugehört«, sagt er barsch.
»Ich … warum?«
»Weil ich dir erzählt habe, dass Tonja nicht ertrunken ist, sondern ich ihren Kopf so lange unter Wasser gedrückt habe, bis keine Bläschen mehr übrig waren.«
»So ein Unsinn …«, sage ich. Ich sehe Sebb, der an der Anrichte lehnt und weiß nicht, ob er das gerade wirklich … Er steht da, lächelt kurz und schmallippig. Da sind nur Lippen, Lippen die Wörter formen: Am Achensee.

Alles, was ich geglaubt habe. Das hat er ja erzählt, aber ich habe nichts davon geglaubt. Die Ohren haben etwas übersetzt. Das habe ich zehn Jahre geglaubt. Wenn da jemals ein Gespür war. Was weiß ich? Vielleicht ist das alles eine falsche Übersetzung oder ich habe alles falsch geglaubt.
»Du hast Tonja …«, sage ich. Die Handinnenflächen schwitzen, Fingerkuppen drücken dagegen.
»Die war ja noch nich mal ganz da«, sagt er und senkt die Stimme. »Ich hab ihr den Kopf unter Wasser gedrückt, ich hab sie ja nicht erstochen oder so was.« Er hüstelt, klopft sich etwas aus der Brust. »Iss’ eben so kommert, nech? Sagst du auch immer.«
Ich beiß die Innenlippe, das Loch am Piercing. Sebb zieht sich eine Gauloises aus der Schachtel, klickt das Feuerzeug, gibt sich Feuer. Dann wirft er mir beides rüber, das Feuerzeug schlittert über den Tisch.
»Nimm«, sagt er.
»Vergiss es.«
»Ha! Siehst du?« Er hält mir die offene Hand mit der Zigarette hin. »Mischst dich gern ein, wenn ’s dir passt, spielst gern mal hilfreich – süße, unschuldige Nina. Aber nur solang 's dir nich zu ungemütlich ist.«
»Ich dachte echt …«, sage ich, bemerke ein Kratzen zwischen den Worten, eine aufgeschürfte Stelle im Hals.
»Du hast mich ignoriert, als ich in Audorf krepiert bin. Glaubst du echt, du hättest mir geholfen? Du hast uns alle in Brand gesteckt, Nina, und als es passiert ist, bist du einfach abgehauen. Die nimmt dir Achim weg, hast du gesagt, Nina. Weißt du das noch? Und dann verrat mir mal, wie stehst du dazu? Bereust du das alles nicht auch ein bisschen?«
Ich stehe auf, packe meinen Rucksack. Sebb bläst eine Wolke aus Qualm, der knorrige Schädel taucht erst allmählich wieder auf.
»Komm schon«, sagt er. »So wenig Rückgrat hast du doch gar nicht.«
»Du brauchst nicht glauben, dass du mich einschüchterst oder so. Du bist nur ein armer Teufel, Sebb.«
»Ach, wie geistreich.«
»Okay«, sage ich. »Es stimmt. Ich hab gesagt, dass dir Tonja Achim wegnimmt. Genau das wird auch passieren. Nur anders, als du denkst. Wirst schon sehen …«
»Lausige Entschuldigung«, sagt er und schnippt mit der Zigarette nach mir. »Hast du mich eigentlich nur angestiftet, um jetzt diesen Text darüber zu schreiben? Wer soll diesen Quatsch eigentlich lesen, wen interessiert das?«
Ich bin schon halb aus der Küchentür.
»Ich hab dich nicht angestiftet. Ich hab dir nur gesagt, was du hören wolltest.«
»Ciao«, sagt er und winkt mit der Zigarettenhand. Er bleibt dort stehen, wo er die ganze Zeit über stand. Hier ist er eingesperrt; dass er mich kommen und gehen lässt, wie ich will, zeigt nur, dass er mir nichts entgegenzusetzen hat.
»Achim wird es erfahren und dann gibt es wieder was in Audorf, über das man besser nicht spricht.«
Die Küchentür mit dem Einlegeglas klirrt, als ich sie hinter mir zuschlage.

Als erstes werde ich mir ein neues Shampoo kaufen. Audorf kenne ich nicht mehr; es hat sich ohnehin immer wie eine Erfindung angehört. Nichts davon wird zurückbleiben; dann bin auch ich wie neu. Die Reue ist ein scheues Tier. Aber wenn es erst einmal Vertrauen gefasst hat, dann weicht es einem nicht mehr von der Seite.

 
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Ganz ehrlich: Was für ein Kampf. Nunja, es ist ja auch das Forum dafür ... Nomen est omen. So ist das. Aber genug geschnauft!

Ich hatte das besondere Vergnügen eine Geschichte von @TeddyMaria zu copyrighten[Edit/Selbstnotiz: es heißt copywriten, merk es dir!]. Nach einigem hü und hott habe ich mich für den Text bzw. die Szene mit dem knappen, aber nicht minder schönen Titel Bindung entschieden. Ich kannte ihn nicht und seine vielen kleinen Details haben mir gefallen. In meiner Copyright-Version erweitere ich die Geschichte, indem ich das Ende in die Mitte rücke. Es hat mich einfach interessiert, wie die Situation nach dem Höhepunkt weiterlaufen könnte. Das war eine Entscheidung, die mir nicht wenig Denkstoff aufgegeben hat. Trotz der jugendlichen, früherwachsenen Protagonisten ist das eigentlich nicht mein Genre bzw. Thema. Aber darum geht es ja auch ein Stück weit. Und dass ich mich mal so ganz intensiv mit einem Text von dir, Maria, auseinandersetzen durfte, hat mich natürlich gefreut.
Aus dem Schreibprozess nehme ich erstmal ganz verschiedene Dinge mit, vor allem dass es einen gut auf den Boden bringt, sich an einer festgelegten Vorgabe mit ganz bestimmten feststehenden Elementen abzuarbeiten. Sollte man wohl mal gemacht haben :D

Edit: nach Vulkangesteins Anmerkung ist mir das auch aufgefallen. Ja, wirklich weit über die in Marias Geschichte geschilderte Szene reicht auch dieser Text nicht hinaus. Es ging darum, noch etwas von den Reaktionen danach einzufangen.

 

Gude @Carlo Zwei,
an die Geschichte kann ich mich noch gut erinnern, ich glaube es war die erste, die ich von TeddyMaria gelesen habe. Als ich daran gedacht habe, hatte ich sofort wieder das Bild von Sebbs Wohnung im Kopf. Etwas schäbig, hatte er nicht sogar einen Blumentopf, den er zum Aschenbecher umfunktioniert hat? So in etwa. Und dazu das langsam verlaufende Gespräch, in dem Nina in einer Mischung aus Einfühlsamkeit und Professionalität versucht, mit Sebb über das Thema zu sprechen.
Hier kommt mir Nina ein wenig neunmalklug vor. Ich glaube, der Eindruck ergibt sich bei mir daraus, dass sie als Erzählerin sehr aktiv ist und manipulative Tricks schildert. Am stärksten wiegt hierbei aber wahrscheinlich, dass das Gespräch insgesamt kürzer ist. Du schreibst ja, dass du dir Gedanken um das Davor und das Danach machen wolltest, weswegen eine Kürzung des Mittelteils ja sinnvoll ist, um das nicht aufzublähen. Allerdings könnte Nina für mich hier deutlich professioneller wirken, wenn sie mehr macht. Wozu auch die Vorbereitung gehören würde, denn wenn sie während des Gesprächs erst notiert:

Dann schreibe ich Reue wegen Tonja Fragezeichen und einen Doppelpunkt.
frage ich mich schon, was sie vorbereitet hat und eigentlich würde ich auch denken, dass sie diese komplexe Frage aus wissenschaftlicher Sicht zerlegen sollte. Könnte darauf eine direkte Antwort gegeben werden, wäre es ja einfach.
Andererseits könnte ich mir aber auch vorstellen, dass sie nicht ganz so professionell wirken soll, weil sie noch Studentin ist. Vielleicht soll sie auch gar nicht so positiv (kompetent) wirken, damit Sebbs Vorwurf am Ende verfängt, dass sie ihn angestiftet hätte. Und ein wenig verfängt es, schließlich schreibst du ja auch:
Hier ist er eingesperrt und dass er mich kommen und gehen lässt, wie ich will, zeigt mir nur wieder, dass er mein Schatten ist.
Womit sie in der Gedankenrede durchaus aufstellt, dass sie handelt und er nachahmt - das klingt dann für mich schon so, als würde sie seinen Vorwurf in Wirklichkeit nicht für absurd halten. Darauf setzt auch der letzte Absatz, als sie geradezu flieht.
Ich finde diese Idee sehr interessant, allerdings taucht sie für mich sehr plötzlich auf, als Sebb den Vorwurf äußert. Insbesondere die Formulierung, er sei ihr Schatten, fühlt sich für mich sehr unpassend an. Die beiden haben sich ja sechs Jahre nicht gesehen. Wenn er ihr Schatten sein soll bzw. derjenige, den sie die ganze Kindheit manipuliert hat, dann würde ich vorschlagen, das ein wenig umzustellen. Nina könnte bspw. in ihrer gedanklichen Vorrede formulieren, dass sie glaubt, Sebb gut bearbeiten zu können. Eventuell eine Kindheitserinnerung mehr, in der sie ihn lenkt. Und sie könnte ja mit dem Rauchen angefangen haben und er es von ihr übernommen haben (mit der zusätzlichen Schmerzdeutung).

So viel zum Plot an sich. Ich habe mich ein wenig gewundert, dass du schreibst, dass du bearbeiten wolltest, wie die Story nach dem Höhepunkt weiterverläuft. Aber hier endet die Geschichte ja bis auf den kurzen letzten Absatz fast an der gleichen Stelle. Soll nicht gegen das Copywrite sprechen, hab mich nur gewundert.

Was mir noch aufgefallen ist:

Birngdorf
Schwanzpfuhl
Königsloch
Malven
Biergürtel
Bolli Graben
Da kommen gerade am Anfang sehr viele Ortsnamen. Ich würde mir da mehr Übersicht wünschen. Es scheint ja zwei Orte zu geben, die zentral sind. Dazu vielleicht der typische Jugendtreff der beiden am Bolligraben. Fertig.
So habe ich einfach schnell abgeschaltet und mir gedacht: Okay, wird für die Atmosphäre wichtig sein, dass die die Sachen genau benennen, aber nicht für die Story.

Außerdem kann man es auch aus der Perspektive der Betroffenen sehen.
Den Satz habe ich nicht so richtig verstanden. Versucht man nicht häufiger, Reue aus der Perspektive der "Betroffenen" nachzuvollziehen, wobei ich das Wort hier auch seltsam gewählt finde für diejenigen, die Reue empfinden? Eigentlich hätte ich im Sinne dieser Satzkonstruktion gedacht, dass es hier um diejenigen gehen soll, die "bereut" werden. Wäre im konkreten Fall schwer, sie zu befragen. Und befragt wird ja auch Sebb.

Während er von Jüdel spricht und wie sie am Pitztidelsee nach Steinen tauchten, summe ich ihm den Refrain in die Zwischentöne.
Das ist jetzt eine gefühlsmäßige Schätzung, muss also nichts heißen. Aber ich kann mir diese Situation überhaupt nicht vorstellen. Wenn ich mich mit jemanden unterhalte und es sonst still ist und er/sie anfängt zu summen, während ich rede, höre ich auf zu reden oder bin zumindest irritiert. Zumindest erwarte ich das, könnte mich an keine konkrete Situation erinnern, wo das mal passiert ist. Vielleicht summen auch alle Menschen die ganze Zeit um mich herum und ich merke es gar nicht :silly:

Ansonsten sind da noch eine handvoll kleinerer Tippfehler drin. Hab die nicht alle mitgeschrieben, weil ich erstmal lesen wollte. Denke, aber die sind schnell gefunden, ist nichts dramatisches dabei.

Mc Donalds
Leerzeichen zu viel (auch oben beim ersten mal Bolligraben ["Bolli Graben"]).


Das war's von mir, hoffentlich in irgendeiner Form hilfreich, auch wenn es teilweise mit persönlichem Geschmack vermischt ist.


Liebe Grüße
Vulkangestein

 
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Liebes @Vulkangestein ,

danke für deinen frühen und sehr ausführlichen Kommentar. Ich weiß gar nicht, ob wir uns überhaupt schon mal so richtig begegnet sind. Freut mich auf jeden Fall, jetzt deine Bekanntschaft zu machen.

Spannend, wie viel von Marias Geschichte bei dir hängen geblieben ist und vor allem was. Das sind im Nachhinein wahrscheinlich die Bilder, von denen man sagen kann, die krallen sich einem ins Gedächtnis. Müsste man eigentlich mal kompilieren. Wurscht.
Ja, in meinem Copyright ist Niña etwas naiv, um es mal so zu nennen. Irgendwie ist sie ganz fest davon überzeugt, dass sie den vermeintlich unverschuldet Reumütigen helfen muss. Sie denkt, sie weiß ganz genau, wie sie es anstellt; dafür greift sie zu jedem psychologischen Taschenspielertrick. Finde es spannend, wie du das analysiert hast. Vor allem den Umstand, dass das Gespräch kürzer ist. Das stimmt. Du schreibst, du hättest sie gern etwas professioneller gehabt. Ich denke, ob professionell oder laienhaft (es ist ja nur für die Studentenzeitung), das Naive an ihrem Verhalten wird auf jeden Fall zum Ende der Geschichte stark infrage gestellt.
Die von dir zitierte Stelle (sie notiert sich ihre Frage während des Gesprächs) finde ich gut herausgegriffen. Stimmt schon; vielleicht ist das zu unklar, dass es hier eher ein privater Anlass ist (auch anders als in Marias Geschichte, wo es eine richtige Facharbeit werden soll). Ich hatte mir das so gedacht, dass sie sich wie Gedankenstützen baut, vielleicht weil sie merkt, dass das Gespräch so langsam wieder in ihre Richtung laufen sollte. Sie müsste die Frage dort ja gar nicht notieren; es sollte wie gesagt eine Stütze während des Denkens oder des Gesprächs sein. Naja, gut auf jeden Fall, da nochmal drüber nachzudenken.
Später schreibst du, ob sie vielleicht professionell wirkt, weil sie Studentin ist und eben so dargestellt werden soll, was ja vielleicht auch ein klischiertes Bild der unbedarften Untersemesterin bedienen würde. So habe ich das höchstens bedingt gemeint. Sie ist auf jeden Fall kein Klischee oder so. Sie hat halt auch noch so etwas Mädchenhaftes, mit ihrem Piercing und dieser Vorliebe für bestimmte Shampoos, aber sie ist nicht dumm. In gewisser Weise stellt sie sich auf jeden Fall naiver als sie ist, weswegen der Vorwurf von Sebb ja auch nicht so ganz aus der Luft gegriffen ist. Das hast du ja, wenn ich dich richtig verstanden habe, auch so geschrieben.

Dass die Idee sehr plötzlich auftaucht, ja, da gebe ich dir recht. Ich glaube, dass mit dem Schatten werde ich wieder rausnehmen. Es war der etwas faule Versuch, da noch eine dritte oder vierte Lesart einzubauen, nämlich dass Sebb in Wirklichkeit nur ein Alter Ego Niñas ist. Aber da hat es mich einfach etwas geritten. Das kommt raus. Danke auf jeden Fall fürs Fingerdraufhalten.
Dein Vorschlag allerdings setzt ja voraus, dass Sebb ganz konkret Niñas Opfer war, es also sogar in gewisser Weise stimmt, was er ihr vorwürft. Das werde ich überdenken, weil ich deinen Vorschlag (vor allem das mit dem Rauchen) wirklich gut finde. Wahrscheinlich aber werde ich diesen kleinen Punkt eher rausnehmen. Habe dir ja geschildert, wie ich es gemeint hatte.

Deine Verwunderung zu meinem Ankündigungstext kann ich sehr verstehen :Pfeif: Ich habe dazu etwas ins Edit gesetzt.

Was die Ortsnamen angeht, nunja. Dass es um die Atmosphäre ginge, könnte ich auch unterschreiben. Vor allem geht es um noch etwas anderes. Aber erst einmal zu deiner Anmerkung dazu. Ja, das stimmt, das viele und durcheinandergewürfelte, unbekannte Ortsnamen und das ist schwer zu prozessieren. Es ging mir darum eine eigene Welt im Gespräch zwischen Niña und Sebb zu schaffen, von der nicht klar gesagt werden kann, ob es nun Fiktion oder Wirklichkeit ist. Es gibt dort auch so etwas wie Dialekt ("Iss so kommert nech"). Das hört sich etwas norddeutsch an, denk ich, ist aber nichts Konkretes. Das alles soll ein bisschen auch auf die Fiktionalität dieser Geschichte und auch auf das Märchenhafte davon verweisen. Gleichzeitig mag ich es selbst nicht, wenn Storys mich da so belehren, mir das so aufdrücken: das ist jetzt so und so gemeint und das musst du dir jetzt mitdenken. Man kann das genauso gut für möglich halten, dass es solche Orte gibt. Es könnte ja vielleicht wirklich sein und dass du die Namen gar nicht auf ihre mögliche Fiktionalität angesprochen hast, die ja explizit im Text auch Erwähnung findet ("Birngdorf kenne ich nicht mehr; es hat sich ohnehin immer wie eine Erfindung angehört.") zeigt mir, dass das schon als richtige Ortsnamen und vielleicht umgangssprachliche Bezeichnungen (Biergürtel etc.) durchgeht. Es würde mich natürlich interessieren, ob es dich beim Durchlesen genervt hat. Du schreibst ja, du hättest abgeschaltet und es unter Atmosphäre verbucht. Heißt das auch, dass du abgeschaltet hast im Sinne davon, dass du der Geschichte nicht mehr gefolgt bist?
In jedem Fall danke für den Hinweis!

Den Satz (Außerdem kann man es auch aus der Perspektive der Betroffenen sehen) bzw. deine Anmerkung dazu knöpfe ich mir morgen nochmal vor. Nur so kurz, dass die Stelle Niñas Absicht darlegen sollte, das gleich narrativieren zu wollen und damit für ihre Arbeit zu nutzen. Also so etwas Ambivalentes: Sich einerseits selbst erzählen, dass man helfen will, aber irgendwie gleichsam es aus Eigennutz tun.

Die Stelle mit dem Refrain in den Zwischentönen hast du natürlich gut herausgegriffen. Ich habe da verschiedene Sachen ausprobiert, kann aber total verstehen, dass das in dieser Situation schwer vorstellbar scheint, habe mir so etwas auch gedacht. Man kann sich eben anhand dessen, was ich da geschrieben habe, nicht vorstellen, wie leise genau sie das sagt. Das werde ich nochmal anpassen.

Danke für das herauszitierte McDonalds. Tippfehler habe ich (hoffentlich) rausgeschraubt. Ich hab lange an der Story gesessen, dass sie zuletzt einfach raus musste.
Du hast auch Niña rauszitiert. Wegen des "ñ"? Falls ja: Ich fand es eben witzig ihr einen etwas anderen Namen zu geben. Ich kannte auch mal eine Niña und der Name bedeutet kleines Mädchen auf Spanisch. Ich find das eigentlich passend.

Ja, dein Kommentar war hilfreich. Vielen Dank dafür, Vulkangestein. Und bis zum nächsten Mal.

LG
Carlo

 

Gude @Carlo Zwei,
besser spät als nie :shy:

dass es hier eher ein privater Anlass ist (auch anders als in Marias Geschichte, wo es eine richtige Facharbeit werden soll).
-> Ah okay, das hab ich glaube ich nicht richtig realisiert. Würde ich vielleicht darunter verbuchen, dass ich einfach einen dahinterliegenden Text im Kopf hatte und da einfach von der gleichen Situation ausgegangen bin.

nämlich dass Sebb in Wirklichkeit nur ein Alter Ego Niñas ist.
-> Da musste ich tatsächlich kurz dran denken, als ich mir die Szene angeschaut habe :D aber ich glaube, es ist eine ganz gute Idee von dir, da etwas zu reduzieren.

dass das schon als richtige Ortsnamen und vielleicht umgangssprachliche Bezeichnungen
-> Ja, hatte ich tatsächlich unreflektiert so hingenommen :Pfeif: als ich es zusammenzitiert hatte, war mir zwar aufgefallen, dass das alles etwas komisch klingt. Aber dann hab ich mir gedacht: Ach die Norddeutschen ... ;)

ob es dich beim Durchlesen genervt hat. Du schreibst ja, du hättest abgeschaltet und es unter Atmosphäre verbucht. Heißt das auch, dass du abgeschaltet hast im Sinne davon, dass du der Geschichte nicht mehr gefolgt bist?
-> Das hatte ich etwas zu stark formuliert. Ich habe mir lediglich nicht die Namen genau gemerkt. Als Sebb dann z.B. sagt, dass er in (scrollt hoch) Bladen fast krepiert wäre, hatte ich erstmal keinen Bezug zu dem Ort. Aus dem Kontext des Satzes lässt sich dann zwar schnell rekonstruieren, dass es der Ort ist, an dem er wohl nach dem Unfall / Mord war. Deswegen finde ich die Namensmenge nicht extrem kritisch, allerdings habe ich etwas den Eindruck, dass ihre Wirkung dadurch verloren geht. Wenn es bei zwei Dörfern bleiben würde, vor und nach dem Unfall, könnten sie z.B. symbolisch für den Bruch stehen. Muss aber nicht.

Ich hab lange an der Story gesessen, dass sie zuletzt einfach raus musste.
Manchmal muss es raus. Da finde ich auch ein paar falsche Leerzeichen nicht schlimm. Sind ja schnell ausgebügelt.

Wegen des "ñ"? Falls ja: Ich fand es eben witzig ihr einen etwas anderen Namen zu geben.
Ach ich meinte, ich hätte am Anfang einmal normal "Nina" gelesen und dass es dann ein Tippfehler oder so wäre. :lol: Aber Niña find ich dann auch in Ordnung. Spricht man das nicht dann Ninia aus, so ein bisschen wie Ninja? Vielleicht sollte der Schatten doch drin bleiben ...
Okay, jetzt werde ich etwas bescheuert.

Hat auf jeden Fall Spaß gemacht, deine Gedanken zum Text zu hören. Danke dafür :shy:

Liebe Grüße
Vulkangestein

 

Die Reue ist ein scheues Tier. Aber wenn es erst einmal Vertrauen gefasst hat, dann weicht es einem nicht mehr von der Seite.

Da muss sich doch der Liebhaber des Wolfes und seiner Derivate hier gleich melden,

lieber Carlo,

denn die ahd. (mhd.) „h/riuwa“ („riuwe“) als ursprünglicher „seelischer Schmerz“ hat weniger

eine gewisse Breite
als Tiefe des im Meer des (mehr oder weniger kollektiven) Unbewussten versenkten Sprachschatzes, der je nur darauf wartet, gehoben zu werden und ich bin immer noch wie schon zu Marias Muttertext von überzeugt, dass die Namenswahl – selbst wenn sie wie hier vorgegeben wäre – ob bewusst oder nicht eine Aussage trifft, wobei sogar Ironie mitschwingt, wenn es z. B. heißt
Sebb zieht sich eine Gauloises aus der Schachtel, klickt das Feuerzeug, gibt sich Feuer …
und Sebb nicht schlicht eine Zigarette zieht, sondern dein bestimmter Markenname mit seinen (Werbe)Versprechen genannt wird, als wäre das schlichte Gemüt Sebb ein Intellektueller, dabei hat nun der „Sebb“ (Sepp, „Joseph“) gegenüber den mythischen Ursprüngen als Ziehvater Jesu, der ja mit Mutter und Kind der Bedrohung durch den Kindsmörder Herodes (mit dem Beinamen „der Große“ - der historische H. wird paranoide Züge gehabt haben, ließ er doch jeden potentiellen Thronfolger hinrichten) den alttestamentarischen Auszug nach Ägypten wiederholt, Sebb aber wird näherungsweise „teuflisch“ beschrieben, während die Icherzählerin sich als außengesteuert darstellt, dass ich mich frage, welchem Casting sie gerade entkommen ist - zB
Es gibt zwei Dinge, die Sie sich über mich merken sollen. …
oder- wie das plappernde Internet -
… ich denke, das Thema könnte die Leute interessieren.
Usw. usf.
Achja, was ich zu
Bolligraben
gedacht haben mag …

Bissken Flusenlese

Ein[en] Tisch gibt es auch und einen Baststuhl, auf den Sebb mich mit einem Winken seiner Stirnhörner komplimentiert.
Die hat mich gehasst, immer nur geguckt, wie[...]viel ich esse.

Man könnte sagen, ich gebe die Melodie vor und er singt dazu.
Warum der Konjunktiv II, wenn „können“ eh nur binäre Wertigkeit von „kann“ oder eben „kann nicht“ hat, 1 oder 0 ...

Da sind nur noch Lippen. Lippen[,] die Wörter formen: Am Pitztidelsee.

»Du brauchst nicht glauben, dass du mich einschüchterst oder so. Du bist nur ein armse[...]liger Teufel, Sebb.«

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @Carlo Zwei

dann mal auf. Ich gebe mein Bestes. ;)

Ich finde, Leute wie Sebb sollten endlich aufhören, die Sache am Pitztidelsee zu bereuen.
Das ist schief. Als wenn all diese Leute etwas am Pitztidelsee zu bereuen hätten.
Ich werde ja mit dem See und auch mit dem Titel nicht warm. Warum ist es denn gerade dieser See? Ich finde dieser Name klingt schrecklich, so albern. Du wirst dir was dabei gedacht haben, eben genau diesen See zu wählen. Ich sehs aber nicht.

Es gibt zwei Dinge, die Sie sich über mich merken sollen. Ich möchte, dass Sie einen Eindruck von mir bekommen; denn das ist nie verkehrt. Ganz einfach: Seit ich vierzehn bin, liebe ich Orangenshampoos, das sind Shampoos mit Orangenduft, manchmal Bergamotte. Okay. Das zweite ist ein Lippenpiercing; linke Seite, untere Lippe; wegen Tom Kaulitz damals. Aber egal. Diese zwei Dinge bescheren mir noch heute wohlige Erinnerungen an die Zeit vor etwa zehn Jahren; etwas, das Sebb unmöglich haben kann.
Ich finde diese direkte Ansprache eigentlich ganz cool, als würde Nina einen Vortrag halten, an der Uni zum Thema Reue.
Aber diesen Absatz finde ich unnötig. Du sagst, man solle einen Eindruck von ihr bekommen, aber welchen Eindruck vermittelt denn die Shampoomarke und der Grund für ihr Lippenpiercing? Wieso ist das wichtig für die Geschichte? Mir helfen diese zwei Dinge nicht Nina besser kennenzulernen.

Sein Haar ist dünn, seitlich oberhalb der Stirn an den Schläfen zeichnen sich hohe Knöchel wie Hörner ab
Anfangs fand ich dieses Bild gut. Später strapazierst du das allerdings über, insbesondere da sich Sebb ja auch in die teuflische Richtung entwickelt. Dann empfand ich es irgendwie zu plump. Wie der Bösewicht der teuflisch lacht.

Er soll Vertrauen fassen, Pacing nennen wir das. Man imitiert das Verhalten Sebbs und der hat dann das Gefühl, dass man ebenso wüst lebt wie er.
Mir gefällt, wie du Ninas Manipulation so offensichtlich beschreibst. Sie steht dazu, ist sogar stolz darauf.

Sebb lässt mich in die Küche, zieht die Tür hinter sich zu, dass das Einlegeglas klirrt.
Hier dacht ich kurz Sebb hätte Nina alleine in die Küche geschickt und die Tür von außen zugemacht.

reicht es mir in die Hand.
Wohin sonst?

Immerhin Einbauküche, denke ich, nippe am Glas – nicht neu, das riecht man
Iih, wie riecht denn ein nicht neues Glas? Wenn es riecht, dann ist es eher ungewaschen?

»Schon gut, Niña«, sagt Sebb.
Ich bin hier nicht davon ausgegangen, dass deine Nina Niña heisst, sondern dass es Sebbs Kosename für sie ist.

Manchmal hilft es, eine Melodie zu summen, die dem Klienten bekannt ist und ihn an die Sache am Pitztidelsee erinnert. Am Ende soll Sebb das Gefühl haben, er wäre ganz von selbst darauf gekommen.
Die ist echt ganz schön abgebrüht. Gefällt mir!

»Klar, warum nicht? Sie war halt noch kein richtiger Mensch.«
»Wie meinst du das?«, frage ich.
»Naja, du weißt schon. Sie hat noch nicht richtig gesprochen und so.«
»Aber deswegen ist sie doch trotzdem ein Mensch«, sage ich.
»Ja.« Er bläst einen Kegel Qualm in meine Richtung. »Stimmt schon.«
Gefällt mir auch die Stelle. Wie sagen die jungen Leute. Cringy.

Ich spucke in seine Richtung. Sebb nickt.
Die Reaktion finde ich unpassend. Sie spuckt? Kann ich mir genau so wenig vorstellen wie
»Vergiss es. Mit dir rauch ich keine.«
Uhh, da fährt die Nina krasse Strafen auf: Spucken und nicht miteinander rauchen. :p

das Loch am Pircing.
Piercing

»Mischt dich gern ein, wenn ’s dir passt, spielst gern mal hilfreich – süße, unschuldige Niña«, sagt er wie zu einem Kleinkind. »Du arrogante Sau!«
Du hast mich ignoriert, als ich in Bladen krepiert bin. Glaubst du, du hättest mir geholfen, indem du dich zurückziehst? Du hast uns alle in Brand gesteckt, Niña, und als es passiert ist, bist du einfach abgehauen.
Hier geht mir alles etwas schnell. Sebbs erstes Ziel ist es ja, dass Nina versteht, dass er Tonja umgebacht hat. Als sie es dann tut, steht aber etwas anderes im Vordergrund. Nämlich dass sie sich dafür entschuldigen soll, ihn danach alleine gelassen zu haben. Mir fiel es schwer Sebb zu folgen, beim ersten Lesen habe ich mich über seine Reaktion gewundert. Vllt könntest du das noch etwas mehr aufbauen, dass vllt Sebb nun versucht Nina in diese Richtung zu lenken, in die er sie haben will.

Sebb bläst eine dicke Wolke, sein knorriger Schädel taucht erst nach Sekunden wieder auf, die Stirnhöcker, ein fratzenhaftes Grinsen, das ihm die Zigarette aus dem Mund schiebt.
»Komm schon«, sagt er. »So wenig Rückgrat hast selbst du nicht.«
»Du brauchst nicht glauben, dass du mich einschüchterst oder so. Du bist nur ein armseliger Teufel, Sebb.«
Hier hast du es mit dieser Teufelssymbolik meiner Meinung nach wirklich übertrieben.

Am Ende ist von der berichtenden Erzählweise und der Ansprache an den Leser oder Zuhörer nichts mehr geblieben. Irgendwie schade. Hätte ich als Klammer ganz gut gefunden.

Ich war nach der Ankündigung, du würdest auf das Danach eingehen, auch etwas enttäuscht, denn das hätte ich auch interessant gefunden, aber wie ja Vulkangestein schon angemerkt hat, geht es ja gar nicht so viel weiter als Teddymarias Geschichte. Du erzählst ihre Geschichte in weiten Teilen nach. Neu sind eine genauere Beschreibung der Ereignisse am See, ein klares Geständnis des Teufels höchstpersönlich und eine eindeutig manipulative Nina. Ich finde, du machst das in großen Teilen auch gut, aber ich frage mich, ob mir das nicht etwas wenig ist.
Aber das ist dann wahrscheinlich eher noch mein eigenes Thema – was erwarte ich vom Copywrite? Ich bin mir da noch nicht so sicher, keine Ahnung, ob mein CW irgendetwas taugt … Aber wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann würde ich mir bei jeder CW-Geschichte etwas wünschen, das die andere irgendwie ergänzt oder in ein anderes Licht rückt, sich wie ein Puzzlestück an die andere Geschichte schmiegt.
Was ich auf jeden Fall finde, ist, dass du diese Geschichte zu deiner gemacht hast. Du hast es geschafft CarloZwei darein zu bringen, deinen Sound, obwohl der gar nicht so laut ist. Das gefällt mir.

Und du weißt ja … falls irgendetwas unklar ist … ;)

Liebe Grüße,
NGK

 

Wie das so ist mit alten Erinnerungen. Man hat sie und pflegt man sie nicht, werden sie fadenscheinig. Sie zerbrausen wie eine Aspirintablette in einem Glas Wasser – auch das soll schon manche Kopfschmerzen gelöst haben. Nicht aber meine.
[...]
»Klar, warum nicht? Sie war halt noch kein richtiger Mensch.«
...
»Naja, du weißt schon. Sie hat noch nicht richtig gesprochen und so.«

Huy – da hastu aber umgestellt und ich find‘s "gut so", und nicht nur deshalb les ich noch mal,

lieber Carlo,

wiewohl ich auf der vorherigen Schiene weiterfahren werde und der „religiöse“ Charakter – mancher wird „pseudo“ davor setzen, wird aber gleich sehen, wo die Schwäche des „Glaubens“ (ahd. „gilouben“, da schwingt auch noch so ws wie „geloben“ mit durch) liegt - hinsichtlich des Monotheismus erhalten bleibt, ist der doch eigentlich das Einfallstor des Gleichbehandlungsgrundsatzes von denen ganz oben mit denen ganz unten – denn ich hatte den Namen wohl des Jupps (wie man im Pott zum Sepp sagt), nicht aber den der Maria erwähnt, immerhin – wenn man dem Geburtsmythos glaubt – die Gottesmutter, obwohl der Schöpfer ja nur sagen muss „Licht werde!“ und hell wirds und „Licht aus“ und es wird nicht, es ist finster.

Solch ungläubiges Zeug kann ja nur einer sagen, den der Satz

Ich hatte nicht das Gefühl, dass er noch zu irgendwem Kontakt suchte
elementar ist, und die Farbe der Eingangstür
... eine violette Eingangstür
in ihrer Symbolik nicht leichtfertig gewählt wurde. Natürlich erhält Religion durch die Namenswahl
»Schon gut, Niña«, sagt Sebb.
noch eine andere Bedeutung im Ninja auf der Suche nach dem Nirwana.

Man sollte nun nicht den Namen Gottes (»das wort kann man geradezu als kennzeichen der germ. sprachen ansehen, ...« [so das Grimm‘sche Wörterbuch; http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GG22661#XGG22661] und das rückgebildete urspr. uraltgermanistische *guða verrät ja, was es eigentlich bedeutet, nur wissen wir ja auch, dass nicht jeder „gut“ findet, was der andere eben „gut“ findet) missbrauchen, aber eine gewisse Unlogik und eine gehörige Portion Politheismus steckt ja darin, wenn der Gott eines Teufels bedarf und mit Sohn und Heiligem Geist ein - wenn wir die Bibel als Grundlage des Glaubens nehmen - literarisches Quartett bildet, wenn man denn der Literatur vertrauen kann, so viel Abweichung muss sein, wenn ich jetzt behaupte) „Josef/Joseph“ (hebr.), deutsch Jupp und alles Schreibweisen des „Seppels“ (hebr. „Gott möge noch einen Sohn hinzufügen“ bis zum kurzen „Gott fügt hinzu“) spielt „Gott“ (jetzt hab ich gar nicht darauf geachtet, in welchem Stockwerk er lebt, eschreckend wäre natürlich, wenn er eine Kellerwohnung hätte). Aber der alttestamentarische Gott hätte keines Schattens oder Antipoden bedurft, denn es ist ein zürnender Gott, der auch nicht vor Massenmord (ich erinnere an die Sinai-Episode während des Auszuges aus Ägypten und den Tanz ums Goldene Kalb) zurückschreckt.

Warum erzähl ich das?
Weil unter bürgerlichen Verhältnissen die Religion von Schuld und Sühne in Schulden und Vergeltung (als Zins, obwohl Luther richtigerweise behauptet hat, Geld „kalbe“ nicht!, oder wie will man Straf/zahlung besser definieren?) umgewandelt wird und Gefängnis und Zuchthaus nach einem Wort Horkheimers in der Einzelzelle die Verwirklichung der Leibniz‘schen Monade findet. Denn das dort eine "Schand"tat geschehen ist, scheint mir nun gegeüber der ersten Fassung sicher.

Bissken Flusenlese ist nach jeder Neufassung drin, so auch hier

Nur Tonja, die Tochter von Jüdel und Susanni[,] habe ich nicht extra erwähnt.
(so nebenbei, Jüdel kann ich nur als das einordnen, als er hier bezeichnet wird, aber bei der Mutter Namen taucht die alttestamentarische "Susanne/a" (im "Bade") auf, die ja auch rechtsphilosophisch eine Rolle spielt i. S. der "unabhängigen" Zeugenbefragung. - Mein J, was soll das werden, wenn Du mal eine NOvelle schriebest ..

Meistens wiederhole ich ein Satzfragment, als sei es eine Frage.
Besser Konj. II, vllt. grundsätzlich bei „als-ob-“Situationen - so als Merksatz.
Der Konjunktiv hat übrigens nix mit der Zeitenfolge zu tun, selbst als indirekte Rede. Der Konj. II ist hingegen so was wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Mathematik und gibt das Maß zwischen richtig und falsch - also zwisch 0 und 1 an, bzw. Wahrheit und Lüge und allem Zweifel dazwischen; ist mir eigentlich weniger durch Grammatik als durch Paul Tillichs Philosphie von Potentialität und Aktualität aufgefallen, einem Theologen, der wahrscheinlich der Frankfurter Schule zugeordnet werden kann, wenn er's nicht eh immer schon war)

Während er von Jüdel spricht und wie sie am Pitztidelsee nach Steinen tauchten, summe ich den Refrain[… // alternativ ginge natürlich ein Gedankenstrich ...] ganz leise zwischen den Worten.
Er klopft sich eine Zigarette aus der Packung, steckt sie mit dem Klippfeuerzeug an.
Warum das „sich“ wenn er die Zigarette eh nicht anbietet?
»Ciao«, sagt er und winkt mit der Zigarettenhand. Er bleibt genau dort stehen, wo er die ganze Zeit über stand. Hier ist er eingesperrt und dass er mich kommen und gehen lässt, wie ich will, zeigt, dass er mir entgegenzusetzen hat.

Am Appendix fehlt was ...

So, erst mal genug und schöne Tage diese Tage wünscht der

Friedel,
der gerade mal ein grobes Gerüst für seinen Beitrag fertig hat

 

Guten Abend @Carlo Zwei

Was man unter Copywrite versteht, lässt sich unterschiedlich beantworten: das Thema des Ursprungstextes neu schreiben, den Plot, die Figurenkonstellation. Deine Copy bleibt nahe am Original, gibt dem Thema allerdings eine divergierende Wendung, wirft den Blick mehr auf die Interviewerin als auf ihn, lässt die Frage, wer Opfer, wer Täter ist, was überhaupt warum geschah, im Vergleich zum Original in einem anderen Licht erscheinen.
Die Erzählstimme gefällt mir recht gut. Ihr folge ich gern, auch weil der Tonfall sich gegen das Ende hin ändert, die Coolness verliert.
Vergleichen mag ich die Stories nicht: der von @TeddyMaria setzt andere Akzente, okay, aber beide Texte bieten eine ganze Menge, werden dem Thema gerecht. Ich glaube schon, dass beide ein wirklich gutes Niveau erreichen - sprachlich und inhaltlich.

Okay, okay, ein paar kreative Ideen hätten mir gefallen, aber wie gesagt, ist auch Ansichtssache, wie weit man sich von der Vorlage frei machen will.

Es gibt zwei Dinge, die Sie sich über mich merken sollen. Ich möchte, dass Sie einen Eindruck von mir bekommen; denn das ist nie verkehrt.
gute Einleitung, die Stimme wird sofort präsent.

Wie das so ist mit alten Erinnerungen. Man hat sie und pflegt man sie nicht, werden sie fadenscheinig. Sie zerbrausen wie eine Aspirintablette in einem Glas Wasser – auch das soll schon manche Kopfschmerzen gelöst haben.
feiner Gedankengang, interessanterweise wird mein CW sich auch mit Erinnerungen beschäftigen.

Ein Geruch wie im Bällebad beim McDonalds; ich mag es.
was'n das?

Sein Haar ist dünn, seitlich oberhalb der Stirn an den Schläfen zeichnen sich hohe Knöchel wie Hörner ab, er lächelt breit und schmallippig.
na ja, schreib doch gleich Hörner, dann zeichnest du das Bild, das die Erzählerin sieht, klarer nach

Er soll Vertrauen fassen, Pacing nennen wir das. Man imitiert das Verhalten Sebbs und der hat dann das Gefühl, dass man ebenso wüst lebt wie er.
oha, das hat sich jemand mit NLP beschäftigt...

»Was bereust du denn?«, fragt er und schmunzelt.
»Nichts«, sage ich. »Es geht ja um dich.«
gutes Beispiel für einige gelungene Dialogstellen

Das wird einmal mein Job: konzentriertes, aufmerksames Nicken. Darin bin ich gut.
auch hier: gut gezeichnet, gerade weil sie Empathie offenbar nur spielt

»Die war ja noch nich mal ganz da«, sagt er und senkt die Stimme. »Ich hab ihr bloß den Kopf unter Wasser gehalten, ich hab sie ja nicht erstochen oder so was.« Er hüstelt, klopft sich etwas aus der Brust. »Iss’ eben so kommert, nech? Sagst du auch immer.«
tja, ich habe ihr bloß die Insulinspritze nicht gereicht...

Als erstes werde ich mir ein neues Shampoo kaufen. Birngdorf kenne ich nicht mehr; es hat sich ohnehin immer wie eine Erfindung angehört.
die Erzählstimme durchläuft einen Entwicklungsprozess, stark, wie das umgesetzt wird.

So, dann mal rausschauen zum Mond, der sich einen Dreck um die Abstandsregeln schert
Liebe Grüße
Isegrims

 

Hi @Carlo Zwei

Ich war die ganze Zeit sehr aufgeregt, weil Du eine von meinen Geschichten kopierst. Schließlich bin ich doch Dein Fangirl. :lol: Und ich muss sagen, dieses Kopiertwerden fühlt sich (bisher) immer super an. Das Beste am Copywrite. Ich liebe es einfach zu lesen, wie eine andere Person meine Geschichte genau auseinander genommen, seziert hat, um etwas Eigenes daraus zu erschaffen. Und in diesem Falle: etwas Carlo-haftes. Könnte es etwas Schöneres geben?

Ich muss sagen, beim ersten Lesen war ich beschämt. Eben weil ich das Gefühl habe, "Bindung", da hätte ich noch so viel nachzubessern. Aber wahrscheinlich könnte ich es nie so toll wie Du. (Das gleiche Gefühl hatte ich letztes Jahr, als @Chutney meinen "Gedankenleseapparat" kopiert hat.) Beim zweiten Lesen war ich auch beschämt, aber aus einem anderen Grund. Wie gut Du "Bindung" beobachtet hast! Und dadurch, dass in der Figur der Nina (so unempathisch und voyeuristisch und plüschologisch und naiv, wie sie ist) so viel von mir und meinen Fehlern (aus Anfangstagen des Studiums) steckt, fühle ich mich als Mensch wirklich ertappt. Als würdest Du mich gut kennen, als hättest Du Schichten dieser Figur, von mir, der eingebildeten Studentinnenzicke, freigelegt, die ich eigentlich nicht zeigen wollte. Die Du aber gefunden hast. Das ist toll gemacht! Ich bin sehr beeindruckt davon, wie viel Du aus dieser Geschichte rausgeholt hast.

Hab trotzdem noch einen Eimer Kleinscheiß mitgebracht. Den kippe ich mal hier aus.

Ich finde, Leute wie Sebb sollten endlich aufhören, die Sache am Pitztidelsee zu bereuen.
Manchmal hilft es, eine Melodie zu summen, die dem Klienten bekannt ist und ihn an die Sache am Pitztidelsee erinnert.

Die vorherigen Kommentare habe ich höchstens überflogen, deshalb kann ich mich nur dunkel erinnern, dass es schon kritisiert wurde. Und ich mach's nochmal. Vielleicht verstehe ich ein bisschen, was Du hier willst: Allgemein über "Klienten" reden, und das Ganze trotzdem auf den konkreten Fall, auf die "Sache am Pitztidelsee", beziehen. Für mich klingt das aber seltsam. Vielleicht klappt es besser, wenn Du die "Sache am Pitztidelsee" zuvor als allgemeine Verletzung etablierst, als Bezeichnung für eine seelische Wunde, die jeder Mensch mit sich herumträgt. So ist es wohl gemeint, oder? Es fühlt sich nur noch sehr kantig, sehr schief an, rutscht mir als Leserin quer den Gedankengang herunter, und ich muss ihn selbst erst noch geraderücken.

Es gibt zwei Dinge, die Sie sich über mich merken sollen. Ich möchte, dass Sie einen Eindruck von mir bekommen; denn das ist nie verkehrt.

Die Stelle, in der Nina sich selbst beschreibt: Hm, kann man machen. Vor allem sorgt das natürlich dafür, dass Du das hier machen kannst:

Als erstes werde ich mir ein neues Shampoo kaufen.

... was ich als Ende, als Abschluss für Nina, als Symbol des Erwachsenwerdens, sehr schön fand. Am Anfang der Geschichte fand ich ihre Selbstbeschreibung allerdings seltsam. Ich weiß, sie ist eine eingebildete Ziege (das kommt an vielen anderen Stellen raus), aber wer schreibt so etwas in ein Essay? Und überhaupt, an der Stelle habe ich ein weiteres Problem mit der Geschichte: Sie beginnt als Essay, und dann verwandelt sie sich in eine klassische Kurzgeschichte. Und am Ende würde es mich wundern, wenn Nina, nachdem sie aus Sebbs Wohnung flieht, ein Essay schreibt, das so beginnt, wie die Geschichte beginnt. Mir ist völlig unklar, wo das Essay endet und die Geschichte beginnt – und warum. Und ob das Essay am Ende überhaupt so zustande kommen kann, wie es am Anfang steht. Oder ob der Anfang bloß eine Spinnerei ist?

Bin mir da unsicher. Obwohl ich es erst irritierend und nicht gut durchdacht empfinde, wenn ich länger darüber nachdenke, finde ich es cool, wie das Essay sich in Fantasie auflöst. Weil Nina von Sebb zerstört wird, bevor sie es zu Ende schreiben kann. Wie das Essay also in ihrer Vorstellung verbleibt. Vielleicht kannst Du das einfach so lassen und kannst problemlos damit leben, dass manche Leserinnen wie ich das Ganze erst wicked finden. Hm.

Ein paar nicht mehr weiße Turnschuhe, eine zusammengeknüllte Jacke auf dem Fußboden.

"Ein Paar" statt "ein paar", außer, Sebb hat mehr als zwei "nicht mehr weiße Turnschuhe" oder zwei, die nicht zusammengehören und kein Paar bilden. ;)

Ich werfe meine dazu, um ihm zu zeigen, dass ich mich wohlfühle. Er soll Vertrauen fassen, Pacing nennen wir das.

Ehrlich, ich finde es so cool, wie plumb-gemein-manipulativ Du Nina geschrieben hast. Das bringt noch viel stärker hervor, was ich schon in "Bindung" zeigen wollte: Gesprächstechniken sind leicht erlernt. Aber eine positive, wertschätzende Haltung gegenüber Menschen zu entwickeln, das ist eine jahrelange, harte Aufgabe, die alle Menschen, die mit Menschen arbeiten wollen, allein meistern müssen. Und Nina hat das nicht gemeistert, sie weiß nicht einmal, dass sie diese Haltung braucht. Sie geht super akademisch an die Arbeit mit Menschen heran. Was sie so herablassend macht. Ich finde das TOLL gemacht, Carlo. On point.

Sebb lässt mich in die Küche, zieht die Tür hinter sich zu, dass das Einlegeglas klirrt.

Diese winzigen Details, das klirrende Einlegeglas, auch das finde ich zauberhaft. Sehr Carlo-haft. Deshalb habe ich mich auf diesen Copywrite gefreut.

»Das Königsloch is’ immer noch genauso weit wie früher.«
Sebb lächelt, aber ich weiß nicht, ob er es witzig findet.
»Meine Eltern wohnen jetzt im Malven. Ham den Biergürtel dichtgemacht. Tja, die Zeiten des Gluckens sind vorbei. Iss’ eben so kommert, nech?«

Hier überhäufst Du mich mit Insidern, die ich nicht nachvollziehen kann. Ich glaube, das haben andere Kommentatorinnen auch schon diskutiert. Aber diese Stelle zeigt mir: Die beiden kennen einen Ort sehr gut, sie haben ihre Insider. Ich als Leserin kann da nicht mithalten. Für mich ist das in Ordnung.

Ich nicke und schüttel den Kopf. »Für eine Studentenzeitung. Aber keine Angst, du bist da nur eine Zahl in der Tabelle.«

Auch so eine super Psycho-Phrase. :lol: Wie oft ich das schon gesagt habe! Lovin' it! Und hier ist es leider eine Lüge, ne? Fies. Und echt unethisch. Mensch, Nina.

Das wird einmal mein Job: konzentriertes, aufmerksames Nicken. Darin bin ich gut. Meistens wiederhole ich ein Satzfragment, als sei es eine Frage.

Du weißt, warum ich das hervorhebe. Gesprächstechniken. Gut aufgepasst, Nina, 1,0.

Dann schreibe ich Reue wegen Tonja Fragezeichen und einen Doppelpunkt.

Vielleicht kannst Du das, was sie schreibt, kursiv setzen? So finde ich es ein bisschen frickelig. Die Geschichte hat schon so viele Stellen, an denen ich eben nachdenken muss, also kannst Du es hier ja zumindest etwas einfacher servieren, oder?

»Weil ich dir erzählt habe, dass Tonja nicht ertrunken ist, sondern ich sie ertränkt habe. Ich hab ihr den Kopf so lange unter Wasser gedrückt, bis keine Bläschen mehr übrig waren.«
»Du gibst dir die Schuld …«, sage ich, aber glaube kein Wort, das meine Lippen verlässt. Es zerrt, überall, ich sehe Sebb, der an der Anrichte lehnt und weiß nicht, ob er das gerade wirklich …

Hier ändert sich die Stimmung, Sebb dreht den Spieß um. Für mich geht das viel zu schnell. Vielleicht ist das auch eine Schwäche von "Bindung", aber in dieser Geschichte allein überrumpelt es mich, wie schnell sich Ninas Stimmung wandelt. Sebb sagt nur einen Satz, und ihre gesamte Attitüde fliegt auseinander. Das irritiert mich, ehrlich gesagt. Meiner Meinung nach könnte sich das langsamer aufbauen, sodass tatsächlich eine Steigerung geschieht. Kein Wendepunkt ohne irgendwelche vorherigen Anzeichen.

Alles, was ich geglaubt habe. Das hat er ja erzählt, aber ich habe nichts davon geglaubt. Die Ohren haben etwas übersetzt. Das habe ich zehn Jahre geglaubt. Wenn da jemals ein Gespür war. Was weiß ich? Vielleicht ist das alles eine falsche Übersetzung oder ich habe alles falsch geglaubt. Einfach alles.

Wobei ich diese Beschreibung von einer falschen Annahme, jahrelang nicht hinterfragt, sehr gut finde. Sehr eindrücklich gemacht.

Die nimmt dir Jüdel weg. Hast du doch gesagt, Niña. Weißt du noch? Und dann verrat mir mal, wie stehst du dazu? Bereust du das alles nicht auch ein bisschen?

Auch schön. Finde ich gut, wie Sebb ihr den schwarzen Peter zuspielt. Und unfair sind sie am Ende beide.

Das soll's erstmal von mir gewesen sein, Carlo! Du siehst, ich sehe ein paar Kanten, an denen ich mich im Text schneide, bei denen ich mir aber unsicher bin, ob das Kantige nicht in Ordnung oder sogar gut ist. Das musst Du im Endeffekt selbst wissen. Es ist ja Dein Text. :p

Vielen Dank für diese tolle Kopie!
Deine Nina (Maria)

 

Lieber Carlo,
jetzt kommt dein Copy.
Ich fand das sehr beeindruckend, wie du die Eigenheiten Ninas, die im Original durchaus angelegt sind, zugespitzt hast. Hier deine Nina ist mir persönlich ganz schön unsympathisch. Eine sehr selbstgerechte, manipulative Person, die ihrem Opfer Sebb zusetzt. Und es dann mit gleicher Münze heimgezahlt bekommt.
Im Original ist das wie gesagt angelegt, die Nina des Originals ist aber naiver, man merkt ihr den Drang an, sich unbedingt ausprobieren zu wollen, sie ist eher ungestüm und poltert dabei über Stock und Stein. Aber es ist eher was Menschliches, was da passiert. Etwas, was jedem im Leben passiert und passieren kann, wenn aus einer Bemühung etwas ganz anderes wird. Etwas Tragisches. Und wenn man festgestellt hat, dass man sich selbst belogen hat.
Hier ist das anders. Diese Nina ist manipulativ. Sie geht bewusst in diese Rolle rein, dass es ja jemanden geben muss, der den anderen zuhört. Sie zieht daraus Anerkennung und Stolz, ist narzisstisch und kreist um sich selbst und ihre Rolle in der Welt. Sie benutzt sämtliche Tricks, die sie drauf hat, spielt sie aus und sonnt sich dabei in sich selbst. Von daher hast du da auch eine Person geschaffen, die meilenweit von der naiv-tragischen Originalnina entfernt ist: Eine sehr glitzernde, schillernde junge Frau, die sich immer alles so zurechtlegt, dass am Ende sie die Siegerin ist. Nur der letzte Satz:

Die Reue ist ein scheues Tier. Aber wenn es erst einmal Vertrauen gefasst hat, dann weicht es einem nicht mehr von der Seite.
zeigt, dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat. Sie hat nicht nur Sachen zu hören bekommen, die sie gar nicht hören wollte, sie hat auch lernen müssen, dass die Reue sich doch nicht so leicht manipulieren lässt.
Tolles Ende.

Schön finde ich an deinem Text dieses offene Konzept, die ist so frech und selbstbewusst, diese Nina, die kann dreist den Laser anlabern und ihm was aufs Ohr erzählen, wer und was sie ist, und dass sie sowieso alles in der Tasche hat, Reue ist was für die anderen, denen kann man sogar noch helfen, sich keine falsche Schuld zu geben. Von daher finde ich das eine tolle und passende Klammer, wie du das Thema "Reue" einführst und entsprechend beendest.

Naja, habe ich dir schon gesagt, dass ich deine Geschichte saugerne gelesen habe? Eine Geschichte in einem speziellen Sound, mit kruden Einfällen, wie den Hörnchen oder diesen ganzen komischen Namen, die man zwar gar nicht ganz einordnen kann, aber es macht auch nichts, es glitzert und fügt sich sehr passend ein in diese eigenartige, manipulative Welt.

Viele Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

@Friedrichard

Lieber Freatl,

hab Dank für deinen Kommentar, der sich der Story von der Etymologie und, was die Motivlage betrifft, fast schon als eine Art Exegese annähert. Schön, dadurch einen Anlass zu finden, diesen Text nochmal unter so einer Hinsicht mit dir zu analysieren und ja eventuell noch etwas feinzustellen. Mal kurz zu einzelnem.

denn die ahd. (mhd.) „h/riuwa“ („riuwe“) als ursprünglicher „seelischer Schmerz“ hat weniger [Breite] als Tiefe des im Meer des (mehr oder weniger kollektiven) Unbewussten versenkten Sprachschatzes.

meinst du, ich sollte das ändern: Breite --> Tiefe? Du hast recht, es geht nur darum, ob Niña damit vielleicht etwas über sich verrät. Ich mag daran, dass es nicht so abgedroschen klingt wie Tiefe. Beides sind Metaphern, aber die eine ja sprachübergreifend (Deep-Talk; das war jetzt aber deep gesagt) zum Sprachklischee oder besser stehenden Begriff geworden. Die Breite ist überdies oberflächlicher, behauptet Überschaubarkeit.

dass die Namenswahl – selbst wenn sie wie hier vorgegeben wäre – ob bewusst oder nicht eine Aussage trifft, wobei sogar Ironie mitschwingt, wenn es z. B. heißt ... rote Gauloises ...
und Sebb nicht schlicht eine Zigarette zieht, sondern dein bestimmter Markenname mit seinen (Werbe)Versprechen genannt wird

Das finde ich super aufgespürt! Ein toller Kontrast, den ich allerdings nicht beabsichtigt hab. Sebb habe ich eigentlich nur von Maria übernommen. Ich verbinde damit Dialekt. Das passte für mich zu der gemeinsamen Herkunft der beiden (die nicht genau erläutert wird und auch etwas Fiktives hat). Er fügt sich allerdings auch gut in den religiösen Subtext, das stimmt. Aber ein Glückstreffer, gebe ich zu.

Sebb aber wird näherungsweise „teuflisch“ beschrieben

Ja. @Nichtgeburtstagskind hat treffend Stellen markiert, wo die Spur des Autors offensichtlich war. Ich habe das reduziert. Er wird auch nicht mehr Teufel genannt und auch die Stirnhörner habe ich abgebaut.

Warum der Konjunktiv II, wenn „können“ eh nur binäre Wertigkeit von „kann“ oder eben „kann nicht“ hat, 1 oder 0 ...

sehr guter Hinweis. Mann, du kennst dich einfach auch mit Verben und deren Modi so gut aus! Dieses Gespür hätte ich auch gerne. Aber ich weiß auch, dass sowas lange braucht. Vielleicht muss ich da einfach nochmal ein bisschen büffeln.

Huy – da hastu aber umgestellt und ich find‘s "gut so", und nicht nur deshalb les ich noch mal,

Dis freut mich.

So und jetzt wieder nicht mehr mit Zitaten.

Die "riuwe" ist hier bereits verschollen in fertigen Bedeutungsformaten. Niña hat keine Ahnung, wovon sie da spricht. Das ist einfach nur oberflächlich. Ich glaube, ein Stück weit musste ich das so schreiben, um nicht nur eine Geschichte über diesen Diskurs schuldig zu sein (und damit eine viel tiefgreifendere). Dadurch dass der Begriff auch lapidar gebraucht wird, nehme ich ihm etwas den diskursiven Anspruch.

Wie meintest du das mit dem Glauben als Einfallstor des Gleichbehandlungsgrundsatzes?
Empfindest du diese Religiöse Lesart als eine Art Reproduzieren monotheistischer Logik?

Danke auch für die Etymologie des guða. Das wäre mindestens der zweite hier im Unbedarften beerdigte Begriff. Du hast ein sehr gutes kulturelles, theologisches oder religionsgeschichtliches Wissen. Das ist immer gut. Hast du mal die Theogonie Hesiods oder den Physiologus gelesen? Falls nicht, hast du etwas, worauf du dich freuen kannst. Doch wahrscheinlich hast du beides gelesen. Gut, dass du nochmal die beiden (und einzigen?) Episoden der Gottesgewalt des alten Testaments, letztlich auch der Septuaginta genannt hast (? – da bröckelt mein vormals so leidenschaftlich gehortetes Wissen so langsam).

Die These von der Genealogie der bürgerlichen Schulden und Vergeltung finde ich spannend. Obwohl es beides auch zu biblischen Zeiten gab.

Die Einzelzelle als Leibniz'sche Monade. Junge, Junge. Horkheimer. Da kann ich so schnell keine profunde Antwort geben. Vor allem setzt du es ja irgendwie in Verbindung mit Schulden und Vergeltung. Ich bin verwirrt, vielleicht aber auch nur hungrig.

Wenn ich eine NOvelle schreibe, dann bekommst du sie als erstes zu lesen, hehe. Als biblische Strafe für dein angesammeltes etymologisches Wissen und das zur Namensherkunft. :baddevil:

das sich in "sich eine Zigarette aus der Packung klopfen" herauszustreichen, ist eine super Idee!

Danke für deine schönen Kommentare. Freue mich sehr auf dein Copywrite.

Gruß
Carlito

 

Er wird auch nicht mehr Teufel genannt und auch die Stirnhörner habe ich abgebaut.
was mich direkt - Wortspielerei vllt. - zur "Tiefe" führt,

lieber Carlo,

die ja nun nicht nur senkrecht ins Boden(lose) führt, sondern auch nach "hinten"(oder auch vorne) in den Raum, die Tiefe des Raumes, und da kommt dann zur Hilfe, dass meine beiden Großväter im Bergbau waren (der Kathole Bergmann, der Hugenotte Hufschmied, der 1929 aus Ostpreußen in den Pott kam, weil dort Schmiede im Bergbau gesucht wurden). Und da fällt mir die "Teufe" ein ...

Bis bald und schöne Restostern wünscht der

Friedel

 

Hey @Nichtgeburtstagskind ,

vielen Dank, dass du vorbeigeschaut hast. Und dann so ein langer und präziser Kommentar. Da werde ich mir einiges für eine Überarbeitung herausgreifen. Sehr schön.

Die erste Sache ist dieses "Leute wie Sebb sollten aufhören, die Sache am Pitztidelsee zu bereuen" – ich verstehe, dass das komisch klingt. Teddymaria hat das und die entsprechende zweite Stelle ja auch herausgeschrieben. (Die zweite Stelle: "Manchmal hilft es, eine Melodie zu summen, die dem Klienten bekannt ist und ihn an die Sache am Pitztidelsee erinnert.")
Es ist ja wahrscheinlich klar, dass das so ein rhetorischer Kniff ist. Ich fand das witzig, weil es doch zeigt, wie schnell Niña eine Beobachtung verallgemeinert. Gleichsam führt es den Pitztidelsee ein.
Wahrscheinlich werde ich es rausglätten. Das weiter auszubauen, wie Maria vorgeschlagen hat, lohnt sich, finde ich, nicht. Aber das ihr euch beide eher daran stört, als es spannend zu finden, reicht mir.

Pitztidelsee ist ja so ein Fantasiename wie Huggenrübelbrücke oder so etwas eben. Ich mag daran, dass es so einen seltsamen Kontrast erzeugt. Es ist nicht einmal wirklich lustig oder albern, sondern irgendwie seltsam. Mir gefällt, dass die beiden mit diesem Ort vertraut sind, man aber als Rezipient nicht sagen kann, ist das jetzt alles ausgedacht oder nicht.

Was diese direkte Ansprache angeht, sprichst du wieder einen Punkt an, den Maria auch nochmal aufgegriffen hat. Die Erzählposition oder Frage, wem wird das eigentlich erzählt? @TeddyMaria ist davon ausgegangen, dieser Text, also "Am Pitztidelsee", wäre Niñas Essay, den sie in der Form abdrucken will, der sich aber dann im Verlauf der Story immer weiter vom Essay entfernt. Du vergleichst das mit einem Vortrag und fragst dich, warum erzählt sie da so etwas Persönliches?
Beim Schreiben habe ich mir nur vorgestellt, sie haut das an den ersten Hörer dieser Ereignisse raus oder an einen Freund oder die Mutter. Eigentlich hängt es also an dem Wort Sie. Und wahrscheinlich mache ich ein "Du" draus. Ich denke, dann hat sich das Problem insofern erledigt, als es dann kein Vortrag mehr und nur schwerlich ein Essay sein kann. Ich glaube nicht, dass man bei einer Ansprache mit "Du" die Perspektive am Ende ganz auflösen müsste, also dieses "Du", was dann ja wirklich die RezipientIn ist. Novak hat geschrieben, dass sie die Offenheit des Erzählkonzeptes schön und es frech findet, dass Niña den Erzähler direkt anspricht. Das würde ja erhalten bleiben und ich denke, dass ist es, was da rüberkommt. Danke für den richtigen Hinweis, auch wenn ich eventuell andere Konsequenzen daraus ziehe.

Finde interessant, dass dir Lippenpiercing und Shampoo keinen Eindruck von ihr vermitteln. Ich finde, dass da total die Teeny-Niña durchscheint, die sie ein Stück weit immer noch ist. Aber es sind wirklich nur zwei kleine Details.

Sehr danken will ich dir für den Hinweis mit Sebb. Ja, diese Teufelssache wurde später etwas offensichtlich. Das habe ich reduziert. Es dürfte jetzt auf jeden Fall subtiler sein. Sehr guter Hinweis.

Auch mal pars pro toto vielen Dank für die vielen kleinen Hinweise. Davon werde ich in der nächsten größeren Bearbeitung einiges einflechten, wenn ich es nicht schon gemacht habe.

Habe mich sehr gefreut, dass du auch Stellen rausgeschrieben hast, die dir gefallen :)

Die »krassen Strafen«, die du, finde ich zurecht, irgendwie etwas lasch fandest, wenn ich dich richtig verstanden habe – die habe ich rausgekickt. Vielen Dank auch dafür!

Dieser schnelle Wechsel am Ende wird die größte Baustelle bei der Überarbeitung. Um ehrlich zu sein hatte ich damit auch nicht so ein optimales Gefühl. Das knöpfe ich mir vor.

Vielleicht (wahrscheinlich!) gibt es auch noch die Möglichkeit, dieses Ansprachehafte am Ende nochmal aufzugreifen. Danke. Auch das finde ich einen sehr guten Hinweis.

Mit den Erwartungen ans CW hast du sicher irgendwo auch recht. Naja ... da rede ich mich einfach damit raus, dass das ja mein erstes Mal ist und man soll ja auch anfangs kleine Brötchen backen, jaja :p

Liebe Grüße und vielen Dank nomma!
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Carlo Zwei ,

Zuerst habe ich deine Geschichte gelesen, weil ich glaubte, mich an @TeddyMaria gut zu erinnern. Von wegen! Das Rekapitulieren hat sich gelohnt. (Und das ist der Reiz beim Copywrite: beide Texte zu kennen.) Ich wusste schon noch, dass die Protagonistin eine kleine manipulative Person mit reichlich Geltungsbedürfnis ist.
Durch den Kniff, die Erzählperspektive zu drehen, bringst du mir die Prota zwar näher, was aber nicht heißt, dass sie mir sympathischer wird. Im Gegenteil. Die folgenden schlagwortartigen Kommentare beleuchten den für mich vorherrschenden Aspekt. In der Realität treten sie meistens gemischt auf.

Mein Thema heißt Reue. Darin ballt sich das Dilemma schön. Ich weiß, der Begriff hat eine gewisse Breite, aber ich denke, das Thema könnte die Leute interessieren.

Ob ich so etwas selbst einmal empfunden habe – ich weiß nicht. Trotzdem glaube ich, dass ich die Richtige dafür bin. Das klingt schon irre. Aber irgendwer muss diesen Menschen ja zuhören.

Arroganz und wie sich am Schluss zeigt, Selbstüberschätzung

Seit ich vierzehn bin, liebe ich Orangenshampoos, das sind Shampoos mit Orangenduft, manchmal Bergamotte. Okay. Das zweite ist ein Lippenpiercing; linke Seite, untere Lippe; wegen Tom Kaulitz damals. Aber egal. Diese zwei Dinge bescheren mir noch heute wohlige Erinnerungen an die Zeit vor etwa zehn Jahren; etwas, das Sebb unmöglich haben kann.

Eitelkeit und Drang zur Selbstdarstellung, Egozentrik

Wie das so ist mit alten Erinnerungen. Man hat sie und pflegt man sie nicht, werden sie fadenscheinig.

Seit sechs Jahren haben Sebb und ich nicht mehr miteinander gesprochen; es war auch schwierig zuletzt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er noch zu irgendwem Kontakt suchte. Als mir neulich die Idee mit der Reue kam, habe ich ihn angerufen.

Ausbeutung

. Ein Paar nicht mehr weiße Turnschuhe, eine zusammengeknüllte Jacke auf dem Fußboden. Ich werfe meine dazu, um ihm zu zeigen, dass ich mich wohlfühle. Er soll Vertrauen fassen, Pacing nennen wir das. Man imitiert das Verhalten Sebbs und der hat dann das Gefühl, dass man ebenso wüst lebt wie er.

Macht, besonders subtil eingesetzt

»Bin neulich wieder zum Schwanzpfuhl«, sage ich. »Das Königsloch is’ immer noch genauso weit wie früher.«
Sebb lächelt, aber ich weiß nicht, ob er es witzig findet.

Mit den Ortsnamen habe ich Schwierigkeiten. Sie sind wohl erfunden. Ich versuche, sie zu deuten. Teiweise finde ich sie schlüpfrig. Da wäre dann noch eine neue Ebene in der Bindung zwischen den beiden angetiggert.

»Was bereust du denn?«, fragt er und schmunzelt.
»Nichts«, sage ich. »Es geht ja um dich.«

Da geht Sebb endlich mal in die Offensive. Ein gefangenes Tier beißt.

»Für eine Facharbeit«, sagt er.
»Ein Essay.«
»Also Uni.«
Ich nicke und schüttel den Kopf. »Für eine Studentenzeitung. Aber keine Angst, du bist da nur eine Zahl in der Tabelle.«
Sebb lacht, als hätte ich etwas Witziges gesagt.

Fieses Klassendenken, Herablassung

Es ist wichtig, dass man das Gespräch lenkt; aber erzwingen kann man nichts.

Mein Fazit: Dieser (späteren) Psychologin möchte ich nicht ausgeliefert sein.

»Ha! Siehst du?« Er hält mir die offene Hand mit der Zigarette hin. »Mischt dich gern ein, wenn ’s dir passt, spielst gern hilfreich – süße, unschuldige, kleine Niña. Aber nur, wenn 's dir nicht zu ungemütlich is.«

Der Protagonist braucht kein falsches Mitleid.

»Komm schon«, sagt er. »So wenig Rückgrat hast du doch gar nicht.«
»Du brauchst nicht glauben, dass du mich einschüchterst oder so. Du bist doch eigentlich gar nicht mehr da, Sebb.«

»Ich hab dich nicht angestiftet. Ich hab dir nur gesagt, was du hören wolltest.«

Angst, Feigheit

Ohje, was für ein erschreckendes Psychogramm. Da bleibt die eigentliche Frage, was geschieht denn nun mit dem Geständnis? Schließlich gibt es hier kein Beichtgeheimnis. Das CW ist aber auch kein Krimi. Ich kann mit dem offenen Schluss ganz gut leben.

Lieber Carlo, die Aufgabe hast du aus meiner Sicht sehr gut gelöst. Ein Text, der ganz aus den Dialogen lebt, das ist nicht einfach. Ich selber mag psychologische Spurensuche.

Ich erinnere mich an die Geschichte von Georg Britting, Brudermord im Altwasser. Der Text gilt als eine der frühesten Kurzgeschichten in Deutschland und stand sogar in den (west-deutschen) Lesebüchern ...
Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Lieber @Carlo Zwei,

ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen, da komme ich sonst gar nicht mehr hinterher.
So bekommst du zwar sicher einiges nochmal gesagt, aber auch noch einen unverfälschten Leseeindruck, ist ja auch nicht verkehrt.

Mein Thema heißt Reue.
Der erste Satz baut gleich Spannung auf: Wer sagt das, und warum Thema, und warum Reue … Und schon stecke ich mittendrin und werde von deiner Niña vollgequasselt und muss aufpassen, dass ich nicht noch nicke und ihr recht gebe, weil sie so ein Manipulationstalent ist.
Ja, hast du echt gut hingekriegt, das Mädel.
Außerdem kann man es auch aus der Perspektive der Betroffenen sehen.
Ich verstehe das "außerdem" nicht richtig, um welche Perspektive könnte es denn noch gehen?
Menschen wie Sebb leiden immerhin wegen der Sache am Pitztidelsee.
Klingt komisch, zu verallgemeinert. vllt: leiden wegen solchen Sachen wie der am Pitztidelsse - was auch nicht schön klingt, sich für mich aber sinnvoller anfühlt. Apropos Pitztidelsee - als Titel hat mich das ehrlichgesagt gar nicht angemacht … Auch die ganzen anderen Namen, alle durch die Bank, Sübbeldei und Jüdel und Susanni - ich frage mich, warum du die so brauchst? :eek: Bzw., warum ich nicht verstehe, dass die so sein müssen. Weil die eigentliche Geschichte sich ja gar nicht albern ist, sondern subtil und hintergründig. Ich finde das schade, aber ich schätze, es liegt an mir. Denn dass du dir dabei etwas gedacht hast, kann ich mir natürlich auch vorstellen.
Trotzdem glaube ich, dass ich die Richtige dafür bin. Das klingt schon irre. Aber irgendwer muss diesen Menschen ja zuhören.
Eine wirklich arrogante kleine Tussi!
Es gibt zwei Dinge, die Sie sich über mich merken sollen. Ich möchte, dass Sie einen Eindruck von mir bekommen; denn das ist nie verkehrt.
Eine von sehr sich eingenommene Labertasche ...
Er soll Vertrauen fassen, Pacing nennen wir das. Man imitiert das Verhalten Sebbs und der hat dann das Gefühl, dass man ebenso wüst lebt wie er.
"imitiert das Verhalten Sebbs" klingt natürlich schräg, und ich hätte da jetzt fast wieder etwas dazu gesagt, aber inzwischen glaube ich, es ist tatsächlich Ninas pseudo-psychologische Redeweise ... Da kannst du gar nichts dafür, oder?
einen Baststuhl, auf den Sebb mich mit einem Winken seiner Stirnhörner komplimentiert.
So beweglich stelle ich mir die Hörner jetzt allerdings nicht vor. Klingt für mich, als hätten die Hörner ein Gelenk. Vielleicht Nicken?
»Warst du nochmal in Birngdorf?«, frage ich und stelle das Glas vor mich hin.
Sebb schüttelt den Kopf.
»Bin neulich wieder zum Schwanzpfuhl«, sage ich. »Das Königsloch is’ immer noch genauso weit wie früher.«
Warum? Birngdorf z.B. ist doch der Leseflusskiller schlechthin! :sealed:
Sebbs Beine sind eingeknickt, als hätte er etwas an den Füßen, einen Klumpfuß, passend zu den Hörnern auf der Stirn.
Ich fände es subtiler, wenn du die Hörner an dieser Stelle ganz weglässt. Die Klumpfuß-Idee finde ich gut, aber das Bild mit den eingeknickten Beinen, dass die dann so aussehen wie ein Klumpfuß, passt auch noch nicht ganz. (Mir fällt auf die Schnelle aber jetzt auch nichts anders ein.)
»Was bereust du denn?«, fragt er und schmunzelt.
»Nichts«, sage ich. »Es geht ja um dich.«
Gute Stelle!
Eine Handvoll Erinnerungen sind es, die mir von Sebb geblieben sind.
Das klingt jetzt, als wäre Sebb längst tot.
Ich nicke konzentriert. Das wird einmal mein Job: konzentriertes, aufmerksames Nicken. Darin bin ich gut. Meistens wiederhole ich ein Satzfragment, als sei es eine Frage.
Das macht sie ganz prima!
Manchmal hilft es, eine Melodie zu summen, die dem Klienten bekannt ist und ihn an die Sache am Pitztidelsee erinnert.
Ja, wieder so eine schräge Stelle (sprachlich), die eigentlich nur Nina zugeschrieben werden kann … Wenn nicht, müsstest du es ändern!
Man kann sagen, ich gebe die Melodie vor und er singt dazu.
Ja, das macht sie ziemlich gut.
Die Reue ist ein scheues Tier. Aber wenn es erst einmal Vertrauen gefasst hat, dann weicht es einem nicht mehr von der Seite.
Ich denke, sie wird auch Niña nicht mehr von der Seite weichen.
Den Schluss finde ich sehr gut, der rundet das Ganze perfekt ab.
Obwohl es eigentlich kaum neue Handlungselemente gibt, ist dir durch den Einblick in die Gedankenwelt deiner Niña ein spannendes Copywrite von TeddyMarias Geschichte gelungen!
(Bis auf die Namen :D) habe ich das wirklich sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße von Raindog

 

Hey Leute, vielen vielen Dank für die wunderbaren Kommentare. Gerade bin ich unter einem dicken Haufen Arbeit verschüttet, melde mich aber spätestens Morgen und dann sukzessive. Möchte mir für diese schönen Kommentare Zeit nehmen ...
Eine erste größere Überarbeitung ist durch und nimmt bereits ganz verschiedene Anregungen auf. Die märchenhaften, vielleicht etwas albernen Bezeichnungen habe ich rausgenommen. Diese Änderungen muss ich sicher erstmal noch sacken lassen, aber momentan bin ich ganz zufrieden damit.

Bis morgen bzw. bis die Tage!

 

Hallo @Carlo Zwei,
ganz, ganz kurz: Mir gefällt das sehr gut, dass du die eigentliche Geschichte jetzt sozusagen freigelegt hast und das ganze Dummdideldei entfernt. Ich hoffe, du bleibst auch bei deiner momentanen Zufriedenheit damit, liebe Grüße

 

Hallo @Carlo Zwei!

Bin etwas irritiert: Ich habe die Kommentare gelesen und die beschreiben eine manipulative Nina (@Novak, @Nichtgeburtstagskind) Empfand ich gar nicht so. Ja, echt, sie kommt mir sympathisch vor. Ich sehe hier eher eine übereifrige Studentin, die ihr gelerntes Wissen anwenden will. Naiv, eher, naiv-professionell. Aber vielleicht habe ich auch ungenau gelesen.

Auch das in ein wirklich schöner, interessanter, vielleicht sogar "höflich" geschriebener Text von dir. Vieles ist schon gesagt - andererseits frage ich mich dann, was ich Dir noch sagen oder schreiben kann; ich kann dir nur ein paar subjektive Eindrücke vermitteln und wenn ich die Reaktionen, die Kommentare hier immer lese, denke ich so: Wow, das hat "kommentatorische Tiefe". Daher kann ich dir leider nur meine stoische Alltags-Plausibilität bieten und ein paar Gedanken aufschreiben, Dinge, die auffallen und ich beginne mit dem ersten Ding: Dem See:

Am Achensee

In deiner ersten Version hieß der doch Pitztidelsee? Naja, ehrlich gesagt fand ich den ersten Titel besser. "Achensee" mag phonetisch leichter auszusprechen sein und passt klangbildlich besser in die Sätze; andererseits - und dieses andererseits überwiegt meiner Ansicht nach - unterstelle ich dem Namensgeber des Achensees eine gewisse "bajuwarische Phantasielosigkeit". Ein See, eine Ache. Ah - Achensee! Klingt beliebig.

Vielleicht kannst du noch ein, zwei Sätze zum Achensee schreiben. Schade, der See darf Namensgeber sein und sonst hatte er das Glück, geographischer Zeuge der "Sache" zu sein. Passierte die Sache im Frühjahr? Blühte schon der Bärlauch oder nicht, wurde der Waldmeister giftig, hatte der örtliche Seebetrieb seine Boote tannengrün lackiert oder lag der See ruhig unter Nimbostratuswolken? Unterschätze sie nicht, die limnologisch-literarische Kraft! :-D Okay, ich mag schräge Fachbegriffe.

Ich finde, Sebb sollte aufhören, die Sache am Achensee zu bereuen.

Vielleicht besser "vom Achsensee"? Achensee steht im Titel, von der Lokalität spannt sich deine Geschichte. Testreihe: Die Sache am Bahndamm. Die Sache am Tiergarten. Die Sache am Talerwald. Na, nee, bin weiterhin für "vom Achensee".

So viel zum See. Jetzt zum Textanfang:

Mein Thema heißt Reue [...] Seine Stimme am Telefon klang schmaler als früher, aber auch versöhnlich.

Mir gefällt das richtig gut. Ich sehe Nina in Schwarzweiß, auf einem Stuhl und sie erzählt. Ja, könnte in eine therapeutische Richtung gehen ... aber, ja @Carlo Zwei, du kannst das einfach, diese Eröffnungszüge eines Textes, ohne letztere zu überfrachten und zum Eröffnungsende bleibt ein Muster (hier - die Sache am Achensee). Das wirkt geschliffen, trotz deines "Textkampfkrampfes" (sprich das mal schnell aus, übles Ding :-D ), von dem du erzählt hast. Auch den Übergang in die Story, vom Monolog zum Dialog, ist dir gut gelungen. Klar, da bleibt ein kleiner Bruch, aber der ist nicht der Analyse wert.

Zum Anfang fragte ich mich, ob Ninas Monolog stärker an ihre Denkweise angepasst werden sollte. Wer denkt denn so geschliffen? Andererseits schreibst du ja einen literarischen Text und die Verfremdung der Fiktionalität im Namen des Textflusses sehe ich nicht als problematisch an. -wiederum andererseits folgt im dritten Absatz eine an die Umgangssprache angepasste Aussage Sebbs:

»Meine Eltern wohnen wieder in Audorf. Die ham den Biergürtel dichtgemacht. Tja, die Zeiten sind wohl vorbei. Iss’ eben so kommert, nech?«

Natürlich, ein kleines Detail, aber warum spricht denn Sebb umgangssprachlicher als Nina denkt?

Drittes Ding, besser Punkt: Nina.

Ich stelle mir Nina folgendermaßen vor: Nett. Studiert, hat ein ganz angenehmes Ordnung-Chaos-Verhältnis in ihrer Wohnung (gut, es schimmelt nichts im Kühlschrank, aber benutzte Teller werden nicht sofort aufgewaschen). Ganz solide im Studium. Abitur 2,3 . Angenehm normaler, unaufgeregter Freundeskreis, vielleicht nicht die, über die andere auf Festivalanreisen reden. Entwicklungspsychologisch recht nah an den Mittelwerten. Pflegt ihr Haar mit Kokosshampoo, und freut sich sehr auf Sommerkleider. Wählt Grüne. Völlig aufgeregt beim Stechen des Piercings als Akt jugendlicher Normrebellion. Mittelständische Familie mit Nutzgarten und Tulpen, die nie aufgehen wollen. Seminarteilnahme "Gewaltfreie Kommunikation" Anders gesagt: Sympathisch, ich hätte sie gedatet :-D

Manipulativ? Nein, überhaupt nicht, ich sehe hier keine manipulative Persönlichkeit. Oder ich bin zu naiv (wurde mir schon oft gesagt), daraus folgt:

Viertes Ding: Diese naive Professionalität Ninas

Sebbs Beine sind angewinkelt, als hätte er etwas an den Beinen, einen Klumpfuß vielleicht.
Aus meinem Rucksack ziehe ich ein frisches Blatt Papier und einen Kuli mit dem Uni-Logo.
»Mein Thema heißt Reue«, sage ich und schreibe es oben aufs Blatt.

Für mich eine zentrale Stelle. Denn was macht Nina in diesem Moment? Sie redet über die "Sache vom Achensee", reagiert aber ungewohnt naiv-professionell. Professionell, weil: Papierblock, Uni. Hier wird die Sache empirisch verarbeitet. Oder zumindest vernunftgeleitet. Sie beginnt mit einer Technik, die aus einem Kommunikationsseminar stammen könnte (Verbalisieren Sie Ihren Konflikt pointiert und positionieren Sie zentriert auf kariertem Papier!). Naiv, weil: Sie ist in dem Konflikt mittendrin. Sie steht nicht außen vor der Glasscheibe und notiert Feldbeobachtungen, sie ist involviert und glaubt, durch so eine blöde Kommunikationstechnik den Konflikt einhegen zu können. Und glaubt noch, dass ginge Sebb gegenüber ... interessant, schöne Stelle, die hier auch:

»Was bereust du denn?«, fragt er und schmunzelt.
»Nichts«, sage ich. »Es geht ja um dich.«

»Für eine Facharbeit«, sagt er.
»Ein Essay.«
»Also Uni.«
Ich nicke und schüttel den Kopf. »Für eine Studentenzeitung. Aber keine Angst, du bist da nur eine Zahl in der Tabelle.«
Sebb lacht, als hätte ich etwas Witziges gesagt.

Es ist wichtig, dass man das Gespräch lenkt; aber erzwingen kann man nichts. Manchmal hilft es, eine Melodie zu summen, die dem Klienten bekannt ist und ihn an das Schlüsselereignis denken lässt. Am Ende soll Sebb das Gefühl haben, er wäre ganz von selbst darauf gekommen. Ich weiß, dass er das Lied Somewhere Road auf dem Handy hatte und es mir ständig vorsang, danach aber nie wieder. Während er von Achim spricht und wie sie am Achensee nach Steinen tauchten, summe ich den Refrain, ganz leise zwischen den Tönen. Man kann sagen, ich gebe die Melodie vor und er singt dazu.

Die Nina will wieder professionell sein. Schöne Stelle. Vielleicht entsteht hier die manipulative Deutung, muss aber sagen: Ein solches Verfahren ist Alltag. Absoluter, trister, therapeutisch, pflegerischer, psychologischer Alltag. Nina wirkt auf mich eher wie ein Mensch, der Sozialpädagogik studiert und endlich mal das Wissen aus dem Kurs "Klientenzentrierte Verfahren" anwenden will. Mehr nicht.

Meine Eltern sahen es nie gern, dass wir uns am Achsensee trafen, der alten Audorfer Grenze. Jeder kannte Sebbs Familie. Der ganze Dreck und ständig die Polizei im Drosselweg.

So, jetzt zum fünften Punkt, dem Geständnis(?) Sebbs. Eine knifflige Situation. Ich bin nicht ganz mitgenommen - glaubt Nina Sebb überhaupt? War es ein Mord oder nicht? Ich glaube, Nina glaubt ihm nicht. Anders kann ich mir diesen Versuch Sebbs, ihr eine Form von Schuld zuzuschreiben, nicht erklären. Da reagiert jemand massiv. Aber wie gesagt, so 100-prozentig kam ich da nicht mit, mag aber auch an begrenzten kognitiven Reserven nach Arbeiten liegen. Kein Plan :-)

***

So, @Carlo Zwei, mehr habe ich nicht dazu. Bin etwas irritiert, weil ich die Geschichte einfach anders gelesen habe. Vielleicht auch zu ungenau, vielleicht habe ich mich festgebissen an der einen oder anderen Deutung, aber wie gesagt, ich lese das einfach anders. Wirklich schönes Ding von dir :-)

Lg
kiroly

 

Hey Isegrims,

irgendwer hat mir mal ins Ohr geflüstert, man soll keinen Text mit einer Entschuldigung anfangen. Ob das auch für Kommentare gilt? Egal ... tut mir leid, dass ich mich so spät melde, mir ist vor ein paar Tagen ein unberechenbares Stück (Mehr-)Arbeit zugeflogen. Da sagt man nicht nein ...
Dafür jetzt ein besonders herzliches Dankeschön für deinen ausführlichen Kommentar. Habe mich sehr darüber gefreut, mal wieder einen Eindruck von dir zu einem meiner Texte zu bekommen. Danke für das vorgeschickte Lob und ja, dieses Copywrite bleibt schon sehr an der Vorlage, was die Handlung angeht.

Vielen Dank für die vielen Stellen, die du rausgeschrieben hast. Ich bin gespannt, wie dein CW sich so liest. Erinnerungen. Ja, das ist ein Dauerbrenner.

Witzig, da hast du recht. Das Pacing ist Bestandteil des NLP (Wiki). Findet sich aber auch neben vielen anderen zwielichtigen Gesprächstaktiken in einschlägigen Internetartikeln. Ob das wirklich funktioniert? Wer weiß. Es dürfte jedenfalls auf Dauer recht anstrengend und irgendwie auch dissoziativ werden.
Freut mich btw., dass dir die zitierten Dialogstellen zusagen. Hätte nicht gedacht, dass die herausstechen. Freut :-)

Das mit dem Entwicklungsprozess ist so die Sache. Ich finde das schwierig, weil das ja immer so gleich ins Denken der Person überschlägt. Insofern behauptet man da als Autor eine ganze Menge: Das Nervosität oder Zerstreutheit das Denken in bestimmter Weise verändert etc. Ich wollte zeigen, dass sie das alles verwirrt und die Begegnung diesen naiven Helferglauben in gewisser Weise zerschlägt.

Danke für deinen Kommentar Isegrims und bis zu deiner Story! :-)
Carlo

 

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